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Kaufvertrag und deliktische HaftungAnsprüche aus unerlaubter Handlung werden nicht von dem kaufrechtlichen Mängelhaftungsrecht ausgeschlossen. Das Deliktsrecht ist von der vertraglichen Haftung vollkommen unabhängig. Es gilt sowohl mit seinen positiven (vgl. z.B. § 844 f. BGB) als auch mit seinen negativen (vgl. § 831 BGB) Besonderheiten. Relevant wird das Konkurrenzverhältnis einerseits, wenn die unerlaubte Handlung zugleich das arglistige Täuschen über die Mangelfreiheit einer Sache bzw. das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften darstellt , andererseits, wenn nur ein Teil der verkauften Sache mangelhaft ist und ein anderer Teil oder die Restsache als Mangelfolge später beschädigt werden (sog. weiterfressender Mangel). Arglistiges Täuschen über die Mangelfreiheit einer Sache bzw. das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften (vgl. BGH NJW 1960, 237)Das arglistige Täuschen verstößt gegen die guten Sitten. Dem Getäuschten stehen demgemäß vorbehaltlich des Vorliegens aller sonstigen Voraussetzungen Ansprüche aus § 826 BGB bzw. auch aus §§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB zu. Hat der Geschädigte den Kaufvertrag nach § 123 BGB angefochten, so kann er nach den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts entwickelten Grundsätzen regelmäßig nur den Ersatz des negativen Vertragsinteresses nach dem deliktischen Haftungsrecht verlangen, d.h. die Herstellung des Vermögenszustandes, wie er sich ohne den geschlossenen Vertrag darstellen würde (§§ 823 ff. i.V.m. § 249 BGB). Hat der getäuschte Käufer den Vertrag nicht rechtswirksam angefochten, steht dem Geschädigten das positive Interesse aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 bzw. 283 BGB zu. Im Falle der wirksamen Anfechtung des Kaufvertrages ist dem Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 bzw. 283 BGB jedoch die Rechtsgrundlage entzogen. Es bleibt abschließend die Frage, ob dem Getäuschten auch im Falle einer Anfechtung bei dem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ausnahmsweise das Erfüllungsinteresse zusteht, wenn der Kaufvertrag vom Käufer aus demselben Grund rechtswirksam angefochten wurde, auf dem auch sein Schadensersatzanspruch beruht. Diese Auffassung hat das Reichsgericht in RGZ 103, 154 (160) vertreten. Zwischenzeitlich hatte sie sich auch in der Literatur zum alten Recht durchgesetzt. Das Reichsgericht führt dieses Ergebnis auf die Gleichheit des Rechtsgrundes zurück. Es erscheint in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung des Reichsgerichts auch auf das neue Recht bezogen nicht sinnvoll, bei derart ähnlichen Interessenlagen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen zu gelangen. Verursachung von Schäden bei mangelhafter LieferungIn diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, ob die für kaufvertragliche Schadensersatzansprüche (nach einem Teil der Literatur auch für Mangelfolgeschäden) geltende Verjährungsvorschrift des § 438 BGB auch auf Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung übergreift und die für diese Ansprüche geltende Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB bzw. die Verjährung aus § 12 ProduktHaftG verdrängt, wenn vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche aus demselben Sachverhalt hergeleitet werden. Der BGH hat sich bezogen auf das alte Recht erstmals in BGHZ 66, 315 damit beschäftigt. Die Literatur zum alten Recht verneinte überwiegend ein Übergreifen der kurzen Verjährung aus § 477 I BGB a.F. auf das Deliktsrecht (vgl. Günther Schmitz, in: NJW 1973, 2081-2085, Die Verjährung von Mangelfolgeschäden im Kauf- und Werkvertragsrecht). Auch der BGH hatte sich dagegen ausgesprochen. Er begründete dies damit, dass es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und solchen aus unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz handele, was dazu führe, dass jeder Anspruch nach seinen eigenen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen sei und demnach auch seinen eigenen Verjährungsfristen unterliege. Vor allem treffe es nicht zu, dass ohne Erstreckung des § 477 I BGB a.F. auch auf konkurrierende deliktische Ansprüche der Zweck der kurzen Verjährungsregelung vereitelt und diese Vorschrift im Ergebnis ausgehöhlt würde. Wenige Zeit zuvor hatte sich das OLG Düsseldorf (NJW 1975, 453) genau anders entschieden. Der gesetzgeberische Grund für die kurze Verjährungsfrist liege darin, dass die Ermittlung und Feststellung von Mängeln des Kaufgegenstandes nach längerem Zeitablauf kaum mehr durchführbar sind. Dieser Grundsatz gelte für die Verjährung der Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden ohne Rücksicht darauf, ob der Rechtsgrund im Vertrage oder in unerlaubter Handlung liege. Die Verjährung solle in diesen Fällen nicht von der Zufälligkeit abhängen, ob der Folgeschaden an einem der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter entstanden ist oder nicht. Andererseits sei es nicht einzusehen, warum es dem deliktisch Handelnden aus verjährungsrechtlicher Sicht zugute kommen solle, dass er zugleich noch eine vertragliche Pflicht verletzt habe. Wie die Rechtsprechung diese Frage bezogen auf das neue Recht lösen wird, ist natürlich noch offen. Da sich an der Berechtigung der auch auf das neue Recht übertragbaren Argumente der Leitentscheidung des BGH zu dieser Frage im alten Recht nichts geändert hat und da die bisherigen Stellungnahmen in der Literatur ebenfalls von freier Anspruchskonkurrenz zwischen Gewährleistungsrecht und Deliktsrecht ausgehen (Putzo, in: Palandt, § 438 Rdnr. 3; Saenger, in: Handkommentar zum BGB, § 438 Rdnr. 3; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 548; H.P. Westermann, NJW 2002, 241, 250), ist allerdings davon auszugehen, dass die Rechtsprechung auch im neuen Recht daran festhalten wird, dass § 438 BGB nicht auf deliktsrechtliche Ansprüche ausgedehnt werden kann. Problematisch ist indes die Frage, ob eine Eigentumsverletzung im Sinne der §§ 823 ff. BGB vorliegt, wenn infolge eines Mangels der Kaufsache unversehrte Teile der Kaufsache beschädigt werden (weiterfressender Schaden). Der BGH hatte im Rahmen der Produzentenhaftung über zwei zu dieser Fragestellung interessante Fallgestaltungen zu entscheiden. In BGHZ 67, 359 führte die Mangelhaftigkeit eines kleinen Teils der Kaufsache (Schwimmschalter) zu einem weitaus größeren Schaden an der gesamten Anlage. In BGHZ 86, 256 führte ein defekter Gaszug am Gaspedal eines PKW zu einem Unfall mit erheblichem weiteren Sachschaden. Der BGH arbeitete bezogen auf das alte Recht für diese Fälle mit folgendem Regelsystem: Grundsätzlich sei das Interesse des Käufers an der Bewahrung der erworbenen Sache vor ihrer Beschädigung oder Zerstörung nicht weniger schutzwürdig als das Integritätsinteresse an seinen anderen Sachen. Verwirkliche sich durch den Mangel der Sache ein weiterer Schaden an der gekauften Sache, der das Integritätsinteresse des Käufers berühre, so liege eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I BGB vor. Decke sich der Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftete, dann sei er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, und es sei insoweit für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum. Ob der BGH an dieser unter dem Stichwort "weiterfressender Mangel" bekannt gewordenen Rechtsprechung im neuen Recht festhalten wird, ist offen. Da die Rechtsprechung aus der für den Geschädigten weitaus günstigeren Verjährungsregelung des Deliktsrechts gegenüber dem Kaufrecht resultierte und diese durch die Neuregelung zwar entschärft, aber keineswegs beseitigt ist, steht zu vermuten, dass der BGH und zunächst einmal die Untergerichte diese Rechtsprechung auch im neuen Recht weiterverfolgen werden (Loren/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 548; mit offener Prognose: H.P. Westermann, NJW 2002, 241, 250). Wir werden diese Fragen bei der Erörterung der außervertraglichen Haftung wieder aufgreifen. |
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