Starke Inanspruchnahmen (auch gefühlsmäßiger Art) vor oder nach dem Erlebnis können den Aufbau einer stabilen Spur behindern. Man spricht hier von proaktiver und retroaktiver Interferenz oder Hemmung (vgl. Arbinger S. 144 ff.; Baddeley S. 83 ff.; Bender/Nack RN 134 ff.). Eine gesteigerte Form der Beeinträchtigung treffen wir bei Amnesien an (vgl. zu den Amnesien allgemein Laudien S. 49 ff.). Ein schwerer Schock kann ebenso wie eine Gehirnerschütterung zu Abrufbeeinträchtigungen für Ereignisse führen, die kurz vor dem Schock oder der Gehirnerschütterung stattfanden (retrograde Amnesie). Welche physiologischen Ereignisse dem Phänomen der retrograden Amnesie zugrunde liegen, ist umstritten (vgl. Flohr in: Brazier (Hrsg.) Brain Mechanisms in Memory and Learning, 1979, S. 277 ff.). Befunde über die Rückbildung der Amnesie sprechen nicht dafür, daß die Ereignisse wegen der Störung oder Unterbrechung der Gedächtniskonsolidierung für immer verloren sind (so aber Bender/Nack RN 26), sondern dafür, daß nur der Zugriff auf die gespeicherten Ereignisse gestört ist (vgl. Sinz in Klix/Sydow S. 220 ff.). Auch hier stehen wir noch vor umstrittenen Erklärungsversuchen für ein unbestrittenes Phänomen, wobei für den Juristen in erster Linie das Phänomen von Belang ist.
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