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Die rechtlichen Grundlagen des juristischen Studiums

Viele juristische Berufe nennen als Berufseingangsvoraussetzung die "Befähigung zum Richteramt". So etwa der Beruf des Rechtsanwalts durch § 4 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung):

Zur Rechtsanwaltschaft kann nur zugelassen werden, wer die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat oder die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182) erfüllt oder die Eignungsprüfung nach diesem Gesetz bestanden hat.

Oder der Beruf des Notars nach § 5 BNotO (Bundesnotarordnung):

Zum Notar darf nur ein deutscher Staatsangehöriger bestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat.

§ 5 Abs. 1 DRiG (Deutsches Richtergesetz) bestimmt:

Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung.

Über diese Vorschrift nimmt das Bundesrecht Einfluss auf die an sich der Länderkompetenz unterliegende Juristenausbildung. Wer für einen Beruf ausbilden will, der die Befähigung zum Richteramt zur Voraussetzung hat, muss den Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes genügen.

§ 5a Abs. 2 und Abs. 3 DRiG sagt zum Inhalt des juristischen Studiums:

Gegenstand des Studiums sind Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten. Außerdem ist der erfolgreiche Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses nachzuweisen; das Landesrecht kann bestimmen, dass die Fremdsprachenkompetenz auch anderweitig nachgewiesen werden kann. Pflichtfächer sind die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Die Schwerpunktbereiche dienen der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts.

Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit. Während der vorlesungsfreien Zeit finden praktische Studienzeiten von insgesamt mindestens drei Monaten Dauer statt. Das Landesrecht kann bestimmen, daß die praktische Studienzeit bei einer Stelle und zusammenhängend stattfindet.

Die nähere Ausgestaltung dieser Regelung bleibt dem Landesrecht überlassen.

Die saarländische Regelung

Die saarländische Regelung findet sich im vom Landtag verabschiedeten Juristenausbildungsgesetz (JAG) und in der vom Justizministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium verabschiedeten Juristenausbildungsordnung (JAO). Ergänzend dazu gibt es eine universitäre Studien- und Prüfungsordnung mit einem Studienplan.

Rechtsfragen

Das ist die formelle Normenhierarchie vom DRiG zum JAG über die JAO zur Studien- und Prüfungsordnung, die das juristische Studium an der Universität des Saarlandes bestimmt. Als Normengeber sind tätig der Bundesgesetzgeber, der Landesgesetzgeber, ein Ministerium (und damit ein Exekutivorgan) und schließlich die Universität des Saarlandes durch die Abteilung Rechtswissenschaft der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Alle diese Normengeber müssen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Kompetenzen gehandelt haben, um wirksame und damit verbindliche Normen zu schaffen. Verschiedene Fragen lassen sich stellen:

bulletWie kommt der Bundesgesetzgeber dazu, Regelungen über die Juristenausbildung zu treffen? Müsste das nicht der Landesgesetzgeber allein tun?
bulletWie kommt der Landesgesetzgeber dazu, Regelungen über die Juristenausbildung zu treffen? Müsste das nicht der Bundesgesetzgeber allein tun?
bulletWie kommen demokratisch nicht legitimierte (weil nicht vom Volk gewählte) Einrichtungen wie Ministerien und Universitäten dazu, Regeln und Normen zur Juristenausbildung zu erlassen?
bulletIst es rechtlich möglich, eine ganz andere Juristenausbildung (etwa die Ausbildung zu einem Wirtschaftsjuristen oder Rentenjuristen) an einer deutschen Hochschule einzurichten?

Beginnen wir mit der letzten Frage! Die Antwort lautet (vielleicht überraschend): Ja! Es ist rechtlich möglich, eine ganz andere Juristenausbildung an einer deutschen Hochschule einzurichten. So wird etwa an verschiedenen Fachhochschulen (Lüneburg, Wismar) die Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen angeboten. Auch Universitäten könnten das. In Hamburg gibt es eine Bucerius Law School. Politiker des Saarlandes haben mit dem Gedanken gespielt, an der Universität des Saarlandes eine Juristenausbildung einzurichten, die sich nicht an die Vorgaben des Deutschen Richtergesetzes hält. Über die Verwendung solcher "Juristen" entscheidet der (Arbeits-)Markt. Sie haben keinen Zutritt zu den Berufen, die die Befähigung zum Richteramt verlangen. Nur wer seine Absolventen mit der Möglichkeit ausstatten will, die Befähigung zum Richteramt zu erwerben, der ist an die Vorgaben des Deutschen Richtergesetzes gebunden.

Wir befinden uns mit unseren Fragen mitten im Geschäft der Juristen: Rechtsfragen zu beantworten. Vielleicht sind die hier aufgeworfenen Fragen nicht ganz so typisch. Es fehlt die Anknüpfung an einen Fall, einen Sachverhalt, ein individuelles Geschehen. Doch bedarf es nicht viel Phantasie, sich einen Fall vorzustellen, der die Frage nach der Gültigkeit der im Saarland angewendeten Ausbildungsnormen nach sich zieht. Ein Student ist an der 40 Punkte Hürde gescheitert und will sich dagegen wehren, das gesamte Studienjahr wiederholen zu müssen. Ein anderer meldet sich zum Ersten Juristischen Staatsexamen und wird nicht zugelassen, weil er einen im JAG verlangten Schein nicht hat. Er hält den Schein nicht für erforderlich und die Norm, die ihn fordert, für unwirksam. Schon müssen die gestellten Fragen nach der Wirksamkeit der Normen im Rahmen einer Fallkonstellation beantwortet werden.

Die Fragen danach, wer verbindliche Normen für eine zum Staatsexamen führende Ausbildung festlegen darf, zielen auf die Verfassung unseres Gemeinwesens, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die zentrale Norm eingangs des Abschnitts "Der Bund und die Länder" gibt uns eine Idee davon, in welche Dimensionen unsere Fragen vordringen können.

Art. 20 GG

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Abs. 2 enthält den Grundsatz der demokratischen Legitimation und spricht die Teilung der Gewalten in Legislative, Exekutive und Judikative an. Das lässt uns vermuten, dass es zuförderst die Aufgabe des Gesetzgebers ist, allgemeine Normen zu schaffen. Die anderen Gewalten sollen diese Normen anwenden. Schließlich charakterisiert Abs. 1 die Bundesrepublik Deutschland als einen Bundesstaat. Diese Tatsache und die Überschrift des Abschnitts "Der Bund und die Länder" lassen erahnen, dass die Aufgaben des Staates (und damit auch die Aufgaben der Gesetzgebung) auf Bund und Länder aufgeteilt sind.

Vorrang genießt der Landesgesetzgeber: Der Bundesgesetzgeber darf nur dann eine Regelung treffen, wenn ihm das Grundgesetz eine Kompetenz dazu verleiht.

Art. 70 GG

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

In dem Abschnitt über die Gesetzgebungskompetenz finden wir bei der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz eine Regelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG eine Bestimmung, die dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung zuweist für

27.  die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;

Die Bestimmung über die Befähigung zum Richteramt gehört zu den Regeln, die die Statusrechte und -pflichten der Richter in den Ländern betreffen.

Dies beantwortet die ersten beiden Fragen. Der Bund hat eine Gesetzgebungskompetenz. Deshalb ist die Regelung der Juristenausbildung zum Staatsexamen (Befähigung zum Richteramt) nicht allein Ländersache. Sie kann aber auch nicht ausschließlich vom Bund getroffen werden, weil der halt nur eine beschränkte Kompetenz zur Gesetzgebung für bestimmte Fragen hat. Deshalb ist es nach der Zuständigkeitsordnung korrekt, dass sowohl der Bund im Richtergesetz wie das Saarland im JAG tätig geworden sind und zwar durch die jeweiligen Gesetzgebungsorgane (Bundestag und Bundesrat auf der einen Seite und der saarländische Landtag auf der anderen Seite.

Es bleibt die Antwort auf die weiteren Fragen: Wie kommt ein Organ der Exekutive dazu, Normen wie die JAO zu erlassen? Woher nimmt die Universität die Macht zur Verabschiedung von Studienordnungen? Beiden mangelt es an der demokratischen Legitimation: Weder der Minister noch die Universitätsorgane sind vom Volke gewählt, von dem nach Art. 20 Abs. 1 GG alle Staatsgewalt ausgeht.

Was wir brauchen, ist eine Verfassungsnorm, die auch solchen Einrichtungen, die nicht Gesetzgebungsorgane i.e.S. sind, eine "Gesetzgebungskompetenz" verleiht. Wir finden eine solche Norm in Art. 80 GG für Bundesrecht und in Art. 104 Saarl. Landesverfassung für das hier einschlägige Landesrecht.

Art. 80 Abs. 1 GG bestimmt:

Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

Art. 104 Saarl. Landesverfassung ordnet an:

Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen kann nur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Die Rechtsgrundlage sowie die Stelle, welche die Verordnung erlässt, sind in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass die Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zu ihrer Übertragung einer Rechtsverordnung.

Und die Ermächtigung der Universität zum Erlass von Studienordnungen finden wir ganz allgemein im saarländischen Universitätsgesetz und speziell für die Studienordnung der Juristen in JAG und JAO.

Kompetenzrechtlich betrachtet ist damit gegen die Vorschriften zur Juristenausbildung im Saarland nichts einzuwenden.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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