Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.06.1959, Az: VI ZR 95/58
Leitsatz
Mehrere Kraftfahrer, die durch verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen
Unfall herbeigeführt haben, sind nicht Mittäter iS von
BGB § 830 Abs 1 S 1. Nimmt
der Geschädigte mehrere Nebentäter in Anspruch, so ist seine Mitverantwortung gegenüber
jedem der Schädiger gesondert nach
BGB § 254 (StVG § 17) abzuwägen
(Einzelabwägung). Zusammen haben die Schädiger jedoch nicht mehr als den Betrag
aufzubringen, der bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens dem Anteil der Verantwortung
entspricht, die sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt tragen
(Gesamtabwägung).
Fundstelle
BGHZ 30, 203 (LT1)
Tatbestand
Der Kläger fuhr am 5. September 1952 gegen 21 Uhr mit seinem Leichtmotorrad (DKW) auf
der V. Straße in K. stadtauswärts. Als er sich zwischen der Kreuzung V. Straße/I.
Straße und der rechtsgelegenen Tankstelle E. befand, bog der Beklagte E. mit einem
Personenkraftwagen (Opel-Olympia Baujahr 1937) aus der Tankstelle nach rechts in die V.
Straße ein. Der Kläger überholte den Wagen des E., wobei er zwischen den in der Mitte
der Straße liegenden Straßenbahnschienen fuhr. Er stieß 22 m vor der Kreuzung V.
Straße/E. Straße mit dem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen (Mercedes 170 S) des
Beklagten B. zusammen, als er den Wagen des E. eben überholt hatte und noch nicht wieder
nach rechts eingebogen war. Der Kläger stürzte mit seinem Motorrad und verletzte sich so
schwer, daß sein linkes Bein amputiert werden mußte.
Er hat behauptet: Als E. mit seinem Wagen aus der Tankstelle herausgefahren sei, sei
er, der Kläger, schon in unmittelbarer Nähe gewesen. Er sei durch E. behindert und zum
Überholen gezwungen worden. Da E. wegen der rechts parkenden Fahrzeuge auf dem
stadtauswärts führenden Gleis der Straßenbahn gefahren sei, habe er selbst zwischen den
beiden Gleisen fahren müssen. Während er den Wagen des E. überholt habe, habe dieser
seine Fahrt beschleunigt und dadurch das Überholen verzögert. Daher habe er nicht
rechtzeitig wieder nach rechts hinüberlenken können. Der Beklagte B. habe zum Überholen
eines vor ihm fahrenden Wagens angesetzt und sei dabei ebenfalls zwischen den Schienen
gefahren. Er habe ihn, den Kläger, bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen müssen.
Der Kläger hat von den Beklagten die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangt. Die
Beklagten sind der Ansicht, der Unfall sei auf das alleinige Verschulden des Klägers
zurückzuführen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen E. gerichtet ist, und hat
den Klageanspruch gegen B. zu 1/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt.
Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten B. hat das Oberlandesgericht den
Klageanspruch, soweit er sich auf das Straßenverkehrsgesetz gründet, gegen beide
Beklagte als Gesamtschuldner zu 2/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt. Gegen den Beklagten E. hat das Oberlandesgericht den bezifferten Klageanspruch
auch nach bürgerlichem Recht zu 2/5 dem Grunde nach bejaht.
Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die
Ansprüche gegen jeden der beiden Beklagten zu einem Fünftel des Gesamtschadens dem
Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, jedoch zum Ausdruck gebracht, daß die beiden
Beklagten zusammen für nicht mehr als insgesamt ein Drittel des Gesamtschadens
aufzukommen brauchen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten E. kann keinen Erfolg haben, soweit er sich mit ihr dagegen
wendet, daß das Berufungsgericht seine Ersatzpflicht zu 1/5 des Gesamtschadens des
Klägers bejaht hat.
Der Beklagte B. kann mit seiner Revision ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen,
daß er für den Schaden des Klägers überhaupt nicht einzustehen habe.
Beide Beklagte wenden sich aber mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht ihre
Haftungsquoten von je 1/5 addiert und sie daher für 2/5 des Gesamtschadens und für 4/5
der mit der Leistungsklage geltend gemachten Schadenshälfte als Gesamtschuldner behandelt
hat.
1. Zuzustimmen ist dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Mitverantwortung
des Klägers gegenüber jedem Beklagten getrennt abzuwägen ist. Es hat daher mit Recht
den
§ 254 BGB zunächst auf das Verhältnis des Klägers zum Beklagten E. angewandt
und anschließend geprüft, wie der Schaden nach
§ 254 BGB im Verhältnis des
Klägers zu dem Beklagten B. zu verteilen ist. Diese gesonderte Abwägung ist
erforderlich, weil dem Kläger gegen jeden Beklagten ein selbständiger
Schadenersatzanspruch zusteht. Jeder von ihnen hat eine von ihm zu verantwortende
adäquate Ursache für die Entstehung des Schadens gesetzt und einen gesetzlichen
Haftungstatbestand verwirklicht (§§ 823 BGB,
7, 18 StVG). Hätte der Kläger die
Schadenersatzklage nur gegen einen der beiden Beklagten erhoben, so könnte er von ihm 1/5
seines Gesamtschadens (= 2/5 der eingeklagten Schadenshälfte) ersetzt verlangen. Daß er
die Beklagten gleichzeitig zur Verantwortung zieht, ist kein Grund, bei der Abwägung nach
§ 254 BGB seiner Verantwortungssphäre eine gemeinsame Verantwortungssphäre der
beiden Beklagten gegenüberzustellen.
Eine solche Kumulierung der Verantwortungssphären mehrerer Schädiger mit der Folge,
daß jeder im Verhältnis zum Geschädigten für den Unfallbeitrag des anderen
mitverantwortlich wäre, ließe sich nur rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des
§ 830 Abs 1 Satz 1 BGB vorlägen, die mehreren Schädiger also den Schaden durch
eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht hätten. Davon kann aber
hier keine Rede sein. Es mag offenbleiben, ob die Anwendung dieser Bestimmung nicht schon
daran scheitern muß, daß nur dem Beklagten E. eine unerlaubte Handlung im Sinne des
§ 823 BGB zur Last zu legen ist, während B. lediglich aus dem Gesichtspunkt der
Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) zur Verantwortung gezogen werden kann.
Jedenfalls fehlt es hier an einem gemeinschaftlichen Handeln der Beklagten. Allerdings
haben beide zusammen den schädlichen Erfolg herbeigeführt. Das ist aber nicht durch ein
gemeinschaftliches Handeln, sondern durch mehrere selbständige Einzelhandlungen
geschehen. Auf einen solchen Fall der sogenannten fahrlässigen Nebentäterschaft ist
§ 830 Abs 1 Satz 1 BGB
nicht anzuwenden. (Im Ergebnis ebenso Esser, Lehrbuch des
Schuldrechts, 1949 § 317 S 434 und Erman/Drees, BGB Komm 2. Aufl § 830 Anm 4).
Soweit das Reichsgericht in RGZ 58, 357 die Anwendung dieser Vorschrift an andere
Voraussetzungen geknüpft hat, kann der Senat dem nicht zustimmen. Daß der Schaden durch
das Zusammenwirken der mehreren Einzelhandlungen entstanden ist, kann auch dann, wenn
zwischen diesen Einzelhandlungen ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht,
nicht ausreichen, um bei der Abwägung jeden Täter mit den Unfallbeiträgen der anderen
zu belasten. Auch das Reichsgericht hat in Fällen, in denen mehrere Kraftfahrer durch
verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, nicht
angenommen, daß die am Unfall beteiligten Fahrer Mittäter im Sinne des
§ 830 Abs 1
Satz 1 BGB sind.
2. Das Berufungsgericht glaubt, die Addierung der die Beklagten treffenden
Schadensquoten von je 1/5 aus
§ 840 BGB herleiten zu können. Dabei übersieht es, daß die Beklagten nach dieser Bestimmung nur hinsichtlich 1/5 des Schadens
Gesamtschuldner des Klägers sein können, denn nach
§ 840 Abs 1 BGB kann ein
Gesamtschuldverhältnis nur insoweit entstehen, als die Verpflichtungen der Beklagten sich
decken. Hier fehlt anders als in
§ 830 Abs 1 BGB eine Rechtsgrundlage dafür, bei
der Abwägung einen einheitlichen, von beiden Beklagten gemeinsam zu vertretenden
Verantwortungsbeitrag anzunehmen und ihn der Verantwortungssphäre des Klägers
gegenüberzustellen. Eine solche Lösung setzte sich mit den anerkannten Grundsätzen in
Widerspruch, die zu der Abwägung des
§ 254 BGB über die auf beiden Seiten zu
berücksichtigenden Faktoren entwickelt worden sind. Sie überschritte überdies die
Grenzen, die das Haftungsrecht bei der Anrechnung fremden Verschuldens zieht. Die
Unbilligkeit einer derartigen Lösung liegt darin, daß sie bei mehreren Tatbeteiligten
jeden Beklagten das Ausgleichs-(Insolvent-)risiko für die übrigen Nebentäter tragen
läßt, dagegen den in gleicher Weise oder gar überwiegend schuldigen Kläger von diesem
Risiko völlig freistellt.
3. Führen die Einzelabwägungen zu gleichen Quoten (hier beide Beklagte je 1/5), so
haften die Nebentäter nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl BGHZ 12, 213, 220 und Urt v 18. Januar 1957 -
VI ZR 303/55 - VRS 12, 163 Nr 75 = VersR 1957, 167; RG DR 1940, 453) als Gesamtschuldner
nach
§ 840 BGB für diese Quote, während der Kläger den Rest des Schadens selbst
zu tragen hat. Diese Lösung kann nicht befriedigen, weil sie dem Geschädigten weniger
gewährt, als ihm bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens zukommen müßte. Das wird in
besonderem Maße an dem Beispiel deutlich, daß Dunz in JZ 1955, 727 anführt. Haben zehn
Personen durch gleichwertiges Verschulden einer elften Schaden zugefügt, so kann diese
von jedem den vollen Schaden ersetzt verlangen. Ist nun einer von zehn gleichermaßen
Verantwortlichen der Geschädigte, so führen die Einzelabwägungen dazu, daß im
Verhältnis des Geschädigten zu jedem einzelnen Schädiger jeder von ihnen dem
Geschädigten gegenüber für die Hälfte des Schadens verantwortlich ist. Wendet man die
Regeln der Gesamtschuld in der Art der bisher herrschenden Praxis an, so könnte der
Geschädigte insgesamt nur die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangen, während ihm
doch - die Zahlungsfähigkeit des Schädigers vorausgesetzt - die Befriedigung von neun
Zehnteln des Schadens möglich gemacht werden müßte. Andererseits könnten die
Schädiger im Wege des Ausgleichs erreichen, daß jeder von ihnen im Ergebnis nur ein
Neuntel der Hälfte, also 1/18 aufzubringen hätte.
Dieses unbefriedigende Ergebnis der bisher herrschenden Rechtsauffassung beruht in
erster Linie darauf, daß die Regeln der Gesamtschuld in diesen Fällen voreilig und
schematisch angewandt worden sind. Gewiß ist auch bei Nebentätern
§ 840 Abs 1 BGB
anzuwenden (vgl BGHZ 17, 214). Das bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die mehreren
Nebentäter für den vollen Schaden haften. Dann ist die für die Gesamtschuld
charakteristische Situation gegeben, daß durch die Leistung eines Schuldners das volle
Gläubigerinteresse befriedigt wird. Diese Identität des Leistungsinhalts fehlt aber
mindestens teilweise, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft und die Abwägung
nach
§ 254 BGB dazu führt, daß die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen
mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. Sie fehlt auch in dem jetzt zur
Entscheidung stehenden Falle, denn die Schadensquote von 1/5, die E. auf Grund der
Einzelabwägung zu leisten hat, ist mit der im Verhältnis des Klägers zu B. ermittelten
Schadensquote von 1/5 weder wirtschaftlich noch auch rechtlich identisch. Durch die
Erfüllung einer dieser beiden Schadensquoten erhält der Kläger noch nicht das, was ihm
aus dem Schadensfall von B. und E. insgesamt gebührt. Damit ist die zweite Ursache dafür
berührt, daß das Ergebnis der bisherigen Rechtspraxis nicht befriedigen kann: Die
Einzelabwägung zwischen dem Unfallbeitrag des Geschädigten und dem des jeweiligen
Schädigers läßt so, wie sie bisher gehandhabt wurde, einen Blick auf das gesamte
Unfallgeschehen vermissen und führt daher zu einer Schadensverteilung, die bei einer
Gesamtschau nicht befriedigen kann.
4. Bei dem Versuche, für diese Fälle eine angemessene Lösung zu finden, könnte man
an einer Gesamtbereinigung des Unfalls in dem Sinne denken, daß der Schaden im
Verhältnis der Unfallbeiträge der an der Schadensentstehung beteiligten Personen
aufgeteilt und jeder nur mit der ihn treffenden Schadensquote belastet wird. Für eine
Generalsabrechnung auf dieser Grundlage ließe sich der Gedanke anführen, daß alle an
dem Unfall Beteiligten, auch der mitverantwortliche Verletzte (§§ 254 BGB,
17, 7,
18 StVG), in einem Gemeinschaftsverhältnis stehen, zu dessen Lösung sie in der Art
verpflichtet sein könnten, daß keiner von dem entstandenen Schaden mehr zu tragen hat,
als es dem
§ 17 StVG oder dem
§ 254 BGB entspricht. Dieser Weg, bei dem der
Schadensausgleich zwischen den mehreren Schädigern (Innenausgleich) bereits in den
Rechtsstreit des Verletzten gegen den oder die Schädiger (Außenhaftung) hereingenommen
würde, ist jedoch aus mehreren Gründen nicht gangbar.
Mit einer solchen Lösung würde ein Verteilungsverfahren geschaffen, für das eine
gesetzliche Grundlage fehlt. Allerdings kennt das Seerecht in
§ 736 HGB eine
ähnliche Regelung. Ist der Zusammenstoß mehrerer Schiffe durch gemeinsames Verschulden
der Besatzung der beteiligten Schiffe herbeigeführt worden, so sind die Reeder dieser
Schiffe für den Schaden, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Sachen zugefügt
worden ist, - anders als bei Personenschaden - nur nach Verhältnis der Schwere des auf
jeder Seite obwaltenden Verschuldens zum Ersatze verpflichtet. Hier ist an Stelle der
Gesamthaft die Quotenhaftung eingeführt und damit die Trennung zwischen Außenhaftung und
Innenausgleich beseitigt, die die Rechtspraxis sonst aus guten Gründen stets
aufrechterhalten hat. Die Regelung des
§ 736 Abs 1 HGB gilt aber nur für dieses
bestimmte Teilgebiet des Seerechts. Sie läßt sich auch auf das Recht des
Kraftfahrzeugverkehrs und auch auf das allgemeine Haftpflichtrecht nicht übertragen. Vor
allem ist dem
§ 17 StVG nichts dafür zu entnehmen, daß die Trennung zwischen
Außenhaftung und Innenausgleich bei einem Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen keine Geltung
beanspruchen solle und daß die an dem Unfall beteiligten Fahrer und Halter dem
Geschädigten gegenüber nur quotenmäßig haften sollen (vgl auch BGHZ 15, 133, 135).
Eine Quotenhaftung, wie
§ 736 Abs 1 HGB sie als Ausnahmeregelung vorsieht, würde
den Geschädigten aber auch in vielen Fällen benachteiligen, denn sie würde ihm die
Sicherung und die Vorteile nehmen, die die Gesamtschuld und die Trennung zwischen
Außenhaftung und Innenausgleich ihm bieten. Bei quotenmäßiger Haftung könnte der
Geschädigte in dem von Dunz angeführten Beispiel von jedem Schädiger nur 1/10 seines
Schadens ersetzt verlangen, obwohl jeder der Schädiger eine adäquate Ursache zu dem
Schaden gesetzt hat und den Geschädigten im Verhältnis zu dem einzelnen Schädiger ein
gleichwertiges Verschulden trifft, so daß es gerechtfertigt ist, ihm gegen den einzelnen
Schädiger einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zu gewähren.
Schließlich würde eine solche Quotenhaftung die Abwicklung zahlreicher
Haftpflichtfälle in starkem Maße erschweren. Sehr häufig sieht der Geschädigte davon
ab, alle Schadensschuldner aus einem Unfall in Anspruch zu nehmen. Er zieht es schon aus
Gründen der Risikobeschränkung oft vor, den Anspruch gegen den Täter einzuklagen,
hinsichtlich dessen die Voraussetzungen am leichtesten zu beweisen sind. Nach dem Prinzip
der Quotenhaftung könnte in diesen Fällen die Schadensquote des Beklagten erst
festgesetzt werden, nachdem der Ursachen- und Schuldbeitrag aller für den Unfall
verantwortlichen Personen geklärt worden ist. In jedem Schadensersatzprozeß aus dem
Gebiete des Straßenverkehrs müßte daher erörtert und geprüft werden, ob und welche
andere an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Personen für den Schaden haftbar sein
könnten, ohne daß diese Prüfung Rechtskraftwirkung gegenüber den Haftpflichtigen
hätte, die nicht an dem Rechtsstreit beteiligt sind. Damit würden oft umfangreiche
Ermittlungen notwendig, bevor ein an sich einfacher Haftpflichtprozeß entschieden werden
könnte. Diese Erschwernis wäre ebenfalls nicht mit den Vorteilen zu vereinbaren, die das
Gesetz, besonders § 421 BGB, dem Geschädigten - auch wenn er mit
verantwortlich ist - einräumen will. Es liegt in seinem Interesse, daß der Prozeßstoff
beschränkt und damit eine baldige Entscheidung ermöglicht wird.
Aus all diesen Gründen kann das aufgezeigte Problem mit Hilfe einer Quotenhaftung
nicht befriedigend gelöst werden.
5. Auch die Anregung, die Dunz (JZ 1955, 727 und 1957, 371) und Engelhard (JZ 1957,
369) gegeben haben, führen zu keiner klaren Lösung, wie Dunz in seiner zweiten
Abhandlung selbst einräumt.
6. Ein befriedigendes Ergebnis ist nur zu erzielen, wenn man das Prinzip der
Gesamtschuld mit dem Abwägungsprinzip des
§ 254 BGB (§ 17 StVG) in Einklang
bringt und die Einzelabwägung mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung
(Gesamtabwägung) verknüpft. Das sei an einem Beispiel verdeutlicht. A hat durch eigene
Unvorsichtigkeit und durch die schuldhafte Fahrweise der Kraftfahrer B und C einen
Unfallschaden erlitten. Ist der Unfallbeitrag der drei Beteiligten gleich hoch und
beträgt der Schaden des A 3.000 DM, so führt die Einzelabwägung dazu, daß der
Unfallbeitrag des A im Verhältnis zu dem des B gleich hoch ist (1:1). Daher hat A von B
1.500 DM zu beanspruchen. Das gleiche gilt für das Verhältnis des A zu C. Verlangt nun A
von B und C Schadensersatz, so ist nach dieser Einzelabwägung weiter zu prüfen, welcher
Anteil der drei Beteiligten sich bei einer Gesamtschau ihrer Verantwortung für den Unfall
ergibt. Da aus dieser Sicht A, B und C je 1/3 der Verantwortung trifft, hat A nur 1/3
seines Schadens (1.000 DM) selbst zu tragen, während er von B und C insgesamt 2/3 (2.000
DM) ersetzt verlangen kann. Die Verbindung dieser Abwägungsergebnisse (Einzel- und
Gesamtabwägung) führt zu folgender Lösung: "B und C haben an A insgesamt 2.000 DM
zu zahlen, jedoch kann jeder von ihnen nur auf Zahlung von höchstens 1.500 DM in Anspruch
genommen werden". Oder anders ausgedrückt: "A kann von B 1.500 DM, von C
ebenfalls 1.500 DM, von beiden zusammen aber nicht mehr als 2.000 DM ersetzt
verlangen". Der Ausgleich zwischen B und C bleibt auch hier dem Innenverhältnis
überlassen. Hat B die von ihm geschuldeten 1.500 DM an A gezahlt, so schuldet C ihm 500
DM als Schadensausgleich nach
§ 17 StVG. A kann, da er in Höhe von 1.500 DM
befriedigt ist, von C nur noch 500 DM beanspruchen.
Diese Lösung paßt das in solchen Fällen entstehende Gesamtschuldverhältnis unter
Wahrung seiner rechtlichen Grundstruktur den Besonderheiten des Haftpflichtrechts an, wie
sie durch das Abwägungsprinzip des § 254 BGB und verwandter Vorschriften gegeben
sind, und führt zu dem gerechten Ergebnis, daß die an einem Unfall Beteiligten den
Schaden entsprechend dem Grade ihrer Verantwortung zu tragen haben. Indem sie das Ergebnis
der Einzelabwägung mit dem der Gesamtabwägung verknüpft, vermeidet sie die Nachteile,
die der Geschädigte bisher hatte, wenn er mehrere Schädiger in Anspruch nahm. (A erhielt
bisher 1.500 DM von B und C als Gesamtschuldnern und mußte die Hälfte seines Schadens
selbst tragen). Andererseits ist durch die Festlegung des Betrages, der sich als Ergebnis
der Einzelabwägung ergibt, sichergestellt, daß kein Schädiger dem Geschädigten mehr
als die ihrem Verhältnis zueinander angemessene Schadensquote zu zahlen hat (B 1.500 DM
und C 1.500 DM). Soweit die Schuldbeträge sich decken, kommen dem Geschädigten die
Sicherung und die Vorteile zugute, die sich für ihn aus dem Wesen der Gesamtschuld
ergeben (§§ 840,
421 BGB).
Die aus der Gesamtschau zu gewinnende Schadensquote ist selbstverständlich nur zu
ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Schädiger gleichzeitig vorgeht oder wenn
sich nach der Inanspruchnahme eines Schädigers die Frage stellt, was die übrigen
Schädiger noch aufzubringen haben.
7. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall der Parteien ist von den
rechtsirrtumsfreien Einzelabwägungen des Berufungsgerichts auszugehen. Hiernach ergibt
sich bei Zugrundelegung des Gesamtschadens für das Verhältnis des Klägers zu E. eine
Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 und für das Verhältnis des Klägers zu B. die gleiche
Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes. Bei der
Gesamtschau, die sich hieran anschließen muß, ist der Schaden unter den drei Beteiligten
so zu verteilen, daß einerseits die Schadenquoten der beiden Beklagten gleich bleiben,
andererseits sowohl im Verhältnis des Klägers zu E. als auch im Verhältnis des Klägers
zu B. die Proportion 4:1 erhalten bleibt. Daher ergibt sich bei der Gesamtabwägung das
Verhältnis 4:1:1. Das bedeutet, daß der Kläger zu 4/6 (2/3) und die beiden Beklagten zu
je 1/6 verantwortlich sind, so daß der Kläger im Endergebnis 2/3 des Gesamtschadens
selbst zu tragen hat und von den Beklagten 1/3 des Gesamtschadens ersetzt erhält, wobei
er jeden Beklagten nur bis zu 1/5 dieses Schadens und B. nur nach dem
Straßenverkehrsgesetz in Anspruch nehmen kann. Da der Kläger mit dem bezifferten
Klageantrag und mit dem Feststellungsantrag nur die Hälfte des Schadens geltend gemacht
hat, ergibt sich, daß dieser Anspruch auf Ersatz der Schadenshälfte gegen E. zu 2/5,
gegen B. zu 2/5 nach dem Straßenverkehrsgesetz dem Grunde nach gerechtfertigt ist, daß
der Kläger von beiden zusammen aber nicht mehr als 2/3 dieser Schadenshälfte
beanspruchen kann.