Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
§ 286 Randnummer 21

3. Das Beweiskriterium der Rechtsprechung

Die höchstrichterliche Rechtsprechung läßt den offenen Ausweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als eines hinreichenden Beweiskriteriums nicht zu und gibt im gleichen Atemzug dem Instanzrichter eine Formel an die Hand, mit der er jedes in den Grenzen überwiegender Wahrscheinlichkeit und praktischer Gewißheit erwogene Beweisergebnis beschwören kann. Wörtlich heißt es dazu in der Anastasia-Entscheidung: ,,(N)ach § 286 ZPO muß der Richter auf Grund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht wahr hält, er darf sich also gerade nicht mit einer boßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Im übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewißheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei nicht voraus. Auf diese eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muß sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewißheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das wird allerdings vielfach ungenau so ausgedrückt, daß das Gericht sich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit begnügen dürfe; das ist falsch, falls damit von der Erlangung einer eigenen Überzeugung des Richters von der Wahrheit abgesehen werden sollte" (BGHZ 53, 245 ff., 255, 256).


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Gesetzestext