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Die Einschaltung von Boten

Wie bereits erörtert können bei der Übermittlung einer Willenserklärung sowohl auf Seiten des Erklärenden wie auf Seiten des Empfängers "Hilfspersonen" eingesetzt werden. Daher stellt sich konsequenterweise die Frage, was geschieht, wenn sich eine solche Hilfsperson verspricht, verschreibt oder wenn sie auch nur aus Nachlässigkeit die übermittelte Erklärung unrichtig wiedergibt. Unterläuft dem Erklärungsboten ein solcher Fehler dieser Art, so ergibt sich aus der Verteilung des Zugangsrisikos, dass der Fehler zu Lasten des Erklärenden geht, d.h. dass dieser die Erklärung so gegen sich gelten lassen muss, wie sie dem Empfänger zugegangen ist. Beauftragt also der Vater seinen Sohn damit, für den nächsten Tag in der Bäckerei einen Kirschkuchen zu bestellen, bestellt dieser jedoch, da er sich an den Auftrag nicht mehr genau erinnern kann, versehentlich einen Apfelkuchen, dann muss der Vater das Angebot "Apfelkuchen" gegen sich gelten lassen. Allerdings kann er nach § 120 BGB anfechten, da diese Vorschrift die unrichtig übermittelte Erklärung dem Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Fall 2 BGB) gleichstellt. Dies ist auch folgerichtig, gibt doch der Erklärungsbote anders als ein Stellvertreter keine eigene Willenserklärung ab, sondern übermittelt nur als "verlängerter Arm des Erklärenden" dessen Willenserklärung als fremde Willenserklärung. Ein Fehler, der bei diesem Übermittlungsvorgang auftritt, ist demnach noch der Erklärungshandlung im weiteren Sinne zuzuordnen.

Tritt dagegen der Fehler beim Empfangsboten auf, dann verlagert sich das Zugangsrisiko auf den Erklärungsempfänger. Eine dem Empfangsboten fehlerfrei zugegangene Willenserklärung des Erklärenden, die dieser sodann dem Empfänger unrichtig überbringt, muss der Erklärungsempfänger somit in dem vom Erklärenden gewollten Sinne gegen sich gelten lassen. Teilt in dem obigen Beispiel etwa der Sohn der Frau des Bäckers den Auftrag seines Vaters (Kirschkuchen) fehlerfrei und verständlich mit und gibt sie nun versehentlich den Auftrag "Apfelkuchen" an ihren Mann weiter, dann geht dieser Übermittlungsfehler der Empfangsbotin zu Lasten des Bäckers. Da dann trotz des Übermittlungsfehlers dem Willen des Erklärenden voll Rechnung getragen werden kann, stellt sich das Problem einer Anfechtung durch den Erklärenden erst gar nicht. Auf von Empfangsboten verursachte Übermittlungsfehler ist § 120 BGB demnach nicht anwendbar. In diesen Fällen kommt allerdings eine Anfechtung der Erklärung des Erklärungsempfängers nach § 119 Abs. 1 Fall 1 (Inhaltsirrtum) in Betracht.

Problematisch ist jedoch, ob § 120 auch dann eingreift, wenn der Erklärungsbote die Erklärung bewusst falsch übermittelt ("Pseudobote"), wenn also etwa in unserem Beispielsfall der Sohn bewusst Apfelkuchen bestellt, weil er seinem Vater einen Streich spielen will. Ganz überwiegend wird für diesen Fall das Vorliegen einer "Übermittlung" einer fremden Willenserklärung im Sinne des § 120 BGB verneint: Der Bote überbringe dann nicht mehr die Erklärung des Erklärenden, sondern vielmehr eine eigene, die nur den Anschein einer fremden Erklärung habe. Dieser Fall sei dem Fall eines ohne Vollmacht handelnden Vertreters strukturell und von der Interessenlage her so ähnlich gelagert, dass die dafür im BGB vorgesehenen Vorschriften (§§ 177 bis 180 BGB) analog anzuwenden seien. Das bedeutet, dass die von dem Boten abgegebene Erklärung als Erklärung des Erklärenden bis zur Genehmigung durch den Erklärenden analog § 177 I BGB unwirksam (so genannte "schwebende Unwirksamkeit") ist und dass der Bote dem Erklärungsempfänger bei Verweigerung der Genehmigung analog § 179 BGB nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz haftet.

Allerdings ist diese Lösung des Problems der bewussten Falschübermittlung einer Willenserklärung durch den Erklärungsboten ("Pseudobote") keineswegs unumstritten. So wird von einer Gegenansicht geltend gemacht, dass aus der Sicht der Interessen des Erklärungsempfängers kein wesentlicher Unterschied zwischen der bewussten und der unbewussten Falschübermittlung bestünde. Dabei spricht in der Tat insbesondere der beim Einsatz von Erklärungsboten so wichtige Gedanke der Risikoverteilung dafür, den Erklärenden auch an eine bewusst falsch übermittelte Erklärung zu binden: Immerhin hat derjenige, der einen Erklärungsboten beauftragt, sich diesen vorher ausgesucht und will sich überdies auch die Vorteile dieser Arbeitsteilung zunutze machen. Er steht daher dem Risiko, das er mit der Auswahl und Beauftragung des Erklärungsboten selbst gesetzt hat, deutlich näher als der Erklärungsempfänger, der mit dem Erklärungsboten eigentlich nichts zu tun hat. Spricht dann nicht vieles dafür, dem Erklärenden die vom Boten bewusst falsch übermittelte Willenserklärung als eigene Willenserklärung zuzurechnen? Oder soll man dem Erklärenden, wenn man mit Rücksicht auf den Grundsatz der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung so weit nicht gehen will, nicht zumindest analog § 122 BGB zum Ersatz des dem Erklärungsempfänger entstandenen Vertrauensschadens verpflichten?

Sowohl einer Zurechnung der vom Boten bewusst falsch übermittelten Erklärung als auch einer Haftung analog § 122 BGB steht jedoch entgegen, dass es keineswegs zwingend ist, dem Erklärenden das Risiko der bewussten Falschübermittlung zuzurechnen. Zwar ist es richtig, dass der Erklärende im Ergebnis die Falschübermittlung kausal verursacht hat, doch hat er damit dem Boten lediglich einen Anlass zur Falschübermittlung gegeben, der unter Zurechnungsgesichtspunkten irrelevant erscheint: Die "Übermittlung" einer eigenen Willenserklärung des Boten ist gerade keine Folge der Arbeitsteilung mehr, sondern unterscheidet sich im Grunde genommen durch nichts von dem Fall, dass der "Bote" ohne jeden Auftrag des Erklärenden eine angebliche Erklärung desselben überbringt. Der Zurechnung einer solchen Erklärung steht dann entgegen, dass sie in keiner Hinsicht mehr auf dem Willen des Erklärenden, sondern vielmehr allein auf dem selbständigen Entschluss des Boten beruht. Es geht aber zu weit, den Erklärenden auch für eigene Willensentschlüsse seines Boten haften zu lassen, denn mit der bewussten Falschübermittlung verwirklicht sich aus der Sicht des Erklärungsempfängers nicht das vom Erklärenden geschaffene Übermittlungsrisiko, sondern ein allgemeines Lebensrisiko. Da die vom Boten bewusst falsch übermittelte Willenserklärung dem Erklärenden somit nicht als eigene Willenserklärung zugerechnet werden kann, stellt sich somit die Frage einer Anfechtung dieser Erklärung nach § 120 BGB nicht. § 120 BGB ist somit auf den Fall des "Pseudoboten" nicht anwendbar.

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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