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Mehrere Schadensbeiträge ohne Mitwirkung des Geschädigten
Für das Zusammentreffen mehrerer Schädigungsbeiträge ohne einen Beitrag des
Geschädigten hält das Gesetz in
§ 840 BGB eine einfache Lösung bereit. Die
mehreren Schädiger haften als Gesamtschuldner, wenn sie auch einzeln für den Schaden
verantwortlich sind. Ob sie auch einzeln für den Schaden verantwortlich sind, richtet
sich danach, ob sie einen Haftungstatbestand verwirklicht haben. Das kann in der Form der
Nebentäterschaft, in der Form der Mittäterschaft oder in der Form der Anstiftung oder
der Beihilfe zur Tatverwirklichung durch einen anderen der Fall sein. Für die
Nebentäterschaft finden wir keine ausdrückliche Anordnung im Gesetz. Bei ihr versteht es
sich aber von selbst, dass alle Nebentäter je für sich auf den gesamten Schaden und
damit als Gesamtschuldner haften, weil Nebentäter völlig unabhängig voneinander das
Haftungs- und Schadensereignis in einer haftbar machenden Weise verwirklicht haben. Einer
spezifischen Anordnung bedurfte es dagegen für Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Sie
brauchen ja nicht alle mit Hand angelegt zu haben. Ihre Haftung ist in
§ 830
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB angeordnet.
§ 830 Abs. 1
Satz 2 enthält darüber hinaus noch eine Anordnung für den Fall, dass sich nicht
ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht
hat.
Gerade die letzte Möglichkeit könnte die Teilnahme an Demonstrationen, die mit Gewalt
gegen Personen oder Sachen enden, außerordentlich gefährlich machen. Dem hat der BGH
allerdings in der Grohnde-Entscheidung einen Riegel vorgeschoben:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 24.01.1984, Az: VI ZR 37/82
Leitsatz
1. ...
2. Zur Frage, unter welchen Umständen eine Teilnahme an Tätlichkeiten während einer
teilweise unfriedlich verlaufenden Großdemonstration angenommen werden kann.
3.
BGB § 830 Abs 1 S 2 ist nicht zur Überwindung von Zweifeln hinsichtlich der
Teilnahme an einer unerlaubten Handlung entsprechend anwendbar.
Orientierungssatz
1. ...
2. Die Mittäterschaft des Teilnehmers an einer Großdemonstration in subjektiver
Hinsicht aktualisiert sich, solange er nicht bei der konkreten Planung mitwirkt oder diese
in leitender Funktion zur Durchführung bringt, mithin gezielt gewalttätige Aktionen
lenkt, im allgemeinen erst durch die Solidarisierung mit anderen gewalttätigen
Demonstranten oder Teilgruppen an Ort und Stelle.
3. Eine Ausdehnung der zivilrechtlichen Haftung für die bei einer Großdemonstration
angerichteten Schäden auf "passiv" bleibende Demonstranten (Sympathisanten) ist
verfassungswidrig, weil sie die Ausübung des Demonstrationsrechts mit einem
unkalkulierbaren und untragbaren Risiko verbindet und so das Recht auf öffentliche
Kundgebung der Meinung unzulässig beschränkt.
4. Einer pauschalen Haftung des Demonstrationsteilnehmers, der sich aktiv an einzelnen
Gewalttaten beteiligt, für alle anläßlich der Großdemonstration entstandenen Schäden
steht entgegen, daß sie den Mittätern oder Gehilfen unterschiedslos auch das zurechnet,
was von ihrem Willen nicht mehr gedeckt ist.
5.
StGB § 125 ist kein Schutzgesetz iSv
BGB § 823 Abs 2 zugunsten der bei
einer Demonstration eingesetzten Ordnungskräfte oder des mitgeführten Materials.
6. Wer auf einer Großdemonstration vor Polizeibeamten, die die Demonstration auflösen
und die Demonstranten zurückdrängen wollen, nicht gleich zurückweicht, bekundet damit
allein noch keinen Willen zur Gewaltanwendung oder zur Förderung von Gewalttaten der
Mitdemonstranten.
Fundstelle
BGHZ 89, 383-400 (LT1-3)
Klar ist, dass
§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB auch nicht herangezogen werden
kann, wenn feststeht, dass einer der Beteiligten etwa wegen Deliktsunfähigkeit gar nicht
haften müsste. Da er es gewesen sein könnte, dessen Handlung zu dem Schaden geführt
hat, entfällt die Haftung für alle. Dem entspricht es, wenn der BGH den folgenden
Grundsatz zur Anrechnung von Mitverschulden aufstellt:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 15.06.1982, Az: VI ZR 309/80
Leitsatz
Trifft den Geschädigten gegenüber einem von zwei nach
§ 830 Abs. 1
S. 2 BGB aus alternativer Verursachung haftenden Beteiligten ein Mitverschulden, so
kann auch der andere Beteiligte, wenn sein Verursachungsbeitrag nicht positiv festgestellt
ist, nur zu der geringsten (hypothetischen) Haftungsquote verurteilt werden.
Fundstelle
VersR 1982, 878-879 (LT1)
NJW 1982, 2307-2307 (LT1)
Im Umweltrecht bietet häufig das Problem der additiven Kausalität Schwierigkeiten. Es
ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Immissionen nur im Zusammenwirken zu dem
Schadensereignis geführt haben können. Der BGH behandelt dann die verschiedenen
Immittenten als Gesamtschuldner:
Gericht: BGH 3. Zivilsenat, Datum: 22.11.1971, Az: III ZR 112/69
Leitsatz
Gelangen in ein Gewässer aus mehreren Anlagen im Sinn des
WHG § 22 Abs 2
schädliche Stoffe, von denen jeder geeignet ist, zumindest im Zusammenwirken mit den
übrigen Schadensstoffen einen bestimmten Schaden herbeizuführen, so haftet
grundsätzlich jeder Inhaber einer einzelnen Anlage für den vollen Schaden als
Gesamtschuldner, ohne daß der Geschädigte die Kausalität des Schadensbeitrages aus der
einzelnen Anlage für den eingetretenen Schaden nachweisen müßte.
Fundstelle
NJW 1972, 205-205
BGHZ 57, 257-264 (LT1)
Gericht: BGH 5. Zivilsenat, Datum: 13.02.1976, Az: V ZR 55/74
Orientierungssatz
Zum Zwecke der Abwehr ortsüblicher Beeinträchtigungen können selbst aufwendige
Maßnahmen zuzumuten sein, jedoch nicht in dem Ausmaß, daß schon jede mögliche
schädigende Einwirkung verhütet wird.
Sonstiger Orientierungssatz
1. Einem Ausgleichsanspruch nach
BGB § 906 Abs 2 S 2 steht nicht entgegen, daß
die die unzumutbare Beeinträchtigung (hier: Risse an Häusern infolge von Sprengungen in
Steinbrüchen) verursachende, nach dem Gesamtbild ortsübliche Benutzung des störenden
Grundstücks in Einzelfällen die Grenzen des Ortsüblichen möglicherweise
überschreitet.
2. Beeinträchtigen gleichartige, je für sich wesentliche Einwirkungen zweier
Immittenten zusammen die ortsübliche Benutzung des benachbarten Grundstücks über das
zumutbare Maß hinaus, so hat jeder Immittent nach Maßgabe der von ihm verursachten
Beeinträchtigung angemessenen Ausgleich zu leisten.
3. Der für sich oder der in Verbindung mit dem anderen wirksame Ursachenbeitrag eines
jeden Immittenten ist gegebenenfalls nach
ZPO § 287 zu schätzen.
4. Für den nur durch das Zusammenwirken beider Immittenten verursachten Schadenteil
("progressive Schadenssteigerung") haften beide als Gesamtschuldner.
Fundstelle
BGHZ 66, 70
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