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Übergang der Preisgefahr

Grundsätzlich trägt gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB der Verkäufer die Preisgefahr solange, bis er erfüllt hat. Die Erfüllung ist das natürliche Ende des Unmöglichkeitsrechts und damit auch der Gefahrtragungsvorschriften. In einigen Fällen, lässt das Gesetz die Preisgefahr jedoch schon früher auf den Käufer übergehen. Übergang der Preisgefahr meint, dass der Verkäufer trotz (zufälligen) Untergangs seiner Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung in Form des Kaufpreises behält, oder aus der Sicht des Käufers, dass dieser nunmehr die Gefahr trägt, den Kaufpreis entrichten zu müssen, obgleich er die Kaufsache nicht erhalten hat und auch nichts verlangen kann, weil der Käufer von seinen Verpflichtungen frei geworden ist. Mit den Übergang der Preisgefahr trifft der wirtschaftliche Verlust nunmehr den Käufer, denn er muss zahlen, ohne etwas dafür zu erhalten (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II, S. 96).

a. § 446 BGB: Gefahrübergang im Zeitpunkt der Übergabe

Gemäß § 446 S. 1 BGB geht mit der Übergabe der verkauften Sache die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Der Sinn dieser Vorschrift erhellt sich im Zusammenspiel mit S. 2, denn mit der Übergabe gebühren ja auch die Nutzungen der Sache dem Käufer. Damit ist der wirtschaftliche Erfolg des Kaufvertrags für ihn im Wesentlichen eingetreten. Er ist nunmehr "näher dran", den wirtschaftlichen Verlust zu tragen, wenn die Sache durch Zufall untergeht, zudem sich die Sache nach erfolgter Übergabe im räumlichen Macht- und Kontrollbereich des Käufers befindet.

§ 446 BGB betrifft nur die Fälle der Übergabe des Kaufgegenstandes vor der Übereignung. Denn nach vollständiger Übereignung hat der Verkäufer seine Leistungspflichten aus § 433 Abs. 1 BGB erfüllt, so dass sich die Frage nach Unmöglichkeit und Gefahrtragung gar nicht mehr stellen kann. Was nach vollständiger Erfüllung mit der Sache passiert, tangiert den Verkäufer nicht mehr, der Kaufpreisanspruch kann ihm nicht mehr genommen werden. Denn dann gilt der Grundsatz, dass jeder Eigentümer die Gefahr des zufälligen Untergangs ihm gehörender Sachen zu tragen hat, casum sentit dominus. Hauptanwendungsfall des § 446 BGB ist der Verkauf unter Eigentumsvorbehalt (vgl. den Beispielsfall bei Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 498).

b. § 447 BGB: Gefahrübergang beim Versendungskauf

Der Anwendungsbereich der Fallgruppe des Gefahrübergangs beim Versendungskauf gemäß § 447 BGB ist durch die Schuldrechtsreform erheblich beschränkt worden. Gemäß § 474 Abs. 2 BGB findet § 447 BGB auf den in § 474 Abs. 1 legal definierten Verbrauchsgüterkauf keine Anwendung. Dieser Ausschluss stützt sich in erster Linie auf die Erwägung, dass das Risiko des zufälligen Untergangs der verschickten Ware von derjenigen Vertragspartei getragen werden soll, die eher als die andere imstande ist, dieses Risiko zu minimieren und Vorsorge gegen die Schadensfolgen zu treffen (Handkommentar zum BGB, Sänger, § 474 Rdnr. 6). Auf Grund des § 474 Abs. 2 BGB findet der Gefahrübergang nach § 447 BGB nur bei Kaufverträgen statt, an denen entweder sowohl auf Käufer- wie auf Verkäuferseite kein Verbraucher beteiligt ist, oder lediglich auf der Verkäuferseite, nicht aber auf der Käuferseite ein Verbraucher steht.

Ein Versendungskauf liegt vor, wenn der Verkäufer die Kaufsache auf Wunsch des Käufers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet. Der Begriff des Erfüllungsortes iSd § 447 BGB ist identisch mit dem des Leistungsortes, also dem Ort, an dem der Schuldner seine Leistungshandlung vorzunehmen hat. Dieser Ort ist im Zweifel der Ort, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung hat, § 269 Abs. 1 BGB. Daran ändert in der Regel auch die Tatsache nichts, dass er die Mühen und Kosten der Versendung übernimmt, § 269 Abs. 3 BGB. Nur dann, wenn der Verkäufer eine Bringschuld übernommen hat, ist der Leistungsort auch der Wohnsitz bzw. die Niederlassung des Käufers. In diesem Fall findet § 447 BGB keine Anwendung. § 447 BGB erfasst also den Fall der Schickschuld (Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 502).

§ 447 BGB lässt die Gefahr bereits in dem Moment übergehen, in dem der Verkäufer die Sache dem Spediteur, Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person übergibt. Der Käufer hat also die Preisgefahr zu tragen, bevor er in Besitz der Sache gelangt. Den Zweck dieser Vorschrift sieht die hM darin, dass der Käufer, auf dessen Verlangen die gekaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Leistungsort versandt wird, das dadurch erhöhte Risiko ordnungsgemäßer Erfüllung tragen soll, insbesondere das für Transportschäden und Verluste (Palandt/Weidenkaff, § 447, Rdnr. 2). Geht die Sache also auf den Transport verloren und wird infolgedessen dem Verkäufer die Erfüllung seiner Leistungspflicht unmöglich, behält er abweichend von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB seinen Anspruch auf den Kaufpreis. Anders, wenn der Verkäufer bei der ihm als vertragliche Nebenpflicht obliegenden Vorbereitung der Versendung, insbesondere Auswahl des Spediteurs und Verpackung der Ware, die vertragsmäßige Sorgfalt nicht beachtet. Verstößt er gegen diese Pflichten schuldhaft und folgt daraus der Untergang oder die Verschlechterung der Sache, tritt der Gefahrübergang nicht ein, weil es an der Voraussetzung der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs fehlt. Zudem haftet der Verkäufer aus § 280 Abs. 1 BGB (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c). Für ein Verschulden des Beförderers haftet der Verkäufer dagegen nicht, da es sich beim Transport gerade nicht um eine Leistungspflicht des Verkäufers handelt, ihm das Fehlverhalten des Transportpersonals also nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet werden kann (Schmidt/Brüggemeier, Grundkurs Zivilrecht, Rdnr. 504). Nach hM bezieht sich § 447 BGB nur auf die Transportgefahr, also Schäden, die ursächlich mit dem Transport zusammenhängen (zB Palandt/Weidenkaff, § 447, Rdnr. 15; aA mit beachtlichen Argumenten: Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c). Das häufigste Transportrisiko stellt es dar, wenn die Kaufsache bei einem fahrlässig durch das Transportpersonal verursachten Unfall zerstört oder beschädigt wird.

Nach hM kommt § 447 BGB auch zur Anwendung, wenn der Verkäufer für den Transport eigene Leute einsetzt. In einem solchen Fall ist aber zunächst zu prüfen, ob keine Bringschuld vorliegt. Liegt eine Bringschuld vor, dann handelt es sich um keinen Versendungskauf. Das ist etwa der Fall beim Möbelkauf oder beim Kauf einer Waschmaschine, wenn der Verkäufer auch die Montage übernimmt. Liegt eine Schickschuld vor und haben die den Transport durchführenden Leute des Verkäufers die Verschlechterung oder Beschädigung nicht verschuldet, trifft den Käufer gemäß § 477 BGB die Preisgefahr. Dagegen haftet der Verkäufer gemäß § 278 BGB für das schuldhafte Verhalten seiner Leute. Denn hat der Verkäufer die Zustellung freiwillig übernommen, so ist er wie eine Beauftragter (§ 662 BGB) zur sorgfältigen Ausführung verpflichtet. Das ergibt sich aus der allgemeinen Pflicht, bei allen mit der Vertragserfüllung zusammenhängenden Tätigkeiten das Interesse des Vertragspartners zu beachten, insbesondere ihn nicht zu schädigen, § 242 BGB (Larenz, Lehrbuch des Schuldrecht, Band II, Halbband 1, Besonderer Teil, 13. Auflage, § 42 II c = S. 103; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 479; aA: Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, Rdnr. 38).

c. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Gefahrübergang bei Gläubigerverzug

Allgemein geht die Preisgefahr auf den Käufer nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB über, wenn er durch Nichtabnahme der ihm richtig angebotenen Leistung oder durch Unterlassen seiner Mitwirkung gemäß den §§ 293 ff. BGB in Annahme- oder Gläubigerverzug gerät. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bestimmt in Verbindung mit Abs. 1, dass der Schuldner - hier: der Verkäufer - seinen Anspruch auf die Gegenleistung behält, wenn seine Leistung infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich wird zu einer Zeit, in welcher der Gläubiger in Annahmeverzug ist. Zu beachten ist, dass der Verkäufer während des Gläubigerverzuges nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, § 300 Abs. 1 BGB.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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