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Anspruch und Verjährung

Hinter dem Anspruch verbirgt sich eines der zentralen Rechtsinstitute des Privatrechts und damit auch des bürgerlichen Vermögensrechts. Schon für den Studienanfänger kommt dem Anspruch besondere Bedeutung zu, weil die meisten der zu Prüfungszwecken gestellten Aufgaben (von den ersten Leistungskontrollen im Studium über die Übung im Bürgerlichen Recht bis hin zu den Examensklausuren) sog. Anspruchsklausuren sind, in denen ein Gutachten über ein tatsächliches Begehren erwartet wird, das man häufig in die Frage kleidet: "Wer will was von wem?"

Anspruch

Ob jemand mit Recht etwas von einem anderen verlangen kann, ist gleichbedeutend mit der Frage, ob er einen Anspruch gegen den anderen auf das hat, was er von dem anderen möchte. So spricht auch § 194 Abs. 1 BGB von dem Anspruch als dem "Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen". Das ist die Legaldefinition des Anspruchsbegriffs. Sie ist von ähnlich umfassender Bedeutung wie die Definition des Schuldverhältnisses in § 241 Abs. 1 BGB: "Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen." Ansprüche aber resultieren nicht nur aus Schuldverhältnissen; sie können in allen Rechtsbereichen vorkommen. Man denke nur an den Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB, an Unterhaltsansprüche aus dem Familienrecht (§ 1360 BGB für Ehegatten, § 1601 BGB für Verwandte) oder an Pflichtteilsansprüche aus dem Erbrecht (§ 2303 BGB). Das Gegenstück der Anspruchsberechtigung ist die Leistungsverpflichtung des Anspruchsgegners.

Dem Anspruch des BGB wohnen keinerlei prozessrechtliche Momente inne. Es gibt auch unklagbare Ansprüche, wie das Verlöbnis zeigt, das eine Verpflichtung zur Eheschließung beinhaltet und von dem § 1297 Abs. 1 BGB dennoch sagt: "Aus einem Verlöbnisse kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden."

Die Definition des Anspruchsbegriffs ist in § 194 Abs. 1 BGB implizit - im Voraussetzungsteil für eine Rechtsfolge - enthalten. Die eigentliche Regelungsanordnung steckt in der Aussage, dass ein (jeder) Anspruch der Verjährung unterliege.

Verjährung

Die Verjährung ist ein Rechtsinstitut, das einen Rechtsverlust durch Zeitablauf bewirken kann. Sie ist als Einrede ausgestaltet (das Recht muss ähnlich wie ein Gestaltungsrecht ausgeübt werden) und führt (anders als das ausgeübte Gestaltungsrecht) zur bloßen Hemmung des Anspruchs: Der Anspruch wird durch die Ausübung der Einrede nicht vernichtet, ihm wird lediglich seine Durchsetzbarkeit genommen.

Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, unterliegt der Verjährung. Rechte, die nicht diesen Inhalt haben, unterliegen damit nicht der Verjährung. Ein wichtiges Beispiel für ein solches Recht ist das Eigentum. Man kann zwar auch das Eigentum durch Zeitablauf verlieren (im Rahmen der Ersitzungsmöglichkeiten, §§ 900, 937 ff.); das Eigentumsrecht kann aber nicht verjähren.

Wie steht es mit den Ansprüchen, die das Eigentum dem Eigentümer gewährt? Denken Sie an § 985 BGB: "Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen." Das ist eine schon fast klassische Formulierung eines Anspruchs. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB stellt klar, dass auch dieser Anspruch verjähren kann (spätestens in 30 Jahren). Das Eigentumsrecht aber verjährt nicht! Passt das zusammen? Lassen Sie uns die Frage an einem kleinen Beispiel diskutieren:

Der Dieb D stiehlt dem Eigentümer E eine wertvolle chinesische Vase. Nach 31 Jahren kommt er aus seinem Versteck. Die Vase ist noch in bester Ordnung. E verlangt Herausgabe der Vase von D; D hält dem die Einrede der Verjährung entgegen.

Die Anspruchsgrundlage für das Begehren des E ist § 985 BGB. D ist Besitzer. Fraglich ist, ob E Eigentümer der Vase ist. E hat sein Eigentum nicht durch rechtsgeschäftliche Übertragung verloren (kein derivativer Erwerb). Auch der gutgläubige Erwerb eines Dritten müsste an § 935 Abs. 1 BGB scheitern. E könnte das Eigentum an der Sache, die für mehr als 30 Jahre ein anderer in Eigenbesitz hatte, durch Ersitzung verloren haben. § 937 Abs. 1 BGB bestimmt: "Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung)". Den Tatbestand erfüllt D dreimal. Dennoch hat E sein Eigentum nicht verloren. In Abs. 2 des § 937 ist festgehalten: "Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist ...". In gutem Glauben ist der Dieb allemal nicht.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB liegen vor. Steht diesem Anspruch als Gegenrecht die (ausgeübte) Einrede der Verjährung gegenüber mit der Folge, dass er zwar Eigentümer der Vase ist und bleibt, die Vase aber nie herausverlangen kann? Die Antwort lautet (vielleicht überraschenderweise?): "Ja!" Auch der dingliche Anspruch aus § 985 BGB unterliegt der Verjährung. Es gilt die Verjährungsfrist des § 197 BGB von 30 Jahren. Die sind abgelaufen. E kann seinen (bestehenden!) Herausgabeanspruch nicht durchsetzen; D die Leistung verweigern. Es kommt zu einer dauernden Trennung von Eigentum und Besitz. Das Problem hatte schon der Gesetzgeber des ursprünglichen BGB gesehen und die angesprochene Lösung in Kauf genommen (Motive I, 293; Protokolle I, 197 ff.). Im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist die Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs ausdrücklich geregelt.

Das Leistungsverweigerungsrecht macht § 214 Abs. 1 BGB von einer einzigen Voraussetzung abhängig: dem "Eintritt der Verjährung". Diese Voraussetzung aber hat es in sich. Um sie auszufüllen, müssen verschiedene Fragenkomplexe bedacht werden:

bulletWie lang ist die Verjährungsfrist für den in Frage stehenden Anspruch?
bulletWann beginnt die Frist zu laufen?
bulletIst der Lauf der Frist gehemmt worden?
bulletIst der Lauf der Frist gar von Neuem in Gang gesetzt worden?
bulletWie werden Fristen (Beginn und Ende) berechnet?

Diesen Fragen wollen wir uns jetzt zuwenden.

Verjährungsfrist

Die regelmäßige Verjährungsfrist ist in § 195 BGB festgeschrieben und beträgt drei Jahre. Sie gilt dort, wo keine besondere Regelung eingreift. Besondere Regelungen (Spezialregelungen) können wir einmal dort finden, wo der fragliche Anspruch selber geregelt ist, aber auch dort, wo sich das BGB allgemein mit den Verjährungsfragen befasst: in den §§ 196 und 197 BGB.

Als Beispiele für Regelungen in Anspruchsnähe seien genannt die §§ 438 und 634a BGB. Nach § 438 BGB verjähren Gewährleistungsansprüche des Käufers bei Mängeln von Bauwerken in fünf Jahren und bei Mängeln aller anderen Sachen in zwei Jahren. Nach § 634a BGB verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers von Werkleistungen bei beweglichen Sachen in zwei Jahren und bei einem Bauwerk in fünf Jahren.

Für die besonderen Regeln der §§ 196 und 197 BGB und die in ihnen angesprochenen Ansprüche darf ich auf den Gesetzestext verweisen.

Beginn der Verjährungsfrist

Den regelmäßigen Verjährungsbeginn schreibt § 199 Abs. 1 BGB fest:

"Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem

  1. der Anspruch entstanden ist, und
  2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste."

Damit werden das Entstehen des Anspruchs (objektiver Anknüpfungspunkt) und die Kenntnis des Gläubigers (subjektiver Anknüpfungspunkt) zu Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung erhoben. Der Beginn am Schluss des Jahres ist eine Besonderheit, die die Nervosität mancher Anwälte in der Silvesternacht erklärt. Denn spätestens in dieser Nacht müssten eventuell gerichtliche Schritte unternommen werden, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Denn die regelmäßigen Verjährungsfristen laufen alle am 31.12. ab, es sei denn, dieser 31.12. falle auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag. Dann nämlich läuft die Frist erst am nächsten Werktag - frühestens am 2.1. des darauf folgenden Jahres - ab (§ 193 BGB). Dazu weiter unten!

Um nicht zu unvertretbar langen Zeiträumen zu gelangen, werden in den Absätzen 2 bis 4 Regelungen darüber getroffen, wann Ansprüche auch ohne Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis verjähren. In zehn bzw. spätestens dreißig Jahren soll Schluss, d.h. die Verjährung eingetreten, sein. Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so beginnt die Verjährung mit der Zuwiderhandlung.

Geht es nicht um die regelmäßige Verjährungsfrist, so beginnt nach § 200 BGB die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs.

Aber auch diese Regelungen greifen nur ein, wenn nicht etwas Anderes bestimmt ist. Den Beginn der Verjährungsfrist bei den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen legt § 438 Abs. 2 BGB für bewegliche Sachen auf die Ablieferung, für unbewegliche Sachen auf die Übergabe. Den Beginn der Verjährungsfrist bei den werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsansprüchen legt § 634a Abs. 2 BGB für alle Werke auf die Abnahme des Werkes.

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

Die Verjährung wird durch Verhandlungen über den Anspruch (§ 203 BGB), durch die Vereinbarung eines Leistungsverweigerungsrechts (§ 205 BGB), durch höhere Gewalt (§ 206 BGB), durch familiäre Bande (§ 207) und (das ist der praktisch wichtigste Fall) durch gerichtliche Verfolgung des Anspruchs (beispielsweise durch Klageerhebung oder Zustellung eines Mahnbescheids) gehemmt (§ 204 BGB).

Die Rechtsfolge der Hemmung der Verjährung ist in § 209 BGB geregelt: "Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet." Anders ausgedrückt: Dieser Zeitraum wird der normalen Verjährungsfrist hinzugefügt.

Im früheren Recht hatte vor allem die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs eine weiter gehende Folge. Sie führte zur Unterbrechung der Verjährung, die § 217 BGB alter Fassung so beschrieb: "Wird die Verjährung unterbrochen, so kommt die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Verjährung kann erst nach Beendigung der Unterbrechung beginnen." In einfachem Deutsch ausgedrückt: Eine Unterbrechung ließ die Verjährungsfrist noch einmal ganz von vorn beginnen, wenn die Unterbrechung vorüber war.

Im neuen Recht gibt es den Unterbrechungstatbestand dem Namen nach nicht mehr. Das neue Recht spricht vom Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB) und sieht den Neubeginn nur ausnahmsweise für wenige Fallgestaltungen vor.

Der praktisch wichtigste Hemmungstatbestand ist in § 204 BGB angesprochen: die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, sei es durch Klageerhebung (Abs. 1 Nr. 1), sei es durch Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren der ZPO (Abs. 1 Nr. 3). Und nun wird langsam deutlich, warum manche Anwälte in der Silvesternacht nervös werden. Es ist die Sorge darum, möglicherweise Hemmungshandlungen für Ansprüche, die in dieser Nacht vermehrt verjähren (§ 199 BGB), versäumt zu haben.

Doch warum gerade in dieser Nacht? Kommen die Hemmungshandlungen nicht ohnehin zu spät, wenn es anscheinend nicht auf die Einreichung der Klage oder des Mahngesuchs bei Gericht, sondern auf die Zustellung der Schriftstücke beim Schuldner ankommt? § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nennt ausdrücklich die Zustellung des Mahnbescheids, und für die Klageerhebung gilt nichts anders, weil § 253 Abs. 1 ZPO bestimmt: "Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift)." Hier springt § 167 ZPO ein. Er legt fest, dass es für die Verjährungsunterbrechung und -hemmung letztlich doch auf den Zeitpunkt der Einreichung bei Gericht ankommt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Fristberechnung

Wie überhaupt Fristen berechnet werden, ist eine so allgemeine Frage, dass der Gesetzgeber des BGB für "die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften enthaltenen Frist- und Terminsbestimmungen" im Allgemeinen Teil des BGB, in den §§ 187 bis 193 BGB, Auslegungsvorschriften geregelt hat.

Eine Vorschrift, die sich mit dem Fristende an Sonn- und Feiertagen und an Samstagen befasst, haben wir mit § 193 BGB schon kennen gelernt. Den Fristbeginn spricht § 187 BGB an. Nach Abs. 1 wird der Tag, in den das Ereignis fällt, mit dem die Frist beginnt, bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet. Wäre das das letzte Wort, würden alle Menschen die Volljährigkeit nicht an ihrem 18. Geburtstag, sondern erst einen Tag später erreichen. Denn erst an diesem Tag wären die 18 Jahre vergangen, an die § 2 BGB die Volljährigkeit knüpft. Doch es gibt noch § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB. Für die Berechnung des Lebensjahres wird auch der Tag der Geburt mitgerechnet und zwar von 00.00 Uhr an, selbst wenn Sie sich bis 23.00 Uhr Zeit gelassen haben, diese Welt mit Ihrem Erscheinen zu beglücken. Sie werden tatsächlich (nein rechtlich) mit dem Beginn Ihres Geburtstags ein Jahr älter.

Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass unsere Gepflogenheiten bei den Geburtstagsfeiern im Einklang mit den Zeitbestimmungen des BGB stehen?!

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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