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Die BGB-Regelung

Der deliktsrechtliche Schutz vor Schädigungen im gewerblichen Verkehr ist im Bürgerlichen Gesetzbuch ganz unterschiedlich ausgestaltet. In der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers gewährleistete § 823 Abs. 1 BGB den Schutz vor Beeinträchtigungen des Eigentums und solcher "sonstiger Rechte", die mit dem Eigentum das eine gemeinsam hatten: den Ausschluss eines jeden anderen von der dem Rechtsinhaber zugewiesenen absoluten Rechtsposition. Im gewerblichen Bereich versagt der Eigentumsschutz bei Nutzungsbeeinträchtigungen, die daraus resultieren, dass man mit einer Sache immer noch machen kann, was man will, lediglich an der Realisierung eines bestimmten Zwecks gehindert wird (Ausschluss von Transportmitteln, Unterbrechung von Energiezufuhr). Auch im sonstigen Recht sind nach dem Verständnis des Gesetzgebers derartige Nutzungsmöglichkeiten nicht geschützt. Hier ist für den gewerblichen Bereich vor allem der Schutz des sog. geistigen Eigentums von besonderer Bedeutung.

In die Konzeption des Gesetzgebers hat die Rechtsprechung mit der Entwicklung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB einen systembedrohenden Sprengsatz gelegt. Als zunächst nur auf den Bestand des Unternehmens gerichteter Schutzzweck ist das Recht im Zuge der Entwicklungen immer weiter ausgedehnt und zu einem Rahmenrecht gestaltet worden, dem jegliche Ausschließlichkeitsfunktion des Eigentums und der klassischen sonstigen Rechte fehlt. Eine ähnliche Entwicklung ist im Personenschutz über das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu verzeichnen.

Rechtsanwendung bei Rahmenrechten

Das systemsprengende Rahmenrecht stellt die Rechtsanwendung in § 823 Abs. 1 BGB vor ganz neue Aufgaben. In Ermangelungen des Ausschlusscharakters eines Rahmenrechts kann einem Eingriff, mag er unmittelbar und vorsätzlich sein, keine Unrechtsindikation zukommen, wie man das für die Eingriffe in die klassischen Rechtsgüter und sonstigen Rechte immer noch annehmen konnte. Hier müssen ungeleitet durch gesetzliche Vorgaben Schutzzonen und Verhaltenspflichten bei der Rechtsanwendung entwickelt und begründet werden. Es ist in jedem Fall eine positive Begründung des Rechts- und Pflichtwidrigkeitsurteils erforderlich.

Aus dem Rahmenrechtscharakter und der Systemwidrigkeit des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ziehen manche die Konsequenz, dass es hier gar nicht um ein sonstiges Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB gehe, sondern um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen § 823 Abs. 3 mit spezifischen Vermögensschutzpflichten. Der einzige Unterschied zu § 823 Abs. 2 läge darin, dass die Vermögensschutzpflichten des § 823 Abs. 2 BGB vom Gesetzgeber aufgestellt, während die Vermögensschutzpflichten im Rahmen des imaginären § 823 Abs. 3 BGB von der Rechtsprechung entwickelt würden.

Hier stellt sich natürlich für alle die Frage nach der Legitimität einer derartigen Rechtsentwicklung. Diese Frage ist gänzlich unabhängig davon, ob man von einem Rahmenrecht in § 823 Abs. 1 BGB oder von der Entwicklung von Verkehrspflichten für den Schutz fremden Vermögens im Rahmen eines imaginären § 823 Abs. 3 BGB ausgeht. Das Rad der Geschichte wird sich kaum zurückdrehen lassen. Es scheint so, als benötige die Gesellschaft die zu flexiblen Reaktionen fähige Rechtsprechung, um einen angemessenen Schutz des Vermögens vor Schädigungen im gewerblichen Verkehr zu gewährleisten.

Das Rahmenrecht als subsidiäres Recht

Bei der Betrachtung einzelner Fallgruppen wird es sich aber immer wieder als wichtig erweisen, die ohne das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegebene Rechtslage auszuleuchten. Das erweist sich schon deshalb als erforderlich, weil mit Recht die Rechtsprechung das Rahmenrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als bloß subsidiäres Recht begreift, das erst dann zum Zuge kommt, wenn andere Möglichkeiten des Vermögensschutzes scheitern.

Jenseits des § 823 Abs. 1 BGB sind im Rahmen der BGB-Regelung die wichtigsten Schutznormen die §§ 823 Abs. 2, 824 und 826 BGB.

Schutzgesetzverletzung

§ 823 Abs. 2 BGB stellt die Verbindung zu den gesetzlichen Normen außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs her, die einen individuellen Vermögensschutz zum Ziel haben. Die Schwierigkeiten in der Anwendung dieser Norm liegen darin, die Normen mit Schutzgesetzcharakter ausfindig zu machen und den jeweiligen Schutzbereich zu bestimmen.

Bei einer GmbH oder einer AG sind die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder kraft Gesetzes verpflichtet, im Falle des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder im Falle ihrer Überschuldung unverzüglich das Insolvenzverfahren (früher Konkurs- oder Vergleichsverfahren) einzuleiten (vgl. § 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG). Wird diese Verpflichtung verletzt und dadurch der Gesellschaftskonkurs "verschleppt", so kann ein Gesellschaftsgläubiger Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens von den Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern verlangen. Als Anspruchsgrundlage kommt § 826 BGB in Betracht. Daneben kann der Anspruch aber auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den eben genannten Vorschriften gestützt werden. Im letzteren Falle braucht der Gläubiger nicht den Schädigungsvorsatz der Gesellschaftsorgane nachzuweisen. Vielmehr muss er lediglich dartun, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet war und der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gleichwohl unterblieben ist. Nach allgemeinen Beweislastregeln ist es alsdann Sache des Gesellschaftsorgans zu beweisen, dass ihm daraus kein Vorwurf gemacht werden kann. Die folgende aktuelle Entscheidung skizziert gleichzeitig die Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet:

Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 06.06.1994, Az: II ZR 292/91

Leitsatz

2. Die (Neu-)Gläubiger, die ihre Forderungen gegen die GmbH nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, haben gegen den insoweit schuldhaft pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer einen Anspruch auf Ausgleich des vollen - nicht durch den "Quotenschaden" begrenzten - Schadens, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten sind (insoweit Aufgabe BGH, 1957-12-16, VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100).

Fundstelle

NJW 1994, 2220-2225 (LT)

JuS 1994, 1073 (L)

Tatbestand

Der Beklagte ist Geschäftsführer und seit 1985 Alleingesellschafter der im Mai 1981 mit einem Stammkapital von 50.000,-- DM gegründeten S. Handels-GmbH (im folgenden: GmbH). Im Dezember 1985 und Januar 1986 bestellte er im Namen der GmbH bei der Klägerin Waren im Gesamtwert von 98.236,22 DM. Die Klägerin lieferte die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt im Januar und Februar 1986. Auf Antrag des Beklagten vom 27. März 1986 wurde am 25. April 1986 das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Klägerin, die auf die Warenlieferungen keine Bezahlung erhielt, erlangte durch Aussonderung Waren im Wert von 7.960,11 DM zurück.

Wegen der Restforderung von 90.276,11 DM, mit der sie nach ihrer Behauptung im Konkurs ausfallen wird, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat behauptet, die GmbH sei bereits 1985 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen; der Beklagte habe dies, als er die Waren bestellte, gewußt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist gleichwohl nicht abweisungsreif, weil sich die Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG ergeben kann.

1. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Eröffnung des Konkursverfahrens bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich ("ohne schuldhaftes Zögern") zu beantragen. Die Vorschrift ist, worüber seit langem Einigkeit besteht, ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Die sich daraus ergebende Haftung des Geschäftsführers ist jedenfalls gegenüber denjenigen Gläubigern, die ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, auf den Betrag beschränkt, um den sich die Konkursquote, die sie bei rechtzeitiger Konkursanmeldung erhalten hätten, durch Verzögerung der Antragstellung verringert (sog. Quotenschaden; grundlegend BGHZ 29, 100, 102 ff.). Der Geschäftsführer hat den auf diese Weise errechneten Gesamtgläubigerschaden zu ersetzen, und zwar, wenn ein Konkursverfahren stattfindet, durch Zahlung in die Konkursmasse (vgl. K. Schmidt, GesR aaO § 36 II 5 b S. 903). Da hierbei auf den Zeitpunkt des Eintritts der Konkursantragspflicht abgestellt wird, war zunächst zweifelhaft, ob auch Gläubiger, die ihre Forderung erst später erworben haben, in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen sind. Diese Frage ist, wie seit der genannten Grundsatzentscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1958 außer Streit ist, zu bejahen. Auch die Neugläubiger, die, jedenfalls soweit es sich um Vertragsgläubiger handelt, bei rechtzeitiger Konkursanmeldung gar keinen Schaden erlitten hätten, sollen danach indessen nur den Quotenschaden ersetzt erhalten; für dessen Berechnung soll der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem die jeweilige Forderung entstanden ist (BGHZ 29, 100, 104 ff., 107; BGHZ 100, 19, 23 ff.; BGH, Urt. v. 22. Januar 1962 - III ZR 198/60, WM 1962, 527, 530, v. 18. Juni 1979 - VII ZR 84/78, NJW 1979, 2198, insoweit in BGHZ 75, 23 nicht abgedruckt, und v. 8. Oktober 1987 - IX ZR 143/86, WM 1987, 1431, 1432; ferner beiläufig das eine Aktiengesellschaft betreffende Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1985, BGHZ 96, 231, 237; vgl. aber auch BGHZ 75, 96, 106: "Schutzgesetz ... jedenfalls insoweit ..., als sich durch die Verzögerung der Konkurseröffnung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verringert haben"). Auch das Bundesarbeitsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Urt. v. 24. September 1974 - 3 AZR 589/73, NJW 1975, 708 und v. 17. September 1991 - 3 AZR 521/90, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht).

Das gleiche gilt für den überwiegenden Teil des Schrifttums (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 48 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdn. 35 f.; Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 64 Rdn. 24 - ohne eigene Stellungnahme -; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. § 64 Rdn. 13; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdn. 26 m.w.N.; zu § 92 Abs. 2 AktG: Mertens, KK 2. Aufl. § 92 Rdn. 52; Meyer-Landrut, GroßKomm. <1973> § 92 Anm. 9; unklar dagegen Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1973-74, § 92 Rdn. 24; zweifelnd Roth, GmbHG 2. Aufl. § 64 Anm. 3.1). Auch die Gegenansicht - Ersatz des vollen den "Neugläubigern" infolge des Kontrahierens mit einer konkursreifen GmbH entstandenen Schadens - ist aber immer vertreten worden und bis zur Wiederaufnahme der kontroversen Diskussion im Anschluß an die die jetzige Entscheidung vorbereitenden Beschlüsse des Senats vom 1. März 1993 (aaO) und vom 20. September 1993 (ZIP 1993, 1543) nicht verstummt (Winkler, MDR 1960, 185, 186 f.; Lambsdorff/Gilles, NJW 1966, 1551 f.; Kühn, NJW 1970, 589, 590 ff.; Lindacher, DB 1972, 1424 f.; Gilles/Baumgart, JuS 1974, 226, 227 f.; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, 2. Aufl., 1988, S. 403 ff.; Stapelfeld, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, 1990, S. 166 ff.). Auch zu den dem § 64 GmbHG entsprechenden Konkursantragsvorschriften für die anderen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsvermögen wird teilweise eine Pflicht zu vollem Schadensausgleich gegenüber den Neugläubigern angenommen (Staudinger/Coing, BGB 12. Aufl. § 42 Rdn. 10; Müller, GenG, 1976, § 99 Rdn. 9; zu § 92 Abs. 2 AktG: Meyer-Landrut, FS Barz, 1974, S. 271, 277 ff.; zweifelnd Medicus, Bürgerliches Recht 16. Aufl. Rdn. 622; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG 12. Aufl. § 99 Rdn. 4). Hopt (Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 130 a Anm. 3 A) sieht in dem auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung eingeschränkten Haftungsumfang "eine wesentliche Schwäche" der Haftungsregelung des § 130a HGB.

2. Der erkennende Senat, auf den die Zuständigkeit zur Entscheidung über Ansprüche aus unerlaubter Handlung durch Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Schutzgesetzen vom VI. Zivilsenat übergegangen ist, hält mit Zustimmung der von dieser Rechtsprechungsänderung betroffenen Zivilsenate des Bundesgerichtshofs - nämlich des III., des VII. und des IX. Zivilsenats - sowie des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts den Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG für verpflichtet, den Gläubigern, die infolge des Unterbleibens des Konkursantrags mit der GmbH in Geschäftsbeziehung treten und ihr Kredit gewähren, den ihnen dadurch entstehenden Schaden über den sogenannten Quotenschaden hinaus zu ersetzen.

a) Durch die dem Geschäftsführer einer GmbH auferlegte Konkursantragspflicht werden, wie gesagt, nicht nur die bei Eintritt der Konkursreife bereits vorhandenen Gesellschaftsgläubiger (die "Altgläubiger"), sondern auch die erst später neu hinzukommenden (die "Neugläubiger") geschützt. Diese wären, wenn der Geschäftsführer seiner Pflicht nachgekommen wäre, nicht in die Gläubigerstellung gelangt; sie hätten mit der Gesellschaft keinen Vertrag mehr geschlossen, ihr keinen Kredit gewährt und damit keinen Schaden erlitten. Die Ursache für diesen Schaden liegt in dem Verstoß gegen die Schutzvorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG. Das hat nach allgemeinen Schadensersatzregeln zur Folge, daß der dem Vertragspartner auf diese Weise rechtswidrig und schuldhaft zugefügte Schaden zu ersetzen ist (vgl. Staudinger/Coing aaO § 42 Rdn. 10). Daß demgegenüber die Altgläubiger nur bis zur Höhe der bei rechtzeitiger Konkursantragstellung erzielbaren Konkursquote entschädigt werden, ist kein Grund dafür, die Neugläubiger ebenso zu behandeln. Bis zu dem nach § 64 Abs. 1 GmbHG maßgebenden Zeitpunkt ist kein Konkursdelikt begangen worden; eine vorher eingetretene Entwertung der zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Forderungen fällt, soweit ein Anspruch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage besteht, in den Risiko- bereich der davon betroffenen Gläubiger. Insoweit ist diesen kein auf dem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht beruhender Schaden entstanden. Eine Ungleichbehandlung beider Gläubigergruppen (Fleck, GmbHR 1974, 224, 235; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 49) läßt sich darin, daß jedem Gläubiger der gerade ihm entstandene Schaden ersetzt wird, nicht erkennen. Die Begrenzung des Ersatzanspruchs auf den Quotenschaden wird - auch - damit begründet, daß die Neugläubiger, weil sie erst durch die Anbahnung von vertraglichen Beziehungen zur GmbH zu Gläubigern werden, mit ihrem Einzelschaden keine individuell abgrenzbare Gruppe von Betroffenen, sondern Teil des Rechtsverkehrs und damit der Allgemeinheit seien, die als solche in den von § 64 Abs. 1 GmbHG gewährten Schutz nicht einbezogen sei (so Ulmer, ZIP 1993, 771; dagegen Wiedemann, EWiR 1993, 583, 584; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; Lutter, DB 1994, 129, 135). Es geht indessen hier nicht um den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG - daß die Neugläubiger von ihm erfaßt werden, steht außer Streit -, sondern um den Umfang des den Neugläubigern zu ersetzenden Schadens. Wenn dieser Ersatzanspruch hinter dem zurückbleiben soll, was sich aus allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ergibt, so läßt sich das allenfalls damit begründen, daß ein solcher Individualschaden nicht vom objektiven Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG erfaßt werde.

b) Der Normzweck der gesetzlichen Konkursantragspflichten besteht darin, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 1). Daran hat der Gesetzgeber in schadensersatzrechtlicher Hinsicht zunächst nur die Sanktion geknüpft, daß die Geschäftsführer nach § 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet sind, "Zahlungen", die sie nach Eintritt der Konkursreife unter Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet haben, der Gesellschaft zu ersetzen. Nach herrschender Meinung sind damit über reine Geldzahlungen hinaus alle Leistungen gemeint, die das Gesellschaftsvermögen schmälern, wobei streitig ist, ob auch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten dazu gehört (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 39 f. und Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 22, jeweils m.w.N.; im hier interessierenden Zusammenhang ausführlich Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1835 f.). Der Bundesgerichtshof hat aus dieser sich unmittelbar aus dem GmbH-Gesetz ergebenden Rechtslage geschlossen, daß ein weitergehender Schutz der Gläubiger nicht gewollt gewesen sei; das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit eines anderen werde, so ist im Urteil vom 16. Dezember 1958 ausgeführt, im Geschäfts- und Wirtschaftsleben nicht besonders geschützt (BGHZ 29, 100, 106). Für Gläubiger einer Rechtsperson, deren Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen haften, bestehe zwar ein Bedürfnis nach einem weitergehenden Schutz der Gläubiger. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber durch § 64 Abs. 1 GmbHG über das Ziel hinaus, das zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderliche Gesellschaftsvermögen zu erhalten, die Gläubiger auch davor habe bewahren wollen, einer überschuldeten Gesellschaft noch Kredit zu geben oder überhaupt noch mit ihr in Geschäftsbeziehungen zu treten.

Aus den Materialien zum GmbH-Gesetz läßt sich insoweit wenig herleiten. Der Deutsche Handelstag hatte im Gesetzgebungsverfahren gefordert, die im Hinblick auf "das kapitalistische Moment der neuen Gesellschaftsform" befürwortete Konkursantragspflicht dadurch sicherzustellen, daß der Zuwiderhandelnde mit seinem gesamten Vermögen in die Haftung für die Gesellschaftsschulden eintrete bzw. daß er den Gesellschaftsgläubigern persönlich für jeden einzelnen Ausfall an ihren Forderungen hafte (Amtl. Ausgabe des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 136, 137). Auch die preußischen Handelskammern hatte als Sanktion für die verspätete Stellung des Konkursantrags eine direkte Haftung für alle Ausfälle, die die Gläubiger im Konkurs erleiden, verlangt. Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen zwar nicht nachgekommen, sondern hat es bei dem durch § 64 Abs. 2 GmbHG geschaffenen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer belassen (vgl. dazu auch Flume, ZIP 1994, 337, 339). Indessen war bei Erlaß des GmbH-Gesetzes im Jahre 1892 das Bürgerliche Gesetzbuch noch nicht in Kraft getreten, und die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB existierte noch nicht (darauf weisen Medicus, WuB II C. § 64 GmbHG 1.94, und Wilhelm, ZIP 1993, 1834, 1835 zutreffend hin). Die Frage, welche Schadensersatzansprüche sich aus dieser Bestimmung für die durch verspätete Konkursantragstellung geschädigten Gläubiger ergeben, kann nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf die - begrenzten - Ansprüche beantwortet werden, die vor der Einführung jener Vorschrift gesetzlich vorgesehen waren. Die bisherige Rechtsprechung und der Teil des Schrifttums, der ihr folgt, sehen als das "den Schutz eines anderen bezweckende Gesetz" (§ 823 Abs. 2 BGB) ausdrücklich oder der Sache nach nur Absatz 2, nicht dagegen Absatz 1 des § 64 GmbHG an, und zwar auch, soweit diese letztere Bestimmung als Schutzgesetz bezeichnet wird (nachdrücklich in diesem Sinne Gerd Müller, GmbHR 1994, 209: Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 2 GmbHG; vgl. auch Canaris, JZ 1993, 649, 650); jedenfalls sollen beide Absätze der Vorschrift eine "einheitliche Schutzrichtung" haben (K. Schmidt, NJW 1993, 2934). Unter dieser Voraussetzung ist in der Tat nur der allen Gläubigern gleichmäßig entstandene Masseverkürzungsschaden zu ersetzen, und die Neugläubiger werden dann tatsächlich nur insoweit zu in den Schutz einbezogenen "Gläubigern", als sie sich der GmbH gegenüber schon vertraglich gebunden haben (Ulmer, ZIP 1993, 771); denn nur in dieser Eigenschaft haben sie ein Anrecht auf Befriedigung aus dem als Konkursmasse zu erhaltenden Gesellschaftsvermögen. Eigentliches und ausschließliches Schutzgut des § 64 GmbHG ist aus dieser Sicht das Vermögen der Gesellschaft, dessen Erhaltung durch Absatz 2 dieser Vorschrift gesichert werden soll (zutreffend Flume, ZIP 1994, 337, 339). Die von der Verkürzung der Masse betroffenen Gesellschaftsgläubiger erleiden danach lediglich einen "Reflexschaden", und die Bedeutung des § 823 Abs. 2 BGB besteht dann in diesem Zusammenhang lediglich darin, daß sie jenen mittelbaren Schaden - zudem auch dort, wo im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer § 43 Abs. 2 GmbHG versagt, wie insbesondere beim Alleingesellschafter - außerhalb des Konkurses selbständig geltend machen können (Gerd Müller, ZIP 1993, 1531, 1536; ders., GmbHR 1994, 209, 210). Dem über § 64 Abs. 2 GmbHG hinausreichenden Zweck des Absatzes 1 der Vorschrift, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsvermögen aus dem Rechtsverkehr zu entfernen, wird damit eine Schutzwirkung zugunsten der mit einer solchen Gesellschaft in Rechtsbeziehungen tretenden Personen versagt. Jener weitergehende Zweck des § 64 Abs. 1 GmbHG schützt dann überhaupt nicht den einzelnen Geschäftspartner einer konkursreifen GmbH, sondern ausschließlich die Allgemeinheit in ihrem - öffentlichen - Interesse an der Beseitigung einer solchen Gesellschaft. Dies ist gemeint, wenn gesagt wird, die Neugläubiger fielen nicht in den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG (Ulmer, ZIP 1993, 771).

c) Eine solche Begrenzung des mit den Konkursantragspflichten bewirkten Schutzes wird deren Bedeutung nicht gerecht. Für juristische Personen mit beschränkter Haftungsmasse besteht nicht nur der zusätzliche Konkursgrund der Überschuldung; nur für sie gibt es auch überhaupt eine - von ihren Organen zu erfüllende - Pflicht zur Konkursanmeldung. Das beruht darauf, daß die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ihre Legitimation verloren hat, wenn dieses Vermögen vollständig verwirtschaftet ist. Die Konsequenz besteht nach dem Gesetz nicht in einer nunmehr einsetzenden persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern darin, daß die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen durch Konkursanmeldung für eine rechtzeitige Beseitigung der Gesellschaft zu sorgen haben. Die Konkursantragspflicht ergänzt damit den mit den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften bewirkten Gläubigerschutz; zusammen mit diesen stellt sie die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar (K. Schmidt, ZIP 1988, 1497; ders., NJW 1993, 2934; Stapelfeld aaO S. 171). Wegen dieses Zusammenhangs ist es verfehlt, eine über den Quotenschaden hinausgehende Haftung des Geschäftsführers - der im übrigen nicht notwendig auch Gesellschafter sein muß - gerade als dem Prinzip der Haftungsbeschränkung widersprechend zu bezeichnen (so Bauder, BB 1993, 2473 f.).

Als Instrument des Gläubigerschutzes muß das Gebot der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich - und nicht nur strafrechtlich - so sanktioniert sein, daß dieser Schutz wirksam ist. Das ist bei Begrenzung der Geschäftsführerhaftung auf den Quotenschaden und Ausschluß der Ersatzpflicht für darüber hinausgehende Individualschäden nicht der Fall. Die Berechnung jenes Quotenschadens bereitet "beängstigende Schwierigkeiten der Schadensschätzung" (K. Schmidt, JZ 1978, 661, 665), die sich, soweit es um die erst nach dem Zeitpunkt der Konkursreife hinzukommenden Gläubiger geht, noch verstärken (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 54). Der damit zusammenhängende Aufwand ist so groß, daß er in der Praxis als nicht lohnend angesehen wird. Die Quotenberechnung ist als eine "juristische Spielerei" (Gerd Müller, GmbHR 1994, 209, 212) bezeichnet worden, die "ebenso ästhetisch anziehend wie praktisch undurchführbar" sei (Schanze, AG 1993, 380). Die Frage, ob eine die Konkursanmeldung betreffende Pflichtverletzung vorlag, war deshalb auf der Grundlage der bisherigen Rechtspraxis zu § 64 GmbHG, soweit es um unmittelbare Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger ging, "nicht bedeutsam" (Bauder, BB 1993, 2472, 2473). Die Begrenzung der Haftung auf den Quotenschaden hat die Konkursantragsvorschriften als Haftungsnormen weitgehend außer Kraft gesetzt; es ist, soweit ersichtlich, kein Prozeß bekannt geworden, in dem von vornherein ein auf den Ersatz des Quotenschadens begrenzter Anspruch jemals ernstlich verfolgt worden wäre (Mertens, FS Hermann Lange, 1992, S. 561, 577).

Auf der anderen Seite besteht, wie schon der VI. Zivilsenat im Urteil vom 16. Dezember 1958 zum Ausdruck gebracht hat - darauf ist weiter oben bereits hingewiesen worden - ein Bedürfnis nach einem individuellen Schutz der durch Konkursverschleppungen geschädigten Gläubiger (BGHZ 29, 100, 106). Rechtsprechung und Wissenschaft haben versucht, diesem Bedürfnis durch Haftungstatbestände außerhalb der Konkursantragsvorschriften Rechnung zu tragen. Dazu gehören die jedenfalls in diesem Zusammenhang dogmatisch nicht haltbare, an der falschen Stelle ansetzende und die in Betracht kommenden Fälle nicht richtig erfassende Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses (oben I) und der in unmittelbarer Nähe der Konkursverschleppungstatbestände ansetzende Vorschlag, eine Vertrauenshaftung des Geschäftsführers im Stadium der Insolvenz der Gesellschaft einzuführen (s. dazu oben I 2 b). Es ist ferner, wie bereits erwähnt (oben I 2 a bb unter 1), erwogen worden, in den Fällen der Fortführung einer konkursreifen GmbH eine Haftung der die Gesellschaft beherrschenden, an ihr unternehmerisch beteiligten Gesellschafter anzunehmen (Roth, GmbHR 1985, 137, 139 ff.). Dies alles zeigt, daß die gläubigerschützende Bedeutung des § 64 Abs. 1 GmbHG unter dem Aspekt der Haftungsnorm des § 823 Abs. 2 BGB zu gering eingestuft wird, wenn man annimmt, die Gesellschaftsgläubiger seien, soweit sie über den "Gesamtgläubigerschaden" hinausgehende individuelle Schäden erleiden, als Teil der Allgemeinheit durch die Konkursantragspflicht nicht geschützt. Den Neugläubigern ist deshalb gegen die Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht ein Anspruch auf Ausgleich des Schadens zuzubilligen, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (ebenso für das österreichische Recht OGH, Beschl. v. 10. Dezember 1992, ZIP 1993, 1871, 1874; vgl. auch Karollus, Recht der Wirtschaft <österr.> 1994, 100 f.). Die neueren Vorschriften der §§ 130 a, 177 a HGB für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, an denen keine unbeschränkt haftende natürliche Person beteiligt ist, stehen einem solchen Verständnis der Konkursantragsvorschriften nicht entgegen; der sich aus § 823 Abs. 2 BGB ergebende Schadensersatzanspruch der Gläubiger besteht neben demjenigen der Gesellschaft, der in § 130 a Abs. 3 HGB geregelt ist (Baumbach/Duden/Hopt aaO § 130 a Anm. 3 C).

d) Die Haftung des Geschäftsführers für die durch die Konkursverschleppung verursachten Gläubigerschäden bedeutet für diesen keine unzumutbare Belastung. Die Haftung setzt Verschulden voraus; fahrlässiges Verhalten genügt (BGHZ 75, 96, 111; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 52 m.w.N.; a.A. Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck aaO § 64 Rdn. 27). Der Geschäftsführer hat die Entscheidung darüber, ob er die Konkurseröffnung beantragen muß, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu treffen. Als solcher ist er verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise wird er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 52; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 28). Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muß er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt (BGHZ 119, 201, 214; vgl. dazu auch Schüppen, DB 1994, 197, 199). Gibt es begründete Anhaltspunkte, die eine solche Prognose rechtfertigen, so kann das Unternehmen weiterbetrieben werden. Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Notfalls muß sich der Geschäftsführer fachkundig beraten lassen (Lutter, DB 1994, 129, 135). Hält er sich an diese Anforderungen, die für den Geschäftsführer einer mit einem beschränkten Haftungsvermögen ausgestatteten Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sind, dann ist das Risiko, wegen verspäteter Konkursantragstellung belangt zu werden, nicht unzumutbar groß. Die Gefahr, daß sich ein seriöser Geschäftsleiter durch die drohende Haftung von aussichtsreichen Sanierungsbemühungen abhalten läßt, braucht nicht ernstlich befürchtet zu werden. Für solche Sanierungsversuche gilt, soweit sie vertretbar sind, die Dreiwochenfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG (vgl. dazu BGHZ 75, 96, 107 ff.; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 15). Die Quote der masselosen GmbH-Konkurse, die bei etwa 75 % liegen soll (K. Schmidt, NJW 1993, 2935), zeigt, daß in vielen Fällen eine frühere Konkursanmeldung geboten wäre und keine voreilige Unternehmensbeendigung bedeuten würde. Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen. Steht fest, daß die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, so ist es allerdings Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger, der in aller Regel von den für die Zukunftsaussichten der Gesellschaft maßgebenden Umständen keine Kenntnis haben wird. Dem Geschäftsführer ist die Darlegung dieser Umstände zumutbar, weil er, wie bereits gesagt, ohnehin zu einer laufenden Prüfung der Unternehmenslage verpflichtet ist. Ob über diese Verteilung der Darlegungslast hinaus der Geschäftsführer hinsichtlich der Fortbestehensprognose auch die Beweislast trägt (so Scholz/K. Schmidt aaO § 63 Rdn. 12 und § 64 Rdn. 38; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 19), ist dagegen zweifelhaft; das ist hier indessen nicht zu entscheiden. Mangelndes Verschulden hat freilich der Geschäftsführer zu beweisen (Sen.Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 61/93 <81/94> unter II 2 a m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch § 130 a Abs. 3 Satz 2 HGB).

e) Da es sich bei dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG um einen Schadensersatzanspruch handelt, kann er nach Maßgabe des § 254 BGB durch ein Mitverschulden des Vertragspartners gemindert sein. Eine solche Mitverantwortung des Geschädigten für den bei ihm eingetretenen Schaden wird anzunehmen sein, wenn für ihn bei Abschluß des Vertrages erkennbare Umstände vorlagen, die die hierdurch begründete Forderung gegen die Gesellschaft als gefährdet erscheinen lassen mußten. Der Ansicht, daß als Anzeichen hierfür schon allein die Höhe des Stammkapitals der GmbH ausreichen könnte (vgl. dazu Flume, ZIP 1994, 337, 341), kann jedoch nicht zugestimmt werden. Denn damit würde das Risiko einer materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft zumindest teilweise dem Gläubiger aufgebürdet. Das wäre im Hinblick auf die deliktische Haftung des Geschäftsführers nicht angemessen. f) Der Anspruch des "Neugläubigers" entspricht der Höhe nach seinem Vertrauensschaden, soweit dieser durch eine auf den Gläubiger entfallende Konkursquote nicht gedeckt ist. Zur Geltendmachung des Anspruchs ist auch während eines Konkursverfahrens der Gläubiger selbst befugt. Ob dazu daneben auch der Konkursverwalter nach § 64 Abs. 2 GmbHG berechtigt ist (vgl. Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1836, der offenbar eine ausschließliche Einziehungsbefugnis des Konkursverwalters, bezogen auf den Erfüllungsschaden des Gläubigers, annimmt; insoweit ebenso Wellkamp, DB 1994, 869, 873), ist hier nicht zu entscheiden.

Auch zum Aktienrecht gibt es eine Entscheidung zur Konkursverschleppung, das berühmte "Herstatt-Urteil":

Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 09.07.1979, Az: II ZR 118/77

Fundstelle

NJW 1979, 1823-1828 (LT1-4)

BGHZ 75, 96-116 (LT1-4)

Kreditgefährdung durch unrichtige Tatsachenbehauptungen

§ 824 BGB gewährt einem Unternehmer Schutz gegen die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen. Der Schutz ist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob es sich um eine Verbreitung in Kenntnis der Unwahrheit oder in Unkenntnis derselben handelt. § 824 BGB schützt nicht vor der Verbreitung von Meinungsäußerungen und Bewertungen eines Unternehmens oder seiner Leistungen. Deshalb besteht eines der Hauptanwendungsprobleme im Rahmen des § 824 BGB darin, Tatsachenäußerungen von Werturteilsäußerungen zu unterscheiden. Hier können wir ein Bestreben der Rechtsprechung registrieren, mit der Annahme von Tatsachenbehauptungen zurückhaltend zu sein. Das engt den Anwendungsbereich des § 824 BGB ein. Dahinter steht die Absicht, das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit im gewerblichen Bereich zu festigen.

Auch eindeutige Tatsachenbehauptungen eröffnen nicht in jedem Fall den Schutz des § 824 BGB. Die Rechtsprechung will den Schutz nur dem angedeihen lassen, der in einer verbreiteten Behauptung konkret genannt ist oder dessen Verhältnisse, Betätigung oder gewerbliche Leistungen in enger Beziehung zu der Behauptung stehen. Danach soll es nicht genügen, wenn fehlerhafte Behauptungen über die spezifische Eignung eines Systems (elektronische Orgeln zum Kirchengebrauch) aufgestellt werden. Ein Hersteller eines solchen Systems hat keinen Anspruch aus § 824 BGB (BGH, Urt. v. 2. Juli 1963, VI ZR 251/62, NJW 1963, 1871; JZ 1964, 509).

Andererseits kann auch ein Verleger für eine im Anzeigenteil seiner Zeitung enthaltene unzutreffende Behauptung aus § 824 BGB zur Verantwortung gezogen werden:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 20.06.1972, Az: VI ZR 26/71

Leitsatz

1. Der Verleger einer Zeitung ist nicht nur für den redaktionellen, sondern grundsätzlich auch für den Anzeigenteil zivilrechtlich gegenüber Dritten verantwortlich. Daher hat er durch Anweisungen Vorsorge auch gegen Rechtsgüter Dritter verletzende Veröffentlichungen zu treffen, die im Anzeigenteil erscheinen.

2. Allerdings ist nicht das Maß an Prüfung zu fordern wie bei Verlautbarungen im redaktionellen Teil. Besondere Maßnahmen wie fernmündliche Rückfrage zur Sicherstellung der Urheberschaft können nur gefordert werden, wenn dazu besonderer Anlaß besteht. Ein solcher ist nicht allein deshalb zu bejahen, weil eine Anzeige telefonisch aufgegeben ist.

3. Ein besonderer Anlaß ist bei telefonischer Aufgabe einer Anzeige über eine Geschäftsaufgabe ohne Erfragung und Festlegung des Namens der aufgebenden Person anzunehmen.

Fundstelle

BGHZ 59, 76-82 (LT1)

NJW 1972, 1658 (ST)

Tatbestand

Der beklagte Zeitungsverlag, eine GmbH, gibt die L.-Zeitung in D., eine Tageszeitung, heraus. In der am Sonnabend, dem 21. Dezember 1968 erschienenen Ausgabe befand sich folgende Anzeige, die bei der Geschäftsstelle fernmündlich aufgegeben worden war:

"Verkaufe wegen Geschäftsaufgabe sämtliche Baumaschinen und Baugeräte Firma Karl S., Sch."

Der Inhalt der Anzeige war unzutreffend. Die Klägerin, die das Bauunternehmen nach dem Ableben ihres Ehemannes Karl S. zu Anfang 1968 weiterführte, hatte die Anzeige nicht aufgegeben. Der Anrufer ist unbekannt geblieben. In der Ausgabe der L.-Zeitung von Montag, dem 23. Dezember 1968, erschien im Anzeigenteil folgende Mitteilung der Beklagten:

"In eigener Sache

Die in unserer Sonnabend-Ausgabe vom 21. Dezember 1968 erschienene Anzeige über Verkauf von Baumaschinen und Geräten der Firma Karl S., Sch. entspricht nicht den Tatsachen. Der noch unbekannte Auftraggeber hat unsere Anzeigen-Abteilung vorsätzlich getäuscht. Die polizeilichen Ermittlungen sind eingeleitet."

Im redaktionellen Teil der gleichen Ausgabe fand sich außerdem noch folgende Notiz:

"Mehr als übler Streich

Sch. . War es ein übler Streich oder war es eine gezielte Geschäftsschädigung? Unter dem Namen der Firma Karl S. in Sch. erfolgte die telefonische Aufgabe eines Inserats, das den Verkauf von Baumaschinen und -geräten wegen Geschäftsaufgabe beinhaltete. Der Inhalt dieser Anzeige entbehrt jeder Grundlage. Die Firma Karl S. hat gegen den unbekannten Auftraggeber Strafanzeige erstattet, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei haben die Ermittlungen eingeleitet (siehe auch heutige Anzeige)."

Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatz. Sie hat vorgetragen: Aufgrund der am 21. Dezember 1968 erschienenen Anzeige hätten sich tagelang Interessenten für die Maschinen und Geräte gemeldet. Außerdem hätten Kunden und Architekten ihre Sorgen wegen der Erledigung der laufenden Aufträge geäußert. Wochenlang sei in Fachkreisen davon die Rede gewesen, daß sie, die Klägerin, in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei. Es sei sogar von der bevorstehenden Konkurseröffnung gesprochen worden.

Die Klägerin hat von der Beklagten die Zahlung von 549 DM nebst Zinsen als Ersatz ihres Vermögensschadens gefordert.

Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei bei Tageszeitungen allgemein und weithin üblich, fernmündlich Anzeigenaufträge entgegenzunehmen; dies entspreche den Anforderungen der Gegenwart. Rückfragen nach der Richtigkeit des Inhalts der Anzeigen seien wegen der großen Zahl der in ihrer Zeitung veröffentlichten Anzeigen nicht durchführbar; in den Wochenendausgaben würden regelmäßig 900 bis 1.000 Anzeigen veröffentlicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die zugelassene Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt aufgrund der §§ 823 Abs 1, 31 BGB (Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin) und des § 823 Abs 2 BGB i Verb mit § 6 Satz 1 Landespressegesetz (LPG) NRW. Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten unter Sorgfaltsverstoß erblickt das Berufungsgericht darin, daß sie keine Anweisungen an ihre Angestellten erteilt hat, nach denen die Richtigkeit von Anzeigen, in denen die Aufgabe eines Unternehmens unmittelbar oder mittelbar angezeigt wird, durch - insbesondere telefonische - Rückfrage zu überprüfen ist.

II.

Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis zu folgen.

1. Auszugehen ist davon, daß der Verleger nicht nur für den redaktionellen, sondern grundsätzlich auch für den Anzeigenteil der Zeitung zivilrechtlich verantwortlich ist. Der Anzeigenteil einer Zeitung findet dieselbe Verbreitung wie der redaktionelle. Auch er birgt Gefahren für die Persönlichkeit und den wirtschaftlichen Ruf der Betroffenen (vgl dazu den Sachverhalt in: BGH Urteil vom 5. November 1963 - VI ZR 216/62 = LM BGB § 847 Nr 25 = BB 1964, 150). Im Grundsatz sind daher Beeinträchtigungen von geschützten Rechten und Rechtsgütern durch Veröffentlichungen im Anzeigenteil wie solche anzusehen, die im redaktionellen Teil enthalten sind (Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Privatrecht, 2. Aufl S 175/176; Löffler, Presserecht I 2. Aufl Kap 14 Rz 70, 84, vgl auch Rz 30, 50).

2. Damit erstreckt sich im Grundsatz die zivilrechtliche Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung auch auf den Anzeigenteil.

Außer den vom Berufungsgericht zugrundegelegten Bestimmungen ist für den geltend gemachten Schadensersatz insbesondere § 824 BGB von Belang, dem zudem jedenfalls gegenüber dem von der Rechtsprechung ausgebildeten Auffangtatbestand des rechtswidrigen Eingriffs in den Gewerbebetrieb (§ 823 Abs 1 BGB) Vorrang zukommt (vgl BGH Urteil vom 21. Juni 1966 - VI ZR 266/64 = LM BGB § 824 Nr 9 = NJW 1966, 2010 - "Teppichkehrmaschine").

Der Inhalt der Anzeige ging für den Leser nicht nur dahin, daß sämtliche Maschinen des Baugeschäfts der Klägerin zum Verkauf standen - was nicht zutraf -, sondern auch dahin, daß sie ihr Baugeschäft aufgab. Wenn auch der unmittelbare - scheinbare - Zweck der Anzeige nicht war, die Geschäftsaufgabe bekanntzugeben, sondern die Baumaschinen anzubieten, war im regionalen Einzugsbereich der Zeitung der Beklagten die als Beweggrund des Verkaufs erwähnte Geschäftsaufgabe mindestens ebenso entscheidend und auffallend. Auch diese Tatsache war unstreitig unwahr. Sie war in besonderem Maße geeignet, im Sinne des § 824 BGB den Kredit der Klägerin zu gefährden und sonstige Nachteile für ihren Erwerb herbeizuführen. Diese unwahre Tatsache hat die Beklagte durch die Veröffentlichung verbreitet.

3. Der hier allein in Frage stehende Schadensersatzanspruch setzt voraus, daß die Beklagte als Verbreiter der kredit- und erwerbsgefährdenden Behauptung deren Unrichtigkeit kannte oder - was hier allein in Betracht kommt - kennen mußte (§ 824 Abs 1 BGB). Damit ist - ebenso wie bei den vom Berufungsgericht zugrundegelegten Bestimmungen der unerlaubten Handlungen - Fahrlässigkeit der Beklagten erforderlich.

Wenn auch, wie bereits ausgeführt, Eingriffe gegen geschützte Rechtsgüter im Anzeigenteil im Grundsatz nicht anders zu beurteilen sind, wie wenn sie im redaktionellen Teil stünden, so ist doch nicht die gleiche Prüfung und Abwägung zu fordern wie bei Verlautbarungen im redaktionellen Teil (Helle aaO S 176 N 16; vgl Löffler aaO I Kap 14 Rdz 50). Allerdings war die Beklagte grundsätzlich gehalten, Vorsorge auch gegen im Anzeigenteil veröffentlichte, das Persönlichkeitsrecht oder den wirtschaftlichen Ruf verletzende Äußerungen zu treffen. Die insoweit geforderte Sorgfaltspflicht darf aber nicht überspannt werden. Besonders im Hinblick auf die Eigenheiten beim Anzeigengeschäft können besondere Maßnahmen nicht gefordert werden, wenn kein besonderer Anlaß besteht. So war die Beklagte nicht gehalten, sämtliche bei ihr telefonisch aufgegebenen Anzeigen durch eine (fernmündliche) Rückfrage daraufhin zu überprüfen, ob sie auch vom angegebenen Besteller herrührten und inhaltlich zutrafen.

Ein besonderer Anlaß zur Überprüfung kann aus verschiedenen Umständen folgen. Eine solche Lage ist zu bejahen, wenn sich der Inhalt der Anzeige erkennbar als Verletzung geschützter Rechtsgüter - insbesondere des Persönlichkeitsrechts oder des wirtschaftlichen Rufes eines anderen darstellt oder wenn aus sonstigen Gründen eine Anzeige auffällig erscheint. Besondere Vorsicht mag auch bei den Anzeigen geboten sein, die nicht selten von Dritten ohne Wissen der Betroffenen aus zu mißbilligenden Gründen aufgegeben werden, wie es nach der bisherigen Erfahrung bei bestimmten Familienanzeigen (Verlobungs- und Heiratsanzeigen) der Fall ist. So lag es hier nicht.

Ein besonderer Anlaß ist aber auch dann zu bejahen, wenn eine Anzeige erkennbar einen besonders einschneidenden, für den Betroffenen weitreichenden Umstand kundtut, und außerdem die Möglichkeit, daß sie von einem Dritten, zB einem Konkurrenten, in Schädigungsabsicht aufgegeben ist, nicht von der Hand zu weisen ist. Die Bejahung einer solchen Pflicht in Ausnahmefällen bei der Anzeigenannahme stimmt mit der für Äußerungen im redaktionellen Teil entwickelten Annahme überein, daß eine Überprüfung um so sorgfältiger gegebenenfalls durch Rückfrage beim Betroffenen - sein muß, je schwerer sich die Mitteilung für den Betroffenen auswirken kann (vgl RGZ 148, 154; BGH Urteil vom 8. Dezember 1964 - VI ZR 201/63 = LM BGB § 823 (Ah) Nr 25 = NJW 1965, 685). In solchem Ausnahmefall gewinnt die Frage, ob die Anzeige von dem Betroffenen herrührt, überwiegende Bedeutung. Erkennbar droht dem Betroffenen großer Schaden, wenn die Anzeige nicht zutrifft. Vorsichtsmaßnahmen sind in solchem Falle dann geboten, wenn die Anzeige telefonisch aufgegeben wird, so daß eine sofortige sichere Feststellung der aufgebenden Person nicht möglich ist, und wenn die Anzeige sogar ohne Erfragung und Festlegung des Namens der aufgebenden Person telefonisch entgegengenommen worden ist.

So lag es hier. Wenn der Inhaber eines Gewerbebetriebes - wie bereits oben dargelegt - in einer Anzeige ua kundtut, er gebe sein Geschäft auf, so wird damit erkennbar in aller Öffentlichkeit eine sehr einschneidende Tatsache verlautbart. Stimmt der Inhalt der Anzeige nicht, weil sie von einem Unbefugten ohne Wissen des Betroffenen aufgegeben worden ist, dann entsteht eine nicht geringe Gefährdung für den Gewerbebetrieb. Es besteht Gefahr, daß Kreditgeber ihre Kredite zurückverlangen und neue Kredite verweigern, und weiterhin, daß Lieferanten und Kunden sich von einer Geschäftsverbindung zu lösen trachten oder solche erst gar nicht zu knüpfen suchen.

Bei einer solchen Gestaltung ist das Publikationsorgan daher gehalten, die authentische Urheberschaft im Rahmen des Zumutbaren festzustellen. Ist die Anzeige fernmündlich aufgegeben worden, dazu wie hier ohne daß der Annehmende auch nur den Namen, geschweige denn die Identität des Unbekannten am Telefon feststellt, ist die Urheberschaft durch - gegebenenfalls telefonische Rückfrage zu überprüfen. Eine solche Rückfrage war der Beklagten nach den hier vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zumutbar. Ohne Schwierigkeiten hätte sie die Klägerin telefonisch erreichen können und von ihr die Unrichtigkeit der Anzeige erfahren. Damit wurde die Beklagte auch nicht überfordert. Wie der Tatrichter feststellt, werden bei der Beklagten jährlich nur etwa 2 oder 3 Anzeigen aufgegeben, in denen eine Geschäftsaufgabe mitgeteilt wird.

Dieser Pflicht zur Überprüfung der Autorenschaft, zB durch telefonische Rückfrage, brauchte die Beklagte allerdings nicht durch unmittelbare Mitwirkung ihrer Organe nachzukommen. Diese mußten aber durch entsprechende Anweisungen sicherstellen, daß eine Verletzung der Rechte betroffener Dritter, wie hier der Klägerin, durch einen solchen Hergang möglichst verhindert würde. Sie hatten die im Anzeigengeschäft Tätigen insbesondere über die Gefahren solcher Anzeigen zu unterrichten und sie auf die Möglichkeit sowie Notwendigkeit einer - vielleicht telefonischen - Rückfrage beim Betroffenen hinzuweisen (vgl zu derartigen Pflichten des Verlegers hinsichtlich Äußerungen im redaktionellen Teil: RGZ 148, 154; BGH Urteil vom 19. März 1957 - VI ZR 263/65 = NJW 1957, 1049; Urteil vom 8. Dezember 1964 - VI ZR 201/63 = NJW 1965, 685; Urteil vom 15. Januar 1965 - Ib ZR 44/63 = NJW 1965, 1374). Eine Anweisung solchen Inhalts ist unstreitig nicht erteilt worden. Hätte die Beklagte sie in gehöriger Weise erteilt, so wäre nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Auffassung des Berufungsgerichts die unrichtige Anzeige nicht erschienen. Damit hat die Beklagte für die hierdurch verursachten Vermögensschäden einzustehen (§§ 823, 824, 31 BGB).

Vorsätzlich sittenwidrige Schädigungen

Die letzte Möglichkeit, die das Deliktsrecht bietet, ist der Vermögensschutz aus § 826 BGB. Er setzt eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung voraus und erweist sich als umso schärferes Schwert, je geringer man die Anforderungen an den Vorsatz und die Sittenwidrigkeit fasst. Hier geht die Rechtsprechung mitunter recht weit. Sie lässt dolus eventualis genügen und orientiert sich für die Sittenwidrigkeit nicht an den Ansprüchen einer hohen Moral, sondern an dem, was ein ordentlicher Mensch im Geschäftsleben tut oder auch nicht tut. 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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