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"Edelmann-Fall"

Allgemeiner Teil


Gericht: RG 5. Zivilsenat


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Fundstelle


Rechtszug:


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung über die auf Auflassung des Hauses K.straße 6 in O. gerichtete Klage hat das Berufungsgericht von der Leistung eines richterlichen Eides für den Kläger abhängig gemacht. Auf die Revision der Beklagten ist die Klage abgewiesen worden. Der Sachverhalt ergibt sich aus den

Gründen:

Im Februar 1920 wurde der Kläger von der beklagten Gesellschaft, deren Generaldirektor der Beklagte v. Z. ist, als Betriebsleiter angestellt; im Juni 1922 kam es zu Streitigkeiten, in deren Verlauf der Kläger aus den Diensten der Gesellschaft ausgetreten ist.

In einem am 13. August 1920 abgeschlossenen dreijährigen Dienstvertrag wurde dem Kläger als freie (Dienst-) Wohnung das oben bezeichnete Haus zugewiesen, das die Gesellschaft um diese Zeit für 120000 M käuflich erworben hatte. Als am 20. Februar 1922 ein neuer Dienstvertrag für die Zeit bis zum 30. September 1924 abgeschlossen wurde, stellte der Beklagte v. Z. namens der Gesellschaft dem Kläger ein Schriftstück des Inhalts aus, daß der Kläger auf das Haus ein Vorkaufsrecht zum Preise von 120000 M habe. Der Kläger verlangt in erster Reihe von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Auflassung des genannten Hausgrundstücks, hilfsweise einen Feststellungsausspruch dahin, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm allen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Nichtübereignung des Grundstücks erwachse. Jedenfalls seien die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm im Falle der Nichtübereignung den Wert des Grundstücks mit dem Gebäude zu bezahlen. Die Beklagten haben sich darauf berufen, daß keine nach § 313 BGB. formgerechten Zusagen erteilt worden seien, und weiter bestritten, daß der Beklagte v. Z. die vom Kläger behaupteten Zusagen überhaupt erteilt habe. In dieser Hinsicht geht die Klagedarstellung, wie sie unter den richterlichen Eid des Klägers gestellt ist, dahin, der Beklagte v. Z. habe dem Kläger gegenüber im Jahre 1920 kurz nach Zuweisung des Hauses als Wohnung bei einer Fahrt nach dem Landsitz des Beklagten v. Z. die vorzüglichen Leistungen Klägers für die Gesellschaft gerühmt und erklärt, das Haus solle auf ihn für zwei nicht bar auszuzahlende Weihnachts-Gratifikationen von je 60000 M zu Weihnachten 1920 und 1921 übergehen. Bei einer weiteren Fahrt habe der Beklagte v. Z. im November 1920 seine Zusage wegen der Überlassung des Hauses wiederholt und auf eine Äußerung des Klägers über den Ernst seiner Absicht, ihm das Haus zu übereignen, ungefähr geantwortet: der Kläger könne hierüber vollkommen beruhigt sein, bei ihm, dem Beklagten v. Z., herrschten keine jüdischen Gepflogenheiten, er sei von Adel. Im Dezember 1920, als der Kläger gebeten habe, Schritte wegen der Klarstellung seines Rechts auf das Haus zu unternehmen, habe ihm der Beklagte v. Z. erwidert, das eile nicht; das Haus sei ihm sicher, da er (Kläger) ja sein (des Beklagten v. Z.) festes Versprechen habe, er habe nie sein Wort gebrochen. Am 18. Februar 1922 habe der Kläger den Beklagten v. Z. um Übertragung und Auflassung des Hauses ersucht, und dieser habe ihm ungefähr erklärt, der notariellen Akt könne jeden Augenblick gemacht werden, das sei aber "zwischen uns" nicht nötig, es sei nur eine Formsache, sein Edelmannswort sei dem Kläger so gut wie ein Vertrag; den Wert des Hauses könne der Kläger angeben, wie er wolle, auf 120000, auf 30000 oder auf 0 M.

In der rechtlichen Beurteilung geht das Berufungsgericht mit dem ersten Richter davon aus, daß eine arglistige Absicht der beklagten Seite, insbesondere des Beklagten v. Z., dahin, den formungültigen Vertrag nicht zu erfüllen, sondern sich auf die Formnichtigkeit zu berufen, nicht als von vonherein bestehend festgestellt werden könne. Vielmehr wird angenommen, daß die Beklagten bei den Verhandlungen die ernstliche Absicht gehabt hätten, den formungültigen Vertrag zu erfüllen, und daß sie erst später den Entschluß gefaßt hätten, es nicht zu tun. Das Berufungsgericht hält aber dafür, daß der Beklagte v. Z., wenn er die angeführten Zusicherungen erteilt habe, hierdurch die Nichtbeurkundung der vom Kläger behaupteten Vereinbarungen verschuldet habe, und daß es gegen Treu und Glauben wie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße, wenn der Beklagte v. Z. nunmehr als Willensorgan der Gesellschaft die Übereignung des Grundstücks verweigere. Auch die beklagte Gesellschaft müsse das Sachverhältnis so gegen sich gelten lassen, wie es sich gestaltet hätte, wenn ihr Willensorgan, der Beklagte v. Z., bei Abschluß des Vertrages dem Verlangen des Klägers nach Erfüllung der Form nachgekommen wäre; diese Wirkung der erhobenen Einrede ergebe sich aus §§ 826, 249 BGB. Neben der durch die Verfehlung des Beklagen v. Z. verpflichteten Gesellschaft hafte dieser selbst und persönlich gemäß §§ 830, 840 Abs. 1 BGB.

Die Revision wendet unter Berufung namentlich auf die Urteile V 200/24 und 387/25 (JW. 1926 S. 1810 Nr. 2) ein, daß der Kläger durch die behaupteten Zusicherungen nicht in einen Irrtum über die Notwendigkeit der Beurkundung versetzt worden sei, daß vielmehr beide Teile von dieser Notwendigkeit ausgegangen seien, und hält danach den Einwand der Arglist für unbegründet.

Das Urteil war aufzuheben.

Die Vorinstanzen nehmen, wie bereits erwähnt, an, daß die Beklagten bei den Verhandlungen die ernstliche Absicht gehabt hätten, den formnichtigen Vertrag zu erfüllen, und daß sie erst später den gegenteiligen Entschluß gefaßt hätten. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen beruht auf dem Gedanken, es verstoße gegen Treu und Glauben und gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, daß die Beklagten im Gegensatz zu den früher "in einer so feierlichen Weise" gemachten Versprechungen jetzt - nach den ausgebrochenen Zwistigkeiten - die Auflassung verweigerten.

Im Hinblick auf das gesetzliche Formerfordernis des § 313 Satz 1 BGB. kann weder der Einwand eines gegenwärtigen Verstoßes gegen Treu und Glauben (der gegenwärtigen Arglist, RGZ. Bd. 107 S. 357) als begründet, noch sonst ein Verstoß gegen die guten Sitten als dargetan anerkannt werden.

Für den erstgedachten Einwand ist nach den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, insbesondere in RGZ. Bd. 107 S. 357 ausgeführten und in der Folge festgehaltenen Grundsätzen (vgl. bes. Urt. vom 19. April 1926 V 387/25, abgedruckt JW 1926 S. 1810, WarnRspr. 1926 Nr. 113, LZ 1926 Sp. 696; Urt. v. 24. Oktober 1925 V 617/24, abgedruckt JRsch. 1926 Nr. 368; auch Urt. v. 20. Oktober 1924 V 200/24; Urt. v. 24. November 1926 V 194/26; Urt. v. 19. März 1927 V 339/26; Urt. v. 23. April 1927 V 491/26) zu erfordern, daß auf der Seite desjenigen, der der Geltendmachung der Formnichtigkeit entgegentritt, ein Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Form vorgelegen hat und daß dieser Irrtum vom Geschäftsgegner schuldhaft, mindestens fahrlässig (§ 276 BGB.) verursacht ist. Keine der beiden Voraussetzungen ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen. Aus dem Klagvortrag selbst erhellt vielmehr, daß beide Teile die Notwendigkeit der Form gekannt haben; eine Irreführung hierüber oder auch nur ein Versuch dazu hat nicht stattgefunden. Von einem Verschulden der Beklagten im Zeitpunkt der umstrittenen Zusagen kann gleichfalls keine Rede sein, da das Berufungsgericht feststellt, daß die Beklagten zu jener Zeit die ernstliche Absicht gehabt haben, die Zusagen zu erfüllen, und in solcher Absicht die Zusagen erteilt haben. Wenn aber beide Teile die Notwendigkeit der Formwahrung kannten, so beruht es auf dem Einverständnis auch des Klägers, daß mit der Beurkundung der getroffenen Abrede zugewartet worden ist, und er muß die Folgen dieses Zuwartens tragen, ohne sie auf den Gegner abwälzen zu können. Der für diesen Einwand erforderliche Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Form kann nicht durch einen tatsächlichen Irrtum darüber ersetzt werden, ob im gegebenen Falle die Zusage, auch wenn nur formlos erteilt, werde erfüllt werden. Der hier in Rede stehende Einwand, wie er in der Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgestaltet und in den weiteren Zusammenhang des Verschuldens beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) gestellt ist, ergibt daher für die Klage keine Stütze.

Eine Abweichung von den im Vorstehenden angeführten Grundsätzen ergeben auch nicht die weiteren - älteren - Entscheidungen des Reichsgerichts, auf die sich die Vorinstanzen stützen wollen, nämlich WarnRspr. 1908 Nr. 38 und RGZ. Bd. 96 S. 315 nebst der dort angeführten Entscheidung WarnRspr. 1917 Nr. 174. Daß die beiden letztangeführten Urteile gegenüber RGZ. Bd. 107 S. 357 nichts Gegenteiliges enthalten, hat der in jenen erkennende III. Zivilsenat bereits in seinem Urteil WarnRspr. 1926 Nr. 136 ausgesprochen, das sich im übrigen ganz in der Richtung der oben dargelegten Grundsätze bewegt (vgl. auch Recht 1924 Nr. 1443). Das Urteil WarnRspr. 1917 Nr. 174 stellt darauf ab, der Mieter habe die Unterzeichnung der Vertragsurkunde lediglich hinausgeschoben, der Vermieter habe sich dabei beruhigt und so sei es zum Formmangel gekommen; das ergebe nicht den Tatbestand des - hier wie sonst zumeist sogenannten - Einwands der Arglist. Als solcher ist in der Entscheidung RGZ. Bd. 96 S. 315 angeführt, "wenn eine Partei beim Vertragschluß die Form für unnötig erklärt und sich später trotzdem auf den Formmangel beruft". Hierbei ist allerdings weder gesagt, ob Fahrlässigkeit vorausgesetzt ist, noch ist von Irrtumserregung bezüglich der Notwendigkeit der Form die Rede. Aber es ist unmittelbar darauf als Merkmal für die Unterscheidung des gegebenen alles von dem bei den vorangegangenen Rechtsausführungen vorausgesetzten Falle ausdrücklich beigefügt, hier "fehle die Einwirkung auf den Irrtum des Gegners über die Notwendigkeit der Form". Im Urteil WarnRspr. 1908 Nr. 38 endlich hatte der Kläger, der sich auf die Formungültigkeit des Vertrages berief, selbst das Abkommen für formlos gültig gehalten und durch seinen Einwand, die Beurkundung sei nicht nötig, selbst die Formnichtigkeit veranlaßt. Worin eine Fahrlässigkeit des Klägers in dieser Hinsicht gefunden werde, ist nicht näher ausgeführt; aber es wird dem Kläger entgegengehalten, daß sein eigenes "damaliges Verschulden" die alleinige Ursache sei, weshalb die Form nicht gewahrt sei. Danach scheint auch diesem Urteil die Annahme einer fahrlässigen Irreführung des Gegners über die rechtliche Notwendigkeit der Form zugrunde zu liegen. Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten, der im Sinne des § 826 BGB. die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des § 249 BGB. zur Auflassung verpflichten könnte (RGZ. Bd. 107 S. 365 oben, WarnRspr. 1926 Nr. 136 auf S. 199 unten, aus jüngster Zeit Urt. v. 13. April 1927 V 158/26, vgl. auch schon RGZ. D. 58 S. 356) liegt nicht vor. Waren die "unter Edelmannswort" gemachten Zusagen, als sie gemacht wurden, von der ernstlichen Absicht getragen, sie zu erfüllen, so kann in ihrer "feierlichen" Erklärung für sich allein noch kein Verstoß gegen die guten Sitten gefunden werden; ein solcher liegt erst darin vor, wenn im Rechtsstreit jene Zusagen verleugnet wurden, ihre Erfüllung abgelehnt worden ist. Da es sich aber beim Einwand der Formnichtigkeit nach § 313 Satz 1 BGB. um die an sich zulässige Geltendmachung eines bestehenden Rechtsbehelfs handelt, kann darin ein zum Schadensersatz verpflichtender Verstoß gegen die guten Sitten nur unter besonderen Umständen, nach der hier gegebenen Sachlage nur dann gefunden werden, wenn jenem früheren Verhalten die Kraft der rechtlichen Verpflichtung beigemessen werden kann. Das ist für den vorliegenden Fall nach den angeführten grundlegenden Feststellungen des Berufungsgerichts zu verneinen. Es liegt im Wesen einer gesetzlichen Formvorschrift begründet, daß, wenn die Form nicht gewahrt ist, die Erklärung des rechtsgeschäftlichen Willens nicht verpflichtet. Und dies auch dann nicht, wenn der Wille in besonders nachdrücklichen Worten verlautbart, in feierlicher Form bekräftigt wird. Das Erfordernis der gesetzlichen Form kann nicht durch eine von den Beteiligten gewählte sonstige Feierlichkeit des Ausdrucks ersetzt werden. Die vom Gesetz vorgeschriebene Form kann nicht auf diesem Wege überflüssig gemacht und es kann nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes der formlosen Erklärung eine Rechtsfolge beigemessen werden, die sie nach dem Willen des Gesetzes nicht erzeugen soll.

Hiernach ist der Anspruch auf die mit der Klage verlangte Leistung, für den der Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragschluß (culpa in contrahendo) versagt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die guten Sitten zu begründen. Die Klage ist daher abzuweisen.

Die Revisionsbeantwortung hat - an sich zutreffend - darauf hingewiesen, daß der Kläger unstreitig die beiden Weihnachts-Gratifikationen für die Jahre 1920 und 1921 mit je 60000 M (in bar) nicht gezahlt erhalten und noch zu fordern habe, wenn er das streitige Grundstück nicht erhalte. Dieser auf den Dienstvertrag zu stützende Geldzahlungsanspruch war indessen in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht. Er kann daher in der Revisionsinstanz nicht neu eingeführt und es kann auch unter diesem Gesichtspunkt im gegenwärtigen Rechtstreit kein dem Kläger günstigeres Ergebnis