I. Landgericht I Berlin
II. Kammergericht daselbst
Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat sich die Kl., nachdem sie ihn dem Warenhause der Beklagte bereits verschiedene Einkäufe gemacht hatte, in das Linoleumlager begeben, um einen Linoleumteppich zu kaufen. Sie erklärte dies dem Handlungsgehilfen W., der dort bediente, und suchte aus den von diesem vorgelegten Mustern dasjenige heraus, in welchem sie den Teppich zu haben wünschte. W. setzte, als er die von der Klägerin bezeichnete Rolle hervorholen wollte, zwei andere Rollen etwas beiseite. Die Rollen fielen um, trafen die Klägerin und ihr Kind, die näher getreten waren, und rissen beide zu Boden. Der Kauf des Teppichs ist nicht zustande gekommen, weil die Klägerin, wie sie sagte, durch den Sturz in zu große Erregung geraten war.
Ohne
Rechtsirrtum nimmt das Berufungsgericht ein Verschulden W.'s an dem Unfalle der
Klägerin an, weil er die Rollen, die wegen ihres verhältnismäßig geringen
Umfanges keine genügende Standfestigkeit hatten, ohne Sicherung beiseite
gestellt habe, statt ihnen eine seitliche Stütze zu geben oder sie schräg an
die Wand zu lehnen, obwohl er hätte voraussehen können, dass sich die Klägerin
nach der Gepflogenheit des laufenden Publikums dem Aufbewahrungsplatze der
Waren, deren Vorlegung sie erbeten hatte, nähern werde. Die Auffassung des
Berufungsgerichts wird durch den einfachen Rückschluss bestätigt, dass die
Rollen, wenn W. sie mit Bedacht und ordnungsgemäß beiseite gestellt hätte,
nicht umgefallen sein würden.
Die
Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagte für das Verschulden W.'s aus
§ 278 BGB hafte, ist entgegen der Rüge der Revision rechtlich nicht zu
beanstanden und steht mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats im
Einklange. W. war in Vertretung der Beklagten (§ 164 BGB, § 54 HGB) in
Kaufunterhandlungen mit der Klägerin getreten. Die Klägerin hatte um Vorlegung
eines Linoleumteppichs ersucht, den sie ansehen und kaufen wolle. Dem Ersuchen
ist W. nachgekommen, um einen Kauf zustande zu bringen. Antrag auf Vorlegung des
Teppichs und Annahme des Antrags bezweckten die Hervorbringung eines Kaufs, also
eines rechtsgeschäftlichen Erfolges. Dies war kein bloß tatsächlicher
Vorgang, wie ihn etwa eine reine Gefälligkeitshandlung darstellen würde,
sondern es entstand ein den Kauf vorbereitendes Rechtsverhältnis zwischen den
Parteien, das einen vertragsähnlichen Charakter trägt und insofern rechtsgeschäftliche
Verbindlichkeiten erzeugt hat, als dem Verkäufer wie dem Kauflustigen die
Pflicht erwuchs, bei der Vorlegung und der Besichtigung der Ware die gebotene
Sorgfalt für die Gesundheit und das Eigentum des andern Teils zu beobachten.
Von
ähnlichen Grundsätzen sind schon die Urteile des erkennenden Senats in den
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 65 S. 17m Bd. 66 S. 402
ausgegangen, und in der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist in zahlreichen
Entscheidungen anerkannt, dass sich aus einem Vertrags- und Schuldverhältnis
Sorgfaltspflichten für Leben und Eigentum des Gegners ergeben können, die mit
der rechtlichen Natur des Verhältnisses im engern Sinne nichts zu tun haben,
jedoch aus seiner tatsächlichen Gestaltung notwendig folgen.
Vgl.
außer den angeführten Urteilen Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen
Bd. 55 S. 335, Bd. 73 S. 148, Juristische Wochenschrift 1904 S. 358 Nr. 10, S.
484 Nr. 6; Rep. VI. 113/06, VI. 215/07, VI. 17/10.
Die
Beklagte hat sich W.'s zur Erfüllung der bezeichneten Verbindlichkeit dem
Kauflustigen gegenüber bedient, ist daher für sein Verschulden verantwortlich.
Der Rechtsgedanke des § 278 BGB trifft hier durchaus zu, dass wer selbst eine
Leistung schuldet, die er mit der erforderlichen Sorgfalt zu bewirken hat, dann,
wenn er hierzu einen Gehilfen verwendet, für die sorgfältige Leistung des
Gehilfen einstehen muss, und dass ebenso der andere, dem gegenüber die Leistung
zu bewirken ist, nicht schlechter gestellt sein darf, weil der Gegner sie nicht
selbst ausführt, sondern sie einem Gehilfen übertragen hat. Es würde dem
allgemeinen Rechtsempfinden widerstreiten, wenn in Fällen, wo der Geschäftsangestellte
beim Vorzeigen oder beim Vorlegen von Waren zur Besichtigung, zum Verkosten, um
einen Versuch zu machen und dgl. Den Kauflustigen durch Unvorsichtigkeit schädigt,
der Geschäftsinhaber - mit dem der Kauflustige den Kauf hat abschließen wollen
- nur nach Maßgabe des § 831 BGB und nicht unbedingt haftet, der Verletzte
also beim Gelingen des Entlastungsbeweises an den zumeist mittellosen
Angestellten verwiesen würde.
Auf die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, dass schon durch den Eintritt eine Kauflustigen oder gar eines Besuchers ohne bestimmte Kaufabsicht in ein Warenhaus ein Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Warenhausinhaber geschlossen werde, das die mehrerwähnten Sorgfaltspflichten zum Gegenstand habe, braucht hier nicht eingegangen zu werden.