Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 1

I. Zum Stand des Beweisrechts

Um einen vor Gericht getragenen Konflikt zu entscheiden, genügt es nicht, daß der Richter das Recht kennt und es auf jede ihm unterbreitete Sachverhaltsdarstellung anzuwenden weiß. Er muß auch darüber befinden, welche Sachverhaltsdarstellung er seinem Urteil zugrunde legen darf. Unter logischen Gesichtspunkten nimmt im Rahmen der Gesamtentscheidung die Entscheidung über den Sachverhalt, die Tatfrage, denselben Rang ein wie die Entscheidung über die heranzuziehenden Normen und ihre Interpretation, die Rechtsfrage (vgl. zur Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage Rüßmann in H.J. Koch (Hrsg.) Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie, 1976 S. 242, 250 ff.). In einer formal korrekt begründeten Entscheidung (vgl. dazu Alexy Theorie der juristischen Argumentation, 1978 S. 273 ff.; Koch/Rüßmann §§ 3 ff.) folgt das im Tenor festgehaltene Urteil logisch aus in der Regel drei Prämissenklassen. Die erste wird aus generellen Normen des Gesetzes-, Gewohnheits- und/oder Richterrechts gebildet, die danach auszuwählen sind, daß die Rechtsfolgeanordnung eine Antwort auf das Entscheidungsbegehren ermöglicht. Die zweite besteht aus der Beschreibung des singulären tatsächlichen Geschehens, von dem der Richter bei seiner Entscheidung ausgeht, und die dritte aus Sprach- oder Bedeutungsregeln, welche die "logische Kluft" zwischen Normformulierung und Sachverhaltsbeschreibung überbrücken müssen, die immer dann entsteht, wenn zur Sachverhaltsbeschreibung andere als die in der Formulierung der Normen enthaltenen Begriffe verwendet werden.


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