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Selbständige Drittbegünstigung

Die selbständigen Drittbegünstigungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie - anders als die Regresskonstruktionen - die Schadensermittlung aus den Verhältnissen des Dritten gestatten. Die Analyse der neben den Regresskonstruktionen noch verbleibenden Fälle von Drittbegünstigungen führt zu dem (überraschenden) Ergebnis, dass es in ihnen regelmäßig um die Ausdehnung von Vertragshaftungen auf nicht am Vertrag beteiligte Dritte geht, nicht aber die Verschiedenheit des Schadensträgers vom Träger des deliktisch geschützten Interesses überbrückt werden soll: In den Obhutsfällen genießt der Dritte deliktischen Eigentumsschutz; den hat der Treugeber in den Treuhandfällen formal zwar nicht, seine Position ist aber über Aussonderungsrechte in der Insolvenz des Treuhänders und Drittwiderspruchsbefugnisse gegenüber Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen so sehr verdinglicht, dass man ihr auch den Deliktsschutz nicht verwehren kann (MünchKomm, 3. Aufl./Grunsky vor § 249 Rdnr. 121 f.; offen gelassen nunmehr in der 4. Aufl. von Oetker, § 249 Rdnr. 294); in den Fällen der mittelbaren Stellvertretung schließlich hat der Dritte entweder schon Eigentum erlangt (Geschäft für wen es angeht, antizipiertes Besitzkonstitut) und danach einen Schaden an deliktisch geschützten Gütern erlitten, oder sein Schaden beruht auf dem auch für den mittelbaren Vertreter und Vertragspartner nicht deliktisch geschützten Leistungsinteresse.

Vertragshaftungen werden erstrebt, weil entweder nur sie das spezifische Interesse überhaupt erfassen oder weil der an sich gegebene deliktische Interessenschutz defizitär ist, sei es, dass der Geschäftsherr sich für Interessenverletzungen durch seine Gehilfen entschuldigen kann (§ 831 - anders die Zurechnung nach § 278 bei der Vertragshaftung), sei es, dass die deliktischen Ansprüche anders als die vertraglichen schon verjährt sind (BGHZ 66, 51; dazu Hohloch JuS 1977, 302), sei es schließlich, dass die deliktische Haftung einen nicht nachweisbaren Sorgfaltspflichtverstoß voraussetzt, was der vertragliche Schadensersatzanspruch (etwa § 538) gerade nicht tut (BGHZ 49, 350). Macht man sich klar, dass es immer nur darum geht, die günstigen Folgen vertraglicher Schadensersatzansprüche auch denen zugute kommen zu lassen, die nicht eigentlich Vertragspartner sind, dann erscheint die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Drittbegünstigungen über das Tatbestands- und Verletzungsprinzip hinaus in einem neuen Licht. Zur Entscheidung steht die aus den Diskussionen um die Verträge mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter bekannte Frage nach dem Personenkreis, der diesen besonderen Schutz verdient. Die Antwort fällt unterschiedlich aus.

Geht es um die Beeinträchtigung deliktisch geschützter Interessen, die nur deshalb keinen Ersatzanspruch gegen den Geschäftsherrn auslöst, weil dieser sich durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung zu exkulpieren vermag, sollten unter Überwindung der rechtspolitischen Fehlleistung des § 831 BGB sämtliche Personen geschützt sein, die sich befugtermaßen in dem Bereich aufhalten, in dem sich die sorgfalts- und vertragswidrige Handlung auswirkt. Die von der herrschenden Meinung praktizierte Begrenzung des erweiterten Obligationsschutzes auf Personen, die zum Vertragsgläubiger in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis mit familiärem, sozialem oder arbeitsrechtlichem Fürsorgecharakter stehen (Esser-Schmidt § 34 IV 2.2) ist nur dort angezeigt, wo der Vertragsschutz nicht allein der Überwindung des § 831 dient - bei verschuldensunabhängigen Haftungen und günstigeren Verjährungsregelungen.

Auf welche Konstruktion man zur Erreichung der selbständigen Drittbegünstigung zurückgreift, ist im Ergebnis gleichgültig. Lediglich der Weg ist unterschiedlich. Bei der Drittschadensliquidation macht der Vertragspartner das Interesse des geschützten Dritten geltend, bei den Verträgen mit Drittschutz kann der Dritte (auch ohne Abtretung) selbst gegen den Verantwortlichen vorgehen. Letzteres ist der Einfachheit wegen vorzuziehen. Für die Drittschadensliquidation bleibt deshalb im Bereich des erweiterten Integritätsschutzes kein Raum. Ob sie für den Bereich des Vertragsinteresses bei mittelbarer Stellvertretung erforderlich ist, um die „wirtschaftliche Vertragspartei" zu schützen (einziger Fall der Drittschadensliquidation nach Hagen S. 252 ff.), mag dahinstehen. Man kann auch hier - nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise - dem Hintermann des mittelbaren Stellvertreters einen unmittelbaren Anspruch geben. Damit lässt sich ungezwungen auch seine eigene Verantwortlichkeit nach Vertragsgrundsätzen bemessen (BGH NJW 1972, 289) und die Drittschadensliquidation insgesamt aus dem geltenden Recht verabschieden (a. A. Lange § 8 III, der im Gegensatz zur hier entwickelten Auffassung die Drittschadensliquidation für alle herkömmlichen Anwendungsbereiche beibehalten will).

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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