c) Schadensersatzverpflichtung ohne Rechtsgutsverletzung
(Erfüllungs- und Vertrauensinteresse)
Die am Normzweck ausgerichtete Schutzbereichslehre entscheidet nicht nur darüber, ob die beim Anspruchssteller eingetretene vom Anspruchsgegner verursachte Rechtsgutsverletzung nach Gegenstand und Art eine Haftung des Anspruchsgegners begründet. Sie reicht auch in den Bereich der Haftungsausfüllung hinein, wo mit normativen Erwägungen solche Schäden aus der Haftung ausgenommen werden, in denen sich trotz der kausalen Verknüpfung mit der Rechtsgutsverletzung dennoch nur ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Die Zurechnung der Folgeschäden zur Rechtsgutsverletzung unterscheidet sich allenfalls dadurch von der Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zur Haftungsnorm, daß diese auf Normspezifika ausgerichtet ist und deshalb je nach Norm unterschiedlich ausfallen kann, während jene für alle Haftungsnormen einheitlich gilt. Aber auch dieser Unterschied entfällt, wenn die Schadensersatzverpflichtung nicht an eine Rechtsgutsverletzung geknüpft ist. Dann nämlich scheiden spezifische Normzweckerwägungen erst und unmittelbar im Schadensbereich zwischen ersatzfähigen und nicht ersatzfähigen Schäden. Praktisch relevant wird dies insbesondere bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Sie können das positive Interesse des Gläubigers an der Erfüllung schützen und rechtfertigen dann das Verlangen, vermögensmäßig so gestellt zu werden, wie der Gläubiger stünde, wenn der Schuldner erfüllt hätte. Sie können aber auch das negative Interesse schützen und dem Gläubiger als Schadensersatz nur das gewähren, was ihm im Vertrauen auf die Gültigkeit etwa einer Willenserklärung verlorengegangen ist. Sie können schließlich das Integritäts-(Erhaltens-)interesse schützen und gewähren dann Ausgleich für die Einbußen, die der Gläubiger an seinen Rechts- und Vermögensgütern erlitten hat. Wichtig ist, daß der Bestandteil eines bestimmten Interesses nur verfolgt werden kann, wenn der entsprechende Haftungstatbestand verwirklicht ist (vgl. Keuk S. 163). Welches Interesse geschützt wird, muß im Zusammenhang mit der jeweiligen Haftungsnorm geklärt werden (vgl. H. B. Rengier Die Abgrenzung des positiven Interesses vom negativen Vertragsinteresse und vom Integritätsinteresse, 1977; vor §§ 275 ff. Rz. 52 ff.).
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