Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 37

b) Urlaub

Es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, daß die geschilderten Grundsätze nicht nur für Sachnutzungen, sondern für alle Genüsse gelten, die einen gesellschaftlichen Durchschnittswert haben und dem Berechtigten trotz entsprechender Disposition endgültig verlorengehen. Für die verfallene Premierenkarte ist das seit jeher anerkannt, gilt aber ebenso für die verhinderte oder in ihrem Wert beeinträchtigte Reise. Wenn nicht durch die Verhinderung oder Beeinträchtigung der Berechtigte seinerseits von seiner Leistungspflicht befreit wird, steht ihm in Höhe des frustrierten Durchschnittsaufwands ein Schadensersatzanspruch zu. Dieser Schadensersatzanspruch hat allerdings nichts mit dem von der Rechtsprechung gewährten Anspruch für „vertanen Urlaub" (BGH 63, 98) zu tun. Bei letzterem geht es nicht um das Ausbleiben eines spezifischen gegen Geld erwerbbaren Urlaubsvergnügens, sondern um den Verlust des Urlaubs selbst. Wer hier einen Schadensersatzanspruch gewährt, muß zeigen können, daß der Urlaub selbst ein vermögenswertes Gut (durch § 651 f. Abs. 2 im Reiseveranstaltungsrecht inzwischen gesetzlich anerkannt) und daß im konkreten Fall dieses Gut verloren ist. Der Vermögenswert des Urlaubs eines Arbeitnehmers sollte nach der Regelung des Bundesurlaubsgesetzes außer Zweifel stehen (a. A. Tolk S. 96 f.). Der bezahlte Urlaub wird mit der normalen Arbeitsleistung verdient. Er ist Entgelt und kann in bestimmten Fällen sogar in Geld abgegolten werden (§ 7 Abs. 4 BundesurlaubsG). Nicht so eindeutig ist der Vermögenswert des Urlaubs eines freiberuflich Tätigen oder selbständigen Gewerbetreibenden. Bedenkt man, daß der entweder für die Zeit seines Urlaubs vorarbeitet oder finanzielle Einbußen hinnimmt oder eine Ersatzkraft einstellt, so wird zwar deutlich, daß auch er Vermögen für die Urlaubszeit aufwendet; es stellt sich aber die Frage nach dem gesellschaftlichen Durchschnittswert ( = Marktwert) dieses Aufwands. Mit der Schätzungsbefugnis der Gerichte und den Kosten für eine Ersatzkraft als Anhaltspunkt lassen sich die in dieser Frage liegenden Schwierigkeiten überwinden. Der Vermögenswert des Urlaubs ist mithin für jeden anzuerkennen, der schon und noch im Arbeitsleben steht (weitergehend Burger NJW 1980, 1249 ff.). Dieser Vermögenswert ist aber nicht schon dann verloren („vertan"), wenn der Anspruchsberechtigte seinen Urlaub nicht so verbringen kann, wie er ihn sich vorstellt. Erkauft ist der Erholungswert des Urlaubs zur Reproduktion der Arbeitskraft. Es kommt deshalb darauf an, ob der Erholungswert beeinträchtigt oder vereitelt ist. Dies ist nicht der Fall, wenn ein geplanter Italienaufenthalt aufgegeben und die Urlaubszeit statt dessen in deutschen Landen verbracht werden muß (BGH 60, 214). Anders bei dem im Krankenhaus verbrachten Urlaub: dessen Erholungswert ist verloren. Unmittelbar relevant wird dies im Krankheitsfall allerdings nur für den Nichtarbeitnehmer, da nach § 9 Bundesurlaubsgesetz die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub von Arbeitnehmern nicht angerechnet werden. Hier trifft der Nachteil den Arbeitgeber, der über die Regreßkonstruktion des § 4 LohnfortzahlungsG Ausgleich suchen muß und kann.


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