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Der Verlust gemäß Art. 74 CISGDer Schadensersatzanspruch des Art. 45 Abs. 1 b CISG setzt einen ersatzfähigen Schaden voraus. Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruches werden durch Art. 74 CISG geregelt. Nach Art. 74 Satz 1 CISG ist der infolge der Vertragsverletzung entstandene Verlust einschließlich des entgangenen Gewinns zu ersetzen. Damit ist der gesamte kausal durch die Vertragsverletzung herbeigeführte Verlust gemeint, ohne dass es dabei auf die im kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsrecht des BGB so wichtige Abgrenzung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden ankäme (Reinhart, UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 2). Art. 74 Satz 1 CISG basiert auf dem Grundsatz der Totalreparation und erfasst daher bei der Lieferung einer mangelhaften Sache auch die sogenannten Mangelfolgeschäden, die infolge des Mangels des Kaufgegenstandes an einem anderen Rechtsgut des Käufers auftreten. Auch im BGB-Kaufrecht werden Mangelfolgeschäden nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 bzw. nach §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1 und 3, 281 bzw. 283 BGB ersetzt, wobei lediglich darüber diskutiert wird, ob Mangelfolgeschäden unter § 280 Abs. 1 bzw. §§ 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. §§ 281 ff. BGB fallen. Der Schaden wird nach Art. 74 Satz 1 CISG in Geld geleistet und ist demnach nicht wie grundsätzlich nach § 249 BGB in Natur zu ersetzen (vgl. Herber/Czerwenka, Art. 74 Rdnr. 4). Dies ist jedoch nur auf den ersten Blick ein Unterschied zwischen CISG und BGB. Für die für das kaufvertragliche Leistungsstörungsrecht relevanten Ansprüche auf Schadensersatz "statt der Leistung" (§§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1 und 3, 281 ff. BGB) ist nämlich mit der bisher zum alten Recht herrschenden Meinung davon auszugehen, dass auch sie in Abweichung von § 249 BGB grundsätzlich nur auf Geldersatz gerichtet seien. Dies ergibt sich daraus, dass ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch im Ergebnis nur zu der bei einem Vorgehen nach §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1 und 3, 281 ff. BGB gar nicht mehr geschuldeten Erfüllung führe. Bei den Ansprüchen aus §§ 281 ff. BGB tritt aber ein Schadensersatzanspruch in Geld an die Stelle des primären Erfüllungsanspruchs ("Schadensersatz statt der Leistung"). Nacherfüllung kann indes lediglich im Rahmen des §§ 437 Nr. 1, 439 BGB verlangt werden (vgl. die kritische Darstellung zum alten Recht bei MüKo/Emmerich, § 280 Rdnr. 11 f.; RGZ 127, 245, 248). Der nach Art. 74 Satz 1 CISG grundsätzlich erstattungsfähige Verlust wird durch die Vorhersehbarkeitsregel des Art. 74 Satz 2 CISG begrenzt. Nach Art. 74 Satz 2 CISG wird nur derjenige Verlust erstattet, den die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsschluss als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen müssen. Bei Anwendung dieser Regel auf die verschiedenen Schadensarten ergibt sich, dass der Nichterfüllungsschaden grundsätzlich vorhersehbar ist, da die Höhe dieses Schadens in der Regel von Faktoren abhängt (z.B. Marktverhältnisse), die der Schuldner kennt oder kennen muss. Daher wird Art. 74 Satz 2 CISG namentlich bei den sogenannten Folgeschäden relevant. Dies sind vor allem die sogenannten Haftungsschäden (Haftung des Gläubigers infolge der Nichterfüllung), der entgangene Gewinn sowie die Mangelfolgeschäden. Die Anwendung des Art. 74 Satz 2 CISG auf den entgangenen Gewinn ergibt, dass dieser nur erstattet wird, wenn der Schuldner mit einer Weiterveräußerung der Ware rechnen musste. Dies wird beim Kaufmann stets - widerlegbar - vermutet. Gleiches gilt für die Haftungsschäden. Auch hier muss der Käufer schon beim Abschluss des Kaufvertrages damit rechnen, dass sich der Verkäufer gegenüber Abnehmern haftbar macht, wenn er dem Verkäufer gegenüber vertragswidrig leistet (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 41 f.). Eine solche Begrenzung bei Haftungsschäden und entgangenem Gewinn, die in der Praxis eine große Rolle spielen, kennt das interne deutsche Kaufrecht nicht. Insbesondere daher wird die Haftung des Verkäufers nach dem BGB als gegenüber dem CISG "härter" eingestuft (Mitschke, BB 1997, 1494, 1497). Demgegenüber sind die Mangelfolgeschäden wiederum grundsätzlich vorhersehbar. Art. 74 Satz 2 CISG schließt hier lediglich die Haftung für solche Schäden aus, die auf atypischen Kausalverläufen beruhen (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 44). Damit bleibt es hinsichtlich der Mangelfolgeschäden bei dem bereits Gesagten: Sie werden im CISG grundsätzlich einheitlich nach Art. 45 Abs. 1 b CISG ersetzt. Die Haftungsbeschränkung des Art. 74 Satz 2 CISG ist den auf Nichterfüllung gerichteten Schadensersatzansprüchen des BGB fremd (Coester-Waltjen, Jura 1997, 637,639). Bei näherer Betrachtung erfüllt sie jedoch eine ähnliche Funktion wie die Adäquanztheorie und die Zurechnungslehre (Schutzzwecklehre) des internen deutschen Zivilrechts. |
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