1. Ist die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme wegen finanzielle Überforderung für alle Bürgen und Mithaftenden nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen?
Gilt dies auch für vor dem 1. Januar 1999 geschlossene Verträge?
2. Ist eine Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme bei krasser finanzieller Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden auch ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände grundsätzlich sittenwidrig und daher nichtig?
Liegt eine solche krasse finanzielle Überforderung vor, wenn der Bürge oder Mithaftende bei Übernahme der Verpflichtung voraussichtlich allein nicht in der Lage sein wird, auch nur die vertraglich vereinbarten Zinsen zu entrichten?
3. Stellt es grundsätzlich einen angemessenen Interessenausgleich dar, wenn der finanziell krass überforderte Bürge oder Mithaftende aus dem Kredit mittelbare Vorteile erlangt, oder sind nur unmittelbare Vorteile zu berücksichtigen?
1. Ist die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme wegen finanzieller Überforderung für alle Bürgen und Mithaftenden nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen?
Gilt dies auch für vor dem 1. Januar 1999 geschlossene Verträge?
2. Ist eine Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme bei krasser finanzieller Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden auch ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände grundsätzlich sittenwidrig und daher nichtig?
Liegt eine solche krasse finanzielle Überforderung vor, wenn der Bürge oder Mithaftende bei Übernahme der Verpflichtung voraussichtlich allein nicht in der Lage sein wird, auch nur die vertraglich vereinbarten Zinsen zu entrichten?
3. Stellt es grundsätzlich einen angemessenen Interessenausgleich dar, wenn der finanziell krass überforderte Bürge oder Mithaftende aus dem Kredit mittelbare Vorteile erlangt, oder sind nur unmittelbare Vorteile zu berücksichtigen?
Die Parteien streiten über die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin aus einem Darlehen über 360.000 DM, das die beklagte Bank 1981 dem inzwischen geschiedenen Ehemann der Klägerin, einem Architekten, im Zusammenhang mit der Sanierung des ihm allein gehörenden Wohn- und Geschäftshauses eingeräumt und für das die Klägerin mit formularmäßiger Erklärung die unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung übernommen hat.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Klägerin 32 Jahre alt und Mutter eines zwei Jahre alten Kindes. Sie arbeitete seit 1976 als kaufmännische Angestellte im Architektenbüro ihres damaligen Ehemannes und verdiente zuletzt monatlich rund 1.650 DM netto. Ferner war sie Eigentümerin eines bebauten und eines unbebauten Grundstücks in H. Das auch von den Eheleuten bewohnte Hausgrundstück hatte einen Verkehrswert von rund 700.000 DM und war mit Grundschulden über 500.000 DM und 1.076.320 DM belastet. Die monatlichen Mieteinnahmen betrugen 350 DM. An dem unbebauten Grundstück waren Grundschulden über 50.000 DM und 100.000 DM bestellt. Es besaß einen Verkehrswert von ca. 130.000 DM und war für 180 DM im Monat vermietet.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hatten verheiratete Darlehensnehmer die gesamtschuldnerische Haftung zu übernehmen. Außerdem mußte jeder Ehepartner eine Selbstauskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen. Das Darlehen wurde durch eine Grundschuld auf dem Hausgrundstück des damaligen Ehemannes der Klägerin gesichert, das nach einem Wertgutachten aus dem Jahre 1980 einen Verkehrswert von rund 720.000 DM hatte und bereits mit einer Grundschuld über 620.000 DM belastet war.
Im September 1983 kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag wegen Zahlungsrückständen fristlos. Kurze Zeit darauf wurde über das Vermögen des damaligen Ehemannes der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet. Bei der Zwangsversteigerung seines beliehenen Wohn- und Geschäftshauses fiel die Beklagte mit einer Restforderung von fast 420.000 DM aus. Im Jahre 1987 wurden schließlich auch die Grundstücke der Klägerin zwangsversteigert.
Die Sozialhilfe beziehende Klägerin ist vor allem der Auffassung, ihre Mithaftungsübernahme sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, jedenfalls aber im Hinblick auf die Ehescheidung im Jahre 1993 nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erloschen.
Die Beklagte, die bereits einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid über einen Teilbetrag von 5.000 DM erwirkt hat, hält dem in erster Linie entgegen, die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder erkennbar finanziell leistungsunfähig noch geschäftlich unerfahren gewesen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe des Vollstreckungsbescheides und die Feststellung, daß sie der Beklagten keinerlei Zahlungen aus dem Darlehensvertrag schuldet.
Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie den Klageabweisungsantrag weiter.
II.
Der Beklagten steht nur dann ein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zu, wenn die unbeschränkte Mithaftung nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist und die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Anwendung finden.
Beide Fragen hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zur sogenannten Ehegattenbürgschaft beantwortet. Diese Rechtsprechung ist zwar für die nach dem 1. Januar 1999 übernommenen Bürgschaften neuerdings insoweit modifiziert worden, als der Gläubiger nunmehr dem Interesse an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen zwischen den Eheleuten durch eine vertragliche Haftungsbeschränkung eindeutig Ausdruck verleihen muß (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2330); für die sogenannten Altfälle wie den vorliegenden bleibt es aber dabei, daß eine solche Zweckrichtung in der Regel "die alleinige rechtlich tragbare Grundlage" (BGHZ 134, 325, 329) für die unbeschränkte Bürgenhaftung bildet. Die neuere Rechtsprechung des IX. Zivilsenats wirft außerdem für Alt- wie für Neufälle erhebliche Zweifelsfragen hinsichtlich der Beurteilungsmaßstäbe für die Sittenwidrigkeit von Bürgschafts- und sonstigen Mithaftungserklärungen auf, die im Interesse der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer abschließenden Klärung bedürfen. Der XI. Zivilsenat hält deshalb eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen über die im Beschlußtenor niedergelegten Fragen für erforderlich (§ 132 Abs. 4 GVG).
III.
1. Der IX. Zivilsenat hat bisher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß für die Frage der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften mittelloser Kinder des Hauptschuldners einerseits und Ehegatten oder Lebensgefährten sowie naher Verwandter bzw. vergleichbarer Personengruppen andererseits unterschiedliche Kriterien gelten.
a) Bei Bürgschaftserklärungen von Kindern für die Geschäftsverbindlichkeiten ihrer Eltern hat der IX. Zivilsenat die Sittenwidrigkeit der unbeschränkten Bürgschaft grundsätzlich bereits dann bejaht, wenn die übernommene Verpflichtung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen weit übersteigt, der Bürge bei Vertragsschluß nicht geschäftserfahren war und die Verpflichtung aus Hilfsbereitschaft gegenüber den Eltern oder zwar aus einem gewissen Eigeninteresse, aber ohne Einbindung in das finanzierte Projekt und die Investitionsentscheidung übernahm (BGHZ 125, 206, 210 ff.; Urteil vom 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2195). Dies beruht zum einen darauf, daß im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Überforderung - anders als bei Ehegatten - keine sogenannte Gesamtbetrachtung vorgenommen wurde, bei der geprüft wird, ob der oder die Bürgen gemeinsam mit dem Hauptschuldner voraussichtlich in der Lage sind, die Darlehensschuld zu tilgen. Vielmehr gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung, bei der das wirtschaftliche Leistungsvermögen des Hauptschuldners und anderer Sicherungsgeber außer Betracht zu bleiben hat (Urteil vom 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2196 f.). Zum anderen ist nach Auffassung des IX. Zivilsenats zu vermuten, daß die Eltern das mittellose Kind unter Verstoß gegen ihre familiäre Rücksichtnahmepflicht im Sinne des § 1618 a BGB zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt haben und die Bank das rechtlich mißbilligenswerte Verhalten der Eltern bei Vertragsschluß kannte (BGHZ 125, 206, 214 f.; Urteil vom 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2195 f.).
Das Interesse der Bank, sich vor Vermögensverlagerungen vom Kreditnehmer auf seine Kinder zu schützen, hat der IX. Zivilsenat als Rechtfertigung für die Übernahme einer umfassenden Haftung nicht ausreichen lassen, sondern sie auf eine "dieses spezifische Risiko betreffende vertragliche Regelung" verwiesen (Urteil vom 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2196). Darüber hinaus hat er bei Bürgschaften finanziell überforderter Kinder ein mittelbares Interesse an der Kreditaufnahme wegen erhöhter Erbaussichten für unerheblich gehalten (BGHZ 125, 206, 211).
b) Demgegenüber hat der IX. Zivilsenat für Ehegattenbürgschaften unter Heranziehung des Gedankens der Schicksals- und Wirtschaftsgemeinschaft § 138 Abs. 1 BGB für unanwendbar erklärt, wenn das Vermögen und Einkommen beider Ehepartner voraussichtlich zur Tragung der vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsraten ausreicht (BGHZ 132, 328, 339; Urteile vom 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 522 und vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1046). Ferner ist er in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß ein Ehegatte die geforderte Bürgschaft im Zweifel in freier Selbstbestimmung übernimmt (BGHZ 128, 230, 233 f.) und daß daher grundsätzlich nur unzulässige und dem Gläubiger zurechenbare Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit oder andere besonders belastende Umstände die Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB auslösen (BGHZ 132, 328, 329 f. m.w.Nachw.).
Indessen hat der IX. Zivilsenat diese Rechtsprechung neuerdings modifiziert und hervorgehoben, daß sich eine finanziell krass überforderte Ehefrau oder Verlobte im Zweifel nur aufgrund emotionaler Bindung an den Hauptschuldner auf das unbeschränkte Mithaftungsbegehren einläßt und die Bank die schwächere Verhandlungsposition des Vertragsgegners gewöhnlich in anstößiger Weise ausnützt (BGHZ 136, 347, 351 und Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2328). Auch dieser Lösungsansatz führte jedoch in der Regel nicht zur Sittenwidrigkeit, weil das Interesse der Bank an einem Schutz vor Vermögensverlagerungen selbst bei einer eindeutigen finanziellen Überforderung des Bürgen anerkannt wurde (BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 333 f.; 134, 325, 328; 136, 347, 353; Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2328). Außerdem soll bei Ehegattenbürgschaften für Geschäftskredite des Ehepartners bereits das mittelbare Interesse des Bürgen am Kredit wegen der zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen die Sittenwidrigkeit entfallen lassen, sofern der Vertragsschluß nicht mit unzulässigen Mitteln herbeigeführt wurde (BGHZ 128, 230, 233 f.; Urteile vom 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 und vom 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465, 466).
Da der IX. Zivilsenat danach nur selten zur Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages kam, hat er, schon um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 214, 229 f., 233 f.; NJW 1994, 2749, 2750) zu genügen, die erzielten Ergebnisse mit Hilfe der Vertragsauslegung sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben korrigiert und dem in keine Vermögensverschiebung verstrickten leistungsunfähigen Ehepartner in Anlehnung an die Rechtsfigur des pactum de non petendo ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht zugebilligt. Außerdem wurde dem Ehegatten nach Auflösung der Ehe mit dem Darlehensempfänger unter Heranziehung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage trotz wirksamer Begründung des Bürgschaftsvertrages die Möglichkeit einer Befreiung von der Bürgschaftsschuld eröffnet (BGHZ 128, 230, 235 ff.; 132, 328, 332 ff.; 134, 325, 328 ff. m.w.Nachw.).
Diese Grundsätze hat der IX. Zivilsenat in seiner weiteren Rechtsprechung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften (Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465, 466), auf Verlobte (BGHZ 136, 347, 350), auf Geschwister mit "vergleichbar engen persönlichen Beziehungen" (BGHZ 137, 329, 335; Beschluß vom 24. Februar 1999 - IX ZB 2/98, WM 1999, 681, 683, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), auf die Beziehungen zwischen Base und Vetter (Urteil vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046) sowie auf die Bürgschaftserklärung eines mit dem Hauptschuldner persönlich verbundenen Strohmann-Gesellschafters (BGHZ 137, 329, 337) übertragen; sogar die Anwendung auf eine finanziell überforderte Gemeinde wurde erwogen (BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 120/97, WM 1998, 976, 979).
2. Der XI. Zivilsenat ist demgegenüber in ständiger Rechtsprechung (BGHZ 120, 272, 275; 134, 42, 48; 135, 66, 69; Urteile vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315 und vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1023) davon ausgegangen, daß die Kriterien, nach denen die Sittenwidrigkeit von Mithaftungsvereinbarungen zu beurteilen ist, für alle Gruppen von Bürgen und sonstigen Mithaftenden einheitlich sein müssen. Dabei hat er es stets abgelehnt, das Interesse der kreditgewährenden Bank an einem Schutz vor Vermögensverlagerungen bei einem unbeschränkten Mithaftungsbegehren als einen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Umstand anzuerkennen (BGHZ 134, 42, 49 m.w.Nachw.; 135, 66, 68). Er hat ferner von Anfang an die Auffassung vertreten, daß bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch des Ehepartners keine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, sondern allein dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse maßgebend sind (BGHZ 120, 272, 276 und Urteil vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1023). Schließlich wurden im Rahmen der Interessenabwägung grundsätzlich nur die dem finanzschwachen Mithaftenden aus dem Darlehen unmittelbar zugeflossenen geldwerten Vorteile berücksichtigt (Urteile vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315; BGHZ 120, 272, 278; vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024; BGHZ 134, 42, 49 f. und vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366, 2367). Daran wird in allen Punkten festgehalten.
3. Die vom IX. Zivilsenat aufgestellten Grundsätze führen - zumindest für die sogenannten Altfälle - zu Wertungswidersprüchen und erheblicher Rechtsunsicherheit.
a) Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei Kindern des Hauptschuldners andere Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen nahen Angehörigen oder bei Dritten. Die Mithaftung wird in allen Fällen zur Absicherung gegen eine Insolvenz des Hauptschuldners übernommen. Deshalb ist es bereits im Ansatz verfehlt, bei Ehegatten auf das gemeinsame Leistungsvermögen von Hauptschuldner und mithaftendem Partner abzustellen. Vollends unverständlich wird diese vom Normalfall abweichende Betrachtungsweise durch die Übertragung der für die Ehegattenbürgschaft entwickelten Grundsätze auf Geschwister und sonstige mehr oder weniger nahe Angehörige. Daß Vettern und Basen einander näherstehen als Eltern und Kinder, läßt sich weder dogmatisch noch genetisch noch auch nur empirisch herleiten. Da im übrigen klare Grundsätze für den Kreis der dem Ehepartner gleichzustellenden Personengruppen fehlen, führt die unterschiedliche Behandlung von Kindern und sonstigen Angehörigen zwangsläufig zur Konturlosigkeit und Beliebigkeit.
b) Dasselbe gilt für die Berücksichtigung des Interesses der kreditgewährenden Bank an der Verhinderung von Vermögensverschiebungen. Schon der Ausgangspunkt, daß die Wahrscheinlichkeit solcher Verlagerungen der Haftungsmasse in einer Ehe größer ist als im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, ist wenig überzeugend. Jedenfalls ist die mehr oder weniger große abstrakte Gefahr kollusiven Zusammenwirkens zwischen Hauptschuldner und Mithaftendem kein hinreichender Grund für unterschiedliche Kriterien bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer finanziellen Überforderung des Mithaftenden durch eine von solchen Praktiken unabhängige gegenständlich unbeschränkte Einbindung in das unternehmerische Risiko des Hauptschuldners. Im übrigen führt auch hier wieder die Übertragung der für Ehegatten entwickelten Grundsätze auf andere Angehörige zu unhaltbaren Ergebnissen: Es kann sicher keine Rede davon sein, daß die Wahrscheinlichkeit von Vermögensverschiebungen zwischen Verwandten in der Seitenlinie größer ist als zwischen Eltern und ihren direkten Abkömmlingen. Damit fehlt jede Berechtigung, die Mithaftung von Geschwistern oder von Vettern und Basen bei einem noch genauer zu definierenden Grad der gegenseitigen Zuneigung unter dem Blickwinkel des § 138 Abs. 1 BGB anders zu beurteilen als bei Kindern, die für den einem Elternteil gewährten Kredit einstehen sollen. Ebenso liegen die Dinge bei der (nachträglichen) Festlegung des angeblich in Wahrheit gewollten Haftungsumfangs. Selbst innerhalb des Anwendungsbereichs der Ehegattenbürgschaft sind die vom IX. Zivilsenat gewonnenen Ergebnisse inkonsistent. Ein einigermaßen klarer Wegfall der Gefahr von Vermögensverschiebungen läßt sich - wenn man die Möglichkeit der Wiederheirat außer Betracht läßt - nur für den Fall der Ehescheidung annehmen. Alle anderen Personengruppen, auf die die Grundsätze für die Ehegattenbürgschaft übertragbar sein sollen, können sich nicht in vergleichbarer Weise endgültig von der Mithaftung befreien.
4. Die hier vertretene Betrachtungsweise wird im Ergebnis für nach dem 1. Januar 1999 abgegebene Bürgschaftserklärungen nunmehr auch vom IX. Zivilsenat geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Gesichtspunkte auch auf Altfälle anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditgeber nicht klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloße Hereinnahme der Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern mußten.
Diese Begründung für die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats auf Altfälle überzeugt nicht.
Es kann offenbleiben, inwieweit das Vertrauen auf eine höchstrichterlich geklärte Rechtslage schutzwürdig ist (vgl. dazu BGHZ 73, 266, 272; 132, 119, 131 f.). Eine solche Situation ist nicht gegeben. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen ist erstmals als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) allein vom IX. Zivilsenat im Bürgschaftsrecht berücksichtigt worden (BGHZ 128, 230, 234 f.); er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315; BGHZ 120, 272, 278 f.) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat bis in die Gegenwart daran festgehalten, daß allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49 m.w.Nachw.; 135, 66, 69). Von einer höchstrichterlich geklärten Rechtslage kann also keine Rede sein. Im übrigen betrifft keine der bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Frage der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft oder sonstigen Mithaftungsvereinbarung einen Fall, in dem Vermögensverschiebungen tatsächlich eine Rolle gespielt hätten. Durch die Rechtsprechung des XI. und im Ergebnis auch durch die des IX. Zivilsenats sind den Kreditinstituten deshalb nur Titel verwehrt worden, aus denen ohnehin nicht vollstreckt werden könnte. Soweit nach der neueren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats (vgl. BGHZ 134, 325, 328 ff.) der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverlagerungen jetzt auch dazu dient, die Haftung des finanziell überforderten Bürgen trotz wirksamer Begründung des Bürgschaftsvertrages inhaltlich auf den Fall der Vermögensverschiebung zu begrenzen, ist für den als notwendig angesehenen Vertrauensschutz der Kreditwirtschaft von vornherein kein Raum.
IV.
Zwischen dem IX. und XI. Zivilsenat besteht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung Einigkeit darüber, daß eine Bürgschaft oder Mithaftungsvereinbarung auch ohne Hinzutreten besonders belastender und dem Gläubiger zurechenbarer Umstände gegen die guten Sitten verstößt und daher nichtig ist, wenn ein Fall krasser finanzieller Überforderung vorliegt und der Mithaftende kein erkennbares eigenes persönliches bzw. wirtschaftliches Interesse an der Kreditaufnahme hat. Wann diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, bedarf allerdings nach Auffassung des XI. Zivilsenats einer abschließenden Festlegung durch den angerufenen Großen Senat.
1. Der XI. Zivilsenat hat in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 314 und BGHZ 135, 66, 70) das Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Ehegatten oder nahen Angehörigen davon abhängig gemacht, daß dieser bei Abgabe der Mithaftungserklärung mit seinen eigenen Mitteln auf absehbare Zeit keine nennenswerten Tilgungsleistungen erbringen und nicht einmal die vertraglich vereinbarten Zinsen bezahlen konnte. Demgegenüber ist nach mehreren Entscheidungen des IX. Zivilsenats eine krasse finanzielle Überforderung speziell bei Ehegattenbürgschaften zu bejahen, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen voraussichtlich nicht ausreichen, innerhalb von fünf Jahren - gerechnet ab Fälligkeit der Bürgschaftsforderung - ein Viertel der Bürgschaftssumme (Hauptschuld) abzudecken (BGHZ 136, 347, 351; Beschluß vom 24. Februar 1999 - IX ZB 2/98, WM 1999, 681, 683, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Dieser Betrachtungsweise vermag sich der XI. Zivilsenat nicht anzuschließen. Vielmehr ist eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden dann anzunehmen, wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einmal in der Lage ist, die vertraglich geschuldeten Zinsen aufzubringen.
Die vom IX. Zivilsenat ursprünglich zur Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. dazu BGHZ 132, 328, 338; 134, 325, 332; BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465, 467) entwickelte Formel (sogenannte 25%-Grenze) bietet in der vorliegenden Frage keine tragfähige Entscheidungsgrundlage. Abgesehen davon, daß sowohl die 25%-Grenze als auch die Fünfjahresfrist in ihrer empirischen Herleitung alles andere als überzeugend sind, steht das Abstellen auf die Hauptforderung auch dogmatisch in unüberbrückbarem Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung der Tilgungsreihenfolge in § 367 Abs. 1 BGB. Etwaige Zahlungen des Mithaftenden werden nicht auf die Hauptschuld, sondern zunächst auf Kosten und Zinsen angerechnet. Dieser - nur für Verbraucherkreditverträge durch § 11 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG modifizierten - rechtlichen Ausgangslage trägt die Betrachtungsweise des XI. Zivilsenats weit besser Rechnung: Reicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mithaftenden nicht einmal aus, die vorab zu bedienenden Zinsen aufzubringen, und besteht deshalb für ihn keine Aussicht, sich jemals aus eigener Kraft von der Schuldenlast zu befreien, so liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor. Dies läßt es gerechtfertigt erscheinen, dem Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, daß die unbeschränkte Mithaftung im wesentlichen aus eigennützigen Motiven übernommen wurde.
2. Bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer krassen finanziellen Überforderung zu bejahen sind, ist allein auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Bürgen oder sonstigen Mitverpflichteten abzustellen.
Zwar ist die Ehe im Verhältnis der Ehegatten untereinander eine Schicksals- und Risikogemeinschaft, sie ist jedoch keine Solidargemeinschaft, die im Außenverhältnis ein Einstehen für die Verbindlichkeiten des Partners erwarten läßt (Senatsurteil, BGHZ 135, 66, 71 m.w.Nachw.). Dieser Grundsatz wird durch eine Gesamtbetrachtung in sein Gegenteil verkehrt. Die Annahme, daß auch die Einbindung eines finanziell krass überforderten Ehepartners in die Haftung grundsätzlich nicht zur Sittenwidrigkeit führt, wenn neben ihm ein - scheinbar - wirtschaftlich potenter Hauptschuldner vorhanden ist, bürdet dem Mithaftenden das Risiko einer wesentlichen Verschlechterung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder einer fehlenden Leistungsbereitschaft des anderen auf. Die Mithaftung wird regelmäßig für den Fall der Insolvenz des Hauptschuldners vereinbart. Auf diesen Fall ist deshalb bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten abzustellen. In späteren Entscheidungen des IX. Zivilsenats wird deshalb auch bei Ehegattenbürgschaften keine Gesamtbetrachtung mehr vorgenommen, sondern richtigerweise allein die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen beurteilt (BGHZ 134, 325, 327; 136, 347, 351; Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f.).
3. Ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eigenes Vermögen des Mithaftenden vorhanden, so ist dieses unter Beachtung der banküblichen Gepflogenheiten zu berücksichtigen. Da die Bank die geforderten dinglichen Sicherheiten grundsätzlich vor der Hereinnahme auf ihre Werthaltigkeit hin überprüft, muß sie von sich aus entsprechende Ermittlungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des künftigen Vertragsgegners anstellen. Hat sie von solchen Nachforschungen abgesehen, insbesondere den Betroffenen nicht zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit befragt, muß sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (BGH, Urteile vom 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54 und vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329). Diese Auffassung wird vom XI. Zivilsenat geteilt.
Bei der Bewertung des unbeweglichen Vermögens des Mithaftenden sind etwaige dingliche Belastungen zu berücksichtigen. Die gegenteilige Ansicht des IX. Zivilsenats (Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69), nach der sogar bis zum Verkehrswert belastete Grundstücke des Bürgen grundsätzlich einen "potentiell erheblichen Vermögenswert" darstellen, vermag nicht zu überzeugen. Die lediglich potentielle Werthaltigkeit von Vermögen - insbesondere Grundvermögen -, das zur Zeit der Haftungsmitübernahme wegen anderweitiger Belastungen keinen realen Sicherungswert hat, ist kein hinreichender Grund, die Sittenwidrigkeit einer gegenständlich unbeschränkten Mithaftung des im übrigen leistungsunfähigen Eigentümers ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Sicherungswert im Zeitpunkt des Sicherungsfalls zu verneinen. Die gegenteilige Ansicht führt - wie der hier zu entscheidende Fall zeigt - zu einer persönlichen lebenslangen Verschuldung des Eigentümers gerade in den Fällen, in denen sich die Hoffnungen des Gläubigers, auf das derzeit über den Verkehrswert hinaus belastete Vermögen später zugreifen zu können, nicht erfüllt haben. Dem vom IX. Zivilsenat zutreffend als schutzwürdig angesehenen Interesse des Gläubigers, dem Zugriff anderer Gläubiger unterliegende Vermögensgegenstände als künftige eigene Sicherheit in den Haftungsverband einzubeziehen, kann durch geeignete Vertragsgestaltungen Rechnung getragen werden.
4. Grundsätzlich ist bei der Feststellung der finanziellen Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden auch zu berücksichtigen, ob der Hauptschuldner für den ausgereichten Kredit eine oder mehrere dingliche Sicherheiten bestellt hat.
Insoweit hat der IX. Zivilsenat (BGHZ 136, 347, 352 f.) ausdrücklich klargestellt, daß hinsichtlich des Risikos, das der Bürge eingeht, vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen ist, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch die Rechte des Bürgen aus § 776 BGB abbedungen sind und nicht sichergestellt ist, daß er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird. Dagegen kann trotz eines Nominalbetrages der Bürgschaftsverpflichtung, der jedes vernünftige Maß übersteigt, eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen zu verneinen sein, sobald er im Hinblick auf die übrigen dem Gläubiger gewährten Sicherheiten davor geschützt ist, aus der Bürgschaft in einem Maße in Anspruch genommen zu werden, das völlig außer Verhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht (BGHZ 136, 347, 352; Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2328). Als Konsequenz aus diesen Entscheidungen ist im Ergebnis festzuhalten, daß anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie das Haftungsrisiko des Bürgen oder Mithaftenden in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken.
5. Bei der Beurteilung der Frage, ob die unbeschränkte Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme wegen krasser finanzieller Überforderung gegen die guten Sitten verstößt, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Auf eine tatsächliche Vermutung, daß die zur Zeit der Inanspruchnahme besseren Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen voraussehbar waren, vermag sich der Kreditgeber grundsätzlich nicht zu berufen.
Die Frage der finanziellen Überforderung ist nach den Verhältnissen bei Vertragsschluß zu beurteilen. Der XI. Zivilsenat hat daher darauf abgestellt, ob insbesondere aufgrund der Schul- und Berufsausbildung oder anderer erwerbsrelevanter Fähigkeiten des Betroffenen eine begründete Aussicht auf eine alsbaldige wesentliche Verbesserung der finanziellen Leistungsfähigkeit bestand (BGHZ 120, 272, 276; 135, 66, 70 und Urteil vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366).
Dagegen hält es der IX. Zivilsenat grundsätzlich für sachgerechter, die Zukunftsprognose jedenfalls dann auf den Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Bürgschaftsschuld auszurichten, wenn bis dahin kein ungewöhnlich langer, außerhalb jeder Erwartung liegender Zeitraum vergangen ist (BGHZ 132, 328, 334 f.; wohl auch Urteil vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 nicht abgedruckt; anders dagegen Urteile vom 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54 und vom 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 522). Liegt bei Fälligkeit der Bürgschaft Leistungsfähigkeit vor, so spricht seiner Auffassung nach eine tatsächliche Vermutung dafür, daß dies im Zweifel bereits bei Bestellung der Bürgschaft voraussehbar war (BGHZ 132, 328, 335 f.). In der Entscheidung vom 8. Oktober 1998 (IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.) hat der IX. Zivilsenat allerdings diese Rechtsprechung modifiziert und betont, daß ein später eingetretener Vermögenserwerb nicht als vorhergesehen vermutet wird, sondern daß er - genauso wie das Interesse des Gläubigers an einem Schutz vor Vermögensverschiebungen - durch vertragliche Vereinbarung zum Haftungszweck gemacht werden muß. Nur noch hinsichtlich einer künftigen Einkommensverbesserung soll also offenbar eine tatsächliche Vermutung gelten. Auch dem vermag der XI. Zivilsenat nicht zu folgen.
Die Annahme einer tatsächlichen Vermutung für die Vorhersehbarkeit der finanziellen Verhältnisse des Bürgen oder Mithaftenden im Zeitpunkt seiner tatsächlichen Inanspruchnahme verlagert im Endeffekt die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von dem eigentlich maßgebenden Vertragsschluß auf die allein vom Gläubiger bestimmte Geltendmachung seiner Rechte. Die genannte Einschränkung der Vermutung bei späterem Vermögenserwerb zeigt, daß dies jedenfalls dort auch nach Ansicht des IX. Zivilsenats zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Warum das bei unerwarteter Verbesserung der Einkommensverhältnisse anders sein sollte, ist nicht einzusehen. Nimmt ein Gläubiger einen Mitverpflichteten in Anspruch, der zur Zeit der Haftungsübernahme finanziell krass überfordert war, so hat er darzulegen und zu beweisen, daß die Einbindung in die Haftung ausnahmsweise wegen einer zu erwartenden Verbesserung der finanziellen Lage dieses Mitschuldners wirtschaftlich sinnvoll war. Er wird diese Erwartung bei kaufmännisch korrekter Vorgehensweise in den Kreditunterlagen niedergelegt haben. Es besteht deshalb kein Anlaß, ihm zu Lasten eines wirtschaftlich Schwächeren bei der Darlegung und dem Beweis seiner eigenen Vorstellungen Erleichterungen zuzubilligen.
V.
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse des Bürgen bzw. sonstigen Mithaftenden an der Kreditaufnahme einen angemessenen Ausgleich zur krassen finanziellen Überforderung schafft, sind nach Auffassung des XI. Zivilsenats grundsätzlich nur solche Vorteile zu berücksichtigen, die dem Betroffenen unmittelbar und in einem ausreichenden Maße aus der Kreditaufnahme zugeflossen sind.
Der Grundsatz der Vertragsfreiheit, die es jedem erlaubt, sich zur Erfüllung eigener Wünsche auch weit über seine finanzielle Leistungsfähigkeit hinaus zu verschulden, verbietet es nach der übereinstimmenden Auffassung des IX. und XI. Zivilsenats, an die krasse finanzielle Überforderung des Bürgen oder Mithaftenden das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu knüpfen, wenn der Mitverpflichtete aus dem Kredit ins Gewicht fallende eigene Vorteile zieht. Insbesondere trifft die Bank kein Vorwurf, falls sie mit mehreren Personen, die ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben, eine gesamtschuldnerische Haftung vereinbart. Vor diesem Hintergrund hat der XI. Zivilsenat auch eine den finanzschwachen Ehepartner übermäßig belastende Mithaftungsvereinbarung nicht für nichtig erachtet, wenn er sich aufgrund der Kreditmittelverwendung in ähnlicher Lage wie bei einer gemeinsamen Darlehensaufnahme befindet (Urteile vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315; BGHZ 120, 272, 278; vom 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024; BGHZ 134, 42, 49 und vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366, 2367).
Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen in der Frage, ob es erforderlich ist, daß der Mithaftende aus der Kreditgewährung unmittelbare geldwerte Vorteile zieht, oder ob - wie der IX. Zivilsenat speziell bei Ehegattenbürgschaften für Geschäftskredite angenommen hat (BGHZ 128, 230, 234; Urteile vom 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 und vom 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465, 466) - auch mittelbare Vorteile in Form von zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind. Ob diese Rechtsprechung fortgeführt werden soll, erscheint nach seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1998 (IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2328), in der dieser Gesichtspunkt nicht mehr erwähnt wird, zweifelhaft. Insoweit bedarf es deshalb der abschließenden Klärung durch den Großen Senat.
Der XI. Zivilsenat ist der Auffassung, daß mittelbare Vorteile nicht ausreichen, die Sittenwidrigkeit der unbeschränkten Bürgschaft oder Mithaftung zu verneinen. Der gegenteilige Standpunkt führt zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Ehepartner selbständiger Unternehmer ohne Rücksicht auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit. Die Unterhaltsbedürftigkeit des einen Partners ist kein vertretbarer Gesichtspunkt, ihn ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in das unternehmerische Risiko des anderen einzubinden. Für den Normalfall ist davon auszugehen, daß der Unterhaltspflichtige im Rahmen seiner Fähigkeiten selbst entscheidet, ob er sich die Mittel für den Unterhalt seiner Familie durch eine abhängige oder durch eine selbständige Tätigkeit verschafft. Die Abhängigkeit vom Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen ist kein Grund, dem Abhängigen die wirtschaftliche Mitverantwortung für diese nicht von ihm getroffene Entscheidung aufzubürden und seine Unterhaltsbedürftigkeit als Rechtfertigung für die im Ergebnis sinnlose Belastung mit einer nicht abtragbaren Schuldenlast anzusehen.
Schließlich besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der Aussicht des Ehepartners auf eine erhöhte Unterhaltsleistung und der auch vom IX. Zivilsenat grundsätzlich für unerheblich gehaltenen Chance des mittellosen Kindes des Hauptschuldners auf eine größere Erbschaft. Zwar mag es sich in den letztgenannten Fällen um völlig unbestimmte und in keinem inneren Zusammenhang mit der Kreditgewährung stehende Vorteile handeln. Bei den - angeblich - zu erwartenden höheren Unterhaltsleistungen des Kreditnehmers liegen aber die Dinge nicht viel anders, zumal gewöhnlich nicht einmal sicher ist, ob der Ehepartner an einer tatsächlichen Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in angemessener Weise und dauerhaft partizipieren wird.