| |
Schädigungen im gewerblichen Verkehr - Fallgruppen
Um einen Eindruck von den vielfältigen Facetten des Vermögensschutzes im gewerblichen
Bereich zu bekommen, werden wir im folgenden Fallgruppen ansprechen und mit
Entscheidungsmaterial unterlegen. Einige knappe Lösungshinweise mögen die Richtung
andeuten, in die man denken sollte.
Verletzung von Schutzrechten
Schutzrechte wie das Urheberrecht, Patentrecht, Warenzeichenrecht, Gebrauchsmusterrecht
genießen zum einen den Schutz aus den speziellen Gesetzen, die diesen Rechten gewidmet
sind. Zum anderen werden sie als sonstige Rechte i.S. des
§ 823 Abs. 1 BGB
anerkannt. Daneben bedarf es keines Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb.
Das sieht die Rechtsprechung anders, wenn es um die "Verwässerung"
berühmter Markenschutzzeichen geht. Dieser Tatbestand soll namentlich dann erfüllt und
in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen sein, wenn die
Waren, die mit einem berühmten Zeichen versehen werden, so weit voneinander entfernt
liegen, dass von einer Verwechslungsgefahr keine Rede sein kann. Die folgenden
Entscheidungen belegen zum einen die abstrakte Anerkennung des Rechts gegen Verwässerung
eines berühmten Zeichens und zeigen zum anderen, wie schwer es im konkreten Fall ist,
diesen Schutz auch tatsächlich zu erlangen.
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 22.10.1954, Az: I ZR 46/53
Leitsatz
1. Einem Namen, einer Firma oder der besonderen Bezeichnung eines gewerblichen
Unternehmens, die mit überragender Kennzeichnungskraft ausgestattet ist und sich kraft
langen Gebrauches und umfassender Werbung in stärkstem Maße als Schutz aus
BGB
§ 12 unter dem Gesichtspunkt der "Verwässerungsgefahr" ausnahmsweise auch
dann gewährt werden, wenn trotz Verwechslungsfähigkeit der Bezeichnungen infolge
Ungleichartigkeit der Waren geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden Benutzern nicht
angenommen werden können.
2. Die Berufung auf ein nur formales Zeichenrecht gegenüber einem älteren sachlichen
(zB Namensrecht oder Firmenrecht) Recht, in dessen Schutzbereich das jüngere Zeichen
fällt, widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben und ist daher
rechtsmißbräuchlich.
Fundstelle
BGHZ 15, 107-113 (LT1-2)
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Lebensmittelgroßhandlung mit Zweigniederlassungen an
mehreren Orten des Industriegebiets. Der Großhandlung sind verschiedene
Fabrikationsbetriebe angeschlossen, nämlich eine Nährmittel-, eine Marmeladen-, eine
Schokoladen- und Süßwarenfabrik sowie eine Fabrik chemischer Erzeugnisse und
kosmetischer Artikel. Auch führt sie eine Weingroßhandlung mit einer Weinkellerei. In
der Pfalz betreibt sie eine Konservenfabrik und hat dort im Jahre 1950 auch eine
Kolonialwarengroßhandlung eingerichtet. Im Jahre 1935 und auch später sind für sie eine
Reihe von Wort- und Bildzeichen in die Zeichenrolle des Reichspatentamts eingetragen
worden, die die Silben "Ko" und "Ma" sowohl getrennt als auch in einem
Wort enthalten. Die Eintragungen sind in den verschiedensten Klassen der amtlichen
Warenklasseneinteilung erfolgt; eine Eintragung für Schreib-, Zeichen-, Mal- und
Modellierwaren usw (Nr 32) befindet sich nicht unter ihnen.
Die Beklagte betreibt eine Füllhalterfabrik. Sie bringt ihre Erzeugnisse unter der
Bezeichnung "Komma-Füllfederhalter" in den Verkehr. Das Wortzeichen
"Komma" ist für sie seit März 1951 in die Warenzeichenrolle eingetragen.
Die Klägerin hat behauptet, sie benutze seit Anfang der zwanziger Jahre die
Firmenkürzung "Koma" als Kenn- und Schlagwort für ihre Firma. Diese
Firmenbezeichnung habe sich infolge umfangreicher Werbung im Verkehr durchgesetzt, im
Siegener und rheinisch-westfälischen Industriegebiet genieße sie sogar eine gesteigerte
Verkehrsgeltung. Die Bezeichnung "Komma", die die Beklagte sowohl firmenmäßig
wie auch warenzeichenmäßig verwende, seit mit ihrem Firmenschlagwort "Koma"
verwechslungsfähig. Eine Verwechslungsgefahr bestehe jedenfalls in dem Sinne, daß
zwischen ihr und der Beklagten Beziehungen vermutet würden, zumal sie ua Krämerläden in
ländlichen Gegenden beliefere, die auch Schreibwaren führten, und bei denen es daher
vorkommen könne, daß neben "Koma"-Packungen auch "Komma"-Füllhalter
oder -Kugelschreiber angeboten würden. Auch sei zu befürchten, daß die Bezeichnung
"Koma" durch das Verhalten der Beklagten verwässert werde. Die Beklagte ziehe
aus der überragenden Verkehrsgeltung der Bezeichnung "Koma" für sich Vorteile,
ohne hierzu berechtigt zu sein. Sie sei daher nach
§ 12 BGB,
§ 16 UnlWG,
§ 24 WZG,
§ 1 UnlWG,
§ 826 BGB verpflichtet, die weitere Verwendung
ihrer Bezeichnung zu unterlassen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung des Kenn- und
Schlagworts "Komma" zwecks Kennzeichnung ihres Betriebes und der von ihr
vertriebenen Waren zu verurteilen; hilfsweise hat sie den Unterlassungsanspruch auf im
einzelnen von ihr bezeichnete Kundenbezirke beschränkt.
Die Beklagte hat geltend gemacht, die Bezeichnung der Klägerin sei jedenfalls
außerhalb ihrer engeren Lieferungsgebiete völlig unbekannt. Es müsse bezweifelt werden,
daß sie sich als Firmenname oder als besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts im
Sinne des § 16 UnlWG überhaupt im Verkehr durchgesetzt habe. Zudem bestehe zwischen
"Koma" und "Komma" weder im engeren noch im weiteren Sinne eine
Verwechslungsgefahr. Die Sinnbedeutung beider Worte sei verschieden. Bei der
Unterschiedlichkeit der unter der Bezeichnung vertriebenen Waren sei es auch
ausgeschlossen, daß persönliche oder geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden
Unternehmungen vermutet würden. Es sei ferner zu berücksichtigen, daß Abkürzungen, wie
die Klägerin sie verwende, im Lebensmittelhandel vielfach üblich seien.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Klägerin für ihre
schlagwortartige Bezeichnung "Koma" der Schutz nach
§ 12 BGB,
§ 16 UnlWG zusteht. Auch abgekürzte Bezeichnungen oder Firmenschlagworte, gleichgültig, ob
sie Phantasieworte, Worte der Umgangssprache oder nur Buchstaben darstellen, können als
Hinweis und Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens verwendet werden (BGHZ 4, 167
(169); 11, 214 (215)). Der Umstand, daß das aus den Anfangsbuchstaben der Namen
"Koch" und "Mann" gebildete Wort "Koma" auch als
Warenzeichen eingetragen ist, steht einem solchen Namensschutz des Unternehmens nicht
entgegen (RG MuW XXIV, 156). Voraussetzung des Schutzes nach den genannten Vorschriften
ist allein, daß die Klägerin ihre schlagwortartige Bezeichnung im Verkehr als Abkürzung
ihres Namens verwendet hat und die beteiligten Verkehrskreise sich daran gewöhnt haben,
in ihr den Namen der Klägerin zu erblicken (RGZ 109, 213 (214)). Die Firmenabkürzung
muß, da sie nicht gleichzeitig einen Bestandteil des unverkürzten Firmennamens bildet
(vgl BGHZ 11, 214 (216)), demnach Verkehrsgeltung in dem Sinne erworben haben, daß
jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil des Verkehrs sie als Hinweis auf ein
bestimmtes Unternehmen ansieht.
Diese Voraussetzungen eines Schutzes für das Schlagwort "Koma" sind vom
Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei bejaht worden (wird ausgeführt).
Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß für den Schutz aus
§ 12 BGB,
§ 16 UnlWG ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Benutzern der gleichen oder
verwechslungsfähigen Bezeichnungen nicht notwendig ist und die von ihnen vertriebenen
oder hergestellten Waren nicht im Sinne des Warenzeichengesetzes gleich oder gleichartig
zu sein brauchen. Erforderlich bleibt aber auch insoweit, daß der prioritätsältere
Benutzer ein schutzwürdiges Interesse an der Unterlassung der Benutzung durch den
jüngeren Benutzer besitzt. Ein solches Interesse wird, wie das Berufungsgericht
zutreffend ausführt, in der Regel dann gegeben sein, wenn auf Grund der gleichen oder
miteinander verwechslungsfähigen Bezeichnungen innerhalb nicht ganz unbeachtlicher
Verkehrskreise geschäftliche Beziehungen zwischen den beiden Benutzern angenommen werden
könnten (RGZ 117, 215 (220); RG GRUR 1937, 148 (150); RG GRUR 1951, 332 (333)). Dabei
wird im allgemeinen eine solche "Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne" um so
geringer sein, je ungleichartiger die zum Vergleich stehenden Waren sind.
Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so kann sich auch der Inhaber eines
eingetragenen jüngeren Warenzeichens nicht darauf berufen, er sei mit Rücksicht auf die
Eintragung berechtigt, das geschützte Wortzeichen jedenfalls warenzeichenmäßig zu
verwenden. Die Berufung auf das nur formale Zeichenrecht gegenüber einem älteren
sachlichen Recht würde den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen und daher
rechtsmißbräuchlich sein (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 6. Aufl
Übersicht § 16 UnlWG Anm 3 C; Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 3. Aufl
Kap 52 Anm 5).
Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr in dem gekennzeichneten weiteren
Sinne jedoch für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt verneint. Es hat den
Standpunkt vertreten, daß mit Rücksicht auf die völlige Verschiedenheit der von den
Parteien hergestellten und vertriebenen Waren eine Verwechslungsgefahr in einem rechtlich
beachtlichen Ausmaße nicht gegeben sei. Zwar seien, so erklärt das Berufungsgericht, die
Bezeichnungen "Koma" und "Komma" an und für sich miteinander
verwechslungsfähig, da sie sich trotz unterschiedlicher Sinnbedeutung jedenfalls
klanglich und bildlich überaus naheständen. Da es sich bei der Klägerin aber um ein
Unternehmen der Lebensmittelbranche handele, die Beklagte dagegen ausschließlich
Füllhalter und Kugelschreiber herstelle, sei nicht zu befürchten, daß der Verkehr
Beziehungen zwischen den Benutzern der Bezeichnungen vermute, selbst wenn die Unterschiede
der Bezeichnungen übersehen würden.
Die gegen diesen Standpunkt des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision
sind nicht begründet (wird ausgeführt).
II. An dem Ergebnis, daß eine Verwechslungsgefahr nicht besteht, wird auch durch den
Vortrag der Klägerin nichts geändert, sie genieße für ihren Namen eine besonders
starke Verkehrsgeltung. Allerdings wird bei einem Namen von überragender Bedeutung eine
Verwechslungsgefahr häufig auch noch dann bejaht werden können, wenn in anderen Fällen
mit Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der Waren die Möglichkeit einer Verwechslung
auch im weiteren Sinne geleugnet werden müßte. Denn je stärker sich eine Kennzeichnung
im Verkehr durchgesetzt hat, desto leichter wird bei den beteiligten Verkehrskreisen der
Anschein erweckt werden, der Geschäftsbetrieb, aus dem die widerrechtlich bezeichnete
Ware stammt, stehe zu dem des Verletzten in irgendwie gearteten Beziehungen. Können
jedoch solche Beziehungen mit Rücksicht auf die völlige Verschiedenheit der Waren von
den in Betracht kommenden Verkehrskreisen bei verständiger Betrachtungsweise unter keinen
Umständen vermutet werden, so wäre es auch nicht gerechtfertigt, selbst bei
Firmenbezeichnungen von überragender Bedeutung noch von der Gefahr einer
"Verwechslung" zu sprechen. Dies würde in der Tat mit der Lebenswirklichkeit
kaum noch in Übereinstimmung zu bringen sein (Friedrich JR 1951, 314 (315)).
Ein Schutz könnte bei einer sehr starken Verkehrsgeltung nur unter dem Gesichtspunkt
gewährt werden, daß die Eigenart und der kennzeichnende Charakter der Bezeichnung
geschwächt und damit eine Verwässerungsgefahr herbeigeführt werde. Der Inhaber einer
Bezeichnung von der unterstellten Bedeutung hat ein berechtigtes Interesse daran, daß ihm
eine unter großem Aufwand von Zeit und Geld erworbene Alleinstellung erhalten bleibt und
alles vermieden wird, was diese Stellung beeinträchtigen könnte (vgl RG GRUR 1951, 332
(333)). Würde eine weithin bekannte Bezeichnung auf den verschiedensten Gebieten als
Firmen- oder Warenname auftreten, so würde dies ihre Werbekraft allmählich
beeinträchtigen und so ihre "Verwässerung" zur Folge haben können. Es wird
jedoch jeweils einer besonders gewissenhaften Prüfung bedürfen, ob ein solcher
Ausnahmetatbestand wirklich gegeben ist, damit nicht dem Namensinhaber trotz Fehlens eines
Wettbewerbsverhältnisses und angesichts einer völligen Verschiedenheit der Waren eine
unbillige Vorzugsstellung eingeräumt wird (vgl Ernst Reimer in GRUR 1951, 222ff; Heydt in
GRUR 1952, 321; Friedrich in Markenartikel 1953, 316ff). Die Verletzung eines berechtigten
Interesses im Sinne des § 12 BGB wird daher nur dann bejaht werden dürfen, wenn der
gute Ruf einer Bezeichnung in Frage steht, die mit überragender Kennzeichnungskraft
ausgestattet ist und sich kraft langen Gebrauchs und umfassender Werbung in stärkstem
Maße als Kennzeichen für das Unternehmen durchgesetzt hat.
Die Voraussetzungen eines solchen Sachverhalts liegen nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts im Streitfalle jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht räumt zwar ein,
daß die Klägerin - in den oben angegebenen örtlichen Bezirken - im Lebensmittelsektor
sehr gut eingeführt und bei dem kaufenden Publikum weithin bekannt sei, stellt aber fest,
daß damit ihre Bedeutung im wesentlichen erschöpft sei. Das Wort "Koma"
stelle, so führt das Berufungsgericht aus, keineswegs eine Bezeichnung dar, die, wie etwa
Weltmarken oder Marken mit zwar nur inländischer, aber ebenso intensiver Verkehrsgeltung
der Allgemeinheit in besonderem Maße nahegekommen sei. Ihre Geltung beschränke sich
vielmehr auf einen bestimmten, wenn auch umfangreichen Interessenkreis. Einen Vergleich
mit den Werbeanstrengungen, die für Bezeichnungen überragender Bedeutung veranstaltet
würden und auch notwendig seien, um ihnen diese Bedeutung zu verschaffen und zu erhalten,
halte sie aber nach ihrer Wesensart nicht aus. Diese Feststellungen des Berufungsgerichts
beruhen auf einer tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts und sind der Nachprüfung
durch das Revisionsgericht entzogen. Es ist von der Revision nicht dargetan und auch nicht
ersichtlich, daß das Berufungsgericht etwa insoweit wesentliche Gesichtspunkte übersehen
hat. Insbesondere trifft es nicht zu, daß das Berufungsgericht, wie die Revision meint,
die "gesteigerte" Verkehrsgeltung der Bezeichnung "Koma" im
nordrheinwestfälischen Gebiet nicht ausreichend gewürdigt habe.
Die Ausnutzung der Werbekraft eines allgemein bekannten Zeichens, durch die dessen
Werbekraft beeinträchtigt wird, könnte auch ein Umstand sein, der die Annahme einer
sittenwidrigen Handlungsweise zu begründen geeignet wäre (BGH GRUR 1953, 40 (41)). Die
erforderliche Kennzeichnungskraft besitzt aber, wie ausgeführt, die Bezeichnung der
Klägerin tatsächlich nicht. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht
auch die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch aus §§ 1 UnlWG,
826 BGB
verneint hat.
"Quick" und "Glück" im Medienkampf:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 11.11.1958, Az: I ZR 152/57
Fundstelle
BGHZ 28, 320 (LT1-2)
Salomonisches zu Sportartikeln und Tabakwaren:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 29.11.1990, Az: I ZR 13/89
Fundstelle
BGHZ 113, 82-89 (LT)
Schutzrechtsverwarnungen
Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen standen an der Wiege des Rechts auf den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. In der Tat ist der Bestand eines
Unternehmens gefährdet, wenn seine Produktion eingestellt werden muss, weil ihr das
Schutzrecht eines anderen Unternehmens entgegensteht. Vor bewusst unrichtigen
Schutzrechtsverwarnungen schützen den Betroffenen
§§ 826 BGB,
3 UWG, für
unbewusst unrichtige Schutzrechtsverwarnungen halten weder BGB noch UWG eine Lösung
bereit. Hier hilft allein das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. An
ihm hält die Rechtsprechung für unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen nach wie vor
fest:
Gericht: BGH 10. Zivilsenat, Datum: 11.12.1973, Az: X ZR 14/7O
Leitsatz
1. An der ständigen Rechtsprechung, wonach eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, wird
festgehalten.
2. Der Verwarner handelt nicht schuldhaft, wenn er sich durch eine gewissenhafte
Prüfung und auf Grund vernünftiger und billiger Überlegungen die Überzeugung
verschafft hat, sein Schutzrecht werde rechtsbeständig sein ("Maschenfester
Strumpf").
Fundstelle
BGHZ 62, 29-42 (LT1)
NJW 1974, 315 (ST)
Tatbestand
Die Parteien sind Großhersteller von Strümpfen.
Die Beklagte war Inhaberin ausschließlicher Lizenzen an zwei Gebrauchsmustern, die
nahtlose maschenfeste Strümpfe betrafen.
Im April 1962 kam die Klägerin mit dem maschenfesten Strumpf "A ...", dessen
Maschenbild dem des einen Gebrauchsmusters entsprach, auf den Markt.
Durch Schreiben vom 9. August 1962 verwarnte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis
auf die beiden Gebrauchsmuster und forderte sie auf, ab sofort zu unterlassen,
rundgestrickte Damenstrümpfe herzustellen, anzubieten und/oder zu vertreiben, die eine
oder beide der in der Anlage beigefügten Merkmalgruppen aufweisen.
Entsprechende Verwarnungsschreiben richtete die Beklagte auch an Abnehmer der
Klägerin, insbesondere Kaufhauskonzerne.
Die Klägerin entschloß sich auf Grund des Rates ihrer Patentanwälte, die Produktion
ihres maschenfesten Strumpfes sofort einzustellen.
Ende 1962 wurde das eine, Ende 1963 das andere Gebrauchsmuster gelöscht.
Am 30. März 1963 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie bezüglich beider
Schutzrechte die Verwarnung für die Zeit nach dem 31. März 1963 nicht mehr
aufrechterhalte.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr nach
ihrer Behauptung durch die Einstellung der Produktion ihres A. ... -Strumpfes entstanden
ist.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von ... DM verurteilt und die
weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Verwarnung als widerrechtlich und das Verhalten
der Beklagten als schuldhaft angesehen, der Klägerin aber ein Mitverschulden zugerechnet
und aus diesem Grund den von ihr geltend gemachten Schadensbetrag um 1/3 gemindert.
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagte hat das
Oberlandesgericht den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Revision der Beklagten führte zur Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die unberechtigte
Schutzrechtsverwarnung einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb des Verwarnten darstelle. Es beruft sich hierzu vor allem auf das Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 5. November 1962 (BGHZ 38, 200 = GRUR 1963, 255 -
Kindernähmaschinen), mit dem der I. Zivilsenat an dieser Rechtsprechung festgehalten hat.
2. Die Revision bittet um Nachprüfung, ob die bisherige Rechtsprechung mit dem
allgemeinen Grundsatz vereinbart werden kann, wonach sonst bei der Beurteilung unerlaubter
Handlungen allein die Rechtslage maßgebend ist, die im Zeitpunkt der Vornahme der
Handlung bestand, und ob bei der Wertung der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung als
eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hinreichend
berücksichtigt worden ist, daß der Verwarnte durch die Verwarnung keinem Rechtszwang
ausgesetzt wird, sondern freie Beurteilungs- und Entschließungsmöglichkeiten hat. Zur
Unterstützung ihrer Bedenken weist die Revision auf mehrere Veröffentlichungen hin, in
denen die bisherige Rechtsprechung einer kritischen Betrachtung unterzogen worden ist.
3. Es trifft zu, daß die von der Rechtsprechung entwickelten und von der Rechtslehre
durchweg übernommenen Grundsätze für die Beurteilung von Schutzrechtsverwarnungen, die
sich infolge nachträglicher Löschung oder Nichtigerklärung der ihnen zugrunde liegenden
Rechte als nicht begründet erweisen, in der jüngeren Literatur kritisiert worden sind.
So hat bereits Moser von Filseck in seiner Anmerkung zu der oben zitierten
"Kindernähmaschinen" -Entscheidung (GRUR 1963, 260) Zweifel daran geäußert,
ob es richtig ist, die Geltendmachung von Ansprüchen aus Schutzrechten immer schon dann
als rechtswidrig anzusehen, wenn diese Rechte nachträglich rückwirkend entfallen. Kuntze
(WRP 1965, 7), Rogge (WRP 1965, 40) und Horn (GRUR 1971, 442 und Dissertation 1971
"Die unberechtigte Verwarnung aus gewerblichen Schutzrechten") haben sich dieser
Kritik angeschlossen und ihrer Argumenten neue hinzugefügt. Ohl (GRUR 1966, 172) hat die
bisherige Rechtsprechung gegen solche Angriffe verteidigt.
Gegenstand der gegen diese Rechtsprechung erhobenen Bedenken ist vor allem die Frage,
ob die Subsumtion unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen unter den Tatbestand des
§ 823 Abs 1 BGB einer rechtlichen Nachprüfung standhält und ob für die
Beurteilung solcher Verwarnungen nicht mit den Bestimmungen des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb oder - wo ein Wettbewerbsverhältnis nicht besteht - des
§ 826
BGB auszukommen sei mit der Folge, daß den Verwarner, dessen Schutzrecht rückwirkend
entfällt, eine Schadensersatzpflicht nur im Falle sittenwidrigen Handelns oder
vorsätzlicher Schadenszufügung trifft.
Man mag darüber streiten können, ob die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung dem
ursprünglichen Vorstellungsgehalt des gesetzlichen Tatbestandes des
§ 823 Abs 1 BGB
genau entspricht; bei streng dogmatischer Betrachtungsweise mag insbesondere im Hinblick
darauf, daß der Verwarner die Produktionseinstellung nur durch Einwirkung auf die
Willensbildung des Verwarnten herbeiführt, in Frage gestellt werden können, ob sein
Handeln als eine unmittelbare und widerrechtliche Verletzung des Unternehmensrechtes zu
werten ist. Die Fortentwicklung des Rechts verlangt aber nicht selten, daß
außergewöhnliche Tatbestände, wie sie sich aus den Besonderheiten der Verleihung von
Ausschließungsrechten ergeben, deren Rechtsbestand auf Grund späterer Erkenntnisse mit
rückwirkender Kraft entfallen kann, mangels einer hierauf abgestellten Spezialregelung im
Wege der Lückenausfüllung einer Vorschrift zugeordnet werden, deren Anwendung zu einem
als sinnvoll und billig erkannten Ergebnis führt, mag sie auch ihrem Wortlaut nach nicht
von vornherein auf Fälle dieser Art zugeschnitten erscheinen. Eine solche
Rechtsfortentwicklung bedeutete es, als das Reichsgericht erstmalig im Jahre 1904 (RGZ 58,
24 Juteartikel) von da ab in ständiger Rechtsprechung Fälle, in denen eine auf ein
eingetragenes Schutzrecht gestützte Verwarnung den Inhaber eines Gewerbebetriebes zur
Einstellung seiner Produktion veranlaßt hatte, dem Unternehmer unter Heranziehung des
§ 823 Abs 1 BGB den Anspruch auf Ersatz des ihm daraus erwachsenen Schadens gegen
den Verwarnenden zusprach, dessen Schutzrecht sich als nicht rechtsbeständig und deshalb
als von Anfang an nichtig erwiesen hatte. Die spätere Rechtsprechung ist dem im Grundsatz
und im Ergebnis über viele Jahrzehnte hin bis in die Gegenwart nahezu einhellig gefolgt.
Sie hat es als ein Gebot der Gerechtigkeit angesehen, daß derjenige, der durch die
Ausübung eines in Wirklichkeit sachlich nicht gerechtfertigten Monopolrechtes eine
Vermögensschädigung des Verwarnten verursacht, für diesen Schaden jedenfalls dann
einzustehen hat, wenn er bei gehöriger Prüfung hätte erkennen können, daß seine
vermeintliche Monopolstellung rechtlich keinen Bestand haben werde. Von diesem Grundsatz
abzuweichen, geben die gegen diese Rechtsprechung im Schrifttum erhobenen Einwendungen
keinen Anlaß. Solange die von ihr aufgezeigte Gesetzeslücke nicht durch eine Regelung
geschlossen ist, die alle denkbaren Fälle ungerechtfertigter und schuldhafter
Schutzrechtsverwarnungen erfaßt - wozu die derzeitigen Bestimmungen des Gesetzes gegen
den unlauteren Wettbewerb ebensowenig ausreichen wie die des
§ 826 BGB -, kann auf
die weitere Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung nicht verzichtet werden. Es
wäre untragbar, wenn der Schutzrechtsinhaber Dritte in ihrer Gewerbeausübung durch
objektiv ungerechtfertigte Unterlassungsforderungen behindern könnte, ohne selbst bei
grob fahrlässiger Fehlbeurteilung der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts den von
ihm verursachten Schaden ersetzen zu müssen. Soweit das angefochtene Urteil diesen
Grundsätzen, die zu einer ausgewogenen Risikoverteilung führen, folgt, sind seine
Ausführungen nicht zu beanstanden.
II. 1. Zur Frage des Verschuldens der Beklagten hat das Berufungsgericht ebenfalls auf
die Ausführungen des "Kindernähmaschinen" -Urteils verwiesen und dann weiter
ausgeführt: Da es für den Bestand des Schutzrechts nicht auf die Auffassung des
Verwarners, sondern derjenigen Instanzen ankomme, die über die Nichtigkeits- oder
Löschungsklage zu entscheiden hätten, werde der Verwarner nicht so sehr darauf abstellen
dürfen, was er selbst von der Schutzfähigkeit der betreffenden Rechte hält, sondern
vielmehr darauf, wie diese von den betreffenden Instanzen voraussichtlich beurteilt
werden. Bei einer zweifelhaften Rechtslage müsse er auch damit rechnen, daß sich diese
Instanzen möglicherweise seinem wohlbegründeten Standpunkt verschließen und sich der
Auffassung des Gegners anschließen könnten. Im vorliegenden Fall sei danach zu prüfen
gewesen, ob die Beklagte damit habe rechnen müssen, daß die beiden Gebrauchsmuster, auf
die sie die Verwarnung gestützt habe, auf Grund der Löschungsklagen der Firma X.
gelöscht werden würden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Löschungsentscheidungen
des Patentamts und des Bundespatentgerichts materiell richtig seien. Entscheidend sei
vielmehr, ob die Beklagte mit einem solchen Ausgang beider Verfahren habe rechnen müssen.
Das sei der Fall, da sie ohne weiteres habe erkennen können, daß die Maschenbilder der
Figuren 1 der beiden Gebrauchsmuster mit dem Maschenbild der Figur 35 der ihr bekannten
US-Patentschrift Nr ... weitgehend übereinstimmten. Da vor der von ihr ausgesprochenen
Verwarnung eine Prüfung der Gebrauchsmuster in einem Löschungs- oder parallelen
Patenterteilungsverfahren nicht stattgefunden habe, sei sie zur erhöhten Sorgfalt
verpflichtet gewesen. Nach allem habe die Beklagte, als sie die Klägerin verwarnte,
schuldhaft, und zwar mindestens leicht fahrlässig gehandelt.
2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht
stand.
a) Diese rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hinsichtlich der allgemeinen
Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Schutzrechtsinhabers einen zu scharfen Maßstab
angelegt, wenn es verlange, daß dieser sich, bevor er eine Verwarnung ausspreche, nicht
nur durch sorgfältige Prüfung eine eigene Überzeugung von der Bestandsfähigkeit seines
Schutzrechts verschaffen, sondern darüber hinaus in Rechnung stellen müsse, daß die zur
Entscheidung berufenen Instanzen sich "seinem wohlbegründeten Standpunkt
verschließen und sich der Auffassung des Gegners anschließen könnten".
Eine solche Forderung würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß der
Schutzrechtsinhaber auch dann von der Verwarnung eines vermeindlichen Verletzers absehen
müßte, wenn er sein Schutzrecht nach gehöriger Prüfung objektiv zutreffend als
materiell rechtsbeständig ansieht, eine falsche Entscheidung hierüber aber nicht für
ausgeschlossen hält. Das geht in der Tat zu weit und bedeutet eine erhebliche
Überspannung der billigerweise zu fordernden Sorgfaltspflicht. Es würde zu einer
bedenklichen Entwertung der Schutzrechte führen, weil deren Ausübung durch Verwarnung
oder Klageerhebung dann mit einem für den Schutzrechtsinhaber untragbaren Risiko belastet
würde. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dieses Risiko höher einzuschätzen ist als
das des Verletzers, dessen Schadensersatzpflicht sich in vorausberechenbaren Grenzen, im
allgemeinen nämlich im Rahmen einer Lizenz allenfalls des aus der Verletzungshandlung
gezogenen Gewinnes hält, während die Schadensfolgen der auf eine Verwarnung oder
Klageerhebung hin erfolgenden Produktionseinstellung für den Verwarner unübersehbar sein
und unabhängig davon eintreten können, ob die Ausschaltung des Konkurrenzproduktes dem
Schutzrechtsinhaber einen Vorteil eingetragen hat oder nicht. Untragbar wäre ein solches
Risiko jedenfalls dann, wenn es dem Schutzrechtsinhaber, der gegen den Verletzer erst nach
sorgfältiger Prüfung der Schutzrechtslage vorgegangen ist, als Verschulden angerechnet
werden könnte, daß er eine spätere, von dem durchaus vertretbaren Ergebnis seiner
Prüfung abweichende Entscheidung nicht vorausgesehen oder nicht in Rechnung gestellt hat.
Diese Erwägungen dürfen auch bei Verwarnungen aus ungeprüften oder vorläufigen
Schutzrechten, die an sich einer strengeren Prüfungspflicht unterliegen, nicht außer
acht gelassen werden, weil das Gesetz auch sie mit den vollen Schutzrechtswirkungen
ausgestattet hat, eine Überspannung der an ihre Ausübung geknüpften Sorgfaltspflicht
sie aber weitgehend wertlos machen und damit der Absicht des Gesetzgebers, erfinderische
Leistungen, durch Verleihung solcher Rechte zu fördern, entgegenwirken würde.
b) Die Frage, welche Überlegungen ein Schutzrechtsinhaber anstellen und welche
Maßnahmen er treffen muß, um sich im Falle der Verwarnung oder Erhebung einer
Verletzungsklage nicht dem Vorwurf schuldhaften Handelns auszusetzen, ist in der
Rechtsprechung des Reichsgerichts allgemein dahin beantwortet worden, daß den Verwarner
kein Verschulden treffe, wenn er sich seine Überzeugung ... "durch gewissenhafte
Prüfung gebildet ..." (RGZ 94, 271, 276 - Sprechmaschine) oder wenn er sich bei
seinem Vorgehen von "vernünftigen und billigen Überlegungen" habe leiten
lassen (RG GRUR 1931, 640, 641).
An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Wenn im "Kindernähmaschinen"-Urteil
in bezug auf die zuletzt zitierte Formulierung des Reichsgerichts gesagt worden ist, sie
sei für die Abgrenzung der Schuldfrage "zu unscharf", so kommt darin nur zum
Ausdruck, daß mit ihr allein im Hinblick auf die zuvor dargelegten besonderen Umstände
des Falles, der zur Entscheidung stand, nicht auszukommen sei, sondern daß sie der
Interpretierung bedürfe; diese schließt sich denn auch sogleich in der Feststellung des
folgenden Satzes an, daß eine "billige" Überlegung jedenfalls das Erfordernis
einschließe, daß der Verwarner den ihm bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt
zugänglichen Stand der Technik vollständig berücksichtigt, was der Kläger im damaligen
Fall nicht getan habe.
c) Die Rechtsprechung hat sich bemüht, im Rahmen der oben angeführten Grundsätze
bestimmte Kriterien für die Beurteilung der Verschuldensfrage herauszuarbeiten, von denen
dem "Kindernähmaschinen" -Urteil die folgenden zu entnehmen sind:
aa) Für die Annahme eines Verschuldens genügt nicht die - in Streitigkeiten des
gewerblichen Rechtsschutzes stets gegebene - Möglichkeit, daß das Schutzrecht keinen
Bestand haben könnte. Die möglichen Zweifel an der Rechtslage müssen vielmehr einen
konkreten Beziehungspunkt haben, der vom Verwarner hätte beachtet werden können.
bb) Bei Gebrauchsmusterverwarnungen muß von dem Verwarner ein höheres Maß an
Nachprüfung verlangt werden als bei einem Vorgehen aus geprüften Schutzrechten.
cc) Um einen Schuldvorwurf zu begründen genügt es, wenn der Verwarner in vorwerfbarer
Weise den Stand der Technik nur unvollständig berücksichtigt oder falsch gewürdigt,
oder wenn er vorwerfbar die Erfordernisse des Fortschritts oder der Erfindungshöhe falsch
eingeschätzt oder die Verletzungsform zu Unrecht als unter sein Recht fallend eingeordnet
hat. Dabei ist allerdings eine irrige Wertung, die sich allein auf die Frage der
Erfindungshöhe beschränkt, weniger streng zu würdigen.
dd) Es widerspricht nicht dem im bürgerlichen Recht geltenden objektiven
Sorgfaltsbegriff, wenn bestimmte, eine gesteigerte Sachkenntnis bedingende Umstände, wie
sie sich etwa aus den langjährigen Erfahrungen eines bedeutenden Unternehmens ergeben
können, bei der Bemessung der Sorgfaltspflicht berücksichtigt werden.
Der Senat sieht in keinem dieser Kriterien ein Abweichen von dem oben wiedergegebenen
Grundsatz des Reichsgerichts, wonach dem Vorgehen des Verwarners eine "gewissenhafte
Prüfung" und "vernünftige und billige Überlegungen" vorausgehen müssen,
um seine Haftung auszuschließen. Hinweise dieser Art können allerdings die Entscheidung
über die Verschuldensfrage im Einzelfalle zwar erleichtern, aber nicht ersetzen. So wird
auch in der zitierten Entscheidung im Zusammenhang mit den dort aufgeführten Forderungen,
die in bezug auf die Berücksichtigung und Wertung des Standes der Technik zu stellen
seien, ausdrücklich darauf abgestellt, ob hierbei zutage getretene Unvollständigkeiten
oder Fehleinschätzungen "in vorwerfbarer Weise" zustande gekommen sind oder
nicht. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Frage, ob der Verwarner bei der Prüfung der
Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts gewissenhaft vorgegangen ist und die ihm
billigerweise zuzumutende Sorgfalt hat walten lassen, nicht - auch nicht anhand der
aufgezeigten Kriterien generell, sondern stets nur unter Berücksichtigung der besonderen
Gestaltung des Einzelfalles beantwortet werden kann.
3. Da - wie oben zu 2 a) dargelegt - das Berufungsgericht seinen Feststellungen zur
Frage des Verschuldens der Beklagten einen unrichtigen Beurteilungsmaßstab zugrundegelegt
hat, beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Rechtsfehler. Der Senat ist auf Grund
der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des unstreitigen
Sachverhalts selbst in der Lage, die Verschuldensfrage abschließend zu beurteilen
(§ 565 Abs 3 Nr 1 ZPO).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigen die besonderen Umstände des
vorliegenden Falles es auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Verwarnung auf
ungeprüfte Schutzrechte gestützt und deshalb ein hohes Maß an Sorgfalt zu fordern ist,
nicht, gegen die Beklagte den Vorwurf fahrlässigen Handelns zu erheben.
a) Auszugehen ist von der Tatsache, daß es sich bei beiden Parteien um bedeutende
Unternehmen auf dem Gebiet der Strumpfherstellung handelt, und daß daher alle
Erwägungen, die für die Verschuldensfrage aus einem etwaigen wirtschaftlichen
Übergewicht oder größeren technischen oder patentrechtlichen Erfahrungen der einen oder
der anderen Seite hergeleitet werden könnten, entfallen. - Ferner ist zu
berücksichtigen, daß - anders als in der Mehrzahl vergleichbarer Fälle - die Klägerin
von dem Vorgehen der Beklagten nicht überrascht worden ist. ...
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte, bevor sie die
Klägerin verwarnte, zweimal unter Beteiligung fach- und rechtskundiger Berater eingehende
Untersuchungen über die Schutzfähigkeit der beiden Gebrauchsmuster vorgenommen. ...
c) Angesichts dieser aus doppeltem Anlaß durchgeführten eingehenden Prüfungen ist
der Revision zuzugeben, daß die Beklagte alles ihr billigerweise Zumutbare getan hat, um
zu einer objektiv richtigen Beurteilung der Schutzrechtslage zu gelangen. Bei dieser
Wertung hat der Senat insbesondere auch die Tatsache berücksichtigt, daß die Beklagte
sich nicht auf ihr eigenes Urteil verlassen, sondern den Rat erfahrener Rechts- und
Patentanwälte eingeholt hat. Soweit die Rechtsprechung gelegentlich die Meinung vertreten
hat, auf den Rat ihres eigenen Patentanwalts dürfe sich die Schutzrechtsinhaberin nicht
verlassen, sondern müsse in zweifelhaften Fällen das Gutachten eines erfahrenen
neutralen Spezialisten einholen (so ua das dem "Kindernähmaschinen" - Urteil
zugrunde liegende Berufungsurteil, dem die Revisionsinstanz insoweit ohne eigene
Begründung gefolgt ist (aaO S 259 r Sp; vgl hierzu auch Moser v Filseck aaO S 262 li
Sp)), vermag der Senat dem jedenfalls dann nicht beizutreten, wenn das Schutzrecht ein
Gebiet betrifft, das - wie das hier der Fall ist - in technischer Hinsicht überschaubar
ist und von einem Patentanwalt oder einem patentrechtlich erfahrenen Rechtsanwalt erfaßt
und beurteilt werden kann. An der Objektivität des Anwalts bei der Beratung seines
Auftraggebers zu zweifeln, besteht kein Anlaß, denn dieser erwartet von ihm gerade eine
neutrale, das heißt objektiv richtige Beurteilung der Sach- und Rechtslage, weil nur eine
solche ihm eine brauchbare Grundlage für seine Entschließungen geben kann. Auch im
Hinblick darauf, daß für die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit und des Schutzumfanges
eines Schutzrechtes patentrechtliche Kenntnis und Erfahrungen eine nicht minder bedeutsame
Rolle spielen als ein rein technisches Wissen, kann nicht in jedem Falle davon ausgegangen
werden, daß ein Spezialist des betreffenden technischen Fachgebietes dem
Schutzrechtsinhaber wertvollere Erkenntnisse vermitteln könne als der eigene Anwalt.
Erwartet werden muß allerdings, daß der Schutzrechtsinhaber den anwaltlichen Rat nicht
ohne weiteres hinnimmt, sondern sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Prüfung
einschaltet und unter Einsatz seines eigenen fachlichen Spezialwissens an ihr mitwirkt.
Das hat die Beklagte im vorliegenden Fall getan, indem sie ihre Anwälte im eigenen
Betrieb mit allen technischen Einzelheiten vertraut gemacht und mit ihnen gemeinsam alle
wesentlichen Fragen erörtert hat.
d) Wenn die Beklagte trotz aller dieser Maßnahmen und entgegen der Ansicht ihrer
Berater die Schutzfähigkeit ihrer Gebrauchsmuster unrichtig beurteilt haben sollte,
wofür das Ergebnis der Löschungsklagen sprechen mag, so würde diese Fehlbeurteilung den
Vorwurf der Fahrlässigkeit nur dann rechtfertigen, wenn die Beklagte begründeten Anlaß
gehabt hätte, das Urteil ihrer Anwälte anzuzweifeln. Gegen eine solche Annahme spricht
aber, daß auch die von der Klägerin zur Prüfung der Schutzrechtslage zu Rate gezogenen,
ebenfalls besonders erfahrenen Patentanwälte die Löschung der Gebrauchsmuster für
unwahrscheinlich angesehen und der Klägerin aus diesem Grunde zur Einstellung der
Produktion des unter diese Schutzrechte fallenden Strumpfes geraten haben, und daß sogar
die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamts im späteren Löschungsverfahren
zunächst zu dem in einem Zwischenbescheid niedergelegten Ergebnis gelangt war, die
Gebrauchsmuster seien durch keine Entgegenhaltung, auch nicht durch die ihnen am nächsten
kommende US-Patentschrift Nr ..., vorweggenommen. Die übereinstimmende, auf unabhängig
voneinander durchgeführten Prüfungen verschiedener Stellen beruhende positive
Beurteilung der Gebrauchsmuster spricht in besonderer Weise dafür, daß dieses Ergebnis
aus damaliger Sicht zumindest mit guten Gründen vertretbar war und nicht auf einer
Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt beruhte. ...
4. Zu einer hiervon abweichenden Beurteilung geben auch die nachfolgenden Erwägungen
keine Anlaß.
a) ...
b) Angesichts des Verhaltens der Konkurrenz kann gegen die Beklagte ein Schuldvorwurf
auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sie das Ergebnis der von einer Mitbewerberin
Ende Juni 1962 erhobenen Löschungsklage nicht abgewartet hat, bevor sie zur Verwarnung
der Klägerin schritt. Denn einmal war für sie nicht vorhersehbar, wann mit einer
endgültigen Entscheidung über die Löschungsklagen würde gerechnet werden können, zum
anderen war das Geschäft mit dem neuen maschenfesten Strumpf durch ungewöhnlich hohe
Anfangserfolge gekennzeichnet, denen bereits nach wenigen Monaten ein erheblicher
Rückgang und Preisverfall folgte. Bei dieser Sachlage war es der Beklagten nicht
zuzumuten, die Geltendmachung ihrer Rechte auf unbestimmte Zeit zurückzustellen.
c) Auch Form und Inhalt des an die Klägerin gerichteten Verwarnungsschreibens der
Beklagten rechtfertigen einen Schuldvorwurf nicht. Das Schreiben enthält die Behauptung
einer Schutzrechtsverletzung, eine darauf gestützte Unterlassungsaufforderung und - für
den Fall, daß dieser nicht Folge geleistet werde - die Ankündigung einer
Schadensersatzklage, wobei der Schaden als "ungewöhnlich hoch" bezeichnet wird.
Sachliche Unrichtigkeiten oder Formulierungen, die geeignet sein konnten, die Klägerin
einem Druck auszusetzen, der sich nicht ohnehin aus der Verletzungssituation ergeben
hätte, sind dem Schreiben nicht zu entnehmen. Bei der wirtschaftlichen Größe und
Bedeutung der Klägerin und im Hinblick darauf, daß ihr alle Möglichkeiten offenstanden,
die in Aussicht gestellten Schadensforderungen nach Grund und Höhe selbst zu beurteilen,
kann auch der Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden nicht als ein unzulässiger
Einschüchterungsversuch gewertet werden.
d) Daß die Beklagte nicht nur die Klägerin selbst, sondern auch einen Teil ihrer
Abnehmer verwarnt hat, muß für die Verschuldensfrage unberücksichtigt bleiben, weil die
Verwarnung der Abnehmer für den Entschluß der Klägerin, die Produktion ihres A
..-Strumpfes einzustellen, und für den daraus hergeleiteten Schaden nicht ursächlich
geworden ist. Vielmehr hat die Klägerin diesen Entschluß auf Grund der unmittelbar an
sie gerichteten Verwarnung und zu einem Zeitpunkt gefaßt, an dem sie von der Verwarnung
der Abnehmer noch nichts wußte. Dafür, daß sie ohne die Verwarnung ihrer Abnehmer die
Produktion eher wieder aufgenommen hätte als tatsächlich geschehen, liegen keine
Anhaltspunkte vor.
e) Die Frage, ob ein Verschulden der Beklagten schon dann entfällt, wenn sie auch nur
eines der beiden Gebrauchsmuster, auf die sie die Verwarnung gestützt hat, für
rechtsbeständig halten durfte, hat das Berufungsgericht zutreffend mit der Begründung
bejaht, daß ein auf zwei Schutzrechte gestützter einheitlicher Unterlassungsanspruch
schon dann gerechtfertigt ist, wenn eines der beiden Schutzrechte den Anspruch trägt, und
daß der Verwarnende demgemäß nicht schuldhaft handelt, solange er auf den Rechtsbestand
eines der beiden Schutzrechte vertrauen darf. Da die Beklagte - wie dargetan - auf Grund
sorgfältiger Prüfung und daher ohne Verschulden zu der Überzeugung gelangt war, daß
jedenfalls das Gebrauchsmuster Nr ... sich als rechtsbeständig erweisen werde, kommt es
nicht darauf an, ob die Beklagte möglicherweise hätte erkennen können, daß das
gleichzeitig geltend gemachte Gebrauchsmuster Nr ... keinen Bestand haben werde.
Und nun die oben mehrfach erwähnte Kindernähmaschinenentscheidung:
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 05.11.1962, Az: I ZR 39/61
Leitsatz
Zur Haftung auf Grund Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb, begangen durch Verwarnung und Klage auf Unterlassung und Schadenersatz aus
einem Gebrauchsmuster, das später rückwirkend gelöscht worden ist.
("Kindernähmaschinen")
Fundstelle
BGHZ 38, 200-208 (LT1)
Tatbestand
Die Parteien sind Spezialfabriken für die Herstellung von Kindernähmaschinen; sie
stehen hierin seit Jahrzehnten in Wettbewerb. Die Klägerin erwirkte am 1. September 1953
die Eintragung des Gebrauchsmusters Nr 1.663.900 für eine solche Maschine mit mehrern
Schutzansprüchen. Schutz war danach insbesondere für einen elektrischen Antrieb,
namentlich für Niederspannung, sowie für die Anbringung der Antriebselemente unterhalb
der Sockelplatte beansprucht.
Am 2. September 1953 ließ die Klägerin durch Patentanwalt Dr. X die Beklagte auf ihr
Gebrauchsmuster hinweisen und ihr mitteilen, sie habe festgestellt, daß die Beklagte es
durch Lieferung von Maschinen verletze. Die Beklagte antwortete durch ihren Patentanwalt Y
mit einer Bitte um nähere Angaben, worin die Klägerin die Rechtsverletzung erblicke und
welches Modell sie beanstande. Daraufhin übersandte die Klägerin am 14. September 1953
Kopien der Eintragungsunterlagen. In seiner Antwort wies Patentanwalt Y darauf hin, der
Anspruch 1 werde der Löschung verfallen, wenn dafür nicht eine um einige Jahre ältere
Priorität beansprucht werden könne. Daraufhin drohte die Klägerin am 28. September 1953
einen Rechtsstreit an. Die Beklagte erwiderte mit dem Hinweis, die interessierenden
Merkmale des Gebrauchsmusters seien in öffentlichen Druckschriften und Katalogen bereits
vor dem Anmeldetage bekanntgemacht worden.
Mit der daraufhin eingereichten Klage beantragte die Klägerin Verurteilung der
Beklagten zur Unterlassung der Herstellung und des Vertriebes der fraglichen
Kindernähmaschinen, die gegen die Ansprüche 1 - 4 des Gebrauchsmusters verstießen,
sowie ferner zur Vernichtung und Einziehung der darauf bezüglichen Werbeprospekte und
Geschäftsunterlagen, zur Rechnungslegung und zum Schadensersatz.
Die Beklagte begehrte Abweisung dieser Klage und stellte alsbald ihrerseits beim
Patentamt Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters. Dieser Antrag führte im ersten
Rechtszuge zu einer teilweisen, im zweiten Rechtszuge zur völligen Löschung des
Gebrauchsmusters. Darauf erklärte die Klägerin, die vorliegende Klage zurückzunehmen;
die Beklagte verweigerte jedoch die dazu erforderliche Zustimmung und erhob Widerklage auf
Schadensersatz wegen unberechtigter Verwarnung. Die Klägerin habe sich eines Eingriffs in
den Gewerbebetrieb der Beklagten schuldig gemacht. Ihr, der Beklagten, sei zunächst nur
übriggeblieben, die beanstandete Produktion einzustellen, weil das Risiko für sie
besonders dann zu groß gewesen sei, wenn die Klägerin, was auf Grund ihres früheren
Verhaltens in anderen Fällen zu befürchten gewesen sei, ihre vermeintlichen Rechte auch
gegenüber Abnehmern der Beklagten geltend gemacht hätte.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe den behaupteten Eingriff in ihren
Gewerbebetrieb selber aus freien Stücken vorgenommen; ihr, der Klägerin, könne auch
kein Verschulden vorgeworfen werden; die sachkundige Gebrauchsmusterabteilung des
Patentamts habe das Gebrauchsmuster mit zwei geänderten Ansprüchen aufrechterhalten;
auch der Beschwerdesenat habe lediglich die Erfindungshöhe verneint.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, der Widerklage voll stattgegeben und in den
Gründen ausgeführt, daß die Beklagte ein Viertel ihres Schadens wegen mitwirkenden
Verschuldens selbst zu tragen habe. Dagegen hat die Klägerin nur wegen der Widerklage
Berufung eingelegt, mit der sie deren Abweisung beantragt hat. Das Berufungsgericht hat
durch Zwischenurteil die Berufung insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen den Grund
des Widerklageanspruchs richtet. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch nach
§ 823 Abs 1 BGB dem Grunde
nach für gerechtfertigt; die Klägerin habe einen rechtswidrigen und schuldhaften
Eingriff in den Gewerbebetrieb der Beklagten vorgenommen, durch den dieser ein Schaden
entstanden sei; der Schaden sei durch ein Mitverschulden der Beklagten jedenfalls nicht zu
mehr als einem Viertel verursacht worden.
Während das Landgericht schon die Schreiben der Klägerin vom 2., 14. und 28.
September 1953 als solche Eingriffe erachtet hatte, hat das Berufungsgericht insoweit
Bedenken geäußert; es hat diese Frage aber dahingestellt gelassen, da die Schreiben die
Beklagte noch nicht veranlaßt hätten, Herstellung oder Vertrieb der fraglichen Waren zu
beschränken; diese Wirkung habe vielmehr erst die Unterlassungsklage selbst gehabt. Diese
stelle aber die stärkste Form der Verwarnung und deshalb erst recht einen Eingriff in den
Gewerbebetrieb dar, zumal die Unterlassungsklage hier noch mit Anträgen auf Vernichtung
bzw Einziehung der zugehörigen Geschäftsunterlagen verbunden gewesen sei. Das Vorbringen
der Klägerin, nicht sie, sondern die Beklagte habe durch eigenen, weder durch Täuschung,
noch durch Drohung oder Zwang beeinflußten Willensentschluß den Eingriff in ihren
Gewerbebetrieb herbeigeführt, hält das Berufungsgericht für unvereinbar mit den
Grundsätzen der kausalen Zurechnung; es weist diesem Vorbringen deshalb nur einen Platz
im Rahmen des Einwandes mitwirkenden Verschuldens zu. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs
bejaht das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf die rückwirkende Löschung des
Gebrauchsmusters, auf das die Klage gegründet gewesen sei.
II. Die Revision führt aus, auf das in den Vorinstanzen behandelte Problem der Haftung
aus rechtswidriger schuldhafter Schutzrechtsverwarnung komme es für die Entscheidung
nicht an, da die drei Schreiben der Klägerin nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts keinen Schaden verursacht hätten. Es gehe deshalb allein um die Frage,
ob die Klagepartei schadensersatzpflichtig werde, wenn sie das Gericht unter Darlegung des
zutreffenden Sachverhalts um die Entscheidung einer Rechtsfrage bitte. Die Klage unter
Darlegung des vollständigen Sachverhalts sei die von der Rechtsordnung vorgesehene Art,
rechtliche Zweifel zu klären; die beklagte Partei müsse die Entscheidung abwarten und
sei durch die im Verfahren gegebenen Möglichkeiten hinreichend geschützt. Wenn das
Reichsgericht in der Erhebung einer Unterlassungs- und Schadensersatzklage einen
rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Beklagten gesehen habe (GRUR 1939, 787,
789), so könne diese für den Fall einer veröffentlichten, später aber
zurückgewiesenen Patentanmeldung entwickelte Rechtsauffassung jedenfalls für das
Gebrauchsmuster nicht übernommen werden, da hier der Verletzungsrichter den rechtlichen
Bestand des Schutzrechts uneingeschränkt zu prüfen habe.
III. Diese Angriffe können im Ergebnis keinen Erfolg haben.
1. Die Widerklage betrifft die Haftung aus einem unberechtigten, auf die Behauptung
eines gewerblichen Schutzrechts gestützten und an den Inhaber eines eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebes gerichteten, ernsthaften und endgültigen
Unterlassungsbegehrens. Der Fall eines bloßen vorbereitenden Meinungsaustausches über
die patent- oder gebrauchsmusterrechtliche Lage steht also nicht zur Entscheidung.
Zutreffend hat das Berufungsgericht diesen Tatbestand unter dem Gesichtspunkt des
Eingriffes in den Gewerbebetrieb im Rahmen des
§ 823 Abs 1 BGB geprüft. Diese
Haftung tritt zwar wegen ihres subsidiären Charakters nur ein, wenn eine andere
Rechtsgrundlage nicht gegeben ist und der Zusammenhang der auf dem jeweiligen Rechtsgebiet
geltenden Normen ergibt, daß eine Lücke besteht, die mit Hilfe des
§ 823 Abs 1 BGB
geschlossen werden darf (BGHZ 36, 252, 256 - Gründerbildnis; von Caemmerer, Hundert Jahre
deutsches Rechtsleben, Bd II S 49, 90ff). Diese Voraussetzungen sind aber hier gegeben.
(Wird ausgeführt).
2. Die Schutzrechtsverwarnung des nur vermeintlich Berechtigten stellt an sich nur
einen Fall des unberechtigten Leistungsbegehrens dar. Die dadurch bewirkte Leistung kann
im allgemeinen, auch wenn der Fordernde mit einer Scheinrechtsstellung ausgestattet ist,
nur als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden (BGHZ 36, 18, 20; so auch
RG BlPMZ 1903, 229, 230 für den Fall einer Zahlung auf Grund nichtbestehenden
gewerblichen Schutzrechts). Im Regelfall kann daher Schadensersatz nur unter den
Voraussetzungen der
§§ 823 Abs 2,
826 BGB gefordert werden, und nur Besonderheiten
des Tatbestandes können eine Ausnahme rechtfertigen. Solche sind aber bei der auf
Unterlassung gerichteten Schutzrechtsverwarnung dann gegeben, wenn sie sich an den Inhaber
eines Gewerbebetriebes richtet. Entscheidend sind insoweit die einschneidenden Wirkungen,
die ein solches Unterlassungsbegehren für den Inhaber eines Gewerbebetriebes in aller
Regel zur Folge hat; diese Wirkungen gehen über die Folgen, denen der zu Unrecht als
Schuldner in Anspruch Genommene im allgemeinen ausgesetzt ist, wesentlich hinaus und
könnten durch einen Bereicherungsanspruch schon deshalb nicht angemessen ausgeglichen
werden, weil regelmäßig nicht nachgewiesen werden könnte, daß gerade dem Verwarner
dasjenige zugeflossen ist, was dem Verwarnten infolge der Verwarnung entzogen worden ist.
Die Schutzrechtsverwarnung stellt den Verwarnten insbesondere vor die Frage, ob der
Herstellung bzw Vertrieb der umstrittenen Erzeugnisse fortsetzen soll; dabei stößt die
Beurteilung der patentrechtlichen Lage fast immer auf beträchtliche Schwierigkeiten,
deren Überwindung Zeit fordert. Andererseits haftet der Verwarnte, wenn er seinen Betrieb
insoweit ungeachtet der Verwarnung fortsetzt, nach einem durch die Besonderheiten der
Verhältnisse gebotenen, in der Rechtsprechung schon des Reichsgerichts von jeher
angelegten scharfen Verschuldensmaßstabe; vor allem hat er aber Schadensersatz nach einem
besonderen Maß zu leisten: er haftet nach Wahl des Verletzten auf Herausgabe des von ihm
erzielten Gewinnes auch dann, wenn der Verletzte diesen nicht hätte machen können (RGZ
70, 249, 251). Namentlich diese letztgenannte, gewohnheitsrechtlich begründete
Schadensberechnung stellt den Verwarnten in diesen Fällen in ganz anderer Weise als sonst
einen zu Unrecht als Schuldner in Anspruch Genommenen vor die Frage, ob er dem
Unterlassungsbegehren Folge leisten soll; sie nötigt ihn zu einem weitreichenden,
unmittelbar die Fortsetzung des Betriebes im ganzen oder auf einem Teilgebiete
betreffenden Entschluß. Diese besonderen Umstände haben zu der Forderung nach einer
Gefährdungshaftung des Verwarners entsprechend
§§ 945,
717 Abs 2 ZPO geführt.
Geht diese Forderung auch zu weit, weil ein derartiges Risiko die Inhaber auch
wohlbegründeter gewerblicher Schutzrechte von der Wahrnehmung ihrer Rechte abhalten
könnte (RG GRUR 1939, 787, 789), so läßt die ernstliche Erwägung dieses Gedankens doch
erkennen, daß dem schutzwürdigen Interesse des zu Unrecht Verwarnten in diesen Fällen
durch eine bloße Bereicherungshaftung und durch eine Haftung nach
§§ 823 Abs 2,
826 BGB,
§ 1 UWG nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte. Nach alledem muß an der ständigen bisherigen Rechtsprechung festgehalten werden, in der das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerade wegen der Besonderheiten der
unberechtigten Schutzrechtsverwarnung entwickelt worden ist (RGZ 58, 24, 29; vgl die
Nachweisungen bei BGB-RGRK, 11. Aufl, Anm 27 zu § 823 BGB; von Caemmerer aaO S 84),
und die der erkennende Senat übernommen hat (BGHZ 2, 387, 393 Mülltonnen; BGHZ 13, 210,
216 = GRUR 1954, 391, 393 - Prallmühle I).
3. Die von der Revision geleugnete Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Klägerin ergibt
sich grundsätzlich aus der Rückwirkung der Gebrauchsmusterlöschung (RG GRUR 1934, 666
667; BGH GRUR 1955, 573, 574). Es kommt hierfür nicht darauf an, ob der Verwarner in
gutem Glauben an den Bestand des Rechts gehandelt hat. Auch die von der Revision
angeführte Entscheidung des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 6. März 1931 (GRUR
1931, 640, 641) geht hiervon aus. Lediglich in der vorangegangenen, vereinzelt gebliebenen
Entscheidung desselben Senats vom 16. Mai 1930 (MuW 1930, 441, 443) war abweichend auf den
guten Glauben abgestellt und zur Begründung auf den inzwischen außer Kraft getretenen
§ 35 PatG verwiesen worden, der die Ersatzhaftung auf Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit beschränkte. Diese Ansicht ist aber alsbald in Übereinstimmung mit der
früheren ständigen Rechtsprechung wieder aufgegeben worden (RGZ 141, 336, 338; RG GRUR
1942, 54, 55; vgl auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl Anm
8 zu § 14 UWG; Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl Kap 97, S 726).
Folgerichtig hat die Rechtsprechung dem objektiv zu Unrecht Verwarnten auch stets den im
gewerblichen Rechtsschutz unentbehrlichen Unterlassungsanspruch gegen weitere Verwarnungen
ohne Rücksicht darauf gewährt, ob der Verwarner selbst nach sorgfältigster Prüfung von
der Berechtigung seines eigenen Rechtsstandpunktes überzeugt sein durfte (RG GRUR 1936,
100, 102 re Sp; RG MuW 1940, 161, 162, 164; RG GRUR 1942, 54, 55). Die Ausführungen der
Revision geben keinen Anlaß, hiervon abzugehen. Für den Bereich der gewerblichen
Schutzrechte gebietet schon die große praktische Bedeutung der vorbeugenden
Unterlassungsklage gegenüber Schutzrechtsverwarnungen, die Frage der Rechtswidrigkeit
weiterhin nach objektiven Gesichtspunkten zu beantworten. Auch für die Rechtswidrigkeit
der auf ein vermeintliches Schutzrecht geschützten Klage kann nichts anderes gelten, als
für die der außerhalb eines Rechtsstreits erklärten Verwarnung (Baur, JZ 1962, 95).
Einer unterschiedlichen Behandlung stehen schon zwingende praktische Gründe entgegen; wer
sofort klagt, kann rechtlich nicht besser gestellt werden, als wer zur Klärung der Sach-
und Rechtslage zuvor verwarnt. Die außerprozessuale Verwarnung bildet gerade wegen ihrer
klärenden, streitvermeidenden Bedeutung einen unentbehrlichen, besonders wichtigen
Bestandteil des Rechtslebens auf dem Gebiete der gewerblichen Schutzrechte (vgl Dietze,
Mitt 1960, 101ff; Reimer, Mitt 1960, 107; Zeller, Gebrauchsmusterrecht 1952, S 424).
Würde man den Schutzrechtsinhaber bei sofortiger Klageerhebung von der Ersatzpflicht nach
§ 823 Abs 1 BGB freistellen, so müßte eine solche unbegründete Bevorzugung den
Rechtsfrieden gefährden und zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit auf dem Gebiete des
gewerblichen Rechtsschutzes führen. Überdies erhält die Verwarnung in aller Regel ihre
Bedeutung und Wirkung nur durch die hinter ihr stehende Möglichkeit der
Unterlassungsklage; auch deshalb kann nicht die Verwarnung als rechtswidrig, die
entsprechende Klage dagegen als rechtmäßig angesehen werden. Folgt der Verwarnung die
entsprechende Klage, so wäre es deshalb auch kaum möglich, eine einigermaßen sichere
Feststellung dahin zu treffen, die Verwarnung, nicht aber die Klage habe die
Betriebseinstellung verursacht.
Auch der von der Revision in anderem Zusammenhang vorgetragene, an sich zutreffende
Gedanke, daß der Verwarnte seine Rechtsstellung verteidigen müsse und nicht voreilig
nachgeben dürfe, führt zu demselben Ergebnis; er unterstreicht die Notwendigkeit,
denjenigen Verwarnten, der sich nicht schon der Verwarnung, sondern - wie hier der
Beklagte - erst der Klageerhebung beugt, nicht schlechter zu stellen, soweit der Anspruch
auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verwarnung in Betracht kommt.
Der von der Revision geltend gemachte Grundsatz, daß niemand durch die
wahrheitsgemäß - gemeint ist offenbar: nur subjektiv wahrhaftig, objektiv aber
unzutreffend - begründete Bitte um Rechtsschutz rechtswidrig handeln könne, trifft zwar
aus den für die außerhalb des Rechtsstreits erklärte Verwarnung dargelegten Gründen an
sich zu. So hat der Bundesgerichtshof in einem unberechtigten Rückerstattungsverlangen
keinen widerrechtlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb gesehen, dieses Ergebnis allerdings
mit der Verneinung der Unmittelbarkeit des Eingriffs gewonnen (LM Nr 4 zu BGB § 823
(Da)); auch ist angenommen worden, daß in der Erhebung einer Feststellungsklage keine
verbotene Eigenmacht oder sonstige Rechtsverletzung liege (BGHZ 20, 169, 171); für den
Fall des unbegründeten Konkursantrages ist schließlich allgemeiner ausgesprochen worden,
daß dadurch, wie im Falle der unbegründeten Klage, das Recht am eingerichteten
Gewerbebetrieb nicht verletzt werde (BGHZ 36, 18, 20 = JZ 1962, 94). In allen diesen
Fällen ist jedoch die Interessenlage aus den bereits unter 2) dargelegten Gründen
völlig anders als bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung und der ihr
entsprechenden Unterlassungsklage.
Nach alledem hält der Senat an der Rechtsprechung des Reichsgerichts fest, die den
Fall der Klageerhebung mit der vorherigen Verwarnung gleichgestellt hat (RG GRUR 1939,
787, 789; ebenso Baur aaO; Staudinger/Werner, BGB 10./11. Aufl, Vorbem 89 zu §§ 275
- 292, S 323 oben).
Später sind dem 1. Zivilsenat des BGH Zweifel an der Richtigkeit seiner
Rechtsprechung gekommen. Er legte durch Beschluss vom 12. August 2004 (I ZR
98/02) dem Großen Senat für Zivilsachen die Frage zur Entscheidung vor: „Kann
eine unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht bei schuldhaftem Handeln
als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichten oder kann sich eine
Schadensersatzpflicht, falls nicht § 826 BGB eingreift, nur aus dem Recht des
unlauteren Wettbewerbs (§ 3, § 4 Nrn. 1, 8 und 10, § 9
UWG) ergeben?“
Die Antwort des Großen Zivilsenats findet sich in einem Beschluss vom 15.
Juli 2005 (GSZ 1/04). Sie belässt es bei der beschriebenen Rechtslage. Die
unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist ein Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb.
Unberechtigte Verfahrenseinleitungen
Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist ein Sondertatbestand der unberechtigten
Wahrnehmung von Verfahrensrechten. Während die Rechtsprechung den Schutz vor
unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen ohne weiteres anerkennt, hält sie sich bei
unberechtigten Verfahrenseinleitungen (Klagen, Strafanzeigen, Konkursanträge) bedeckt und
ist nur in Ausnahmesituationen bereit, über
§§ 826 BGB,
1 UWG a.F. Schutz zu gewähren.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 03.10.1961, Az: VI ZR 242/60
Leitsatz
Fundstelle
BGHZ 36, 18-24 (LT1)
Tatbestand
Die Klägerin betreibt den Einbau von Heizungsanlagen und sanitären Einrichtungen. Sie
bezog seit 1955 das hierfür benötigte Material großenteils von der Beklagten, die ihr
Ende 1956 drei Monate Zahlungsziel gegen die persönlichen Bürgschaften ihrer damaligen
beiden Gesellschafter einräumte. Zu der außerdem als Sicherung in Aussicht genommenen
Bestellung einer Hypothek an dem Hausgrundstück eines der Gesellschafter kam es nicht;
das Grundstück wurde verkauft. Hierüber und wegen der Zahlungsweise der Klägerin
entstanden Meinungsverschiedenheiten, die schließlich zum Abbruch der
Geschäftsbeziehungen führten.
Die Beklagte ließ am 26. August 1957 durch ihre Anwälte der Klägerin schreiben, sie
möge ihre insgesamt 94.388,96 DM betragende Verbindlichkeit bis zum 2. September 1957
begleichen oder eindeutige Vorschläge zur Sicherung dieser Forderung machen; wenn bis zur
Frist weder Zahlung geleistet noch Sicherheit erbracht sei, müsse die Beklagte annehmen,
daß bei der Klägerin die Voraussetzungen des Konkurses eingetreten seien, und
gegebenenfalls seine Eröffnung beantragen. Die Klägerin erhob Einwendungen zur Höhe der
Forderung, zahlte jedoch im September 1957 binnen sechzehn Tagen 40.000 DM und gab Wechsel
für 10.000 DM her, die später eingelöst wurden. Nach weiteren Anschaffungen der
Klägerin und zwei Mahnschreiben der Beklagten, in denen sie sich auf die angekündigte
Maßnahme bezog, machte die Beklagte Anfang November 1957 noch eine Restforderung von
11.235,74 DM geltend. Als sie keine Zahlung erhielt, stellte sie ihretwegen am 13.
November 1957 Konkursantrag gegen die damals als GmbH betriebene Klägerin. Diese legte
dem Amtsgericht einen Status zum 30. November 1957 vor, der ein Vermögen von 493.661,18
DM auswies. Sodann zahlte sie am 7. Dezember 1957 durch Scheck 9.990,24 DM an die Beklagte
unter Bestreiten einer weitergehenden Verbindlichkeit. Die Beklagte nahm daraufhin den
Konkursantrag zurück.
Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihr den durch den
Konkursantrag zugefügten Schaden ersetzen müsse. Sie hat behauptet, infolge der bekannt
gewordenen Antragstellung geschäftliche Verluste erlitten zu haben, die sie im einzelnen
noch nicht übersehen könne. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines
Vergleichs- oder Konkursverfahrens seien bei ihr niemals gegeben gewesen. Das habe die
Beklagte auch gewußt, mindestens aber unschwer erkennen können. Dieser sei es in
Wirklichkeit nur darum zu tun gewesen, ihre teilweise streitige Forderung schneller als im
Klage- und Vollstreckungswege durchzusetzen. Die Beklagte hat dies bestritten und auf
Umstände verwiesen, aus denen die objektive Konkursreife der Klägerin hervorgegangen,
wenigstens aber eine dahingehende Überzeugung zu gewinnen gewesen sei. Sie hat weiter
behauptet, sofern die Klägerin überhaupt einen Schaden erlitten habe, sei er auf
Mitteilung über den - sonst nicht veröffentlichten - Konkursantrag zurückzuführen, wie
sie unstreitig die Klägerin selbst Dritten gegenüber gemacht habe. Im übrigen hat die
Beklagte die Ansicht vertreten, daß ihr eine unerlaubte Handlung nicht vorgeworfen werden
könne, da sie als Gläubigerin lediglich einen ihr gesetzlich eröffneten Weg beschritten
habe, der wegen der Berücksichtigung ihrer Eigentumsvorbehalte im Konkurs auch sinnvoll
gewesen sei.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachters, in welchem die Konkursvoraussetzungen
für den Zeitpunkt der Antragstellung verneint worden sind, hat das Landgericht der Klage
stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - in dem Konkursantrag einen
unerlaubten Eingriff der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
der Klägerin erblickt. Es hat festgestellt, daß der Antrag tatsächlich nicht begründet
war, und ausgeführt, daher sei das Vorgehen der Beklagten rechtswidrig gewesen. Die
Beklagte habe auch zumindest fahrlässig gehandelt; denn wenn sie die - im einzelnen
erörterten - Umstände mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns objektiv und unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen geprüft hätte, statt sich auf Vermutungen zu
verlassen, hätte sie erkennen müssen, daß ihr Antrag unberechtigt war und daß sie mit
ihm widerrechtlich in den geschützten Rechtskreis der Klägerin eingriff. Für den von
der Klägerin unter Beweisantritt behaupteten Schaden spreche eine hohe
Wahrscheinlichkeit, weil ein Unternehmen, gegen das ein Konkursantrag gestellt sei, nach
der Lebenserfahrung von seinen Geschäftspartnern nicht mehr als zahlungs- und
leistungsfähig angesehen werde. Wegen der zumindest ursprünglich nicht übersehbaren
Höhe des Schadens sei die Feststellungsklage zulässig; sachlich sei sie nach
§ 823 Abs 1 BGB
begründet.
Dem kann nicht beigetreten werden.
Wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich
eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, greift auch dann nicht unmittelbar und
rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners ein, wenn sein Begehren
sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile
erwachsen. Der Gläubiger ist deshalb nicht verpflichtet, zuvor mit Sorgfalt zu prüfen,
ob er sich zur Ingangsetzung des Verfahrens für berechtigt halten darf, oder gar seine
Interessen gegen die des Schuldners abzuwägen. Den Schutz des Schuldners, gegebenenfalls
auch durch Interessenabwägung, übernimmt vielmehr das Verfahren selbst nach Maßgabe
seiner gesetzlichen Ausgestaltung. Diese sieht teilweise Schadensersatzansprüche des
Schuldners bei ungerechtfertigter Inanspruchnahme vor, so bei der Vollstreckung aus einem
nur vorläufig vollstreckbaren, später aufgehobenen oder abgeänderten Urteil
(§ 717 Abs 2 ZPO) oder bei der Vollziehung eines von Anfang an ungerechtfertigten
Arrestes
(§ 945 ZPO). Wo solche Sanktionen fehlen, sind sie nicht durch einen
Rückgriff auf
§ 823 Abs 1 BGB zu ersetzen, schon weil es an der Rechtswidrigkeit
mangelt. So können aus der objektiv unbegründeten Erwirkung eines Zahlungsbefehls oder
Anstrengung einer Klage dem Betroffenen Nachteile über den Kostenpunkt hinaus erwachsen,
ohne daß er dieserhalb den Gläubiger oder Kläger in Anspruch zu nehmen vermöchte.
Anders ist es nur bei der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schadenszufügung durch ein mit
unlauteren Mitteln betriebenes Verfahren, wie im Falle des Prozeßbetrugs oder auch der
mit unwahren Angaben erschlichenen Konkurseröffnung. Alsdann gründet sich die Haftung
des Schädigers jedoch auf
§ 826 BGB.
Die Beklagte hat nach den Feststellungen einen - wie sich nachträglich erwies -
sachlich nicht gerechtfertigten Konkursantrag gegen die Klägerin gestellt. Sie hat
hierdurch das Zulassungs- und Prüfungsverfahren nach § 105 KO in Gang gesetzt.
Dieses Verfahren ist eigens vorgeschaltet, um den Schuldner vor den schweren Nachteilen zu
bewahren, welche eine schematische Eröffnung des Konkurses in der Regel mit sich bringen
würde, auch wenn alsbald seine Einstellung erfolgte. Hier prägt sich die oben
gekennzeichnete Schutzinfektion deutlich aus. Die Prüfung, ob der Konkursantrag zulässig
und begründet ist, findet von Amts wegen mit der Möglichkeit einer objektiven Klärung
statt. Diese zu veranlassen, ist auch im Falle eines unbegründeten Antrags weder
rechtswidrig noch der Sache nach ein unmittelbarer Eingriff des Gläubigers in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Schuldners. Damit soll nicht verkannt
werden, daß auch schon die Einleitung des Zulassungs- und Prüfungsverfahrens Nachteile
für den Schuldner mit sich bringen kann. Diese müssen jedoch von ihm hingenommen werden.
Ob die Beklagte das Fehlen der Konkursvoraussetzungen hätte erkennen können, ist mithin
ohne Belang.
Die Rechtsprechung, welche eine sorgfältige und zutreffende Interessenabwägung vor
dem Eingriff in die gewerbliche Freiheit eines anderen verlangt hat, läßt sich entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts hier nicht heranziehen. Denn in den dort entschiedenen
Fällen hatte der Schädiger nicht ein objektives, seiner Willkür entzogenes und mit
gesetzlichen Sicherungen ausgestattetes Verfahren in Gang gesetzt, sondern selbst und
unmittelbar in eine freie gewerbliche Betätigung eingegriffen, wie durch öffentliches
Abraten von dem Bezug einer Zeitschrift (BGHZ 3, 270) oder durch Warnung beteiligter
Handelskreise vor der "langsamen" Zahlungsweise eines Abnehmers (BGHZ 8, 142).
Das Berufungsgericht hat diese Fälle dem vorliegenden mit der Begründung gleichzusetzen
gesucht, der Eingang eines jeden Konkursantrags spreche sich nach der Lebenserfahrung
schnell herum. Wenn dem so wäre, dann handelte es sich bei dem Ruchbarwerden gerade nicht
um einen vom Gläubiger unmittelbar und rechtswidrig vorgenommenen Eingriff, sondern um
die unerwünschte Nebenfolge eines gesetzlich ausgestalteten Verfahrens, durch die auch
bei fahrlässiger, objektiv unbegründeter Antragstellung eine Schadensersatzpflicht des
Gläubigers nicht ausgelöst werden könnte.
Indessen ist ein Erfahrungssatz so allgemeinen Inhalts nicht anzuerkennen. Auch das
Berufungsgericht gibt für ihn keine Anhalte oder Erläuterungen. Von Amts wegen bekannt
zu machen ist nicht der Eingang des Konkursantrags, sondern erst der Eröffnungsbeschluß
nach Maßgabe von §§ 111ff KO. Inwieweit die Öffentlichkeit dennoch im Falle
wirklicher Insolvenz schon früher Kenntnis zu erlangen pflegt, weil eine gesteigerte
Aufmerksamkeit der Gläubiger und sonstiger Interessenten darauf gerichtet ist, kann hier
dahinstehen. Daß jedoch auch der unbegründete und alsbald zurückgenommene Antrag eines
vereinzelten Gläubigers gegen einen solventen Schuldner unweigerlich an die
Öffentlichkeit dringt, selbst wenn mit ihm gar nicht die Konkurseröffnung, sondern die
Beitreibung einer Forderung bezweckt wird, ist allein schon wegen des Ausnahmecharakters
eines solchen Vorgehens kein Satz der Lebenserfahrung. Das Amtsgericht hatte vorliegend
auch noch keine über die Anhörung des Schuldners hinausgehenden Ermittlungen angestellt,
die weitere Kreise ziehen und ein Bekanntwerden hätten fördern können. Alsdann bleibt
es möglich, wie dies die Klägerin auch ausdrücklich behauptet hatte, daß erst die
Beklagte die Nachricht verbreitet hat. Ein solcher Sachverhalt könnte aber den Anspruch
der Klägerin begründen, der ausschließlich auf den Ersatz des Schadens gerichtet ist,
den sie durch das Bekanntwerden des Antrags der Beklagten erlitten haben will.
Ein Gläubiger, der fahrlässig einen unbegründeten Konkursantrag gegen seinen
Schuldner stellt, handelt, wenn er die Tatsache seiner Antragstellung verbreitet, damit
nicht der Wahrheit zuwider, so daß er nicht wegen Kreditgefährdung nach
§ 824 BGB
haftet. Die Bekanntgabe einer wahren Tatsache kann jedoch eine Verletzung des durch
§ 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtes am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb darstellen (vgl BGHZ 8, 142). Sollte die Beklagte in der genannten Weise
vorgegangen sein, so läge der unmittelbare und rechtswidrige Eingriff zwar nicht in der
Stellung des Konkursantrages, möglicherweise aber - selbständig - in der
ungerechtfertigten Mitteilung an Dritte. Denn dem Berufungsgericht ist darin beizutreten,
daß allein schon die Information der Gesprächspartner über einen gestellten
Konkursantrag, mag dieser sich auch demnächst als unbegründet erweisen, geeignet ist,
die freie Entfaltung des betroffenen Gewerbebetriebes zu beeinträchtigen. Eine solche
Mitteilung ist noch konkreter und gefährlicher als die in BGHZ 8, 142 behandelte,
ebenfalls an sich wahre Nachricht, daß ein Unternehmen ein "langsamer Zahler"
sei. Den Gläubiger, der sie verbreiten will, trifft deshalb die in dieser Entscheidung
und schon in BGHZ 3, 270 geforderte Prüfungs- und Aufklärungspflicht. Dabei würde es
ihn nicht schon freistellen, daß er seinen Konkursantrag für begründet halten durfte;
die Rechtswidrigkeit müßte vielmehr für den Eingriff selbst, also die Verbreitung der
Nachricht, zu verneinen sein.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß es bei erweislicher Unbegründetheit und
Fahrlässigkeit der Antragstellung nicht mehr darauf ankomme, ob und inwieweit die
Beklagte die Tatsache ihres Konkursantrages verbreitet hat, stellt demnach einen
Rechtsirrtum dar. Da das angefochtene Urteil auf ihm beruht, mußte es aufgehoben und die
Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverweisen werden.
Schäden durch fehlerhafte Informationen und Auskünfte
Beim Schutz vor Schäden durch fehlerhafte Informationen und Auskünfte greift die
Rechtsprechung nicht auf das Deliktsrecht zurück, sondern versucht, vertragliche
Schadensersatzansprüche zu begründen. Das ist indessen mit einigen Schwierigkeiten
verbunden. Zum einen fehlt es häufig schon im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem
Auskunftserteiler und dem Auskunftsempfänger an einer vertraglichen Bindung. Zum anderen
nutzen häufig auch dritte Personen die fehlerhaften Auskünfte zu schädigenden
geschäftlichen Dispositionen. Wenn man hier das Vertragsrecht strapaziert, muss
man im
ersten Bereich zu stillschweigenden Auskunftsverträgen und im zweiten Bereich zu
Verträgen mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter (§ 311 Abs. 3
BGB) Zuflucht nehmen.
Um etwa Dritte in den Schutzbereich eines auf Erstellung und Testat der Zwischenbilanz
eines Unternehmens gerichteten Vertrags einzubeziehen, genügt es, nach dem
Bundesgerichtshof, wenn dem testierenden Steuerberater erkennbar war, dass die
Ausarbeitung als Entscheidungsgrundlage für einen Dritten, Käufer oder Kreditgeber
(Bank) bestimmt war (BGH, Urt. v. 26. November 1986, IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758).
Um die Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen für die Richtigkeit der Angaben, die
er über das Anlageprojekt selbst gemacht hat oder die in von ihm versandten
Werbeprospekten enthalten sind, geht es in der folgenden Entscheidung:
Gericht: BGH 7. Zivilsenat, Datum: 22.03.1979, Az: VII ZR 259/77
Leitsatz
Zur Haftung des Vermittlers von Kapitalanlagen für die Richtigkeit der Angaben, die er
über das Anlageobjekt selbst gemacht hat oder die in von ihm versandten Werbeprospekten
enthalten sind.
Orientierungssatz
Der Vermittler von Kapitalanlagen haftet sowohl aus Beratungsvertrag als auch im Rahmen
eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses für die Richtigkeit der Angaben, die er
über das Anlageobjekt selbst gemacht hat oder die in von ihm überreichten
Werbeprospekten enthalten sind, wenn er gegenüber den Interessenten besonders
vertrauenswürdig auftritt und diese erwarten durften, daß er die Angabe selbständig
geprüft und für richtig befunden hat. (Vergleiche BGH, 1974-11-06, VIII ZR 207/72, LM Nr
14 zu § 676 BGB)
Fundstelle
BGHZ 74, 103-116 (LT1-2)
NJW 1979, 1449-1452 (LT1-2)
JZ 1979, 438-441 (LT1-2)
Rechtszug:
vorgehend KG Berlin 1977-09-26 XX
vorgehend LG Berlin 1976-03-22 XX
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 (im folgenden: "die Beklagte"), deren persönlich haftende
Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, befaßt sich unter anderem mit der Vermittlung
steuerbegünstigter Kapitalanlagen. Im Jahre 1971 übernahm sie den Vertrieb von
Kommanditanteilen der B. S. GmbH & Co Herstellungs KG (künftig: KG) mit Sitz in
B. . Die KG versprach ihr dafür eine Provision von 1.350.000 DM.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1971, dem ein "Kurzexpose" beigefügt war,
wandte sich die Beklagte an den Kläger, mit dem sie bis dahin nicht in
Geschäftsverbindung gestanden hatte, und bot ihm eine Beteiligung an der KG als einer
Kapitalanlage an, die allen Nachprüfungen standhalte. Als besonderen Vorteil hob sie
hervor, daß die Produktion bereits 1972 beginne und der Absatz schon jetzt gesichert sei.
Auf die Zuschrift des Klägers schrieb ihm die Beklagte dann unter dem 13. Dezember
1971 ua:
"In der Anlage übersenden wir Ihnen das Expose der Firma
"B." nebst den dazugehörigen Unterlagen, die wir Ihrem eingehenden Studium
empfehlen..
Das Objekt "B." wurde - wie alle unsere Angebote - durch mehrere
Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft, bevor es von uns in den Vertrieb
aufgenommen wurde. Eine Beteiligung kann nachhaltig empfohlen werden. Sie beteiligen sich
mit Steuergeldern in einer Branche mit hervorragenden Zukunftschancen und
Wachstumschancen. Gegenüber anderen Beteiligungsangeboten ergeben sich uE folgende
Vorteile:
1) hervorragendes, fachlich bewährtes Management,
2) Produktion und Absatz bereits für 1972 gesichert,
3) notarielle Verbürgung aller Kommanditeinlagen bis zum 31.12.1974,
4) Versicherungsschutz für alle Kommanditisten,
5) volle Finanzierung der Beteiligung aus Steuerersparnissen bei entsprechender
Progression,
6) je 185% Afa auf die Einzahlungen 1971 und 1972.
Alle weiteren Daten finden Sie in dem bereits erwähnten, diesem Schreiben anliegenden
Expose".
In dem beigefügten Emissionsangebot heißt es, der Verkauf sei
"sowohl über den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne
sichergestellt"; es bestünden "bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter
und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland, so daß schon in der
Aufbauphase mit einer Auslastung der vorhandenen Kapazitäten zu rechnen ist".
Nach einer fernmündlichen Unterredung mit dem Gründungsgesellschafter B. der
Komplementär-GmbH trat der Kläger am 20. Dezember 1971 mit einer Kommanditeinlage von
200.000 DM der KG bei. Am 27. Dezember 1971 zahlte er 100.000 DM, am 13. März 1972 und 4.
Juli 1972 jeweils 50.000 DM ein.
Die KG nahm im Mai 1972 die Fertigung auf. Die Geschäfte entwickelten sich jedoch
schlecht. Insbesondere entsprachen Produktion und Absatz nicht den gesetzten Erwartungen.
Die KG geriet zunehmend in Schwierigkeiten. Am 8. Juli 1975 wurde die Eröffnung des
Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt.
Der Kläger, der in den Jahren 1971 bis 1973 aufgrund von Verlustzuweisungen der KG
insgesamt 123.101 DM an Einkommenssteuer erspart hat, verlangt von den Beklagten die
Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen als Schadensersatz.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr in Höhe von 88.000
DM nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Dagegen richten sich die - angenommenen - Revisionen beider Parteien. Der Kläger verfolgt
die Klage in vollem Umfang weiter, die Beklagten erstreben die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils. Jede Partei beantragt, das gegnerische Rechtsmittel
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht nimmt als Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Beklagten
auf Schadensersatz die Verletzung einer vertraglichen Beratungspflicht sowie Verschulden
bei Vertragsverhandlungen an.
Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß zwischen den Parteien
vertragliche Beziehungen bestehen, die die Beratung und Erteilung von Auskünften bei
Vermittlung einer Kapitalanlage zum Gegenstand haben.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Haftung aus einem
(stillschweigend abgeschlossenen) Beratungsvertrag immer dann zu bejahen, wenn Auskünfte
erteilt werden, die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind und die
dieser zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen machen will. Das gilt
insbesondere dann, wenn der Auskunftsgeber für die Erteilung der Auskunft sachkundig ist
oder wenn bei ihm ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Spiel ist. Das Fehlen
sonstiger vertraglicher Beziehungen schließt einen solchen haftungsbegründenden
Auskunftsvertrag nicht aus; dieser kommt gerade mit der Erteilung der Auskunft zustande
(BGHZ 7, 371, 374; BGH NJW 1962, 1500 Nr 6; 1970, 1737; 1972, 678; 1972, 1200; 1973, 321,
323; Urteil vom 6. November 1974 - VIII ZR 207/72 = LM BGB § 676 Nr 14 jeweils mit
weiteren Nachweisen).
b) Diese Grundsätze sind auch auf Personen oder Unternehmen anzuwenden, die sich mit
dem Vertrieb und der Vermittlung von Kapitalanlagen befassen. Sie wenden sich in aller
Regel an mutmaßliche Interessenten mit ins einzelne gehenden Angaben über die von ihnen
angebotenen Kapitalanlagen oder senden solche detaillierten Darstellungen in Form von
Prospekten auf Anfordern den künftigen Kapitalanlegern zu. Für diese bilden die ihnen so
erteilten Auskünfte die wesentliche Grundlage für ihre Entscheidung, ob sie von dem
ihnen unterbreiteten Angebot Gebrauch machen wollen. Sie sind auf die Auskünfte
angewiesen, da sie regelmäßig keine Möglichkeiten haben, sich die nötigen
zuverlässigen Informationen selbst zu verschaffen.
Auf der anderen Seite sind die Personen oder Unternehmen, die Kapitalanlagen vertreiben
oder vermitteln, aufgrund ihrer Erfahrungen in dieser Branche sachkundig oder geben
zumindest vor, es zu sein. Gewöhnlich sind sie auch in der Lage, Einblick in Unterlagen
zu nehmen, auf die sich die von ihnen erteilten Auskünfte gründen. Zumindest können sie
davon, daß ihnen das gewährt wird oder anderweitige Nachweise erbracht werden, ihre
Vertriebstätigkeit und Vermittlungstätigkeit abhängig machen. Ihr eigenes
wirtschaftliches Interesse liegt darin, sich die in diesem Gewerbezweig nicht
unerheblichen Provisionen zu verdienen.
Die Interessenlage erfordert es deshalb zum Schutz der Kapitalanleger, in der Erteilung
von Auskünften durch Vermittler von Kapitalanlagen nicht nur einen gemäß
§ 676
BGB unverbindlichen Rat zu erblicken, sondern einen Vorgang, der die volle vertragliche
Haftung des Auskunftgebers nach sich zieht (vgl auch BGHZ 70, 356 für den Herausgeber
eines periodisch erscheinenden Börsendienstes; etwas anderes Lutter, Festschrift für
Bärmann, 1975, S 605, 613/614, der insoweit
§ 98 HGB anwenden will).
c) So ist es auch hier.
Die Angaben, die die Beklagte in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 in
Verbindung mit den übersandten Prospekten über die KG gemacht hat, waren für den
Kläger, der eine sichere Anlage für eine größere Geldsumme suchte, von erheblicher
Bedeutung. Das war für die Beklagte auch erkennbar. Sie wollte den Kläger gerade durch
die mitgeteilten Einzelheiten zu einer Beteiligung an der KG bewegen und hat eine solche
Beteiligung ausdrücklich und "nachhaltig" empfohlen. Dabei hat sie sich als
erfahrene und erfolgreiche Vertriebsfirma für steuerbegünstigte Kapitalanlagen
bezeichnet und damit ihre Sachkunde hervorgehoben. Da mit einem Erfolg ihrer
Werbetätigkeit ansehnliche Provisionszahlungen verbunden waren, hatte die Beklagte auch
ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, daß der Kläger der KG beitrat. Bei dieser
Sachlage unterliegt es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß zwischen
den Parteien ein Beratungsvertrag und Auskunftsvertrag zustandegekommen ist.
2. Die Beklagten haften dem Kläger aber auch aus Verschulden bei
Vertragsverhandlungen.
Beide Anspruchsgrundlagen bestehen nebeneinander (BGH LM BGB § 676 Nr 14 und
Senatsurteil vom 14. November 1968 - VII ZR 51/67 = WM 1969, 36).
a) Allerdings führte die Beklagte die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger, aufgrund
deren er der KG beitrat, nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der KG. Trotzdem
haftet die Beklagte. Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von
Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen
zwar grundsätzlich den Vertretenen. Anders kann es jedoch sein, wenn der Vertreter in
besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und ihm das der
Verhandlungsgegner auch entgegengebracht hat. Dann muß der Vertreter selbst für die
Verletzung vorvertraglicher Pflichten, gerade etwa auch einer Verpflichtung zur
Aufklärung, einstehen. Den Vertreter selbst in solchen Fällen für sein Verschulden bei
Vertragsverhandlungen haften zu lassen, ist deswegen gerechtfertigt, weil er über das
normale Verhandlungsvertrauen hinausgegangen ist, das bei der Anbahnung von
Geschäftsbeziehungen meist gegeben ist. Damit hat er dem Verhandlungspartner eine
zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen des in Aussicht
genommenen Rechtsgeschäfts geboten, die für den Willensentschluß des anderen Teils
bedeutsam war. Ein solches dem Vertreter persönlich entgegengebrachtes besonderes
Vertrauen kann zB in dessen außergewöhnlicher Sachkunde für den Vertragsgegenstand
begründet sein, aber auch in seiner besonderen persönlichen Zuverlässigkeit (BGHZ 56,
81, 83f mit Nachweisen; 63, 382; 70, 337, 341; BGH NJW 1977, 1914, Urteil vom 17. März
1976 - VIII ZR 208/74 = LM BGB § 276 (A) Nr 14 = WM 1976, 614).
b) Aus diesem Grunde hat der II. Zivilsenat ausgesprochen, daß im Regelfall die das
Management bildenden Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG für die Vollständigkeit
und Richtigkeit der mit ihrem Wissen und Willen in Verkehr gebrachten Werbeprospekte
haften (BGHZ 71, 284; BGH NJW 1973, 1604). Ebenso können sich Personen
schadensersatzpflichtig machen, die besonderen Einfluß in der Gesellschaft ausüben und
Mitverantwortung tragen (BGH Urteil vom 16. November 1978 - II ZR 94/77 = WM 1979, 141 zum
Abdruck in BGHZ bestimmt). Der II. Zivilsenat hat weiter entschieden, daß eine lediglich
als Handelsvertreter tätig gewordene Anlagenvermittlungsgesellschaft bei mangelnder
Aufklärung eines durch Prospekt geworbenen Käufers von Anteilen eines ausländischen
Immobilien-Fonds selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen zur Verantwortung
gezogen werden kann, wenn sie den Erwerbern gegenüber besonderes Vertrauen in Anspruch
genommen hat (BGH Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76 = WM 1978, 611).
Ähnliches gilt für Personen und Unternehmen, die sich mit dem Vertrieb oder der
Vermittlung von Kapitalanlagen der hier in Frage stehenden Art befassen. Der vorzitierten
Rechtsprechung des II. Zivilsenats liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß für
die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Werbeprospekte einer
Publikums-KG jeder einstehen muß, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch
entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluß des Kapitalanlegers Einfluß
genommen hat. Das sind einmal diejenigen, denen die Beitrittsinteressenten typischerweise
ihr Vertrauen schenken, mögen sie auch nur als Initiatoren, Gestalter oder Gründer der
Gesellschaft auftreten. Dazu gehören aber auch diejenigen, die einen aus ihrer Person
hergeleiteten zusätzlichen Vertrauenstatbestand geschaffen haben. Das kann gerade auf die
Personen und Unternehmen zutreffen, die solche Beteiligungen vertreiben oder vermitteln,
nämlich dann, wenn sie als in dieser Branche vielfältig erfahren und damit sachkundig
auftreten, den Eindruck besonderer persönlicher Zuverlässigkeit erwecken und so für
ihre Verhandlungspartner eine zusätzliche, wenn nicht gar die ausschlaggebende Gewähr
für die Richtigkeit der in dem Werbeprospekt oder anderweit über die Kapitalanlage
gemachten Angaben bieten (vgl dazu auch Nirk, Festschrift für Fritz Hauss, 1978, S 267,
283).
c) Einen solchen zusätzlichen Vertrauenstatbestand hat die Beklagte als Vertriebsfirma
hier geschaffen, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt. Sie hat sich, als sie
sich an den Kläger wandte, als einen "erfahrenen und seriösen Partner"
bezeichnet, der alle durch seine Hände gegangenen bedeutenden Vorhaben zur vollen
Zufriedenheit seiner Kunden abgewickelt habe. Darüber hinaus hat sie mit der von ihr
herausgestellten Angabe, das Objekt sei, bevor sie es in den Vertrieb aufgenommen habe,
durch mehrere Wirtschaftsprüfer und Steuerfachleute geprüft worden, wie das bei allen
ihren Angeboten geschehe, den Eindruck erweckt, besondere Sorgfalt walten zu lassen und
damit auch besonders vertrauenswürdig zu sein.
Infolgedessen mußte die empfohlene Beteiligung an der KG dem Kläger vor allem deshalb
unbedenklich erscheinen, weil sie von der Beklagten angeboten wurde. Deren persönlicher
Einsatz für das Objekt gab den im Werbeprospekt und ihren Briefen gemachten Angaben
besonderes Gewicht. Damit sind die Voraussetzungen für die eigene Haftung der Beklagten
aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen erfüllt.
II.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegenden
vertraglichen und vorvertraglichen Auskunftspflichten und Aufklärungspflichten schuldhaft
verletzt.
Auch insoweit hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision der Beklagten stand.
1. Sowohl nach dem Auskunftsvertrag und Beratungsvertrag wie im Rahmen des durch die
Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses war die
Beklagte verpflichtet, die von ihr über die KG gegebenen Informationen, soweit sie für
den Kläger für seinen Entschluß, der KG beizutreten, von Bedeutung sein konnten,
sorgfältig und wahrheitsgemäß zu erteilen (BGH LM BGB § 676 Nr 14). Diese
Verpflichtung hat die Beklagte verletzt.
Zumindest war die Angabe in ihren Schreiben vom 6. und 13. Dezember 1971 und in dem dem
Kläger übersandten Emissionsangebot falsch, der Absatz der von der KG hergestellten
Erzeugnisse sei schon vom Jahr der Aufnahme der Produktion an gesichert. Dabei handelt es
sich nicht etwa um eine schlagwortartige Mitteilung, die, weil zu unbestimmt gefaßt, ein
Interessent für eine Kapitalanlage nicht hätte ernst nehmen dürfen. In dem
Werbeprospekt über die KG heißt es vielmehr detailliert, der Verkauf sei sowohl über
den Einzelhandel als auch über Warenhäuser und Konzerne sichergestellt; es bestünden
bereits jetzt verbindliche Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen
im Inland und Ausland.
Dadurch wurde der Eindruck erweckt, es seien feste Abmachungen mit Abnehmern der von
der KG hergestellten Strickwaren in einem Umfang getroffen worden, daß einer von Anfang
an erfolgreichen Tätigkeit des zu gründenden Unternehmens nichts im Wege stehe. Solche
fundierten Absatzerwartungen sind für jeden, der eine Beteiligung an einem solchen
Unternehmen erwägt, von erheblicher Bedeutung. Tatsächlich lag keine Vertriebszusage
vor, mit Ausnahme eines nur allgemein gehaltenen Angebots der P. L. GmbH in M.,
Strickwaren der KG gegen Verkaufsprovision zu vertreiben.
2. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.
a) Welche Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dessen zu stellen sind, der
Kapitalanlagen anbietet und dazu entsprechende Empfehlungen gibt, hängt von den
Umständen des Einzelfalles ab. Das gilt vor allem dafür, in welchem Umfang er
Nachforschungen über die Verläßlichkeit der von ihm erteilten Informationen anstellen
muß. Insofern ist maßgebend, wie weit im konkreten Fall das schutzwürdige Vertrauen des
Informationsempfängers auf die Richtigkeit der ihm gemachten Angaben reicht. Danach
richtet sich, welche Nachforschungen er redlicherweise verlangen darf. Das gilt
gleichermaßen für den selbständigen Beratungsvertrag wie für die im Rahmen eines
vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses erteilten Auskünfte (BGH LM BGB § 676 Nr
14).
Eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft den Anlageberater, wenn er - wie hier in
besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, das sich auf seine
vielfältige Berufserfahrung und Sachkunde oder auf seine besondere persönliche
Zuverlässigkeit gründet, so daß er eine zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit der
von ihm selbst oder in dem von ihm versandten Werbeprospekt gemachten Angaben bietet. Er
muß eigene Ermittlungen anstellen und darf die Angaben Dritter nicht ungeprüft
übernehmen und weitergeben. Er muß es umso mehr, wenn er sogar den Eindruck erweckt, das
von ihm angebotene Objekt sei von ihm überprüft worden (vgl etwa BGHZ 70, 356, 362 und
BGH WM 1978, 611).
b) Die Beklagte hatte dem Kläger gegenüber mehrfach betont, daß sie das hier in
Frage stehende Objekt erst in ihren Vertrieb aufgenommen habe, nachdem es eingehend
überprüft worden sei. So verfahre sie immer. Deshalb mußte sie, wie dargelegt, ihren
Verhandlungspartnern als besonders vertrauenswürdig erscheinen. Dann aber durften diese
erwarten, daß sie auch die Angaben zu den Absatzerwartungen selbständig überprüft und
für richtig befunden hatte. Das hat sie, wie sie einräumt, nicht getan und damit
fahrlässig gehandelt.
Daß sie anderen Angaben, die ihr von den Initiatoren der KG gemacht worden waren,
nachgegangen ist und gewisse Sicherheiten für die Kommanditisten durchgesetzt hat, wie
die Revision geltend macht, ist unmaßgeblich. Deshalb brauchte sich das Berufungsgericht
mit dem Sachvortrag der Beklagten darüber nicht zu befassen und mußte auch die dazu
angetretenen Beweise nicht erheben.
3. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers verneint.
Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit in Fällen der vorliegenden Art der Einwand
des Mitverschuldens überhaupt durchgreifen kann, wenn der Empfänger eines
Kapitalanlageangebots eigene Überprüfungen unterläßt, bevor er der ihm erteilten
Empfehlung folgt (BGHZ 70, 356, 365 mit weiteren Nachweisen). Hier besaß der Kläger zwar
als Strickwarenfabrikant in gewissem Umfang eigene Sachkunde, die ihm auch eine eigene
Beurteilung ermöglicht haben könnte. Eigene Ermittlungen über die behauptete
Sicherstellung des Absatzes waren von ihm aber nicht zu erwarten, nachdem die Beklagte die
Beteiligung erst kurz vor Jahresende angeboten und auf alsbaldige Zeichnung gedrängt
hatte, damit die Steuervorteile noch für das Jahr 1971 wahrgenommen werden könnten.
III.
1. Das Berufungsgericht stellt fest, die falschen Angaben über die Sicherung des
Absatzes der von der KG erzeugten Strickwaren seien ursächlich für den Beitritt des
Klägers zur KG und damit für den Verlust seiner Einlage gewesen. Hätte er gewußt, daß
in Wahrheit keine verbindlichen Zusagen von Kaufhäusern, Konzernen und
Vertriebsorganisationen im Inland und Ausland vorlagen, am Verkauf der Waren mitzuwirken,
so wäre er der KG nicht beigetreten. Die übrigen Angaben in den ihm von der Beklagten
zugeleiteten Schriftstücken hätten ihn dazu nicht bewogen.
2. Diese tatrichterliche Überzeugungsbildung ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Was die Revision der Beklagten dagegen vorbringt, greift nicht durch.
Die Würdigung des Berufungsgerichts widerspricht insbesondere nicht allgemeinen
Erfahrungssätzen. So leuchtet es vor allem ein, daß sich ein Unternehmer aus der
Textilbranche, wie der Kläger, der die Anfälligkeiten dieses Gewerbezweiges kennt, an
einem erst zu errichtenden Fabrikationsbetrieb nur beteiligt, wenn der Absatz der
Erzeugnisse durch feste Vertriebszusagen gesichert ist. Entgegen der Ansicht der Revision
der Beklagten hat der Kläger in beiden Tatsacheninstanzen stets besonders auf diesen
Gesichtspunkt abgestellt. Daß er auch andere Angaben über die KG für falsch gehalten
hat, spielt dabei keine entscheidende Rolle.
Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Umstände im einzelnen zum Zusammenbruch der
Firma geführt haben. Da es in Wirklichkeit an den Absatzmöglichkeiten fehlte, wie sie in
den dem Kläger übersandten Schriftstücken fälschlich als durch "verbindliche
Zusagen eingeführter und erfolgreicher Vertriebsorganisationen im Inland und
Ausland" gesichert dargestellt wurden, war das Unternehmen von Anfang an vom
Scheitern bedroht. Die als besonders sicher und seriös angepriesene Beteiligung war im
Gegenteil mit besonderen Risiken behaftet. Diesen Risiken wäre der Kläger entgangen,
wenn er sich nicht an der später zahlungsunfähig gewordenen KG beteiligt hätte. Die
falschen Angaben der Beklagten über die Absatzerwartungen sind daher für den dem Kläger
durch den Verlust seiner Einlage entstandenen Schaden ursächlich geworden.
Auch ein Börseninformationsdienst kann in Schwierigkeiten kommen:
Gericht: BGH 8. Zivilsenat, Datum: 08.02.1978, Az: VIII ZR 20/77
Leitsatz
Zur Haftung des Herausgebers eines periodisch erscheinenden Börsendienstes gegenüber
einem Abonnenten, wenn eine Anlageempfehlung ohne die gebotene Sorgfalt erstellt worden
ist.
Fundstelle
BGHZ 70, 356-365 (LT1)
NJW 1978, 997-999 (LT)
JZ 1978, 398-400 (LT)
Ausnutzung fremden Vertragsbruchs
In diesen Fällen geht es um den Ausgleich von Vermögensschäden, die jemand im
geschäftlichen Verkehr dadurch erleidet, dass sein Vertragspartner vertragsbrüchig wird
und ein Dritter, der den Vertragsbruch kennt oder gar veranlasst hat, daraus für sich
einen Vorteil zieht. Das relative Forderungsrecht aus dem Vertrag mit dem ungetreuen
Vertragspartner genießt nicht den Schutz des sonstigen Rechts im
§ 823 Abs. 1
BGB. Der Schutz könnte nur über § 826 BGB oder über das Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährleistet werden. Allerdings muss man hier in
besonderer Weise darauf achten, dass man nicht mit einer Entscheidung unserer Gesellschaft
für den freien Wettbewerb in Konflikt gerät.
Wenn jemand sein Grundstück gültig zu einem bestimmten Preis verkauft, dann aber sich
von einem weiteren Interessenten dazu überreden lässt, das Grundstück unter Bruch des
bereits abgeschlossenen Vertrages zu einem höheren Preis ihm zu verkaufen und
aufzulassen, so steht dem Erstkäufer ein Schadensersatzanspruch wegen der in dem
Doppelverkauf liegenden Vertragsverletzung gegen den Verkäufer zu. Sollte der Verkäufer
zahlungsunfähig oder der Ersatzanspruch gegen ihn aus anderen Gründen nicht durchsetzbar
sein, bliebe nur noch ein Ersatzanspruch gegen den Zweitkäufer. Den aber wird es
schwerlich geben. Denn in einer Wettbewerbswirtschaft besteht ein allgemeines Interesse
daran, dass jedes Gut von demjenigen genutzt werden kann, der dafür den höchsten Preis
zu zahlen bereit ist. Das ist hier der Zweitkäufer. Der Schutz des Erstkäufers
beschränkt sich auf den Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer. Wenn der sich nicht
realisieren lässt, gehört dies in die Risikosphäre des Erstkäufers. Aus der
Perspektive des Zweitkäufers ist festzustellen, dass grundsätzlich jeder den Vorteil
behalten darf, der ihm aus der Durchführung eines Vertrages erwächst, auch wenn er
weiß, dass sein Vertragspartner den Vertrag nur unter Verletzung anderweitiger
vertraglicher Verpflichtungen, die er Dritten gegenüber eingegangen ist, erfüllen kann.
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in solchen Fällen zu machen, in denen der
Zweitkäufer den Vertragsbruch des Verkäufers durch irreführende Behauptungen,
Täuschungen oder ein anderes von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten herbeigeführt
hat.
Der Bundesgerichtshof hat das in folgender Weise zum Ausdruck gebracht:
Die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei
kann beim Vorliegen besonderer Umstände eine zum Schadenersatz verpflichtende
sittenwidrige Schädigung der anderen Vertragspartei sein. Dabei erzeugt freilich in
keinem Fall lediglich die einfache Verletzung schuldrechtlicher Ansprüche eines anderen
eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung. Ein solcher Anspruch ist kein
Recht, dessen schuldhafte Verletzung schon allein eine Schadensersatzpflicht nach
§ 823 Abs. 1 zur Folge hat. Es müssen vielmehr besondere Umstände gegeben
sein, um das Verhalten des Dritten als eine sittenwidrige Schädigung erscheinen zu lassen
und dabei eine Anwendung des
§ 826 BGB zu rechtfertigen. Das Reichsgericht hat unter
diesem rechtlichen Gesichtspunkt bei einem Kaufvertrag die Beteiligung an einem
Vertragsbruch durch Abschluß eines neuen Kaufvertrages und durch Übereignung der zuvor
bereits anderweit verkauften Sache dann als sittenwidrige Schadenszufügung angesehen,
wenn das Verhalten des Schädigers sittlich besonders verwerflich war. Dabei hat das
Reichsgericht gegebenenfalls in der Verleitung zum Vertragsbruch oder in dem planmäßigen
Zusammenwirken des Dritten mit dem Vertragsbrüchigen solche besonderen Umstände
erblickt, die das Verhalten des Schädigers als sittlich besonders verwerflich erscheinen
lassen (BGHZ 12, 308, 317 f.)
Ähnliche Grundsätze hat der Bundesgerichtshof für den Bereich entwickelt, in dem es
um die Abwerbung von Kunden eines Konkurrenten geht (BGH NJW 1960, 1853). Die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs in DB 1973, 1229, wonach wettbewerbs- und sittenwidrig handelt, wer
in Kenntnis der Tatsache, dass in einer Gastwirtschaft bereits ein Unterhaltungsautomat
eines Mitbewerbers aufgestellt ist, mit dem Gastwirt einen Aufstellvertrag über Musik-
und Spielautomaten abschließt, ohne sich zu vergewissern, dass dem nicht anderweitige
vertragliche Verpflichtungen entgegenstehen, lässt sich wohl nur mit der Vermutung
erklären, dass der BGB der notorischen Wildwestkonkurrenz im Automatenaufstellungsgewerbe
einen Riegel vorschieben wollte. Auch das Abwerben von Arbeitskräften ist grundsätzlich
erlaubt (für eine Sondersituation vgl. BGH DB 1968, 39).
Insolvenzverschleppung und Gläubigergefährdung
Um Fälle der Haftung wegen Konkursverschleppung handelt es sich dort, wo eine Bank -
oder ein anderer Kreditgeber - zwar weiß, dass ihr Kreditnehmer
insolvenzreif ist, sie ihm
aber gleichwohl einen weiteren "unzureichenden oder den Todeskampf nur
verlängernden" Kredit gewährt, weil sie darauf spekuliert, dass andere Gläubiger
das Unternehmen für überlebensfähig halten und Dispositionen treffen werden, die sich
zum Vorteil der Bank auswirken können. Ebenso liegt es, wenn die Bank aus den gleichen
Erwägungen heraus zwar nicht einen Kredit gewährt, aber die Stellung des
Insolvenzantrags
unterlässt und auf diese Weise den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens
hinauszögert.
In BGH NJW 1970, 657 hatten zwei Gutsbesitzer im Jahre 1963 mit einer Konservenfabrik
Anbauverträge geschlossen, nach denen sie ihre für den Sommer 1963 erwartete
Gemüseernte an die Fabrik zu liefern hatten. Diese stand ihrerseits in
Geschäftsverbindung mit ihrer Hausbank, die ihr umfangreiche Kredite gewährt und sich zu
deren Sicherung u.a. die in das Eigentum der Fabrik gelangenden Gemüsemengen hatte
übereignen lassen. Im August 1963 wurde die Konservenfabrik zahlungsunfähig. Beide
Gutsbesitzer erlitten erhebliche Ausfälle, weil sie für das von ihnen gelieferte Gemüse
nicht bezahlt wurden. Sie verlangten Ersatz von der Bank, indem sie geltend machten, sie
habe von der Überschuldung der Fabrik im Jahre 1963 gewusst, habe aber gleichwohl
stillgehalten in der Hoffnung, dass die Fabrik mit Gemüse auf Kredit beliefert werde und
sich dies zum Vorteil der (dinglich gesicherten) Bank auswirken würde. In dem Urteil
heißt es, dass "eine Bank, die das Hinausschieben des nach den Verhältnissen (die
sie meist am besten durchschaut) gebotenen Vergleichs- oder Konkursantrages durch ihr
Stillhalten und Weitergewähren des Kredits bewirkt oder duldet, dann sittenwidrig
erklärt (handelt), wenn sie das nicht mehr in der Annahme tut, dass es sich nur um eine
überwindbare und vorübergehende Krise gehandelt habe, sondern deshalb, um in
rücksichtsloser und eigensichtiger Weise ihre Stellung bei dem in Kürze erwarteten
Zusammenbruch auf Kosten der anderen Gläubiger zu verbessern ... Der anstößige
Eigennutz der Bank liegt auf der Hand, wenn sie die um eigener Vorteile Willen bewirkte
Hinausschiebung des Konkurses veranlasst, obwohl sie weiß oder doch billigend in Kauf
nimmt, dass dadurch die Lieferanten des Unternehmens zu Schaden kommen können, während
sie, weil deren neue Lieferungen Kraft des Sicherungsvertrages in ihr Eigentum übergehen,
dadurch demnächst günstiger abschneiden kann".
Neben der Insolvenzverschleppung hat sich in der Rechtsprechung ein weiterer Falltyp
herausgebildet, in dem ebenfalls die Voraussetzungen einer gem. § 826 BGB zum Ersatz
verpflichtenden Schädigung erfüllt sind. Es sind dies die Fälle der
Gläubigergefährdung. Hier liegt es so, dass sich der Beklagte Sicherungen von seinem
Schuldner hat einräumen lassen, die wegen ihres Umfangs und ihrer Undurchsichtigkeit die
von ihm bewusst in Kauf genommene konkrete Gefahr mit sich bringen, dass nichtsahnende
Kreditgeber zu Schaden kommen könnten. Zwar kommt es auch in diesen Fällen später meist
zum Konkurs des Schuldners. Aber die Haftung wird hier nicht darauf gestützt, dass
der
Beklagte - meistens handelt es sich auch hier um eine Bank - den Konkurs des Schuldners
verschleppt habe, sondern darauf, dass er sich übermäßige und undurchsichtige
Sicherungen gewähren ließ und dadurch die (von ihm erkannte oder grob fahrlässig
verkannte) Gefahr einer Schädigung anderer Gläubiger schuf, sei es, dass diese sich
dadurch von der Beitreibung bereits begründeter Forderungen würden abhalten lassen, sei
es auch, dass sie neue Forderungen gegen den Schuldner begründen würden (vgl. BGH WM
1962, 962, 965; BGH NJW 1970, 657, 659).
Streik
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt einem Unternehmer
Schutz vor den schädlichen Folgen eines rechtswidrigen Streiks. Die Rechtswidrigkeit von
Streikmaßnahmen wird nach den richterrechtlich festgelegten Regeln des Arbeitskampfrechts
beurteilt. Dass sich da ein erhebliches Risiko für die Streikführer entwickeln kann,
belegt die folgende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Gericht: BAG 1. Senat, Datum: 21.06.1988, Az: 1 AZR 651/86
Leitsatz
3. Vom Streikrecht nicht gedeckt ist die Verhinderung des Zu- und Abgangs von
Waren und Kunden sowie die Hinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des
Betriebes, soweit dies über das bloße Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgeht.
4. Handlungen anläßlich eines Streiks, die vom Streikrecht nicht gedeckt sind,
machen den Streik als solchen nicht rechtswidrig. Sie verpflichten jedoch zum Ersatz des
Schadens, der gerade durch diese Handlungen entstanden ist.
Fundstelle
BAGE 58, 364-394 (LT1-5)
NJW 1989, 57-61 (LT1-5)
JZ 1989, 85-91 (LT1-5)
Rechtszug:
vorgehend LArbG Stuttgart 1986-10-29 3 Sa 5/86
vorgehend ArbG Reutlingen 1986-01-14 2 Ca 175/85
Zum Sachverhalt (vereinfacht):
Der Betrieb der Klägerin wurde im Rahmen eines, von der Bekl. Gewerkschaft
ausgerufenen, Warnstreiks bestreikt.
Dabei blockierten Streikposten die Kunden-, Personal- und Lieferanteneingänge und
hinderten so Kunden und Arbeitswillige Mitarbeiter am Betreten des Betriebes. Außerdem
wurden Schaufenster mit Plakaten beklebt.
Die Kl. verlangt von der bekl. Gewerkschaft Ersatz des durch diese, vom Streikrecht
nicht gedeckten Handlungen entstandenen Schadens.
Aus den Gründen:
Das Recht zum Streik beinhaltet das Recht, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung
zu verweigern. Vom Streikrecht mit umfaßt ist auch der Versuch und gegebenenfalls das
Gelingen des Versuchs, neue, dem bestreikten Betrieb bisher nicht zugehörige
Arbeitskräfte mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität von
der Aufnahme der Arbeit im bestreikten Betrieb abzuhalten (Urteil des Senats vom 20.
Dezember 1963 - 1 AZR 157/63 - AP Nr. 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Dementsprechend
ist vom Streikrecht auch umfaßt der Versuch, Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes, die
sich dem Streik bislang noch nicht angeschlossen haben, zur Teilnahme am Streik zu
bewegen, sofern dieser Versuch mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die
Solidarität erfolgt (Seiter, aa0, S. 520 f.; Löwisch, AR-Blattei, Arbeitskampf VI
unter A II 2 a; LAG Köln vom 2. Juli 1984 - 9 Sa 602/84 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf
Nr. 53 = NZA 1984, 402). Handlungen, die darüber hinausgehen und gar strafrechtlich
geschützte Interessen des Arbeitgebers oder Dritter verletzen, werden durch das
Streikrecht nicht gerechtfertigt (BGH Urteil vom 19. Oktober 1954 - 5 StR 171/54 - AP
Nr. 1 zu § 125 StGB). Unzulässig ist danach auch die Verhinderung des Zu- und
Abgangs von Waren und Kunden (RGZ 76, 35; Seiter, aa0, S. 522) sowie die Behinderung
arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes durch Maßnahmen, die über bloßes
Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgehen (Löwisch, aa0; LAG Köln, aa0).
Solche Handlungen stellen sich ebenso wie ein rechtswidriger Streik als solcher als
eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des
bestreikten Arbeitgebers und damit als unerlaubte Handlung im Sinne von
§ 823
Abs. 1 BGB dar (ständige Rechtsprechung des Senats, BAGE 41, 209, 222 = AP
Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu A II 2 der Gründe; BAGE 46, 322 = AP
Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAGE 48, 160, 165 = AP Nr. 85 zu Art. 9 GG
Arbeitskampf, zu II 1 der Gründe). Der Geschädigte kann Ersatz des ihm durch diese
unerlaubte Handlung entstandenen Schadens verlangen.
Wenn die Beklagten geltend machen, in einen rechtmäßig bestreikten Betrieb könne
nicht mehr durch unerlaubte Handlung eingegriffen werden, weil der Betrieb durch den
Streik funktionslos geworden sei und nicht weiter ausgeübt werden könne, so kann dem
nicht gefolgt werden. Diese Annahme mag dann zutreffen, wenn alle Arbeitnehmer des
Betriebes sich am Streik beteiligen und ohne Arbeitnehmer eine weitere Betriebstätigkeit
in keiner Weise denkbar ist. Solange nicht alle Arbeitnehmer streiken, vielmehr
Arbeitswillige vom Betreten des Betriebes durch mehr als gütliches Zureden abgehalten,
der Zu- und Abgang von Kunden und Waren verhindert werden, stellen sich diese Handlungen
als Verhinderung der trotz des Streiks noch möglichen Ausübung des Betriebes und seiner
Funktion dar und sind damit als eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb zu werten.
Abschneiden von Verkehrswegen und Versorgungseinrichtungen
Wie der Fleet-Fall und die Kabelfälle belegen, gewährt die Rechtsprechung derzeit
keinen Schutz für das Abschneiden von Verkehrswegen und Versorgungseinrichtungen über
das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Zugangssperren
Schon die Streikentscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat ausgeführt, dass es den
Streikenden verwehrt sei, den Zugang zu dem bestreikten Unternehmen für arbeitswillige
Arbeitnehmer und Lieferanten mit Gewalt zu versperren. Dieser Grundsatz lässt sich für
jede Art der Gewaltausübung verallgemeinern. Die körperliche Behinderung ist verboten.
Erlaubt ist allenfalls die Einflussnahme auf die Entscheidung derjenigen, die Zutritt zu
dem bestreikten oder boykottierten Unternehmen suchen.
Boykott
Den Aufruf zum Boykott eines Unternehmens hatten die Zivilgerichte zunächst ganz
allgemein als einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
angesehen. Sie mussten sich insoweit durch das Bundesverfassungsgericht korrigieren
lassen. Danach gilt für den Boykottaufruf ohne wettbewerbliche Zielsetzung und ohne
Ausübung wirtschaftlichen Drucks der Schutz durch die Meinungsäußerungsfreiheit. Dies
ist das Ergebnis der berühmten Lüth-Entscheidung des BVerfG, deren Leitsätze im
folgenden wiedergegeben werden:
Gericht: BVerfG 1. Senat, Datum: 15.01.1958, Az: 1 BvR 400/51
Leitsatz
1. Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in
den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive
Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts
gilt.
2. Im bürgerlichen Recht entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte mittelbar
durch die privatrechtlichen Vorschriften. Er ergreift vor allem Bestimmungen zwingenden
Charakters und ist für den Richter besonders realisierbar durch die Generalklauseln.
3. Der Zivilrichter kann durch sein Urteil Grundrechte verletzen (§ 90 BVerfGG) ,
wenn er die Einwirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht verkennt. Das
Bundesverfassungsgericht prüft zivilgerichtliche Urteile nur auf solche Verletzungen von
Grundrechten, nicht allgemein auf Rechtsfehler nach.
4. Auch zivilrechtliche Vorschriften können "allgemeine Gesetze" im Sinne
des
Art 5 Abs 2 GG sein und so das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung
beschränken.
5. Die "allgemeinen Gesetze" müssen im Lichte der besonderen Bedeutung des
Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat
ausgelegt werden.
6. Das Grundrecht des
Art 5 GG schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als
solches, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung.
7. Eine Meinungsäußerung, die eine Aufforderung zum Boykott enthält, verstößt
nicht notwendig gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB; sie kann bei
Abwägung aller Umstände des Falles durch die Freiheit der Meinungsäußerung
verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
Fundstelle
BVERFGE 7, 198-230 (LT)
JZ 1958, 208 (LT)
NJW 1958, 257 (LT)
Rechtszug:
vorgehend LG Hamburg 1951-11-22 15 O 87/51
Wenn dagegen hinter einem Boykottaufruf die Ausübung wirtschaftlicher Macht und
wirtschaftlichen Drucks steht, so handelt es sich um einen verbotenen Eingriff in das
Recht am Unternehmen. Das ist das Ergebnis der "Blinkfuer"-Entscheidung des
BVerfG (BVErfGE 25, 256) und wird auch vom BGH heute so gesehen (Verbot eines Aufrufs zum
Reparaturboykott für Uhren aus Kaffeeröstereien BGH NJW 1985, 60).
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 02.02.1984, Az: I ZR 4/82
Orientierungssatz
Ein aktiver Beitrag zum Wettbewerbsverhalten in Gestalt einer suggestiv gemeinten
Verhaltensanweisung an Wettbewerber, Kunden eines Konkurrenten nicht zu bedienen, haben,
auch wenn sie als "Vorschläge" oder "Anregungen" formuliert sind, den
Charakter eines Boykottaufrufs und können nicht als durch
GG Art 5 geschützte bloße
Meinungsäußerungen angesehen werden.
Fundstelle
WM IV 1984, 705-707 (LT1)
NJW 1985, 60-62 (LT1)
Rechtszug:
vorgehend KG Berlin 1981-10-09 5 U 3319/80
vorgehend LG Berlin 1980-05-30 15 O 133/80
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Großunternehmen gegen die
Aufforderung eines Publikationsorgans an seine Vertragspartner zum kollektiven
Vertragsbruch mit der Unterlassungsklage zur Wehr setzen könne (Aufforderung zum
Mietboykott), war Gegenstand der folgenden Entscheidung des BGH:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.01.1985, Az: VI ZR 130/83
Leitsatz
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Großunternehmen gegen die
Aufforderung eines Publikationsorgans an seine Vertragspartner zum kollektiven
Vertragsbruch mit der Unterlassungsklage zur Wehr setzen kann (Aufforderung zum
"Mietboykott").
Orientierungssatz
1. Der Aufruf zum organisierten Vertragsbruch durch massenhaften
"Mietboykott" (Verweigerung der Mietzinszahlung) stellt einen Eingriff in den
Betrieb eines mit der Verwaltung von Wohnungen befaßten Unternehmens dar.
2. Im Falle einer gegen den betrieblichen Organismus gerichteten Aufforderung zum
kollektiven Vertragsbruch, dem der dem Betroffenen aus seiner Vertragsposition zustehende
Rechtsschutz faktisch nicht gewachsen ist, entspricht es dem Schutzgedanken des Rechts am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem Betroffenen die Möglichkeit zu
erhalten, wirksam, dh in derartigen Fällen schon im organisatorischen Vorfeld, gegen die
Quelle der Störung der Vertragsbeziehungen (mit der Unterlassungsklage) einzuschreiten.
Fundstelle
WM IV 1985, 760-762 (LT1)
JZ 1985, 587-588 (LT1)
NJW 1985, 1620-1621 (LT1)
Rechtszug:
vorgehend KG Berlin 1983-04-26 9 U 2449/82
vorgehend LG Berlin 1982-02-16 27 O 427/81
nachgehend BVerfG 1987-10-27 1 BvR 385/85
Tatbestand
Die Klägerin verwaltet in B. mehr als 30.000 Mietwohnungen, die ihr zum Teil gehören.
Ihre Mieteinnahmen betragen etwa 9 Millionen DM monatlich. Die Erstbeklagte betreibt in B.
einen Verlag, in dem "Die T-zeitung" (taz) mit einer Auflage von etwa 10.000
Exemplaren erscheint. In der Ausgabe der "taz" vom 24. September 1981 erschien
in der Aufmachung einer Anzeige ein Aufruf zum "Mietboykott für Mieter der NN".
Verfasserin dieses Aufrufs ist die zweitbeklagte Redakteurin der Erstbeklagten. In dem
Aufruf heißt es:
"Aus Protest gegen die Wohnungspolitik der NN und angesichts der
geräumten und verwüsteten Häuser fordere ich alle diejenigen auf, die mit ihrer Miete
die Städte-Zerstörung der NN unterstützen, diese Miete für 1 Monat auf ein Sperrkonto
zu überweisen. Wir Mieter erklären unsere NN-Wohnungen für einen Monat lang für
besetzt."
In der Ausgabe der "taz" vom 28. September 1981 erschien unter
dem Hinweis "Mietboykott" ein weiterer Artikel mit der Überschrift "Wir
zahlen für 1 Monat keine Miete an die NN". Dieser Artikel wird mit folgendem Text
eingeleitet:
"In der taz vom 24.9. war in einem Aufruf Widerstand gegen die
Wohnungspolitik der NN gefordert worden. "Einen Monat lang keine Miete für die
NN". Auf die Anzeige meldeten sich Mieterläden und Mieterinitiativen, insgesamt etwa
30 Leute, die sich an dem Boykott beteiligen wollen. Ein Rechtsanwalt machte sich Gedanken
zu einer möglichen juristischen Begründung."
Es folgen Ausführungen zur rechtlichen Problematik des
"Mietboykotts" sowie das Muster eines Schreibens, mit dem die Mieter der
Klägerin u.a. mitteilen sollten, daß sie wegen deren Wohnungspolitik ein
Zurückbehaltungsrecht ausüben und eine Monatsmiete auf ein Sperrkonto überweisen.
Die Klägerin erblickt in dem Aufruf zum "Mietboykott" einen rechtswidrigen
Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Sie hat die Verurteilung
der Beklagten zur Unterlassung der Aufforderung zum "Mietboykott" sowie die
Verurteilung der Erstbeklagten zur Veröffentlichung einer Mitteilung begehrt, in der die
Erstbeklagte ihren Lesern und Mietern der NN empfehlen sollte, dem Aufruf zum
"Mietboykott" nicht zu folgen und die Mieten vertragsgemäß zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat in den Veröffentlichungen zwar
Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Klägerin erblickt, jedoch die Auffassung vertreten,
daß diese Eingriffe durch das Recht der freien Meinungsäußerung aus
Art. 5 Abs. 1
GG gerechtfertigt seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Unterlassungsklage
stattgegeben, die Berufung jedoch zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verneinung
eines Anspruchs der Klägerin gegen die Erstbeklagte auf Veröffentlichung einer
Empfehlung an die Leser der "taz" und Mieter der NN wendet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die
Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstreben.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält den Aufruf der Zweitbeklagten in der Ausgabe der
"taz" vom 24. September 1981 für einen rechtswidrigen Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin, für den auch dann, wenn der
Aufruf als eine außerhalb des redaktionellen Teils erschienene Anzeige aufzufassen sei,
die Erstbeklagte als Verlegerin mitverantwortlich sei. Für ein Unternehmen, das - wie die
Klägerin - in großem Umfang Wohnraum vermiete, bedeute die in einem Publikationsorgan
erscheinende Aufforderung an die Mieter, für einen Monat die Miete auf ein Sperrkonto zu
zahlen, eine vorsätzliche Gefährdung der wirtschaftlichen Betätigung und damit einen
betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb. Dieser Eingriff sei auch rechtswidrig;
er werde nicht durch das Grundrecht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung
gerechtfertigt. Zwar seien die Beklagten durchaus befugt, die "Wohnungspolitik"
der Klägerin öffentlich in der Presse zu kritisieren, vorausgesetzt, die Kritik erfolge
durch Argumente. Dies sei aber nicht geschehen, vielmehr hätten die Beklagten auf die
Klägerin wirtschaftlichen Druck auszuüben versucht, um sie zu einer Änderung ihres
"wohnungspolitischen" Verhaltens zu nötigen. Der Aufruf sei eine Aufforderung
zur Rechtsverletzung, die das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gestatte. Es
bestehe die Gefahr, daß die Beklagten den beanstandeten Aufruf ungeachtet der geringen
Resonanz, den er in der Vergangenheit gefunden habe, wiederholten.
II. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Mit Recht
hat das Berufungsgericht den Aufruf zum "Mietboykott" als rechtswidrigen
Eingriff der Beklagten in den Gewerbebetrieb der Klägerin gewertet, gegen den sich die
Klägerin gem.
§§ 823 Abs. 1,
1004 BGB mit der vorbeugenden Unterlassungsklage
zur Wehr setzen kann.
1. Allerdings erfaßt der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebes nur betriebsbezogene Eingriffe (BGHZ 55, 153, 161; 59, 30, 35; 69, 128,
139; vgl. ferner Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 823 Rdn. 41 m.w.N.). Er betrifft
damit nur spezifische Eingriffe, die sich gegen den betrieblichen Organismus oder die
unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Dabei muß es sich um Eingriffe handeln,
denen eine Schadensgefahr eigen ist, die über eine bloße Belästigung oder eine
sozialübliche Behinderung hinausgeht. Um einen solchen Eingriff handelt es sich aber
hier.
Die Mieter der Klägerin, an die sich der Aufruf zum "Mietboykott" richtete,
sollten die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Mietzinszahlung für einen
Monat verweigern. Durch die beabsichtigte massenhafte Zahlungsverweigerung, die
schlagartig einsetzen sollte, sollte nach den Vorstellungen der Zweitbeklagten die
Organisation der Klägerin spürbar getroffen werden. Eine solche Aufforderung zum
organisierten Vertragsbruch ist angesichts der Eigenart des Betriebes der Klägerin ihrer
Natur nach nicht unerheblich. Die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin ist auf die
Verwaltung von Wohnungen ausgerichtet. Die unerwartete und plötzliche Notwendigkeit, in
einer Vielzahl von Fällen die Mieter zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu zwingen,
hätte die Klägerin vor eine zusätzliche Aufgabe gestellt, auf die sie nicht vorbereitet
war. Diese zusätzliche Belastung des betrieblichen Organismus der Klägerin war das Ziel
des Aufrufs. Zwar geht der Senat im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht
davon aus, daß diese Belastung und die mit ihr verbundene Vorenthaltung eines Teiles der
Mieteinnahmen, selbst wenn sie das von der Verfasserin des Aufrufs erhoffte Ausmaß
erreicht hätte, die Grundlage und den Bestand des Gewerbebetriebes der Klägerin zu
bedrohen vermochten. Die mit der Aufforderung zum "Mietboykott" bezweckte
Belastung der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin war jedoch nach ihrer Anlage durchaus
geeignet, die Abläufe im Betrieb der Klägerin in empfindlicher Weise zu stören.
Der beanstandete Aufruf sollte die Störaktion ins Werk setzen; er ist - nicht anders
als die geplante Störaktion selbst - als betriebsbezogener Angriff auf die Klägerin zu
bewerten. Seine geringe Resonanz war nicht ohne weiteres vorauszusehen; insoweit konnte
das Berufungsgericht zu Recht in der Aufforderung selbst eine ernst zu nehmende Bedrohung
für die Klägerin sehen. Dieser Eingriff ist auch der Erstbeklagten als Verlegerin
zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Aufruf wegen seiner für einen redaktionellen
Beitrag ungewöhnlichen Erscheinungsform als Anzeige aufzufassen wäre (BGHZ 59, 76,
78/82).
2. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung des Aufrufs zum "Mietboykott"
scheitert auch nicht an der Subsidiarität des Unternehmensschutzes.
Das von der Rechtsprechung entwickelte Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb ist ein "Auffangtatbestand", auf den Ansprüche nur gestützt
werden können, wenn dies geboten ist, um eine sonst bleibende Lücke im Rechtsschutz zu
schließen (vgl. BGHZ 45, 296, 307; 59, 30, 34; 65, 325, 328; 69, 128, 138 f.). Dabei ist
zu beachten, daß der Deliktsschutz des Gewerbebetriebes nicht in einen allgemeinen
deliktischen Vermögensschutz für Gewerbetreibende ausufern darf, der eine nicht
gerechtfertigte haftungsrechtliche Privilegierung des Unternehmens zur Folge hätte (BGHZ
90, 113, 123). Insbesondere gilt es zu verhindern, daß vertragliche Positionen auf dem
Umweg über den Schutz des Gewerbebetriebes in den deliktischen Schutzbereich gelangen.
Deshalb wird der Aufforderung zum Vertragsbruch in der Regel nicht mit der Geltendmachung
des Rechts am Gewerbebetrieb begegnet werden können.
Im Streitfall ist davon auszugehen, daß eine nachhaltige Verweigerung der
vertraglichen Pflichten durch eine ins Gewicht fallende Zahl von Mietern ins Auge gefaßt
war; denn nur sie hätte nach den Vorstellungen der Zweitbeklagten das erklärte Ziel, der
"Wohnungspolitik" der Klägerin ein allseits beachtetes Zeichen
entgegenzusetzen, erreichen können. Wäre entsprechend der Zielsetzung der Zweitbeklagten
auch nur ein nicht unerheblicher Teil der Mieter der Klägerin der Aufforderung zum
"Mietboykott" gefolgt, so hätte die Klägerin die Durchsetzung ihrer Ansprüche
- wie sie unbestritten vorgetragen hat - vor Probleme gestellt, die sie mit ihrem für
eine solche unvorhersehbare Belastung nicht organisierten Geschäftsbetrieb nur schwer
hätte bewältigen können. In einem solchen Fall der gegen den betrieblichen Organismus
gerichteten Aufforderung zum kollektiven Vertragsbruch, dem der dem Betroffenen aus seiner
Vertragsposition zustehende Rechtsschutz faktisch nicht gewachsen ist, entspricht es dem
Schutzgedanken des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem
Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, wirksam, d.h. in derartigen Fällen schon im
organisatorischen Vorfeld, gegen die Quelle der Störung der Vertragsbeziehungen
einzuschreiten.
3. Gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Abwehr der ihrem Gewerbebetrieb durch
den Aufruf zum "Mietboykott" drohenden Beeinträchtigung können sich die
Beklagten nicht mit Erfolg auf ihre Grundrechtspositionen aus
Art. 5 Abs. 1 GG
berufen. Zwar stehen die Erstbeklagte als Verlegerin und die Zweitbeklagte als
Journalistin unter dem Schutz der Pressefreiheit aus
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG;
überdies machte die Zweitbeklagte mit der Veröffentlichung ihres Aufrufs von ihrem Recht
auf Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Der
Grundrechtsschutz kommt hier aber nicht zum Tragen, weil die Zweitbeklagte ihre Ziele mit
Mitteln durchzusetzen versuchte, die der Grundrechtsschutz nicht deckt.
Ihr Ziel war die Bekämpfung der "Wohnungspolitik" der Klägerin.
Art. 5
Abs. 1 GG gab ihr zwar das Recht, sich für dieses Ziel innerhalb der Schranken des
Art. 5 Abs. 2 GG publizistisch einzusetzen. Dabei setzten ihr aber die Grundrechte in
der Wahl der Mittel der Zielverfolgung Grenzen. Sie beschränkten sie auf den Einsatz von
Argumenten. Zwar gestatteten ihr die Grundrechte, ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit
nachdrücklich und wirkungsvoll zu vertreten; insoweit brauchte sie sich zur Schonung der
Klägerin keine Zurückhaltung aufzuerlegen. Jedoch decken die Gewährleistungen in
Art. 5
Abs. 1 GG nur den Einsatz von Mitteln, die der Durchsetzung des eigenen Standpunktes
in der geistigen Auseinandersetzung adäquat sind. Der Rechtsbruch, sei es auch in der
Form des Vertragsbruchs, ist kein von
Art. 5 Abs. 1 GG geschützter Weg, die eigene
Überzeugung durchzusetzen. Deshalb wird auch die Aufforderung der Beklagten zur
kollektiven Verletzung der Mietverträge von der Meinungs- und Pressefreiheit nicht
gedeckt.
4. Die weiteren Voraussetzungen der vorbeugenden Unterlassungsklage insbesondere die
Wiederholungsgefahr - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Dies greift
die Revision auch nicht an.
Kritik gewerblicher Leistungen
Die öffentliche Kritik gewerblicher Leistungen hat eine außerordentlich bewegte
Geschichte in der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hielt sich an die
BGB-Regelung gebunden. Danach konnte das Unternehmen gegenüber unzutreffenden
Tatsachenbehauptungen nach
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§§ 186, 187 StGB und
nach
§ 824 BGB geschützt werden. Bei Werturteilen und Meinungsäußerungen kam ein
Schutz nur nach
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§ 185 StGB und
§ 826 BGB in
Betracht. Das Reichsgerichts hatte es immer abgelehnt, in der Kritik gewerblicher
Leistungen einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu
sehen.
Mit dieser Rechtsprechung brach der BGH in der Constanze-Entscheidung (BGHZ 3, 270).
Hier findet sich die Ausdehnung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb gegenüber den bestandsgefährdenden Eingriffen auf auch die übrigen
Erscheinungsformen des Gewerbebetriebs, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu
rechnen sei. Allerdings sollte der Schutz begrenzt sein auf unmittelbare Störungen.
Mit diesem Ausgangspunkt kam es alsdann zur Entwicklung der sogen. Constanze-Doktrin.
Die lässt sich dahin zusammenfassen, dass gewerbeschädigende Äußerungen grundsätzlich
unzulässige Eingriffe in das Recht einer störungsfreien Entfaltung des gewerblichen
Tätigkeitskreises seien. Die Widerrechtlichkeit sei nur ausgeschlossen, bei sachlicher
Kritik (Art. 5 Abs. 1 GG) und bei Wahrnehmung berechtigter Interessen (Argument
aus
§ 193 StGB). Nur solche Kritik war erlaubt, die sich objektiv nach Inhalt, Form
und Begleitumständen als das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung eines
rechtlich gebilligten Zweckes darstellte.
Gericht: BGH 1. Zivilsenat, Datum: 26.10.1951, Az: I ZR 8/51
Leitsatz
1. Geschäftsschädigende Werturteile können, auch wenn sie nicht zu
Wettbewerbszwecken erfolgen, einen unmittelbaren Eingriff in das nach
BGB § 823 Abs
1 geschützte Recht an der ungestörten Ausübung eines eingerichteten Gewerbebetriebes
darstellen.
2. Der Rechtsgedanke des
StGB § 193, der auf dem Gebiet des Ehrenschutzes einen
Rechtfertigungsgrund gewährt, muß bei Prüfung der Widerrechtlichkeit des Eingriffs
sinngemäß auch auf gewerbestörende Werturteile zur Anwendung kommen.
3. Nach dem für alle Fälle des Interessenwiderstreits geltenden Grundsatz der
Güterabwägung und Pflichtenabwägung sind rechtsverletzende Äußerungen nur dann durch
die Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt, wenn sie nach Inhalt, Form und
Begleitumständen zur Erreichung eines rechtlich gebilligten Zweckes objektiv erforderlich
sind. Ein Irrtum über die Notwendigkeit der Schwere und des Ausmaßes des Eingriffs in
ein geschütztes Rechtsgut schließt, wenn er entschuldbar ist, nur die Schuld des
Verletzers, nicht aber die Widerrechtlichkeit des objektiv übermäßigen Eingriffs aus.
Fundstelle
BGHZ 3, 270-285 (LT1-4)
Tatbestand
Im Verlag der Klägerin erscheint die Frauenzeitschrift "C.". Die Beklagte
ist Verlegerin der Wochenzeitschrift "Kirche und Leben, Kirchenblatt für das Bistum
M.". Jeder Nummer dieses Kirchenblattes wird in jedem Dekanat eine dort verfaßte und
gedruckte "Dekanatsbeilage" beigefügt, in der vornehmlich Anzeigen sowie die
Gottesdienstordnung und sonstige kirchliche Nachrichten des jeweiligen Dekanats
veröffentlicht werden. In der Dekanatsbeilage für O. wurde mit der Überschrift
"Die Lesemappe des P.-Ringes in jede Familie" ein Artikel veröffentlicht, in
welchem an der sittlichen Haltung der in der Nachkriegszeit erschienenen illustrierten
Zeitschriften Kritik geübt wird. In diesem Artikel sind ua die Wendungen enthalten: die
Verleger machten mit dem scheinbaren Zusammenbruch der Begriffe von Anstand und Würde
ihre Geschäftchen; sie vertauschten die saubere kaufmännische Werbung und
Absatzkalkulation mit der gewissenlosen Spekulation auf die primitiven Instinkte eines
müde gewordenen Volkes; die Frauenzeitschrift "C." der Klägerin sei eine
Blüte aus dem Sumpf der fragwürdigen Kulturerzeugnisse nach Art der Magazine zu nennen;
der christliche Leser der Frauenzeitschrift "C." vergesse mit dem Empfang der
Zeitschrift, was er der Ehre seiner Frau und Tochter, und was er der Erziehung seiner
heranwachsenden Kinder schuldig sei. Im Anschluß daran heißt es, der Christ könne sich
aus anderen Zeitschriften ein Bild von der Welt machen und er habe die Möglichkeit,
diesen Dingen gegenüber einen neuen Standpunkt zu beziehen. Seit ein paar Monaten
erscheine auf Wunsch des Bischofs wöchentlich regelmäßig die Lesemappe des P.-Ringes,
die an Reichhaltigkeit, Aktualität und Aufmachung den Erzeugnissen anderer Unternehmen
nicht nachstehe und sie an Preiswürdigkeit übertreffe. Es werden sodann eine Reihe von
Zeitschriften benannt, die eine "bunte Kette" bildeten, an der jeder
verantwortlich denkende Christ Freude und Entspannung durch besinnliche Minuten an Abenden
und Feiertagen finden könne. Auskunft über diese Lesemappe erteile jedes Pfarramt oder
die Geschäftsstelle des P.-Ringes (Angabe der Anschrift).
Die in diesem Artikel angeführte Lesemappe des "P.-Ringes" wird von dem
"Katholischen L. eV" in M. vertrieben, dem auch ein etwaiger Reingewinn
zufließt. Der "P.-Ring" und der "Katholische L. eV" sind von der
Beklagten wirtschaftlich unabhängig.
Der obenerwähnte Artikel aus der Dekanatsbeilage ist ohne Benennung eines Verfassers
erschienen. Die Klägerin macht für die in diesem Artikel gegen sie und ihre Zeitschrift
enthaltenen Äußerungen die Beklagte verantwortlich, der sie Verstöße gegen § 1,
14 UnlWG und Art V Nr 9 lit c Ziff 4 BritMilRegVO Nr 78 sowie gegen §§ 823, 824,
826 BGB und § 11 des Pressegesetzes zur Last legt. Die Beklagte hat von dem
beanstandeten Artikel erst nach seinem Erscheinen Kenntnis erhalten, sie hat jedoch
erklärt, daß sie für den Artikel in vollem Umfang eintrete und es ablehne, die in ihm
zum Ausdruck kommende Kritik an der Zeitschrift der Klägerin zurückzunehmen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung und zum Widerruf der oben
mitgeteilten Äußerungen zu verurteilen. Sie hat ferner Feststellung der
Schadensersatzpflicht sowie Veröffentlichungsbefugnis hinsichtlich des Urteils begehrt.
Beide Tatsacheninstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung
und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
I. Es kann von der Revision nicht mit Erfolg beanstandet werden, daß das
Berufungsgericht in den strittigen Äußerungen Werturteile und nicht
Tatsachenbehauptungen im Sinne von § 14 UnlWG,
§ 824 BGB,
§ 186, 187
StGB erblickt hat. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß sich unter der Form eines
Urteils die Behauptung einer Tatsache verbergen kann. Wenn es auch der vom Gesetzgeber
beabsichtigte Ehrenschutz gebietet, die fließende Grenze zwischen Tatsachenbehauptungen
und Werturteilen oder bloßen Meinungsäußerungen zugunsten der Tatsachenbehauptungen
möglichst weit zu ziehen, weil sich letztlich jedes Urteil auf äußere oder innere
Tatsachen stützt, so bleibt doch Voraussetzung, daß das abfällige Urteil greifbare, dem
Beweis zugängliche Geschehnisse zum Ausgang nimmt, da andernfalls ein Wahrheits- oder
Unwahrheitsbeweis, wie ihn
§ 186 StGB,
§ 824 BGB und
§ 14 UnlWG
vorgesehen, begrifflich ausgeschlossen ist. Die Revision geht nun selbst davon aus, daß
für die von ihr beanstandeten Äußerungen ein Wahrheitsbeweis überhaupt nicht erbracht
werden kann. Dem Wahrheitsbeweis nicht zugängliche Bewertungen, die nicht auf bestimmte
nachprüfbare Handlungen Bezug nehmen, fallen aber gerade nicht unter die
Tatsachenbehauptungen im Sinne der genannten Gesetzesvorschriften. Es ist der Revision
zwar zuzugeben, daß der Vorwurf übler Geschäftemacherei eine Tatsachenbehauptung
enthalten kann. Im vorliegenden Fall stützt sich dieser Vorwurf aber nicht auf bestimmte
Einzelvorgänge, sondern wird damit begründet, daß die fraglichen Geschäfte "mit
dem scheinbaren Zusammenbruch von Anstand und Würde" gemacht würden. Hält man
diese Äußerung mit den weiteren Vorwürfen zusammen, wonach die hinter der Klägerin
stehenden Persönlichkeiten der "gewissenlosen Spekulation auf die Instinkte eines
müde gewordenen Volkes" bezichtigt werden, so muß der vom Berufungsgericht
vertretenen Auffassung beigepflichtet werden, daß sich in den fraglichen Äußerungen
nicht etwa der Vorwurf nachweisbarer geschäftlicher Unredlichkeit verbirgt, es sich
vielmehr um eine moralische Beurteilung der allgemeinen Haltung und geschäftlichen
Betätigung der in Betracht kommenden Personen handelt, also um generelle, durch
nachprüfbare Tatsachen nicht konkretisierte Werturteile.
Das gleiche gilt für die weiteren Äußerungen, die Zeitschrift "C." der
Klägerin sei "eine Blüte aus dem Sumpf der fragwürdigen Kulturerzeugnisse nach Art
der Magazine", und "der christliche Leser der Zeitschrift vergesse mit dem
Empfang der Zeitschrift, was er der Ehre seiner Frau und Tochter, und was er der Erziehung
seiner heranwachsenden Kinder schuldig sei". Das Berufungsgericht hat diese
Äußerung durchaus zutreffend im Einklang mit den vom Reichsgericht in ständiger zivil-
und strafrechtlicher Rechtsprechung für die Abgrenzung von Werturteilen und
Tatsachenbehauptungen aufgestellten Grundsätze als allgemein abfällige Wertkundgebungen
gewürdigt, die nachprüfbare Handlungen der Beteiligten nicht zum Gegenstand haben (RGSt
41, 193; 55, 129 (131); 64, 10 (12); 68, 120; RGZ 101, 335 (338); RG JW 1928, 1745; OGHSt
2, 291 (310); HESt 1, 42 (45)).
II. Auch die Erwägungen mit denen das Berufungsgericht die
§§ 823 Abs 1 und 2,
826 in Verbindung mit § 1004 BGB als Anspruchsgrundlage ausscheidet, halten
einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
... Zunächst ist zu beanstanden, daß das Berufungsgericht entscheidend darauf
abstellt, ob die Beklagte in Beleidigungsabsicht gehandelt habe - eine Frage, die nur im
Rahmen des Ehrenschutzes bedeutsam werden kann -, ohne zu prüfen, ob ein unmittelbarer
Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin durch widerrechtliche Beeinträchtigung ihres
gewerblichen Tätigkeitskreises vorliegt, der unter
§ 823 Abs 1 BGB fällt.
Auch Äußerungen, die nicht einen Beleidigungstatbestand erfüllen, aber die
Verhältnisse eines gewerblichen Unternehmens, seine Erzeugnisse oder sonstigen Leistungen
herabsetzen und damit störend in die freie gewerbliche Entfaltung des Unternehmens
eingreifen, können einen unmittelbaren Eingriff in das nach
§ 823 Abs 1 BGB
geschützte Recht an der Ausübung eines eingerichteten Gewerbebetriebs darstellen. Da
§ 14 UnlWG und
§ 824 BGB Ansprüche nur bei unrichtigen Tatsachenbehauptungen
gewähren, wäre der Rechtsschutz bei schädigenden Werturteilen, die nicht den Makel der
Sittenwidrigkeit tragen und deshalb nicht unter die Generalklausel des
§ 1 UnlWG,
§ 826 BGB fallen, unvollkommen, wenn sie nicht als Verletzungshandlungen gegenüber
dem Recht am Gewerbebetrieb gewertet werden könnten.
Das Reichsgericht bejahte zwar eine Verletzung des Rechtes am Gewerbebetrieb in seinen
früheren Entscheidungen nur dann, wenn sich der Eingriff unmittelbar gegen den Bestand
des Gewerbebetriebes richtete. Eine Schmälerung des wirtschaftlichen Gewinnes, der
Aussicht auf Erwerb, wurde nicht als ausreichend angesehen (RGZ 101, 335 (337); 102, 223
(225); 126, 93 (96)). In späteren Entscheidungen ist das Reichsgericht jedoch auf dem
Gebiet des Warenzeichen- und Wettbewerbsrechtes weiter gegangen und hat für den
Unterlassungsanspruch jede widerrechtliche Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung
für ausreichend erachtet, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den Bereich des
Gewerbebetriebs darstellt (RGZ 158, 377 (379); 163, 21 (32); RG MuW 1931, 276 (277); 1935,
26 (30); RG GRUR 1940, 375 (378); GRUR 1942, 54 und 365). Es besteht jedoch kein
sachlicher Grund, diesen Gedanken des Schutzes der gewerblichen Betätigung auf das Gebiet
des Wettbewerbs und der gewerblichen Schutzrechte zu beschränken. Wie das Eigentum nicht
nur in seinem Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Ausstrahlungen - beispielsweise
der Beeinträchtigung der unbeschränkten Verfügungsmacht (RGZ 156, 400) - durch
§ 823 Abs 1 BGB vor unmittelbaren Eingriffen geschützt ist, muß nach dieser
Schutzvorschrift auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht nur
in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu
der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen
bewahrt bleiben.
Der strittige Artikel, der getragen von höchster kirchlicher Autorität jedermann,
insbesondere aber den christlichen Leser, eindringlich vor der Zeitschrift der Klägerin
warnt und diese mit einer achtungverletzenden Herabsetzung der hinter der Klägerin
stehenden Personen verbindet, ist geeignet, die gewerbliche Betätigung der Klägerin
empfindlich zu beeinträchtigen. Er stellt einen unmittelbaren Eingriff in das der
Klägerin geschützte Recht einer störungsfreien Entfaltung ihres gewerblichen
Tätigkeitskreises dar. Dieser Eingriff in den geschützten Rechtskreis der Klägerin, der
den von der Rechtsordnung gewährten Schutz der gewerblichen Betätigung verletzt, wäre
nur dann nicht widerrechtlich, wenn der Beklagten für diesen Eingriff ein besonderer
Rechtfertigungsgrund zur Seite stehen würde (RG JW 1926, 364; Enneccerus-Lehmann 13.
Aufl, Recht der Schuldverhältnisse, § 229 Anm II, § 234 II 1). Hierbei kommt
es entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung nicht entscheidend darauf an,
ob der Tatbestand einer strafbaren Beleidigung vorliegt, da nicht der Ehrenschutz, sondern
das Recht der Klägerin auf ungehinderte gewerbliche Betätigung in Frage steht. Wenn
unlautere wettbewerbliche Momente, wie sie dem kritischen Vergleich von gewerblichen
Erzeugnissen zu Werbungszwecken im Regelfall anhaften, ausscheiden, so wäre eine
sachliche Kritik an der Zeitschrift der Klägerin selbst dann nicht widerrechtlich, wenn
sie nachteilige Folgen für die Klägerin hätte, da eine solche Kritik nach Art 5 GrundG
jedem auf Grund seines Rechtes zur freien Meinungsäußerung offen steht. Gewerbestörende
Werturteile aber, die den Boden der sachlichen Kritik verlassen, sind nur dann der
Widerrechtlichkeit entkleidet, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur
Wahrnehmung rechtlich gebilligter Interessen objektiv erforderlich sind. Der
§ 193
StGB gewährt zwar einen Rechtfertigungsgrund nur bei Ehrverletzungen. Diese Rechtsnorm
regelt jedoch den Sonderfall von Interessenkollisionen, die auf dem Gebiet des
Ehrenschutzes auftreten können, nach einem übergeordneten Rechtsgedanken, der in allen
Fällen Bedeutung gewinnt, wo im Widerstreit verschiedener Belange die Verletzung eines
Rechtsgutes in Kauf genommen werden muß. Auch gewerbestörende Werturteile, die
tatbestandsmäßig unter
§ 823 Abs 1 BGB fallen, können durch die Wahrnehmung
berechtigter Interessen gerechtfertigt sein, wenn sich die Interessenwahrung in den vom
Gesetz gebilligten Grenzen hält. Diese Grenzen sind nach dem für alle Fälle des
Interessenwiderstreits geltenden Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung zu ziehen
(RGSt 62, 83 (93); 63, 202 (204); 64, 10 (13); 65, 422 (427); 66, 1). Der Widerstreit
zwischen dem verfolgten Interesse und dem Rechtsgut, das diesem Interesse aufgeopfert
werden soll, ist unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das Reichsgericht für den
übergesetzlichen Notstand entwickelt hat, auszugleichen. Der Wertkonflikt darf lediglich
in der gewählten Art zu lösen sein, wobei derjenige, der berechtigte Interessen nur
durch den Eingriff in ein fremdes Rechtsgut wirksam wahrzunehmen vermag, das kleinste
Rechtsübel, das schonendste Mittel, zu wählen hat. Rechtsverletzende Äußerungen sind
daher nur dann durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt, wenn sie objektiv
nach Inhalt, Form und Begleitumständen das gebotene und notwendige Mittel zur Erreichung
des rechtlich gebilligten Zweckes bilden (Ebermayer 1951 Anm III zu § 185 und 193
StGB, Frank StGB § 193 II 2a; RGSt 42, 441 (443); 61, 242 (254)). Ein Irrtum über
die Notwendigkeit der Schwere und des Ausmaßes des Eingriffs in ein geschütztes
Rechtsgut schließt, wenn er entschuldbar ist, nur die Schuld und damit die
Schadenshaftung, nicht aber die gegenständliche Widerrechtlichkeit des Eingriffs aus
(Schwarz 1941 Anm 3c zu § 59 StGB; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und
Warenzeichenrecht, 6. Aufl Allg IV Anm 6 C). Hierbei ist zu beachten, daß derjenige, der
in einen fremden Rechtskreis zugunsten eigener oder ihm besonders nahestehender Belange
störend eingreifen will, besonders sorgfältig zu prüfen hat, ob die Rechtsverletzung,
die er begehen will, zur sachgemäßen Interessenwahrung nach Schwere und Ausmaß
erforderlich ist. Unterbleibt diese Prüfung, bei der auch der Schutzwert des
angegriffenen Rechtsgutes zu berücksichtigen ist, so ist das stets rechtswidrige
Übermaß der Rechtsverletzung auch bei einem Irrtum über seine Erforderlichkeit nicht
entschuldbar.
Diese Rechtsgrundsätze sind vom Berufungsgericht verkannt worden. Das Berufungsgericht
geht zwar zutreffend davon aus, daß die Beklagte als Verlegerin einer von einem hohen
kirchlichen Würdenträger herausgegebenen Druckschrift keine rechtliche Sonderstellung
einnimmt, sondern ihr Verhalten nach den für alle geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu
beurteilen ist. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Belange, die
im Abwehrkampf der Kirche gegen das von ihr mißbilligte Zeitschriftenunwesen auf dem
Spiel standen, die Beklagte als Verlegerin des Kirchenblattes so nahe angehen, daß ihr
ein besonderes Recht zur Wahrung dieser Interessen zuzubilligen ist (RGSt 63, 229 (231);
RGZ 115, 77 (80)). Das Berufungsgericht verkennt jedoch die Grenzen der Wahrnehmung
berechtigter Interessen, wenn es einen Rechtfertigungsgrund auch für das von ihr
unterstellte Übermaß der Rechtsverletzung deshalb für gegeben erachtet, weil die
Beklagte ausschließlich mit einer ethisch einwandfreien Zielsetzung und nicht mit der
Absicht, zu beleidigen, gehandelt habe. Auch sittliche Beweggründe gewähren kein Recht,
die geschützten Interessen eines anderen über das erforderliche Maß aufzuopfern. Die
vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, die die Widerrechtlichkeit der strittigen
Äußerungen von der persönlichen Überzeugung und Willensrichtung des Verletzers
abhängig machen will, würde das Rechtsgut der Ehre wie auch das Recht am eingerichteten
Gewerbebetrieb selbst gegen gröbste Angriffe schutzlos stellen, wenn der Täter nicht aus
verwerflichen Gründen, sondern nur mit dem Ziel handelt, durch das objektiv nicht
gebotene Übermaß seiner Angriffe das von ihm verfolgte Interesse wirksamer
durchzusetzen. Das Berufungsgericht übersieht, daß die Entscheidungen des
Reichsgerichts, auf die es sich für seine gegenteilige Auffassung stützt (RG JW 1914,
368, 371; RGSt 40, 317), sich nur mit der Strafbarkeit - die stets ein Verschulden
voraussetzt -, nicht aber der objektiven Widerrechtlichkeit von über Gebühr kränkenden
Äußerungen befassen.
Es ist auch zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in Widerspruch zu seiner
Auffassung, daß die Beklagte sich so behandeln lassen müsse, als habe sie den Artikel
selbst verfaßt oder veranlaßt, das Verhalten der Beklagten im Rahmen des § 193
StGB aus der gewissen Konfliktslage rechtfertigen will, in der sie sich nach der
Veröffentlichung des Artikels befunden habe. Stand der Beklagten ein Recht zu den
Unwertkundgebungen in der vorliegenden Form bei dem Erscheinen des Artikels nicht zu, so
kann dieses Recht, das die Beklagte auch für künftige Veröffentlichungen in Anspruch
nimmt, nicht aus ihrer Lage nach Veröffentlichung des Artikels hergeleitet werden. Die
Beklagte konnte, als die Klägerin an sie mit der Bitte um Zurücknahme des Artikels
herantrat, in Ruhe überlegen, ob die beanstandeten Äußerungen über das zur
Interessenwahrung gebotene Maß hinausgingen, wobei es gerade ihr als Verfechterin
kirchlicher Belange ein besonderes Anliegen sein mußte, sorgfältig zu prüfen, ob die
Zeitschrift der Klägerin nach ihrem Gesamtcharakter eine derart schwerwiegende
Verächtlichmachung verbunden mit einer allgemein gehaltenen Ehrabschneidung ihrer
Verleger und Lizenzträger rechtfertige. Liegt objektiv ein Übermaß des Eingriffs vor,
so entschuldigt es die Beklagte, die dieses Übermaß gebilligt hat, keinesfalls, wie das
Berufungsgericht rechtsirrig annimmt, daß auch bei Abschwächung der Ausdrucksform noch
eine sachlich gebotene Rechtsverletzung verbleibe; denn nur der sachlich gebotene Eingriff
in fremde Interessen, nicht aber der unnötige sogenannte Exzeß wird durch die Wahrung
berechtigter Interessen gedeckt.
Ob ein rechtsverletzender Angriff über das zur Interessenwahrung sachlich gebotene
Maß hinausgeht, ist Tatfrage. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung
getroffen. Ausgehend von seiner rechtsirrigen Auffassung, daß auch für die objektive
Widerrechtlichkeit der strittigen Äußerungen allein die subjektive Überzeugung der
Beklagten von ihrer Notwendigkeit maßgebend sei, hat das Berufungsgericht die Frage, ob
ein sachlich nicht gebotenes Übermaß des Angriffs vorliegt, nicht für
entscheidungserheblich erachtet. Das Berufungsgericht vertritt in diesem Zusammenhang die
Ansicht, daß es nicht seine Aufgabe sein könne, "Stellung zu nehmen in dem Kampf
der miteinander ringenden Weltanschauungen, wie sie hier in den fraglichen Kundgebungen
(der Zeitschrift der Klägerin und dem Artikel, für den die Beklagten einzustehen haben)
zutage treten, oder die Richtigkeit der in diesen Kundgebungen gefällten Werturteile
nachzuprüfen". Dies ist nur insoweit richtig, als es dem Berufungsgericht nicht
obliegt, über den Wert oder Unwert der von den Parteien verfolgten weltanschaulichen
Ziele, soweit sie in Gegensatz zueinander treten, zu urteilen. Muß aber auch der
Zeitschrift der Klägerin zugebilligt werden, wie aus der Begründung des angefochtenen
Urteils zu entnehmen ist, daß sie sich mit weltanschaulichen Fragen auseinandersetzt, so
kann sich das Berufungsgericht einer Feststellung darüber, ob der gegen diese Zeitschrift
gerichtete Angriff der Beklagten nach Inhalt, Form und Begleitumständen bei objektiver
Betrachtungsweise noch in den Grenzen rechtlich gebilligter Interessenwahrung liegt, nicht
entziehen. Hierbei ist zu beachten, daß das zulässige Maß des Angriffs anders zu
beurteilen ist, wenn er sich gegen eine Zeitschrift mit allgemein zuchtlosem Inhalt
richtet, als wenn er auf eine Zeitschrift trifft, der die Verfolgung ernsthafter
Bestrebungen - ganz oder teilweise - nicht abzusprechen ist. Entscheidend sind bei dieser
Beurteilung nicht einzelne Beiträge der Zeitschrift, sondern ihr Gesamtcharakter. Das
Berufungsgericht wird somit bei einer erneuten Verhandlung des Rechtsstreits, falls
wettbewerbliche Bestimmungen auch nach einer weiteren tatsächlichen Klärung als
Anspruchsgrundlage entfallen sollten, prüfen müssen, ob es das sachlich erforderliche
und nicht zu mildernde Mittel für einen wirksamen Abwehrkampf gegen die Zeitschrift der
Klägerin darstellt, wenn diese Zeitschrift mit Magazinen allgemein als anstößig
empfundener Prägung gleichgestellt und den Verlegern und Linzenzträgern der Klägerin
vorgeworfen wird, mit der Herausgabe dieser Zeitschrift in gewissenloser, ethisch
verwerflicher Weise den moralischen Verfall des Volkes zu eigennützigen, gewinnsüchtigen
Zwecken auszunützen. Hierbei wird das Berufungsgericht auch berücksichtigen müssen,
daß die weitgehende moralische Verfemung der hinter der Klägerin stehenden Personen und
ihres Verlagsobjektes in einer periodischen Druckschrift der Beklagten veröffentlicht
worden ist. Bei Presseangriffen aber sind wegen ihrer unberechenbaren und tiefgreifenden
Wirkung die Grenzen für das durch Interessenwahrung noch gedeckte Maß der
Rechtsgutverletzung besonders eng zu ziehen (RGSt 63, 92 (94)) ... .
Zu einer Umkehr der Constanze-Doktrin kam es in der Höllenfeuer-Entscheidung des BGH
(BGHZ 45, 296). Die Höllenfeuer-Doktrin sieht so aus, dass gewerbeschädigende Kritik
außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen grundsätzlich erlaubt ist. Eine Grenze wird ihr
nur insoweit gezogen, als bei Beiträgen zu gemeinschaftswichtigen Fragen die böswillige
und gehässige Schmähkritik und bei Äußerungen zu nichtgemeinschaftswichtigen Fragen
die einfache Schmähkritik verboten ist.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 21.06.1966, Az: VI ZR 261/64
Leitsatz
Zur Rechtswidrigkeit gewerbeschädigender Werturteile im Meinungskampf (Abweichung BGH,
1951-10-26, I ZR 8/51, BGHZ 3, 270).
Orientierungssatz
Die strengen Sorgfaltspflichten, die die Rechtsprechung mit Recht stellt, wenn die
Presse ehrenrührige Tatsachen über einen Bürger verbreitet, sind nicht in gleicher
Weise am Platz, wenn Wertungen in Fragen allgemeiner Bedeutung, mögen sie auch einem
einzelnen abträglich sein, vorgetragen werden. Mißt das GG der rechtlichen Sicherung der
Freiheit der Meinungsäußerung eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die
Vorstellung zugrunde, daß der mündige und zum eigenen Urteil im Kampf der Meinungen
aufgerufene Bürger in der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist zu erkennen, was
von einer Kritik zu halten ist, die auf eine Begründung verzichtet und in
hämisch-ironischer oder schimpfend-polternder Art die Gegenmeinung angreift. Gegenüber
diesem "Wagnis der Freiheit" ist es hinzunehmen, daß das Recht dem Betroffenen
nicht gegenüber jeder unangemessen scharfen Meinungsäußerung Schutz gewährt. Dabei
sind solche Einschränkungen des Rechtsschutzes besonders dann zu vertreten, wenn es dem
Kritiker darum geht, einen Angriff auf die von ihm vertretene Auffassung abzuwehren, den
er aus seiner Sicht nach Tendenz und Aufmachung als unangemessen oder anstößig empfinden
konnte.
Fundstelle
BGHZ 45, 296-311 (LT1)
NJW 1966, 1617-1619 (LT1)
JZ 1967, 174-175 (LT1)
Zum Sachverhalt (vereinfacht):
Die Illustrierte "Stern" hatte sich in einem Artikel unter der Überschrift
"Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?" kritisch mit den Problemen der
katholischen Theologie und Kirchenpraxis beschäftigt. In der katholischen Wochenzeitung
"Echo der Zeit" erschien daraufhin unter dem Titel "Warten auf
Bucerius" ein Artikel, in dem dem "Stern" in scharfer Polemik
"Konfessionshetze", "Dummenfang" und "leichtfertige Verfälschung
oder Unkenntnis der Fakten" vorgeworfen wurde. Der Kläger, Herausgeber des
"Stern", nimmt den beklagten Herausgeber des "Echo der Zeit" auf
Unterlassung in Anspruch.
Die Klage wurde vom BGH abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. [Der BGH stellt fest, daß der Beklagte mit der Veröffentlichung des Artikels
"Warten auf B." nicht in der Absicht gehandelt haben, eigenen oder fremden
Wettbewerb zu fördern (Dies ist Voraussetzung für die Anwendung von
§§ 823,
1004
BGB. Handelt der Kritiker in Wettbewerbsabsicht, gehen
§§ 1, 14 UWG vor)]
II. [Der BGH stellt fest, daß es sich bei den im Artikel "Warten auf B."
gemachten Äußerungen nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile gehandelt
hat.]
[...]
V. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits entscheidende Frage ist dahin zu stellen,
ob die abfällige Kritik über die rechtlich gesetzten Grenzen hinausgegangen ist, indem
sie die gewerbliche Betätigung der Klägerin in rechtlich unstatthafter Weise
beeinträchtigt hat (§ 823 Abs 1 BGB).
In dieser Frage vertritt die Revision den Standpunkt, die Grenze müsse nach den
Grundsätzen des sogenannten Constanze-Urteils (BGHZ 3, 270 - Constanze I -) festgesetzt
werden. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen
(§ 193
StGB) entfalle daher schon dann, wenn die Polemik unnötig scharf sei und über eine
sachliche Kritik hinausgehe. Der Rechtfertigungsgrund setze voraus, daß die in Rede
stehende Äußerung zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv
erforderlich sei. Das sei bei keiner der von der Klägerin beanstandeten Äußerungen der
Fall. Das Berufungsgericht habe eine solche objektive Erforderlichkeit zum Teil sogar
ausdrücklich abgelehnt.
Nun sind in der Tat in dem Constanze-Urteil des früheren I. Zivilsenats, der damals
für das Rechtsgebiet zuständig war, die Grenzen für die Verbreitung
geschäftsschädigender Werturteile auch dann sehr eng gezogen, wenn eine
wettbewerbsrechtliche Beurteilung ausscheidet. Zwar erscheint es nach den Grundsätzen
dieses Urteils nicht ausgeschlossen, bei der vorzunehmenden Güter- und Pflichtenabwägung
zu berücksichtigen, daß die Sprache bei der Abwehr eines Angreifers auf eine bestimmte
Person, Einrichtung oder Gesinnung schärfer sein darf, als sie sonst zu vertreten wäre.
Aber das Constanze-Urteil geht doch grundsätzlich davon aus, daß gewerbeschädigende
Werturteile, die den Boden der sachlichen Kritik verlassen, nur dann der
Widerrechtlichkeit entkleidet sind, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur
Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv erforderlich sind. Dabei wird
erläuternd ausgeführt, es sei das kleinste Rechtsübel, das schonendste Mittel zu
wählen. Es sei ferner Voraussetzung der Rechtfertigung, daß der Täter auch subjektiv
besonders sorgfältig geprüft habe, ob die "Rechtsverletzung" nach Schwere und
Ausmaß zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung erforderlich sei (BGHZ 3, 270, 280ff).
Indem nach dem Vorbild der "klassischen" Rechtsgutverletzungen des
§ 823 Abs 1 BGB das Schema der indizierten Rechtswidrigkeit und der ausnahmsweisen
Rechtfertigung auf den Tatbestand der Beeinträchtigung des eingerichteten
Gewerbebetriebes übernommen wird, zeigt sich auch in der methodischen Behandlung die
Tendenz, einer negativen Kritik keinen allzu großen Spielraum zu geben, wenn gewerbliche
Belange berührt werden.
Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil BGHZ 36, 77 (83) Waffenhändler -
Bedenken geltend gemacht, ob bei gewerbeschädigenden Werturteilen an dem Erfordernis des
mildesten Mittels als Voraussetzung der Rechtfertigung festgehalten werden kann. Der
erkennende Senat ist ferner in zunehmendem Maße dazu übergegangen, bei dem in der
Rechtsprechung herausgebildeten "Auffangtatbestand" der rechtswidrigen
Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit und bei der Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts die Rechtswidrigkeit erst aus der zu mißbilligenden Art der
Schädigung abzuleiten, so daß es der Berufung des Täters auf einen besonderen
Rechtfertigungsgrund jedenfalls nicht immer bedarf (vgl BGHZ 29, 65; 36, 19; 36, 77; VI ZR
175/64 vom 11. Januar 1966 = MDR 1966, 309; LM GG Art 5 Nr 9 und 17; vgl hierzu von
Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, Festschrift für den Deutschen Juristentag 1960,
Bd II S 49 (91); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, 7. Aufl, § 66
Id und e; Fikentscher, Schuldrecht, 1960 § 103 IIl). Die weitere Rechtsentwicklung
auf diesem Gebiet ist sodann entscheidend durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Tragweite des Art 5 GG und zum Einfluß dieses Grundrechts
auf die Auslegung privat-rechtlicher Normen beeinflußt worden (BVerfGE 7, 198 - Lüth -;
12, 113 - Schmid/Spiegel -). Schon deshalb bedarf das in dem Urteil BGHZ 3, 270 behandelte
Problem des Verhältnisses der freien Meinungsäußerung zur Beeinträchtigung
gewerblicher Interessen einer erneuten Überprüfung.
Der Senat geht mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Vermutung für die
Zulässigkeit der "freien Rede" streitet, wenn es sich um einen Beitrag zum
geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch
einen dazu Legitimierten handelt. Um die freie Diskussion gemeinschaftswidriger Fragen zu
sichern, kann es nach den Umständen des Einzelfalls geboten sein, den Schutz privater
Rechtsgüter zurücktreten zu lassen. Gerade in Auseinandersetzungen, die über
einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das
Gemeinschaftsleben ansprechen, erfordert es die Bedeutung des Art 5 GG, daß auch in der
Art der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt und in der Bejahung
einer Beleidigungsabsicht oder einer rechtswidrigen Störung gewerblicher Belange
Zurückhaltung geübt wird (vgl Ridder, JZ 1961, 537, 539). Die strengen
Sorgfaltspflichten, die die Rechtsprechung mit Recht stellt, wenn die Presse ehrenrührige
Tatsachen über einen Bürger verbreitet, sind nicht gleicher Weise am Platz, wenn
Wertungen in Fragen allgemeiner Bedeutung, mögen sie auch einem einzelnen abträglich
sein, vorgetragen werden. Mißt das Grundgesetz der rechtlichen Sicherung der Freiheit der
Meinungsäußerung eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die Vorstellung zugrunde,
daß der mündige und zum eigenen Urteil im Kampf der Meinungen aufgerufenen Bürger in
der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist, zu erkennen, was von einer Kritik zu
halten ist, die auf eine Begründung verzichtet und in hämisch-ironischer oder
schimpfend-polternder Art die Gegenmeinung angreift. Gegenüber diesem "Wagnis der
Freiheit" (Adolf Arndt, NJW 1964, 1312, 1313) ist es hinzunehmen, daß das Recht dem
Betroffenen nicht gegenüber jeder unangemessenen scharfen Meinungsäußerung Schutz
gewährt. Dabei sind solche Einschränkungen des Rechtsschutzes besonders dann zu
vertreten, wenn es dem Kritiker darum geht, einen Angriff auf die von ihm vertretene
Auffassung abzuwehren, den er aus seiner Sicht nach Tendenz und Aufmachung als
unangemessen oder anstößig empfinden konnte (vgl BVerfGE 12, 113).
Dieser Bedeutung des
Art 5 GG werden die Ausführungen des Berufungsurteils nicht in
allem gerecht. Zwar erkennt das Berufungsgericht, daß nicht schon aus jeder unnötigen
Schärfe die Rechtswidrigkeit einer gewerbeschädigenden Kritik abgeleitet werden kann.
Andererseits kommt das Berufungsgericht bei den von ihm beanstandeten Äußerungen zur
Bejahung der Rechtswidrigkeit, indem es rügt, es habe an einer sorgfältigen Abwägung
der widerstreitenden Interessen gefehlt, die Beklagten hätten die von ihnen vertretenen
Ansichten über den "stern" auch in anderer (nämlich mehr schonender) Weise zum
Ausdruck bringen können, sie hätten sich nicht zu unnötigen gehässigen Schimpfereien
hinreißen lassen dürfen, auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Angriffs sei
das "rechte Maß" nicht immer eingehalten.
Die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung sind in einer solchen Auseinandersetzung
weiter zu ziehen.
[...] Es würde eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Pressefreiheit
bedeuten, wenn die öffentliche Erörterung des angesprochenen Themas durch Gerichtsurteil
verboten werden könnte.
Ein Unternehmen muss es auch dulden, wenn sein Produkt als Beispiel in einer kritischen
Fernsehsendung über formaldehydhaltige Desinfektionsmittel eingeblendet wird.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 25.11.1986, Az: VI ZR 269/85
Leitsatz
Zur Zulässigkeit einer Fernsehsendung, in der während eines Berichts über die
Gefahren, die von bestimmten Produkten ausgehen, beispielhaft das Etikett eines derartigen
Produkts (hier: formaldehydhaltiges Desinfektionsmittel) im Bild gezeigt wird.
Fundstelle
JZ 1987, 414-415 (ST)
NJW 1987, 2746-2747 (ST)
Die fast grenzenlose Freiheit der Meinungsäußerung wird der Stiftung Warentest nicht
zugebilligt (BGHZ 65, 325). Mit Recht! Die Stiftung Warentest erfüllt eine wichtige
öffentliche Funktion. Ein Großteil der Verbraucher richtet sich in seinen
Kaufentscheidungen nach den Testergebnissen. Die Testergebnisse haben einen ungeheueren
Einfluss auf das Angebot der Unternehmen. Unter diesen Umständen müssen
Testbeurteilungen besonderen Kriterien genügen. Sie sind nach Auffassung des BGH
allerdings keine Tatsachenbehauptungen, sondern Wertungen. Die in ihnen enthaltenen
negativen Meinungsäußerungen führen zu unzulässigen Eingriffen in den eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn der Test als solcher nicht den Anforderungen genügt,
die der BGH wie folgt formuliert: Die Testuntersuchungen müssen neutral (ohne Beteiligung
von Konkurrenten des gestesteten Produkts), objektiv und sachkundig durchgeführt sein.
Sind sie dies, so sind die Testempfehlungen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit
gedeckt.
Nach Auffassung des BGH muss sich ein Unternehmen selbst dann kritischen
Tatsachenberichten stellen, wenn der Berichterstatter Betriebsinterna offenbart, deren
Kenntnis durch Anstellung in dem Unternehmen unter Verschweigen seiner Absicht und unter
einem Decknamen er sich verschafft hat. Das gilt allerdings nur für Angelegenheiten von
erheblichen öffentlichen Interessen. Bei der im Leitsatz wiedergegebene Entscheidung ging
es um den bekannten Buchautor Wallraf, der sich unter falschem Namen in die
Redaktion der "Bild" Zeitung eingeschlichen hatte.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20.01.1981, Az: VI ZR 162/79
Leitsatz
1. Ein Arbeitnehmer ist durch seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit dann nicht
gehindert, nach seinem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis Betriebsinterna zu
offenbaren, wenn er damit gewichtige innerbetriebliche Mißstände aufdeckt, durch die die
Öffentlichkeit betroffen ist und denen durch betriebsinternes Vorstelligwerden nicht
erfolgreich begegnet werden kann.
Satirisch scherzhafte Anspielungen
Eine letzte Fallgruppe bilden satirisch scherzhafte Anspielungen Produktnamen. Auch
hier obsiegt im Zweifel die Meinungsäußerungsfreiheit. So darf man eine Marlboro Werbung
in einer Antiwerbung satirisch verfremden zu einem "Mordoro"-Poker mit den
Preisen: 1. Preis Magengeschwür, 2. Preis Herzinfarkt, 3. Preis Lungenkrebs (BGHZ 91,
117).
Und auch eine bayerische Nobelmarke läßt sich als Scherzartikel vermarkten.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 03.06.1986, Az: VI ZR 102/85
Leitsatz
Zur Zulässigkeit eines Aufklebers, mit dem das Firmenemblem eines bekannten
Kraftfahrzeugherstellers als Scherzartikel vermarktet wird.
Fundstelle
WM IV 1986, 1367-1369 (LT1)
NJW 1986, 2951-2952 (LT1)
JZ 1986, 1108-1110 (LT1)
Rechtszug:
vorgehend OLG Frankfurt 1985-02-28 6 U 89/84 NJW 1985, 1649
vorgehend LG Wiesbaden 1984-02-23 13 O 6/84
Tatbestand
Die Klägerin stellt Kraftfahrzeuge her, die sie unter der Firmenabkürzung
"BMW" vertreibt. Sie versieht ihre Produkte mit einem kreisrunden Firmenemblem.
Ein breiter, schwarzer Ring, in dessen oberer Hälfte sich die Firmenabkürzung befindet,
schließt blau-weiße Karos ein. Die Klägerin verwendet dieses Emblem auch in ihrer
Werbung und im Geschäftsverkehr; ein entsprechendes Warenzeichen ist seit 1917 in der
Warenzeichenrolle eingetragen. Im Warenzeichenblatt vom 31. Juli 1984 ist die Eintragung
des Firmenemblems auch für Abziehbilder, Aufkleber und Plaketten veröffentlicht worden;
die Klägerin vertreibt auch Aufkleber mit diesem Emblem.
Die Beklagte stellt Geschenk- und Scherzartikel her. Sie vertreibt u.a. einen
Aufkleber, der das Firmenemblem der Klägerin identisch wiedergibt und in der unteren
Hälfte des schwarzen Ringes den zusätzlichen Aufdruck "Bumms Mal Wieder"
aufweist.
Die Klägerin sieht sich durch den Vertrieb dieses Aufklebers in ihren Rechten
verletzt. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch;
ferner begehrt sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des ihr
durch das Inverkehrbringen des Aufklebers entstandenen und entstehenden Schadens.
Die Beklagte hat eine Verletzung der Rechte der Klägerin bestritten; bei dem Aufkleber
handele es sich um eine Parodie oder Travestie, die die Klägerin hinnehmen müsse. Sie
hat im zweiten Rechtszug hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens Widerklage erhoben,
mit der sie die Feststellung begehrt, daß es ihr erlaubt sei, den Aufkleber mit einem
eingedruckten Hinweis auf sie im geschäftlichen Verkehr anzubieten und zu vertreiben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen und ihre Widerklage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Prozeßbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
1. Ansprüche aus kennzeichenrechtlichen Vorschriften hat das Berufungsgericht mit
Recht verneint. Diese Vorschriften schützen nur die Kennzeichnung der Ware in ihrer
Funktion als Herkunftshinweis gegen eine Irreführung des Verkehrs (BGHZ 91, 117, 119
m.w.N.). Darum geht es hier nicht. Die Beklagte benutzt wie das Berufungsgericht
zutreffend ausführt - das Firmenemblem der Klägerin nicht als Herkunftshinweis für ihre
Waren.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch Ansprüche aus dem Namensrecht
(§ 12 BGB) verneint. Dieses Recht schützt gegen die Identitätsverwirrung durch den
unbefugten Namensgebrauch sowie davor, daß dem Namensträger das Recht zum Gebrauch des
Namens von einem anderen bestritten wird (BGHZ 91, 117, 120 m.w.N.). Auch darum geht es
hier nicht. Das Identitätsinteresse der Klägerin wird durch den Vertrieb der
beanstandeten Aufkleber nicht berührt; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
erkennt der Verkehr durch den Zusatz in der unteren Hälfte des schwarzen Ringes des
Emblems, daß die Aufkleber nicht von der Klägerin stammen. Dies schließt eine
Verletzung des Namensrechts der Klägerin aus (BGHZ 81, 75,78).
3. Die Klageansprüche finden auch nicht in
§ 1 UWG eine Stütze.
Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Anspruchsgrundlage nicht auseinandergesetzt.
Nach Auffassung der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung ist die Klage aus diesem
rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Durch die identische Übernahme des Firmenemblems
der Klägerin habe sich die Beklagte an deren guten Ruf "angehängt", um ihn in
schmarotzerischer Weise für ihre eigenen kommerziellen Zwecke auszubeuten; um
wettbewerbswidriges Schmarotzen gehe es nicht nur bei der Ausnutzung des fremden guten
Rufs als Vorspann für die eigene Werbung, vielmehr sei der Ausbeutungseffekt noch
unmittelbarer und stärker, wenn ein berühmtes Firmenemblem von einem dazu nicht Befugten
zur Ware gemacht werde.
Diesen Überlegungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Ein Anspruch aus
§ 1 UWG setzt voraus, daß zwischen dem durch eine
Verletzungshandlung geförderten und dem dadurch betroffenen Unternehmen ein konkretes
Wettbewerbsverhältnis besteht. Mögen die Anforderungen an die Annahme eines solchen
Wettbewerbsverhältnisses auch nicht hoch sein, so ist doch zu fordern, daß sich der
Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in
Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt, was auch dadurch geschehen kann, daß er sich durch
eine ausdrückliche oder bildliche Gleichstellungsbehauptung an Ruf und Ansehen der
fremden Ware "anhängt" und so deren Marktgeltung für den Absatz seiner Waren
auszunutzen sucht; gleiches gilt für die Fälle, in denen die Verwertung des Rufes eines
Warenzeichens durch die Benutzung des identischen Zeichens in Betracht kommt (BGHZ 93, 96,
98).
Ein Wettbewerbsverhältnis in diesem Sinne bestand zwischen den Parteien nicht. Sie
sind keine Konkurrenten am Markt. Die Beklagte hat sich mit der Herstellung und dem
Vertrieb des Aufklebers auch nicht in dem Sinne an Ruf und Ansehen der Klägerin
"angehängt", daß insoweit von einer Handlung zu Wettbewerbszwecken gesprochen
werden könnte, wie sie
§ 1 UWG voraussetzt. Zwar hat die Beklagte das Firmenemblem
der Klägerin in ihren Aufkleber übernommen. Dieser Aufkleber ist aber als Ganzes zu
sehen. Er besteht nicht nur aus dem Emblem der Klägerin, sondern auch aus dem in dieses
Emblem eingefügten Zusatz "Bumms Mal Wieder". Durch diesen Zusatz erhält der
Aufkleber eine andere Qualität als die eines bloßen Trägers des Emblems. Er lebt allein
von der Verzerrung des Emblems, die von der Beklagten als "Gag" verstanden und
von den Käufern als Scherzartikel erworben wird. Bei dieser Betrachtung hat sich die
Beklagte nicht in Wettbewerb zur Klägerin gestellt. Weder hat sie sich an das Ansehen und
den Ruf der Produkte der Klägerin in dem Sinne "angehängt", daß sie deren
Marktgeltung zur Unterstützung der Marktgeltung ihres eigenen Produkts in Anspruch
genommen hat, noch hat sie der Klägerin die wirtschaftliche Verwertung ihres Rufes
streitig gemacht. Allerdings trifft es zu, daß der Aufkleber - wie die Klägerin geltend
macht und die Beklagte auch gar nicht abstreitet - nur wegen der Berühmtheit ihrer Marke
eine Absatzchance hat. Dies bedeutet aber noch nicht, daß das Vorgehen der Beklagten sich
in einen Konflikt zu dem Regelungsbereich des
§ 1 UWG setzen würde, der auf die
besonderen Schutzbedürfnisse eines anständigen Miteinanders im wirtschaftlichen
Wettbewerb zugeschnitten ist. Die Beklagte setzt nicht die Werbekraft des Rufes der
Klägerin und ihrer Produkte zur Förderung des Absatzes ihres eigenen Erzeugnisses ein.
Allenfalls hat der Aufkleber der Beklagten mit seiner parodisierenden Verfremdung des
Emblems der Klägerin deren Marktgeltung selbst zur Zielscheibe des "Gag" und
nutzt in dieser Stoßrichtung die Bekanntheit des Emblems der Klägerin geschäftlich aus.
In Fällen dieser Art liegt der Schwerpunkt des Konflikts nicht in einem
Konkurrenzverhalten, das
§ 1 UWG, der eine Generalregel für den Wettbewerb im
geschäftlichen Verkehr aufstellt, erfaßt und auf dessen spezifische Schutzbedürfnisse
diese Spezialregelung beschränkt bleiben muß. Ein derartiges wettbewerbliches
Schutzbedürfnis steht hier nicht infrage. Hier geht es vielmehr allein um den Schutz der
Klägerin und seine Reichweite für ihre unternehmerische Stellung, insbesondere für
ihren Ruf. Dieser Schutz beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln und den Grundsätzen,
die die Rechtsprechung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
entwickelt hat.
4. Aber auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht finden die Klageansprüche keine
Stütze. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe
durch die Verwendung des Firmenemblems das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin
verletzt.
a) Zwar trifft es zu, daß grundsätzlich auch Kapitalgesellschaften wie die
klagende Aktiengesellschaft Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein können.
Indes ist diese Rechtsträgerschaft inhaltlich begrenzt. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht ist eine Rechtsschöpfung der Rechtsprechung, die Lücken im
Persönlichkeitsschutz ausfüllt und aus den in
Art. 1 Abs. 1 und
Art. 2 Abs. 1
GG getroffenen Wertentscheidungen ihre Legitimation erfährt (BVerfGE 34, 269, 281, 291).
Dieser Entstehungsgrund macht die thematische Begrenzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts deutlich. Eine Ausdehnung der Schutzwirkung dieses Rechts über
natürliche Personen hinaus auf juristische Personen erscheint - auch mit Blick auf Art.
19 Abs. 3 GG - nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als
Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist
der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als
Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (Senatsurteil vom 3. Juni 1975 - VI ZR 123/74 -
NJW 1975, 1882, 1884 = GRUR 1976, 210, 211).
Diese beschränkte Wirkungskraft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts juristischer
Personen setzt auch dem Recht der Klägerin, aus einer Verwendung ihres Emblems Ansprüche
herzuleiten, Schranken. Eine natürliche Person braucht nicht zu dulden, daß ihr Bildnis
ohne ihre Einwilligung für geschäftliche Interessen Dritter ausgenutzt wird (BGHZ 20,
345, 347, 350 f.; 30, 7, 12). Das gilt nicht nur, wenn das Bildnis zum Zwecke der Werbung
Verwendung findet, sondern auch dann, wenn es auf andere Art im geschäftlichen Interesse
ausgenutzt wird (BGHZ 49, 288, 293; Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - NJW
1979, 2203, 2204). Die Selbstbestimmung der Person und ihre Würde verbieten es, in dieser
Weise gegen ihren Willen über sie zu verfügen. Demgegenüber kann eine juristische
Person ihr Recht am Bild als Ausfluß ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann
mit Erfolg geltend machen, wenn sie durch die Verwendung ihres Emblems in ihrem
Tätigkeitsbereich einschließlich ihrer sozialen Geltung als Wirtschaftsunternehmen
betroffen wird. Das ist hier nicht der Fall.
Der Aufkleber stellt mit seinem Zusatz "Bumms Mal Wieder" den sozialen
Geltungsanspruch der Klägerin und insbesondere ihr Ansehen als Wirtschaftsunternehmen
nicht in Frage. Er weist in seiner Gesamtheit weder eine Aussage zur Qualität ihrer
Produkte noch zu ihrem Auftreten im Wirtschaftsleben auf; insbesondere enthält er keine
ehrverletzende, herabwürdigende Kritik. Die Einfügung des Zusatzes "Bumms Mal
Wieder" ist beziehungslos. Der einzige Bezug dieses Aufdrucks zur Klägerin
erschöpft sich erkennbar darin, daß die Buchstabenfolge ihrer Firmenabkürzung der
Beklagten die Gelegenheit zu einer Interpretation bot, die die eigentliche Bedeutung der
Firmenabkürzung verzerrt und deshalb als Scherz empfunden werden soll. Nichts spricht
dafür, daß der Verkehr das anders sieht. Bereits das Fehlen einer auf das klagende
Unternehmen bezogenen Aussage unterscheidet den Streitfall von dem Sachverhalt einer
blickfangmäßigen Verwendung eines Messenamens für einen diese diskriminierenden Protest
gegen die Messegesellschaft, der der Entscheidung des I. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 1983 I ZR 207/80 = NJW 1983, 2195, 2196 = GRUR 1983,
467 zugrundelag.
b) Der Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen wird auch nicht
dadurch verletzt, daß die Beklagte in ihren Aufklebern die Namensabkürzung der Klägerin
wiedergibt. Darin liegt keine unbefugte Benutzung eines fremden Namens zu Werbezwecken,
die als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Berechtigten gewertet werden
kann (vgl. BGHZ 81, 75, 78, 80; BGH Urt. vom 24. Februar 1983 = aaO). Die Beklagte benutzt
den Namen der Klägerin - wie schon gesagt - nicht im Rahmen der Werbung für ihre
Produkte. Dies hat das Berufungsgericht auch erkannt. Es erfaßt das Vorgehen der
Beklagten jedoch nicht in seiner vollen Breite, wenn es meint, die Beklagte habe das
Emblem der Klägerin sogar unmittelbar als Ware vermarktet, was nicht weniger schwer wiege
als seine Ausnutzung als Vorspann für die eigene Werbung. Dieses Argument läßt
unbeachtet, daß der Aufkleber der Beklagten als Ganzes zu würdigen ist. Eine solche
Würdigung läßt deutlich werden, daß die Beklagte in parodisierender Verfremdung des
Emblems der Klägerin ein neues Produkt hergestellt hat und dieses Produkt, das durch die
entstellende Auflösung der Firmenabkürzung "BMW" eine neue Qualität -
nämlich die eines Scherzartikels - erlangt hat, vermarktet. Erst dieser "Gag"
macht den Aufkleber aus; er ist kein "BMW"- Emblem, sondern ein Scherzartikel,
als der er nach der Intention der Beklagten gedacht ist und als der er von den Käufern
erworben wird.
c) Zwar ist in Grenzen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht einer
Kapitalgesellschaft auf wirtschaftliche Selbstbestimmung geschützt. Indes kann sie dieses
Recht nicht gegen jedes sie tangierende Marktverhalten Dritter, sondern nur dann in
Anspruch nehmen, wenn ihr der geschützte Bereich wirtschaftlicher Entfaltung wirklich
streitig gemacht wird. Hier bleibt für die Klägerin als Belastung, daß die Beklagte -
die Möglichkeit einer verzerrenden Interpretation der Firmenabkürzung der Klägerin
ausnutzend - den Namen der Klägerin in Vulgärsprache mit einer Aufforderung zu einer
sexuellen Handlung in Verbindung bringt. Diese Verzerrung des Namens der Klägerin wird
vom Verkehr als Scherz erkannt; nur deshalb erwerben die Käufer den Aufkleber. Es kann
auf sich beruhen, wie eine solche Verzerrung des Namens zu beurteilen wäre, wenn sie eine
natürliche Person beträfe. Die Klägerin ist ein Wirtschaftsunternehmen, das sich auf
dem Markt bewegt und mit seiner Werbung auf Publizität zielt. Aus diesem Grund liegt für
sie die Toleranzgrenze für vermeintliche oder echte Scherze, die sie betreffen, deutlich
höher als bei einer natürlichen Person. Sie muß solche Scherze jedenfalls dann, wenn -
wie hier - deren Beziehungslosigkeit zu ihrem Unternehmen und ihren Produkten auf der Hand
liegt, hinnehmen, solange sich für sie eine konkrete Gefahr wirtschaftlicher Nachteile
nicht abzeichnet. Anders wäre es, wenn der Vertrieb des Aufklebers eine Ansehensminderung
der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen befürchten lassen müßte.
Die Klägerin hat nicht darzutun vermocht, daß ihr aus dem Vertrieb des Aufklebers
irgendwelche wirtschaftlichen Nachteile erwachsen sind. Soweit das Berufungsgericht von
einem Schaden der Klägerin spricht, bezieht es diesen allein auf ein der Klägerin
entgangenes Entgelt für eine Lizenzierung des Vertriebs des hier beanstandeten
Aufklebers; das ist indes nicht die Beeinträchtigung in ihrer unternehmerischen Geltung
und Selbstbestimmung, um die es nach Vorstehendem nur gehen kann. Insbesondere ist nicht
erkennbar, daß ihr Ansehen als Wirtschaftsunternehmen durch den Vertrieb des Aufklebers
gemindert wäre; gemindert sein kann allenfalls das Ansehen des Benutzers eines solchen
Aufklebers.
5. Auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, auf das sich die
Klägerin in der Vorinstanz berufen hat, trägt die Klageansprüche nicht. Der deliktische
Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ist ebenso wie das allgemeine
Persönlichkeitsrecht nicht absolut, sondern jeweils für den konkreten Fall im Wege der
Interessen- und Güterabwägung zu bestimmen. Im Streitfall kann der Schutz der Klägerin
über diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht weiterreichen als ihr Schutz durch das
allgemeine Persönlichkeitsrecht, zumal sie selbst das Schwergewicht ihrer Belastung auf
ihren wirtschaftlichen Ruf bezieht. Der unternehmerische Funktionsbereich der Klägerin
wird - wie vorstehend ausgeführt - durch den Vertrieb des Aufklebers nicht über das Maß
hinaus eingeschränkt, das ein Wirtschaftsunternehmen hinnehmen muß.
Die Klage war deshalb abzuweisen. Damit erweist sich zugleich die Hilfswiderklage der
Beklagten als gegenstandslos.
|