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Die Aliud- und Mankolieferung (§ 434 Abs. 3 BGB)§ 434 Abs. 3 unterstellt auch die Aliud- und die Mankolieferung, also die Lieferung einer anderen als der gekauften Sache und die Lieferung einer geringeren als der vereinbarten Menge, dem Sachmängelgewährleistungsrecht. § 434 Abs. 3 BGB stellt ein aliud dem Sachmangel gleich. Auch die Lieferung einer anderen Sache bewirkt also den Übergang des Erfüllungsanspruches zum Nacherfüllungsanspruch – eine für den Verkäufer durchaus günstige Veränderung der Rechtslage, denn in diesem Moment beginnt die kürzere und vor allem objektive Verjährungsfrist von § 438 BGB zu laufen und dem Verkäufer kommt die gegenüber § 275 Abs. 2 BGB wesentlich günstigere Einrede des § 439 Abs. 3 S. 3 zugute. Der Gesetzgeber wollte mit der Gleichstellung die Probleme beheben, die sich beim Gattungskauf aus der überaus schwierigen Frage ergaben, ob eine Sache nun mangelhaft war (peius) oder ob sie schon einer anderen Gattung angehörte (aliud). Werden zum Beispiel statt der bestellten Kacheln mit einer Größe von 30 cm2 Kacheln mit 35 cm2 geliefert, so fragt sich, ob dies nun einfach andere oder zu große Kacheln sind. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich jedoch nicht zwingend, warum ein aliud auch beim Stückkauf (Identitätsaliud) dem Sachmangel gleich stehen soll. Haben sich die Parteien auf eine bestimmte Sache geeinigt und wird eine andere geliefert, so ist dies eindeutig ein aliud und kein Sachmangel. Man kann sich also fragen, ob es sich bei der weiten Fassung von § 434 Abs. 3 BGB um ein Redaktionsversehen handelt. Die Gesetzesmaterialien geben in dieser Hinsicht wenig Aufschluss. Dort heißt es: „Wird beim Stückkauf ein Identitätsaliud geliefert, so kommt neben dem Erfüllungsanspruch auf Lieferung ein davon verschiedener Nacherfüllungsanspruch nicht in Betracht “ (BT-Drucks. 14/6040, S. 216). Hieraus kann man nun entweder lesen, dass das Identitätsaliud nicht einbezogen werden sollte oder dass der Nacherfüllungsanspruch den gleichen Inhalt hat wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (siehe zur ersten Interpretation: Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 114 und zur zweiten: Lorenz, JuS 2003, 38). Entscheidend dürfte jedoch Folgendes sein. Beim Gattungskauf rechtfertigt das Bedürfnis nach Rechtssicherheit die Gleichstellung von aliud und peius. Die Situation beim Stückkauf ist hingegen völlig anders. Verdeutlichen lässt sich dies an folgendem Beispiel. V verkauft K ein Bild, von dem es zwei Versionen gibt, und liefert eine der Versionen. Anschließend streiten die Parteien darum, ob V nun die richtige Version geliefert hat. Dieser Streit kann zwei Gründe haben. Zum einen ist es möglich, dass aus dem Vertrag nicht klar hervorgeht, welche Version gemeint war. Zum anderen könnte es sein, dass die zwei Versionen derartig schwer zu unterscheiden sind, dass eine Verwechslung stattgefunden hat. Eine Rechtsunsicherheit besteht in solchen Fällen nicht. Wir haben es vielmehr mit Beweisschwierigkeiten entweder hinsichtlich des Inhaltes des Vertrages oder der Identität der Sache selbst (wobei letzteres sehr schwer vorstellbar ist) zu tun. Es kann hier keine Unsicherheit im Recht geben, die es rechtfertigen würde, den Käufer auf den für ihn ungünstigeren Nacherfüllungsanspruch zu verweisen. Demzufolge ist eine teleologische Reduktion von § 434 Abs. 3 BGB dahingehend vorzunehmen, dass dieser auf die Stückschuld keine Anwendung findet, sondern nur auf die Gattungsschuld. Doch auch wenn man § 434 Abs. 3 BGB nur auf die Gattungsschuld anwendet, so verwundert doch die sehr weite Fassung dieser Norm. Sind etwa Legosteine, die anstatt der bestellten Kacheln geliefert werden, mangelhafte Kacheln? So überspitzt diese Frage scheinen mag, beim ersten Lesen des Gesetzestextes ist man versucht, sie zu bejahen. Dies erscheint jedoch schon deshalb bedenklich, weil der Verkäufer mit der Lieferung einer beliebigen Sache die Anwendung der für ihn günstigen kaufvertraglichen Gewährleistungsregeln auslösen könnte. Der Übergang vom Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Verkäufer einen Erfüllungsversuch vorgenommen hat. Ob ein solcher Erfüllungsversuch vorliegt, richtet sich nach der Erfüllungs- bzw. Tilgungsbestimmung. Diese ist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Von einem Erfüllungsversuch kann somit nur dort ausgegangen werden, wo das Handeln des Verkäufers aus der Sicht des objektiven Empfängers auch als solcher zu verstehen ist (Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 107). Liefert der Verkäufer Legosteine statt Kacheln, wird ein objektiver Empfänger hierin entweder einen Scherz oder ein Versehen erblicken, keinesfalls aber einen ernsthaften Erfüllungsversuch. Der Erfüllungsanspruch bleibt in einem solchen Fall bestehen. Anwendung findet § 434 Abs. 3 BGB also nur, wenn der Verkäufer eine andere Gattungssache liefert und diese Lieferung für den Käufer auch als Erfüllungsversuch erkennbar ist. Auf ein aliud finden in diesem Fall die Regeln der §§ 437 ff. BGB Anwendung. Der Käufer kann also den Nacherfüllungsanspruch geltend machen und, wenn der Verkäufer die Nacherfüllungsfrist verstreichen lässt, die übrigen Rechtsbehelfe. Was aber geschieht, wenn der Verkäufer eine wertvollere Sache liefert? Man stelle sich vor, Käufer K habe Kacheln à 30 cm2 bestellt. V verwechselt die Bestellung des K mit der des B und liefert ihm Kacheln à 35 cm2. K bemerkt dies zunächst nicht. Als er den Fehler sieht, ist er hoch zufrieden, denn die gelieferten Kacheln sind ein wenig teurer. V hat den Fehler inzwischen auch bemerkt und verlangt die Kacheln von K heraus. Das Problem dieses Beispielsfalles wird unter dem Schlagwort besseres aliud diskutiert. Das in den §§ 437 ff. BGB normierte Sachmängelgewährleistungsrecht gibt nur dem Käufer Rechte nicht aber dem Verkäufer. Zwar wird manchmal von einem Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung gesprochen, dies ist indes terminologisch nicht korrekt. Es ist der Käufer der zunächst Nacherfüllung verlangen muss, bevor er andere Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Folglich handelt es sich bei der Nacherfüllung nicht um ein Recht des Verkäufers im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um eine Begrenzung der Käuferrechte, die dem Verkäufer zu Gute kommt. Solange der Käufer die Nacherfüllung nicht verlangt, kann sie ihm vom Verkäufer nicht aufgedrängt werden. Das Gewährleistungsrecht kommt dem Verkäufer daher nicht zur Hilfe. Aber gibt der Kaufvertrag dem Käufer tatsächlich auch das Recht, die bessere Sache zu behalten, oder ist die Lieferung einer anderen Sache vielmehr ein indebitum, das der Verkäufer gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB herausfordern kann? Das aliud war jedenfalls zunächst nicht die Sache, die geschuldet wurde. Hieraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass es ohne Rechtsgrund erlangt wurde. Eine mangelhafte Sache darf der Käufer grundsätzlich behalten, denn es steht in seinem Belieben, ob er den Nacherfüllungsanspruch geltend macht oder nicht. Auch die Leistung einer mangelhaften Sache erfolgt daher nicht ohne Rechtsgrund, das Gewährleistungsrecht vermittelt in diesem Fall den Rechtsgrund (Musielak, NJW 2003, 90; anders Lorenz, JuS 2003, 38). Aufgrund der Gleichstellung von aliud und Sachmangel durch § 434 Abs. 3 BGB muss dies auch für die Lieferung einer anderen Sache gelten. Auch die Leistung eines aliud ist demzufolge zunächst nicht rechtsgrundlos. Es scheint, als wäre dem Verkäufer auch der Weg über die condictio indebiti versperrt. Hat also der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die in ihrer strikten Anwendung zu einem völlig untragbaren Ergebnis führt (so Musielak, NJW 2003, 92)? Man kann die Problematik des besseren aliud jedoch nicht rein abstrakt, losgelöst von der Situation, in der sie auftritt, betrachten. Tatsächlich wird die Lieferung einer anderen besseren Sache immer auf einen Irrtum des Verkäufers zurückzuführen sein. Entweder wird er wie in unserem Beispiel zwei Kunden verwechselt haben oder er hat die zu liefernde Sache selbst mit einer anderen verwechselt. Dieser Irrtum haftet dann der Tilgungsbestimmung an. Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist die Tilgungsbestimmung den allgemeinen Regeln unterworfen und demzufolge auch analog §§ 119 Abs. 2, 142 BGB anfechtbar. Die Anwendung von § 119 Abs. 2 BGB auf einen Irrtum des Verkäufers wird durch das Gewährleistungsrecht schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil dieses keine Rechte des Verkäufers, sondern nur Rechte des Käufers regelt. Die Lieferung eines aliud berechtigt den Verkäufer daher regelmäßig zur Anfechtung der Tilgungsbestimmung. Durch die Anfechtung entfällt der Rechtsgrund seiner Leistung ex tunc und der Weg für die condictio indebiti ist frei. Das bessere aliud stellt den Rechtsanwender also keineswegs vor ein unlösbares Problem. Bei § 434 Abs. 3 2. Alt BGB ist zu beachten, dass diese Vorschrift trotz ihres umfassenden Wortlauts nur den Fall erfasst, dass der Verkäufer nach dem Empfängerhorizont des Käufers die zu geringe Menge zum Zwecke der Erfüllung seiner ganzen Verbindlichkeit liefert und dabei ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Lieferung in der Absicht erfolgt, die Verbindlichkeit vollständig zu erfüllen. Demgegenüber erfasst sie nicht auch den Fall der bewusst als solcher erbrachten Teilleistung, die der Käufer regelmäßig nach § 266 BGB zurückweisen darf und bei der er gemäß § 323 BGB vom ganzen Vertrag zurücktreten oder gemäß §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung oder gem. gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB Verzugsschaden geltend machen kann. Mit anderen Worten: § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst nur den Fall der verdeckten oder unbewussten Mankolieferung und nicht auch den Fall der offenen oder bewussten Mankolieferung (BT-Drucks. 14/6040, S.216; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496). Im Gegensatz zur Zuweniglieferung (Mankolieferung) wird die Zuviellieferung nicht von § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst. Im Fall der Lieferung einer zu großen Menge kann der Verkäufer das zuviel Geleistete im Wege der Leistungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, 818 Abs. 1 BGB herausverlangen. Ist die Herausgabe nicht möglich, so hat er einen Anspruch auf Wertersatz § 818 Abs. 2 BGB. Ein vertraglicher Anspruch auf Kaufpreiszahlung für das zuviel Geleistete wird dagegen, auch beim bewussten Schweigen des Käufers auf die Zuvielleistung, nicht begründet (Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496; Weidenkaff, in: Palandt, § 434 Rdnr. 53). |
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