Schadensrecht
Alternativkommentar BGB
vor § 249 Randnummer 50

1. Die Untauglichkeit der Adäquanzformel

Die Rechtsprechung versucht seit jeher, die dem Ersatzpflichtigen zuzurechnenden Schadensfolgen mit Hilfe der Adäquanzformel (zur Adäquanztheorie eingehend Lange § 3 VI) einzugrenzen. In der Leitsatzfassung in BGH 3, 261 lautet diese: „Eine Begebenheit ist adäquate Bedingung eines Erfolges, wenn sie die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat. Bei der dahin zielenden Würdigung sind lediglich zu berücksichtigen a) alle zur Zeit des Eintritts der Begebenheit dem optimalen Beobachter erkennbaren Umstände, b) die dem Setzer der Bedingung noch darüber hinaus bekannten Umstände. Diese Prüfung ist unter Heranziehung des gesamten im Zeitpunkt der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens vorzunehmen." Die Formel ist u. U. geeignet, die mitunter schwierige Antwort auf die Kausalitätsfrage als solche zu leiten (vgl. Schünemann JuS 1979, 19; JuS 1980, 31; dagegen Weitnauer JuS 1979, 697). Sie läßt es aber darüber hinaus nicht zu, eine Schadensfolge als inadäquat auszuscheiden. Wenn dies dennoch geschieht, stehen dahinter regelmäßig andere als zahlenmäßige Üblichkeitserwägungen. Die Formel kann deshalb wegen Verfehlung des postulierten Eingrenzungszwecks getrost aufgegeben werden. Es hilft auch nicht weiter, wenn man ihr eine weniger scharfe Fassung gibt (a. A. u. a. Larenz SchuldR AT § 27 III b 1; Deutsch § 11 IV 6). Die drängende Aufgabe, Gefahren- und Risikobereiche abzugrenzen, ist heute mit anderen Kriterien als denen der adäquaten Kausalität zu bewältigen. Einen wichtigen Anhaltspunkt bieten hier die im Rahmen der Haftungsbegründung weitgehend streitfreien Zurechnungen nach dem Schutzzweck der Haftungsnormen . Sie machen deutlich, daß auch eine weniger scharf gefaßte Adäquanzformel disfunktional ist, weil einerseits Haftungsnormen dem Geschädigten auch ganz ungewöhnliche Schadensentwicklungen abnehmen und andererseits durchaus gewöhnliche Schadensentwicklungen aus dem Bereich der durch eine Haftungsnorm geschützten Interessen herausfallen können.


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