Euleklein.gif (982 Byte) Der Warenautomat Eulerechtsklein.gif (984 Byte)

Home Nach oben Das Angebot Der Warenautomat Unbestellte Ware Bedingte Aufrechnung Gasuhr Gesamtschuld

"Der Warenautomat"

Sachverhalt:

Herr K eilt nach einem langen Arbeitstag zum Bahnhof. Da sein Magen grummelt, begibt er sich zielstrebig zu den Warenautomaten am Gleis. Er entscheidet sich für einen Schokoriegel der Marke X. Die Wahltaste für diesen Riegel trägt die Aufschrift:" 1 Schokoriegel Marke X: 1DM". Verärgert stellt Herr K fest, dass er kein 1DM-Stück mehr in seinem Geldbeutel hat. Er entschließt sich daher dazu, eine ausländische Münze geringeren Wertes einzuwerfen, die den gleichen Durchmesser wie eine 1DM-Münze hat. Der Münzprüfer akzeptiert daher die eingeworfene Münze, so dass der gewünschte Riegel in den Ausgabeschacht befördert wird. Auf dem Nachhauseweg überlegt sich Herr K, der einige Semester Jura studiert hat, wie der ganze Vorgang eigentlich vertragsrechtlich zu bewerten ist. Dabei möchte er insbesondere wissen:         

1. Ist ein Kaufvertrag zwischen K und dem Automatenbetreiber zustande gekommen?

2. Hat K Eigentum erworben?

Lösung:

Frage 1:

Das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen dem Automatenbetreiber und K setzt voraus, dass die beiden zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben, Angebot und Annahme. 

a) Das Angebot könnte hier in dem Aufstellen eines mit Riegeln der Marke X befüllten Automaten gesehen werden. Ein Angebot ist eine Willenserklärung, die so beschaffen sein muss, dass der Empfänger durch ein bloßes "Ja" den Vertragsschluss herbeiführen kann. Fraglich ist hier, ob nicht bereits am Vorliegen einer Willenserklärung gezweifelt werden kann, da der Automatenbetreiber gar nicht mit K gesprochen hat. Allerdings können Willenserklärungen ohne weiteres auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgegeben werden. Entscheidend für die Einordnung eines Vorganges als Willenserklärung ist nicht die Form der Kundgabe, sondern, dass dem fraglichen Verhalten aus der Sicht eines objektiven Beobachters durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)  Rechtsbindungs- und Geschäftswillen entnommen werden können. Dies ist bei sogenannten Realofferten, bei denen der Kaufgegenstand tatsächlich bereitgestellt wird, ohne dass dem jeweils eine ausdrückliche Erklärung beigefügt wird, ohne weiteres der Fall. Der befüllte Warenautomat würde demnach ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages darstellen, wenn ein solches Angebot nicht voraussetzt, dass es an eine bestimmte Person gerichtet wird. Dann würde es sich nur um eine invitatio ad offerendum handeln. 

Geht man von der bereits dargestellten Definition des Angebotes aus, so kann dieser nicht entnommen werden, dass sich das Angebot unbedingt an eine bestimmte Person richten muss. Theoretisch kann sich der Verkäufer jedem gegenüber, der eine Annahmeerklärung abgibt, rechtlich binden wollen, der seine Vertragsbedingungen akzeptiert. Allerdings ist fraglich, ob man die Erklärung des Automatenbetreibers auch in diesem Sinne auslegen kann (§§ 133, 157 BGB). Dem könnte nämlich entgegenstehen, dass der Verkäufer sich schadensersatzpflichtig machen könnte, wenn mehr Leute das Vertragsangebot annehmen, als der Automat Riegel hat. Auf Grund dieser Gefahr wird ein verständiger, objektiver Beobachter das Angebot des Automatenbetreibers so auslegen, dass es zwar an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet ist, sich aber auf den Vorrat beschränkt. Demnach stellt der mit Riegeln der Marke X befüllte Automat ein wirksames Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages dar, das an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet ist (sogen. "Offerte ad incertas personas").

 b) Fraglich ist, ob K dieses Angebot des Automatenbetreibers angenommen hat. Das Einwerfen der Münze könnte eine wirksame, konkludente Annahme des Angebotes darstellen. Dies setzt voraus, dass man diesem Verhalten die vorbehaltlose Zustimmung zu dem Angebot entnehmen kann. Das Angebot beinhaltete jedoch eindeutig einen Kaufpreis von 1 DM. Da K eine Münze von geringerem Wert eingeworfen hat, hat er diesem Angebot nicht zugestimmt.

c) Möglicherweise kann man jedoch in dem Einwurf der Münze des K eine Annahme mit verändertem Inhalt sehen, die als neuer Antrag des K zu werten wäre (§ 150 Abs. 2 BGB). Diese Willenserklärung müsste dem Automatenbetreiber aber auch zugegangen sein, d.h. so in seinen Machtbereich gelangt sein, dass er unter regelmäßigen Umständen davon Kenntnis nehmen konnte. Das war infolge seiner Abwesenheit nicht der Fall. Allerdings hat der Verkäufer durch die Aufstellung seines Automaten konkludent auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB). Dieser Verzicht bezog sich jedoch unproblematisch nur auf einschränkungslose Annahmeerklärungen und nicht auf Annahmeerklärungen im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB).

d) Schließlich könnte man noch in dem Auswurf der Ware ein neues Vertragsangebot des Verkäufers sehen, das K durch die Herausnahme des Riegels aus dem Ausgabeschacht angenommen hat. Dies scheitert aber schon daran, dass K ohne weiteres erkannt hat (§ 133 BGB), dass hinter der Ausgabe der Ware kein solcher Wille des Verkäufer stand. 

Ergebnis zu Frage 1: Es ist kein Kaufvertrag zwischen K und dem Automatenbetreiber zustande gekommen.

Frage 2:

K könnte gemäß § 929 Satz 1 BGB Eigentum an dem Riegel erworben haben. 

a) Dazu müsste eine wirksame Einigung zwischen K und dem Automatenbetreiber vorliegen. Die Einigung ist ein dinglicher Vertrag, der darauf gerichtet ist, das Eigentum an einer beweglichen Sache zu übertragen. Sie erfordert daher zwei übereinstimmende Willenserklärungen entsprechenden Inhaltes. 

aa) In dem Einwurf der Münze durch K könnte man ein schlüssig erklärtes Angebot auf Abschluss eines solchen dinglichen Vertrages sehen. Die Einigung soll die rechtliche Zuordnung eines Gegenstandes zu einem Rechtssubjekt verändern. Sie muss daher - anders als das schuldrechtliche Geschäft (vgl. § 243 BGB) - auf eine ganz bestimmte Sache bezogen sein (sogen. Bestimmtheitsgrundsatz). Bei einem Warenautomaten hängt es von der Bauart und der technischen Funktionsweise des  Automaten ab, ob der Kunde es steuern kann, welche bestimmte Sache aus der gewünschten Gattung ihm übertragen wird. In der Regel kann der Kunde es aber nicht steuern. Dann scheitert die Wertung des Münzeinwurfs als Angebot auf Übertragung des Eigentums an dem Kaufgegenstand an der mangelnden Bestimmtheit der Erklärung.

bb) Allerdings könnte der Auswurf des Riegels ein hinreichend bestimmtes Angebot des Automatenbetreibers darstellen. Dem könnte entgegenstehen, dass es sich bei der Ausgabe der Ware durch den Automaten um einen mechanischen Akt einer Maschine handelt, während eine Willenserklärung die Kundgabe des Willens eines Menschen darstellt. Dafür genügt es jedoch, wenn der maschinelle Vorgang erkennbar auf menschlichem Willen beruht, so dass man auch ihm durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB den Rechtsbindungswillen eines Menschen entnehmen kann. Dadurch, dass der Automatenbetreiber den Automaten so programmiert hat, dass dieser bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Ware auswirft, lässt sich der Vorgang des Auswurfs der Ware dem Willen des Betreibers zurechnen. Problematisch könnte dann nur sein, dass der Betreiber diesen Willen, auf dem der maschinelle Vorgang beruht, bereits im Vorhinein geäußert hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Einigungsangebot nicht auch vorweggenommen erklärt werden können sollte. Aus der Interessenlage des Verkäufers, der beim Vollzug des Kaufvertrages nicht anwesend sein kann, ergibt sich, dass er sich die Warenausgabe nur dann als Einigung zurechnen lassen will, wenn der Ausgabemechanismus durch eine ordnungsgemäße Bedienung des Gerätes in Gang gesetzt worden ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die vorgeschriebene Münze eingeworfen worden ist. Dieser Wille des Automatenbetreibers ist für einen objektiven Beobachter aus der Sicht des  K (vgl. § 133 BGB) ohne weiteres erkennbar. Daher stellt der Auswurf des Riegels der Marke X aus dem Automaten kein konkludentes Angebot zur Übertragung des Eigentums an diesem Riegel dar. Eine Einigung ist somit nicht zustande gekommen.

Ergebnis: K hat kein Eigentum an dem Riegel der Marke X erlangt.

 - zurück zur korrespondierenden Zusammenfassung

Seitenanfang (2184 Byte)

© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
Eulerechtsklein.gif (984 Byte)