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Beschaffenheitsvereinbarung und Umweltbeziehungen

Wie bereits erörtert wollte der Gesetzgeber den Begriff der Beschaffenheit in § 434 Abs. 1 S. 1 BGB nicht abschließend definieren. Dazu hat er ausgeführt:"Insbesondere soll nicht entschieden werden, ob er nur Eigenschaften erfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften, oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen"  (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 213). Damit hat der Gesetzgeber die Bestimmung der äußeren Grenzen des Beschaffenheitsbegriffes Rechtsprechung und Lehre überlassen. Bei der Lösung dieses Problems ist zu bedenken, dass der Käufer einer Kaufsache, die in bestimmten Aspekten hinter dem vertraglich vereinbarten Pflichtenprogramm zurückbleibt, auch dann nicht schutzlos gestellt ist, wenn man einigen dieser Aspekte die Eigenschaft, Beschaffenheitsmerkmal zu sein, abspricht. Im Gegenteil: Der Verkäufer haftet dann nämlich unmittelbar nach §§ 280 ff. BGB, also nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht, welches - etwa hinsichtlich der verkürzten Verjährungsfrist im kaufrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht (vgl. § 438 BGB) - grundsätzlich käuferfreundlicher ist als das das allgemeine Leistungsstörungsrecht modifizierende Gewährleistungsrecht. Die mit diesen Modifizierungen verbundenen spezifisch kaufrechtlichen Wertungen gebieten es aber gerade, den Beschaffenheitsbegriff nicht einer konturenlosen Ausuferung preiszugeben: Sie machen nämlich nur dann Sinn, wenn die haftungsbegründende Pflichtverletzung ihren tieferen Grund in der Kaufsache selbst hat. Demnach ist es auch im neuen Recht erforderlich, den Begriff der Beschaffenheit der Kaufsache konturenscharf zu definieren (a.A. mit beachtlichen Erwägungen Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rdnrn. 306 ff.; Berger, JZ 2004, 276).      

Zur Beschaffenheit der Kaufsache zählen in erster Linie und unproblematisch die körperlichen Merkmale der Sache. Unkörperliche Eigenschaften der Sache können - entsprechend der ständigen Rechtsprechung und herrschenden Meinung zum Fehlerbegriff des alten Rechts - nur dann Beschaffenheitsmerkmale sein, wenn es sich bei ihnen um Beziehungen der Sache zur Umwelt handelt, die wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen. Dabei kann es sich um tatsächliche, wirtschaftliche, rechtliche oder soziale Umweltbeziehungen handeln (Putzo, in: Palandt, § 434, Rdnrn. 11 und 14). Typische Beispiele für tatsächliche Umweltbeziehungen, die Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein können, sind etwa die Lage des verkauften Grundstückes oder die Herkunft der verkauften Sache. Dabei ist mit Herkunft sowohl die geographische Herkunft eines Argarprodukts als auch die Herstellung eines Werkes durch einen bestimmten Künstler gemeint. Stammt etwa der gelieferte Wein aus einem anderen Anbaugebiet als vereinbart und führt dies  nicht zur Annahme einer Falschlieferung gemäß § 434 Abs. 3 BGB, so weist der Wein nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf. Ebenso entspricht ein Bild, das nicht von dem Künstler stammt, den beide Parteien gemeinsam als Maler vorausgesetzt haben, nicht der vereinbarten Beschaffenheit  (OLG Frankfurt, NJW 1993, 1477).

Bei den einen Sachmangel begründenden rechtlichen Beziehungen der Sache zur Umwelt stellt sich das bereits angesprochene Problem der Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsmangel. Dabei gestaltet sich die Abgrenzung insbesondere bei öffentlich - rechtlichen Nutzungsbeschränkungen besonders schwierig. Allerdings ist die Abgrenzung im Hinblick auf die in der Schuldrechtsreform vorgenommene Angleichung der Rechtsfolgen der Haftung für Sach- und Rechtsmängel nicht mehr von praktischer Relevanz. Wenn man bei Fallbearbeitungen nach neuem Recht die Frage, ob ein bestimmter vertragswidriger Umstand einen Sachmangel oder einen Rechtsmangel bildet, nicht offen lassen möchte (obwohl dies im Hinblick auf die Rechtsfolgenparallelität der Sach- und Rechtsmangelhaftung ohne weiteres möglich wäre), bietet es sich an, an die zum alten Recht zur Abgrenzung entwickelten Lösungen anzuknüpfen.    

Hier hatte sich in der Lehre überwiegend der Ansatz durchgesetzt, der eine rechtliche Beziehung der Sache zur Umwelt dann zur Beschaffenheit rechnete, wenn sie ihrerseits mit der Beschaffenheit der Sache oder deren Lage zusammenhing, also letztlich in der Sache wurzelte. Unter dieser Voraussetzung hielt man nämlich zu Recht die spezifisch kaufrechtlichen Wertungen des Sachmängelrechts (und insbesondere die kurze Verjährung nach § 477 BGB a.F.) für einschlägig.

Nach dieser aufs neue Recht ohne weiteres übertragbaren Lösung ist z.B. bei bauplanungsrechtlich begründeten Baubeschränkungen von einem Sachmangel auszugehen, da die bauplanungsrechtliche Bebaubarkeit eines Grundstücks an die Lage des Grundstücks anknüpft (Saenger, in: Handkommentar zum BGB, § 434 Rdnr. 9; vgl. auch die Rechtsprechung zum alten Recht: RGZ 131, 343, 348 f.; BGH NJW 1969, 837; BGHZ 117, 159, 162 f.; vgl. auch Johlen, NJW 1979, 1531 m.w.N.). Das gleiche muss auch für behördliche Eingriffe und Beschränkungen in Bezug auf ein Grundstück gelten, das mit Altlasten verseucht ist, da auch hier die Eingriffsbefugnis der Behörden ihren Grund in der physischen Beschaffenheit des Bodens in Form von Verunreinigungen hat (Knoche, NJW 1995, 1985, 1986). Ferner vertrat der BGH auch zum alten Recht die aufs neue Recht übertragbare Ansicht, dass solche Mängel, die die Befugnis einer Behörde zur Beschlagnahme der verkauften Sache begründen, einen Rechtsmangel darstellen, da sie dadurch gekennzeichnet seien, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen könne (BGHZ 113, 106, 112; BGH NJW 1983, 275).

Ein Beispiel für eine einen Beschaffenheitsmangel begründende soziale Beziehung einer Sache zur Umwelt ist der schlechte Ruf, der dem Kaufgegenstand (z.B. einem Gewerbebetrieb) als Makel anhaftet. So hat das RG etwa einen Beschaffenheitsmangel bejaht, wenn sich nach dem Kauf herausstellt, dass ein als "Pension" verkaufter Geschäftsbetrieb "in Wirklichkeit ein der Unzucht dienendes Absteigequartier" ist (RGZ 67, 86, 90).

Die Frage, ob unrichtige Angaben über die vor der Veräußerung erzielten Umsätze eines Unternehmens als von der Sollbeschaffenheit ungünstig abweichende wirtschaftliche Beziehungen einer Sache zur Umwelt einen Beschaffenheitsmangel begründen, war im alten Recht umstritten. Dieser Streit wird wohl auch im neuen Recht mit den gleichen Argumenten ausgetragen werden. Im alten Recht war der Meinungsstand wie folgt: Der BGH sah in der Angabe über den vergangenen Umsatz oder Ertrag eines Unternehmens keine Beschaffenheitsvereinbarung, da der Umsatz auch stark von der Marktlage und vom Unternehmer selbst abhängig sei und daher nicht definitionsgemäß in der Sache wurzele (BGH NJW 1970, 653, 654 m. kritischer Anmerkung von Putzo). Dem ist in der Literatur entgegengehalten worden, dass aussagekräftiges Zahlenmaterial durchaus Aufschluss über die Funktionstauglichkeit des Unternehmens geben könne, so dass insoweit für den Käufer ungünstige Abweichungen von der Wirklichkeit der Risikosphäre des Verkäufers zugerechnet werden müsse. Die durch Vorlage von Bilanzen gemachten Angaben über vergangenen Umsatz und Ertrag waren dieser Ansicht nach Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung, wenn sie erkennbar den Vertragszweck des Käufers bestimmen (MüKo/H.P. Westermann, § 459 Rdnr. 54).

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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