Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 402 Randnummer 29

I. Der herkömmliche Prüfkatalog

Vor dem Hintergrund verbesserter methodischer Qualifikation darf man getrost an den Anforderungen festhalten, die Rechtsprechung und Lehre seit je an die richterliche Überprüfung von Sachverständigengutachten gestellt haben. Er muß das Gutachten daraufhin überprüfen, ,,ob der Sachverständige vom richtigen Sachverhalt ausgeht, ob seine Erfahrungssätze gesichert, seine Schlußfolgerungen schlüssig und richtig sind" ( Schellhammer RN 653; vgl. zur faktischen Handhabung Breunung in: Pieper/Breunung/Stahlmann S. 258 ff.). Diese Anforderungen erheischen auch außerhalb des deutschen Rechtskreises Beachtung, wie die folgende von Nicklisch (S. 326) aus dem belgischen Landesbericht übernommene Prüfliste zeigt: ,,1. Sind die Tatsachen, von denen das Gutachten ausgeht, nachgeprüft? 2. Sind die Sätze der Wissenschaft, auf die der Sachverständige seine Schlußfolgerungen gestützt hat, unbestritten oder sind sie Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen? 3. Stehen die Schlußfolgerungen, aus denen er sein Gesamtergebnis herleitet, im Einklang mit den Regeln der Logik? 4. Besteht Übereinstimmung zwischen den Feststellungen des Sachverständigen, den Aussagen der Zeugen und der Einlassung des Angeklagten (im Zivilprozeß: dem Vortrag der Parteien) oder besteht diese Übereinstimmung nicht? 5. Besteht, wenn mehrere Experten hinzugezogen sind, zwischen deren Meinung Übereinstimmung oder nicht? 6. In welcher Form begründet der Sachverständige seine Meinung? Erklärt er eine Tatsache mit Bestimmtheit für wahr oder begnügt er sich damit, sie nicht zu verneinen?" Will das Gericht dem Sachverständigengutachten nicht folgen, so muß es einerseits dem Sachverständigen Gelegenheit geben, zu den Bedenken des Gerichts Stellung zu nehmen. Es darf sich nicht einfach mit dem Hinweis auf ein eigenes Lehrbuchstudium über das Gutachten des Sachverständigen hinwegsetzen (BGH VersR 1984, 354). Es hat andererseits darzulegen, daß seine eigene Sachkunde ausreichte, um sich ein von der Ansicht des Sachverständigenabweichendes Urteil bilden zu können (BGH NJW 1981, 2578; vgl. aber auch BGH NJW 1975, 1463). ,,Die Schwierigkeiten, sich mit vertretbarer Begründung einem Sachverständigengutachten anzuschließen, sind ... erheblich geringer, als dieses überzeugend zu widerlegen" (Olzen ZZP 93 (1980), 79).


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