Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 373 Randnummer 1

A. Vom Wert des Zeugenbeweises

Der Zeuge soll über etwas berichten, was er erlebt hat. Will der Richter seinem Bericht Glauben schenken, so muß er jede einzelne der folgenden Fragen erwogen haben und zu einer positiven Antwort gekommen sein:

Man hat vorgeschlagen, den Beweiswert einer Zeugenbekundung als das Produkt aus den Einzelwahrscheinlichkeiten anzusehen, die der Richter den Antworten auf die genannten Fragen zuweist (Kaplan Stanford Law Review 20 (1968) 1088). Das würde bedeuten: Selbst wenn der Richter jede einzelne der Fragen mit 90 %iger Sicherheit positiv beantwortete, käme für die Bewertung der Aussage insgesamt eine Sicherheit von weniger als 60 % heraus. Wie immer man zu diesem mathematischen Modell stehen mag (vgl. RN 68 ff. ): Es drängt letztlich zu derselben Beurteilung, die auch ohne es allein die komplexen Zusammenhänge nahezulegen scheinen, auf die bei einer Antwort auf die genannten Fragen Bedacht genommen werden muß, und die zum Gemeingut der Juristen zählt, die über den Zeugenbeweis theoretisieren: Der Zeuge ist das häufigste und zugleich das unzuverlässigste Beweismittel (Döhring S. 92 ff.; Schneider S. 166).


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