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Beiträge des Geschädigten und von Nebentätern

Ein besonderes Problem ergibt sich dann, wenn ein eigener Schädigungsbeitrag des Geschädigten mit den Beiträgen verschiedener Nebentäter zusammentrifft. Hier kann die vom Bundesgerichtshof geforderte Einzelabwägung gegen den Beitrag des Geschädigten für jeden Schädiger ein anderes Ergebnis bringen. Alle Schädiger zusammen sollen aber nicht mehr leisten müssen, als sich bei einer Gesamtschau ihrer Beteiligung im Vergleich zu der des Geschädigten ergibt:

Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.06.1959, Az: VI ZR 95/58

Leitsatz

Mehrere Kraftfahrer, die durch verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, sind nicht Mittäter iS von BGB § 830 Abs 1 S 1. Nimmt der Geschädigte mehrere Nebentäter in Anspruch, so ist seine Mitverantwortung gegenüber jedem der Schädiger gesondert nach BGB § 254 (StVG § 17) abzuwägen (Einzelabwägung). Zusammen haben die Schädiger jedoch nicht mehr als den Betrag aufzubringen, der bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens dem Anteil der Verantwortung entspricht, die sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt tragen (Gesamtabwägung).

Fundstelle

BGHZ 30, 203 (LT1)

Tatbestand

Der Kläger fuhr am 5. September 1952 gegen 21 Uhr mit seinem Leichtmotorrad (DKW) auf der V. Straße in K. stadtauswärts. Als er sich zwischen der Kreuzung V. Straße/I. Straße und der rechtsgelegenen Tankstelle E. befand, bog der Beklagte E. mit einem Personenkraftwagen (Opel-Olympia Baujahr 1937) aus der Tankstelle nach rechts in die V. Straße ein. Der Kläger überholte den Wagen des E., wobei er zwischen den in der Mitte der Straße liegenden Straßenbahnschienen fuhr. Er stieß 22 m vor der Kreuzung V. Straße/E. Straße mit dem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen (Mercedes 170 S) des Beklagten B. zusammen, als er den Wagen des E. eben überholt hatte und noch nicht wieder nach rechts eingebogen war. Der Kläger stürzte mit seinem Motorrad und verletzte sich so schwer, daß sein linkes Bein amputiert werden mußte.

Er hat behauptet: Als E. mit seinem Wagen aus der Tankstelle herausgefahren sei, sei er, der Kläger, schon in unmittelbarer Nähe gewesen. Er sei durch E. behindert und zum Überholen gezwungen worden. Da E. wegen der rechts parkenden Fahrzeuge auf dem stadtauswärts führenden Gleis der Straßenbahn gefahren sei, habe er selbst zwischen den beiden Gleisen fahren müssen. Während er den Wagen des E. überholt habe, habe dieser seine Fahrt beschleunigt und dadurch das Überholen verzögert. Daher habe er nicht rechtzeitig wieder nach rechts hinüberlenken können. Der Beklagte B. habe zum Überholen eines vor ihm fahrenden Wagens angesetzt und sei dabei ebenfalls zwischen den Schienen gefahren. Er habe ihn, den Kläger, bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen müssen.

Der Kläger hat von den Beklagten die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangt. Die Beklagten sind der Ansicht, der Unfall sei auf das alleinige Verschulden des Klägers zurückzuführen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen E. gerichtet ist, und hat den Klageanspruch gegen B. zu 1/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten B. hat das Oberlandesgericht den Klageanspruch, soweit er sich auf das Straßenverkehrsgesetz gründet, gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner zu 2/5 des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Gegen den Beklagten E. hat das Oberlandesgericht den bezifferten Klageanspruch auch nach bürgerlichem Recht zu 2/5 dem Grunde nach bejaht.

Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die Ansprüche gegen jeden der beiden Beklagten zu einem Fünftel des Gesamtschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, jedoch zum Ausdruck gebracht, daß die beiden Beklagten zusammen für nicht mehr als insgesamt ein Drittel des Gesamtschadens aufzukommen brauchen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten E. kann keinen Erfolg haben, soweit er sich mit ihr dagegen wendet, daß das Berufungsgericht seine Ersatzpflicht zu 1/5 des Gesamtschadens des Klägers bejaht hat.

Der Beklagte B. kann mit seiner Revision ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen, daß er für den Schaden des Klägers überhaupt nicht einzustehen habe.

Beide Beklagte wenden sich aber mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht ihre Haftungsquoten von je 1/5 addiert und sie daher für 2/5 des Gesamtschadens und für 4/5 der mit der Leistungsklage geltend gemachten Schadenshälfte als Gesamtschuldner behandelt hat.

1. Zuzustimmen ist dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Mitverantwortung des Klägers gegenüber jedem Beklagten getrennt abzuwägen ist. Es hat daher mit Recht den § 254 BGB zunächst auf das Verhältnis des Klägers zum Beklagten E. angewandt und anschließend geprüft, wie der Schaden nach § 254 BGB im Verhältnis des Klägers zu dem Beklagten B. zu verteilen ist. Diese gesonderte Abwägung ist erforderlich, weil dem Kläger gegen jeden Beklagten ein selbständiger Schadenersatzanspruch zusteht. Jeder von ihnen hat eine von ihm zu verantwortende adäquate Ursache für die Entstehung des Schadens gesetzt und einen gesetzlichen Haftungstatbestand verwirklicht (§§ 823 BGB, 7, 18 StVG). Hätte der Kläger die Schadenersatzklage nur gegen einen der beiden Beklagten erhoben, so könnte er von ihm 1/5 seines Gesamtschadens (= 2/5 der eingeklagten Schadenshälfte) ersetzt verlangen. Daß er die Beklagten gleichzeitig zur Verantwortung zieht, ist kein Grund, bei der Abwägung nach § 254 BGB seiner Verantwortungssphäre eine gemeinsame Verantwortungssphäre der beiden Beklagten gegenüberzustellen.

Eine solche Kumulierung der Verantwortungssphären mehrerer Schädiger mit der Folge, daß jeder im Verhältnis zum Geschädigten für den Unfallbeitrag des anderen mitverantwortlich wäre, ließe sich nur rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des § 830 Abs 1 Satz 1 BGB vorlägen, die mehreren Schädiger also den Schaden durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht hätten. Davon kann aber hier keine Rede sein. Es mag offenbleiben, ob die Anwendung dieser Bestimmung nicht schon daran scheitern muß, daß nur dem Beklagten E. eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 BGB zur Last zu legen ist, während B. lediglich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung (§§ 7, 18 StVG) zur Verantwortung gezogen werden kann. Jedenfalls fehlt es hier an einem gemeinschaftlichen Handeln der Beklagten. Allerdings haben beide zusammen den schädlichen Erfolg herbeigeführt. Das ist aber nicht durch ein gemeinschaftliches Handeln, sondern durch mehrere selbständige Einzelhandlungen geschehen. Auf einen solchen Fall der sogenannten fahrlässigen Nebentäterschaft ist § 830 Abs 1 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. (Im Ergebnis ebenso Esser, Lehrbuch des Schuldrechts, 1949 § 317 S 434 und Erman/Drees, BGB Komm 2. Aufl § 830 Anm 4). Soweit das Reichsgericht in RGZ 58, 357 die Anwendung dieser Vorschrift an andere Voraussetzungen geknüpft hat, kann der Senat dem nicht zustimmen. Daß der Schaden durch das Zusammenwirken der mehreren Einzelhandlungen entstanden ist, kann auch dann, wenn zwischen diesen Einzelhandlungen ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, nicht ausreichen, um bei der Abwägung jeden Täter mit den Unfallbeiträgen der anderen zu belasten. Auch das Reichsgericht hat in Fällen, in denen mehrere Kraftfahrer durch verschiedene selbständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, nicht angenommen, daß die am Unfall beteiligten Fahrer Mittäter im Sinne des § 830 Abs 1 Satz 1 BGB sind.

2. Das Berufungsgericht glaubt, die Addierung der die Beklagten treffenden Schadensquoten von je 1/5 aus § 840 BGB herleiten zu können. Dabei übersieht es, daß die Beklagten nach dieser Bestimmung nur hinsichtlich 1/5 des Schadens Gesamtschuldner des Klägers sein können, denn nach § 840 Abs 1 BGB kann ein Gesamtschuldverhältnis nur insoweit entstehen, als die Verpflichtungen der Beklagten sich decken. Hier fehlt anders als in § 830 Abs 1 BGB eine Rechtsgrundlage dafür, bei der Abwägung einen einheitlichen, von beiden Beklagten gemeinsam zu vertretenden Verantwortungsbeitrag anzunehmen und ihn der Verantwortungssphäre des Klägers gegenüberzustellen. Eine solche Lösung setzte sich mit den anerkannten Grundsätzen in Widerspruch, die zu der Abwägung des § 254 BGB über die auf beiden Seiten zu berücksichtigenden Faktoren entwickelt worden sind. Sie überschritte überdies die Grenzen, die das Haftungsrecht bei der Anrechnung fremden Verschuldens zieht. Die Unbilligkeit einer derartigen Lösung liegt darin, daß sie bei mehreren Tatbeteiligten jeden Beklagten das Ausgleichs-(Insolvent-)risiko für die übrigen Nebentäter tragen läßt, dagegen den in gleicher Weise oder gar überwiegend schuldigen Kläger von diesem Risiko völlig freistellt.

3. Führen die Einzelabwägungen zu gleichen Quoten (hier beide Beklagte je 1/5), so haften die Nebentäter nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl BGHZ 12, 213, 220 und Urt v 18. Januar 1957 - VI ZR 303/55 - VRS 12, 163 Nr 75 = VersR 1957, 167; RG DR 1940, 453) als Gesamtschuldner nach § 840 BGB für diese Quote, während der Kläger den Rest des Schadens selbst zu tragen hat. Diese Lösung kann nicht befriedigen, weil sie dem Geschädigten weniger gewährt, als ihm bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens zukommen müßte. Das wird in besonderem Maße an dem Beispiel deutlich, daß Dunz in JZ 1955, 727 anführt. Haben zehn Personen durch gleichwertiges Verschulden einer elften Schaden zugefügt, so kann diese von jedem den vollen Schaden ersetzt verlangen. Ist nun einer von zehn gleichermaßen Verantwortlichen der Geschädigte, so führen die Einzelabwägungen dazu, daß im Verhältnis des Geschädigten zu jedem einzelnen Schädiger jeder von ihnen dem Geschädigten gegenüber für die Hälfte des Schadens verantwortlich ist. Wendet man die Regeln der Gesamtschuld in der Art der bisher herrschenden Praxis an, so könnte der Geschädigte insgesamt nur die Hälfte seines Schadens ersetzt verlangen, während ihm doch - die Zahlungsfähigkeit des Schädigers vorausgesetzt - die Befriedigung von neun Zehnteln des Schadens möglich gemacht werden müßte. Andererseits könnten die Schädiger im Wege des Ausgleichs erreichen, daß jeder von ihnen im Ergebnis nur ein Neuntel der Hälfte, also 1/18 aufzubringen hätte.

Dieses unbefriedigende Ergebnis der bisher herrschenden Rechtsauffassung beruht in erster Linie darauf, daß die Regeln der Gesamtschuld in diesen Fällen voreilig und schematisch angewandt worden sind. Gewiß ist auch bei Nebentätern § 840 Abs 1 BGB anzuwenden (vgl BGHZ 17, 214). Das bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die mehreren Nebentäter für den vollen Schaden haften. Dann ist die für die Gesamtschuld charakteristische Situation gegeben, daß durch die Leistung eines Schuldners das volle Gläubigerinteresse befriedigt wird. Diese Identität des Leistungsinhalts fehlt aber mindestens teilweise, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft und die Abwägung nach § 254 BGB dazu führt, daß die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind. Sie fehlt auch in dem jetzt zur Entscheidung stehenden Falle, denn die Schadensquote von 1/5, die E. auf Grund der Einzelabwägung zu leisten hat, ist mit der im Verhältnis des Klägers zu B. ermittelten Schadensquote von 1/5 weder wirtschaftlich noch auch rechtlich identisch. Durch die Erfüllung einer dieser beiden Schadensquoten erhält der Kläger noch nicht das, was ihm aus dem Schadensfall von B. und E. insgesamt gebührt. Damit ist die zweite Ursache dafür berührt, daß das Ergebnis der bisherigen Rechtspraxis nicht befriedigen kann: Die Einzelabwägung zwischen dem Unfallbeitrag des Geschädigten und dem des jeweiligen Schädigers läßt so, wie sie bisher gehandhabt wurde, einen Blick auf das gesamte Unfallgeschehen vermissen und führt daher zu einer Schadensverteilung, die bei einer Gesamtschau nicht befriedigen kann.

4. Bei dem Versuche, für diese Fälle eine angemessene Lösung zu finden, könnte man an einer Gesamtbereinigung des Unfalls in dem Sinne denken, daß der Schaden im Verhältnis der Unfallbeiträge der an der Schadensentstehung beteiligten Personen aufgeteilt und jeder nur mit der ihn treffenden Schadensquote belastet wird. Für eine Generalsabrechnung auf dieser Grundlage ließe sich der Gedanke anführen, daß alle an dem Unfall Beteiligten, auch der mitverantwortliche Verletzte (§§ 254 BGB, 17, 7, 18 StVG), in einem Gemeinschaftsverhältnis stehen, zu dessen Lösung sie in der Art verpflichtet sein könnten, daß keiner von dem entstandenen Schaden mehr zu tragen hat, als es dem § 17 StVG oder dem § 254 BGB entspricht. Dieser Weg, bei dem der Schadensausgleich zwischen den mehreren Schädigern (Innenausgleich) bereits in den Rechtsstreit des Verletzten gegen den oder die Schädiger (Außenhaftung) hereingenommen würde, ist jedoch aus mehreren Gründen nicht gangbar.

Mit einer solchen Lösung würde ein Verteilungsverfahren geschaffen, für das eine gesetzliche Grundlage fehlt. Allerdings kennt das Seerecht in § 736 HGB eine ähnliche Regelung. Ist der Zusammenstoß mehrerer Schiffe durch gemeinsames Verschulden der Besatzung der beteiligten Schiffe herbeigeführt worden, so sind die Reeder dieser Schiffe für den Schaden, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Sachen zugefügt worden ist, - anders als bei Personenschaden - nur nach Verhältnis der Schwere des auf jeder Seite obwaltenden Verschuldens zum Ersatze verpflichtet. Hier ist an Stelle der Gesamthaft die Quotenhaftung eingeführt und damit die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich beseitigt, die die Rechtspraxis sonst aus guten Gründen stets aufrechterhalten hat. Die Regelung des § 736 Abs 1 HGB gilt aber nur für dieses bestimmte Teilgebiet des Seerechts. Sie läßt sich auch auf das Recht des Kraftfahrzeugverkehrs und auch auf das allgemeine Haftpflichtrecht nicht übertragen. Vor allem ist dem § 17 StVG nichts dafür zu entnehmen, daß die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich bei einem Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen keine Geltung beanspruchen solle und daß die an dem Unfall beteiligten Fahrer und Halter dem Geschädigten gegenüber nur quotenmäßig haften sollen (vgl auch BGHZ 15, 133, 135).

Eine Quotenhaftung, wie § 736 Abs 1 HGB sie als Ausnahmeregelung vorsieht, würde den Geschädigten aber auch in vielen Fällen benachteiligen, denn sie würde ihm die Sicherung und die Vorteile nehmen, die die Gesamtschuld und die Trennung zwischen Außenhaftung und Innenausgleich ihm bieten. Bei quotenmäßiger Haftung könnte der Geschädigte in dem von Dunz angeführten Beispiel von jedem Schädiger nur 1/10 seines Schadens ersetzt verlangen, obwohl jeder der Schädiger eine adäquate Ursache zu dem Schaden gesetzt hat und den Geschädigten im Verhältnis zu dem einzelnen Schädiger ein gleichwertiges Verschulden trifft, so daß es gerechtfertigt ist, ihm gegen den einzelnen Schädiger einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zu gewähren.

Schließlich würde eine solche Quotenhaftung die Abwicklung zahlreicher Haftpflichtfälle in starkem Maße erschweren. Sehr häufig sieht der Geschädigte davon ab, alle Schadensschuldner aus einem Unfall in Anspruch zu nehmen. Er zieht es schon aus Gründen der Risikobeschränkung oft vor, den Anspruch gegen den Täter einzuklagen, hinsichtlich dessen die Voraussetzungen am leichtesten zu beweisen sind. Nach dem Prinzip der Quotenhaftung könnte in diesen Fällen die Schadensquote des Beklagten erst festgesetzt werden, nachdem der Ursachen- und Schuldbeitrag aller für den Unfall verantwortlichen Personen geklärt worden ist. In jedem Schadensersatzprozeß aus dem Gebiete des Straßenverkehrs müßte daher erörtert und geprüft werden, ob und welche andere an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Personen für den Schaden haftbar sein könnten, ohne daß diese Prüfung Rechtskraftwirkung gegenüber den Haftpflichtigen hätte, die nicht an dem Rechtsstreit beteiligt sind. Damit würden oft umfangreiche Ermittlungen notwendig, bevor ein an sich einfacher Haftpflichtprozeß entschieden werden könnte. Diese Erschwernis wäre ebenfalls nicht mit den Vorteilen zu vereinbaren, die das Gesetz, besonders § 421 BGB, dem Geschädigten - auch wenn er mit verantwortlich ist - einräumen will. Es liegt in seinem Interesse, daß der Prozeßstoff beschränkt und damit eine baldige Entscheidung ermöglicht wird.

Aus all diesen Gründen kann das aufgezeigte Problem mit Hilfe einer Quotenhaftung nicht befriedigend gelöst werden.

5. Auch die Anregung, die Dunz (JZ 1955, 727 und 1957, 371) und Engelhard (JZ 1957, 369) gegeben haben, führen zu keiner klaren Lösung, wie Dunz in seiner zweiten Abhandlung selbst einräumt.

6. Ein befriedigendes Ergebnis ist nur zu erzielen, wenn man das Prinzip der Gesamtschuld mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB (§ 17 StVG) in Einklang bringt und die Einzelabwägung mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung (Gesamtabwägung) verknüpft. Das sei an einem Beispiel verdeutlicht. A hat durch eigene Unvorsichtigkeit und durch die schuldhafte Fahrweise der Kraftfahrer B und C einen Unfallschaden erlitten. Ist der Unfallbeitrag der drei Beteiligten gleich hoch und beträgt der Schaden des A 3.000 DM, so führt die Einzelabwägung dazu, daß der Unfallbeitrag des A im Verhältnis zu dem des B gleich hoch ist (1:1). Daher hat A von B 1.500 DM zu beanspruchen. Das gleiche gilt für das Verhältnis des A zu C. Verlangt nun A von B und C Schadensersatz, so ist nach dieser Einzelabwägung weiter zu prüfen, welcher Anteil der drei Beteiligten sich bei einer Gesamtschau ihrer Verantwortung für den Unfall ergibt. Da aus dieser Sicht A, B und C je 1/3 der Verantwortung trifft, hat A nur 1/3 seines Schadens (1.000 DM) selbst zu tragen, während er von B und C insgesamt 2/3 (2.000 DM) ersetzt verlangen kann. Die Verbindung dieser Abwägungsergebnisse (Einzel- und Gesamtabwägung) führt zu folgender Lösung: "B und C haben an A insgesamt 2.000 DM zu zahlen, jedoch kann jeder von ihnen nur auf Zahlung von höchstens 1.500 DM in Anspruch genommen werden". Oder anders ausgedrückt: "A kann von B 1.500 DM, von C ebenfalls 1.500 DM, von beiden zusammen aber nicht mehr als 2.000 DM ersetzt verlangen". Der Ausgleich zwischen B und C bleibt auch hier dem Innenverhältnis überlassen. Hat B die von ihm geschuldeten 1.500 DM an A gezahlt, so schuldet C ihm 500 DM als Schadensausgleich nach § 17 StVG. A kann, da er in Höhe von 1.500 DM befriedigt ist, von C nur noch 500 DM beanspruchen.

Diese Lösung paßt das in solchen Fällen entstehende Gesamtschuldverhältnis unter Wahrung seiner rechtlichen Grundstruktur den Besonderheiten des Haftpflichtrechts an, wie sie durch das Abwägungsprinzip des § 254 BGB und verwandter Vorschriften gegeben sind, und führt zu dem gerechten Ergebnis, daß die an einem Unfall Beteiligten den Schaden entsprechend dem Grade ihrer Verantwortung zu tragen haben. Indem sie das Ergebnis der Einzelabwägung mit dem der Gesamtabwägung verknüpft, vermeidet sie die Nachteile, die der Geschädigte bisher hatte, wenn er mehrere Schädiger in Anspruch nahm. (A erhielt bisher 1.500 DM von B und C als Gesamtschuldnern und mußte die Hälfte seines Schadens selbst tragen). Andererseits ist durch die Festlegung des Betrages, der sich als Ergebnis der Einzelabwägung ergibt, sichergestellt, daß kein Schädiger dem Geschädigten mehr als die ihrem Verhältnis zueinander angemessene Schadensquote zu zahlen hat (B 1.500 DM und C 1.500 DM). Soweit die Schuldbeträge sich decken, kommen dem Geschädigten die Sicherung und die Vorteile zugute, die sich für ihn aus dem Wesen der Gesamtschuld ergeben (§§ 840, 421 BGB).

Die aus der Gesamtschau zu gewinnende Schadensquote ist selbstverständlich nur zu ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Schädiger gleichzeitig vorgeht oder wenn sich nach der Inanspruchnahme eines Schädigers die Frage stellt, was die übrigen Schädiger noch aufzubringen haben.

7. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall der Parteien ist von den rechtsirrtumsfreien Einzelabwägungen des Berufungsgerichts auszugehen. Hiernach ergibt sich bei Zugrundelegung des Gesamtschadens für das Verhältnis des Klägers zu E. eine Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 und für das Verhältnis des Klägers zu B. die gleiche Schadensverteilung von 4/5 zu 1/5 im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes. Bei der Gesamtschau, die sich hieran anschließen muß, ist der Schaden unter den drei Beteiligten so zu verteilen, daß einerseits die Schadenquoten der beiden Beklagten gleich bleiben, andererseits sowohl im Verhältnis des Klägers zu E. als auch im Verhältnis des Klägers zu B. die Proportion 4:1 erhalten bleibt. Daher ergibt sich bei der Gesamtabwägung das Verhältnis 4:1:1. Das bedeutet, daß der Kläger zu 4/6 (2/3) und die beiden Beklagten zu je 1/6 verantwortlich sind, so daß der Kläger im Endergebnis 2/3 des Gesamtschadens selbst zu tragen hat und von den Beklagten 1/3 des Gesamtschadens ersetzt erhält, wobei er jeden Beklagten nur bis zu 1/5 dieses Schadens und B. nur nach dem Straßenverkehrsgesetz in Anspruch nehmen kann. Da der Kläger mit dem bezifferten Klageantrag und mit dem Feststellungsantrag nur die Hälfte des Schadens geltend gemacht hat, ergibt sich, daß dieser Anspruch auf Ersatz der Schadenshälfte gegen E. zu 2/5, gegen B. zu 2/5 nach dem Straßenverkehrsgesetz dem Grunde nach gerechtfertigt ist, daß der Kläger von beiden zusammen aber nicht mehr als 2/3 dieser Schadenshälfte beanspruchen kann.

Akzeptiert man die Grundentscheidung des BGH (dazu Lange, § 10 XIII 3; Koch, NJW 1967, 181; Keuck, AcP 167, 175; Selb, JZ 1975, 193), so begegnet man Berechnungsfragen, die mit Hilfe folgender Formeln allgemein gelöst werden können (Eigner, JZ 1978, 50). Die von jedem einzelnen Schädiger geschuldete Einzelquote (ai) beträgt wobei g und si die Beteiligungsbeiträge des Geschädigten G und des jeweiligen Täters Si zum Gesamtschaden sind. Die Summe aller Beiträge (einschließlich des Geschädigtenbeitrages) beträgt notwendig 1. Jeder Einzelbeitrag hat einen Wert zwischen 0 und 1. Die Schädigergesamtquote, über die das Ersatzbegehren nicht hinausgehen darf, ist die Summe der Beteiligungsbeiträge (nicht der geschuldeten Einzelquoten!) . Die von Eigner angegebene Formel ist redundant, da der Nenner sämtliche Beiträge erfasst und damit notwendig 1 beträgt. Sollten die Beteiligungsbeiträge nicht bekannt, die geschuldeten Einzelquoten dagegen bekannt sein, so errechnet sich die Schädigergesamtquote aus

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Die Problemlage wird noch komplexer, wenn die Zurechnungsfaktoren für einzelne Nebentäter identisch sind und diese Nebentäter zu einer Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit zusammengefasst werden. Derartige Zurechnungseinheiten nimmt die Rechtsprechung z.B. zwischen Fahrer und Halter eines Kfz oder zwischen Geschäftsherrn und Gehilfen aber auch dann an, wenn bloß faktisch die Tatbeiträge mehrerer vor der Verletzung des Geschädigten zu einem schadensverursachenden Faktor verschmolzen sind (vgl. Lange, § 10 XIII 4; E. Lorenz, Die Lehre von den Haftungs- und Zurechnungseinheiten und die Stellung des Geschädigten in Nebentäterfällen, 1979, S. 20 ff.). Die von der Zurechnungseinheit zu leistende Quote errechnet sich, wenn neben der Zurechnungseinheit noch weitere Nebentäter verantwortlich sind, nach der angeführten Formel. Dabei nimmt die Zurechnungseinheit die Si-Stelle ein. Jedes Mitglied der Zurechnungseinheit haftet dem Geschädigten gegenüber auf die so errechnete Quote. Insgesamt aber haftet die Zurechnungseinheit nur einmal auf diese Quote. Die Mitglieder können untereinander Ausgleich suchen.

Insgesamt ist es unbefriedigend, wie die Rechtsprechung das Aufeinandertreffen eines eigenen Schädigungsbeitrags des Geschädigten mit den Schädigungsbeiträgen mehrerer Nebentäter behandelt. Die geforderte Einzelabwägung führt zu überaus komplizierten Rechenoperationen und steht im unerklärten Wertungswiderspruch zur Gesamtschuldhaftung der Nebentäter für den Fall, dass ein Eigenbeitrag des Geschädigten nicht anzurechnen ist. Dieser Wertungswiderspruch lässt sich nur dahin auflösen, dass auch bei einem Schädigungsbeitrag des Geschädigten der Schadensfall nach Gesamtschuldregeln abgewickelt wird. Das bedeutet zunächst, dass die Nebentäter jedenfalls auf den Teil des Schadens, der nach Abzug des den Geschädigten treffenden Selbstbehalts bleibt, gesamtschuldnerisch haften. Zugleich kann man aber auch den Geschädigten wegen seines Beitrages sich selbst gegenüber als Quasischuldner ansehen und in den Gesamtschuldnerverband einstellen (vgl. dazu E. Lorenz, S. 34 ff.). Das hat für das Außenverhältnis gegenüber den Nebentätern keine Konsequenzen; denn die haften schon wegen § 254 BGB immer nur auf den um den Eigenbeitrag des Geschädigten gekürzten Schaden. Für das Innenverhältnis aber ergibt sich über eine entsprechende Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB die wünschenswerte Beteiligung des Geschädigten am Ausfallrisiko eines für den Schaden mitverantwortlichen Schuldners (E. Lorenz, S. 49 f.). Hinsichtlich der Behandlung von Haftungs- und Zurechnungseinheiten ist zu differenzieren. Im Außenverhältnis führt eine derartige Einheit nur dann zu einer Haftungsänderung, wenn der Beitrag eines Dritten dem Geschädigten zugerechnet werden kann. Die Zurechnungsmöglichkeiten richten sich nach den allgemeinen Kriterien und sollten darüber hinaus nicht durch Haftungs- und Zurechnungseinheiten erweitert werden. Für das Ausgleichsverhältnis ist zu fragen, welches die tragenden Gesichtspunkte für die Annahme einer Haftungs- und Zurechnungseinheit sind. Kommt die Einheit dadurch zustande, dass aufgrund von Sondervorschriften des Haftpflichtrechts (§§ 278, 831, 832 BGB oder § 7 StVG) jemand für den von einem anderen herbeigeführten Schaden einzustehen hat, dann haftet die Einheit gesamtschuldnerisch auf die Quote, die nach dem Beitrag des Handelnden bemessen wird. Ohne Sondervorschriften der genannten Art, wenn also lediglich faktisch die Tatbeiträge mehrerer vor der Verletzung des Geschädigten zu einem Verletzungsfaktor verschmolzen sind, ist für jedes Mitglied der Einheit eine besondere Quote festzusetzen, deren Summierung selbstverständlich nicht über den Beitrag der Einheit zum Gesamtschaden hinausgehen darf (E. Lorenz, S. 42 ff.).

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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