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Der beiderseitige Irrtum

Bisher sind wir ausschließlich Fällen begegnet, bei denen nur eine Partei dem Eigenschaftsirrtum unterlegen ist. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass sich beide Parteien bei Vertragsschluss über dieselbe verkehrswesentliche Eigenschaft irren. Es ist heftig umstritten, ob § 119 Abs. 2 BGB auch auf solche Fälle des beiderseitigen Irrtums anwendbar ist.

Gegen die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB auf diese Fallkonstellationen ist angeführt worden, dass § 119 Abs. 2 BGB ausschließlich den einseitigen Irrtum regele. Für den Fall des beiderseitigen Irrtums fehle es daher an einer gesetzlichen Regelung im BGB. Danach muss man zur Ausfüllung dieser Gesetzeslücke auf die von Rechtsprechung und Lehre auf der Grundlage von § 242 BGB entwickelte (seit dem 1. Januar 2002 in § 313 BGB geregelte) Lehre von der Geschäftsgrundlage zurückgreifen, deren Anwendung anders als die Anfechtung in erster Linie den Bestand des Vertrages unangetastet lässt und lediglich zur Vertragsanpassung führt. Für die Unanwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB auf den Fall des beiderseitigen Irrtums wird auch geltend gemacht, dass die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB hier unbillig sei, da es letztlich auf Zufall beruhe, welcher der beiden Irrenden anfechte und damit zum Ersatz des Vertrauensschadens nach § 122 BGB verpflichtet werde. Dieser Billigkeitserwägung kann man allerdings entgegenhalten, dass es auch beim beiderseitigen Irrtum keineswegs unbillig erscheint, den Anfechtenden zum Ersatz des Vertrauensschadens zu verpflichten, denn anfechten wird von den beiden immer derjenige, für den der Irrtum nachteilig war. Demjenigen, der aus der Anfechtung einen Vorteil zieht, ist es aber durchaus zuzumuten, dem Anfechtungsgegner diesen Vorteil zu "bezahlen".

Zur Verdeutlichung dessen braucht man unseren Beispielsfall über den Ringkauf nur so abzuwandeln, dass auch die Verkäuferin davon ausging, der Ring sei golden. Als sich dies später herausstellt, will die Verkäuferin an dem Geschäft festhalten, da es für sie günstig war. Herr A ficht aber an. Es erscheint dann aber nicht unbillig, wenn er dem Juwelier nach § 122 den Vertrauensschaden ersetzt. Des weiteren lässt sich auch weder aus dem Wortlaut, noch aus der systematischen Stellung des § 119 Abs. 2 BGB herleiten, dass er nicht auch den Fall des beiderseitigen Irrtums erfasse.

Allerdings muss noch ein Weiteres bedacht werden. Während beim einseitigen Irrtum die kaufrechtlichen Mängelregeln nicht eingreifen, weil der Kaufgegenstand nicht als goldener verkauft worden ist, sieht das beim beiderseitigen Irrtum möglicherweise anders aus. Wenn über die Eigenschaft gesprochen worden und der Ring damit als golden verkauft worden ist, dann weist der bloß vergoldete Ring einen Mangel im Sinne des § 434 BGB auf. Es greifen die Gewährleistungsregeln, und aus diesem Grunde scheidet die Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB aus. Wenn allerdings nicht über die Eigenschaft gesprochen worden ist, dann fehlt es an einem Anhaltspunkt für eine Vereinbarung "golden" und damit für die Abweichung der Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit (Fehlerbegriff). Hier ist der Weg zur Anfechtung geöffnet.

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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