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Verlust
Kombination

Der Schadensersatzanspruch gemäß Art. 45 Abs. 1 b CISG

Der Schadensersatzanspruch gemäß Art. 45 Abs. 1 b CISG kann bejaht werden, wenn

bulleteine Vertragsverletzung des Verkäufers vorliegt,
bulletdie Vertragsverletzung zu einem ersatzfähigen Verlust gemäß Art. 74 CISG geführt hat und
bulletsich der Verkäufer nicht von seiner Ersatzpflicht nach Artt. 79, 80 CISG befreien kann
bulletdem Schadensersatzverlangen kein Recht des Verkäufers zur Mangelbehebung gemäß Art. 48 CISG entgegensteht und dieses nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 49 CISG zur Vertragsrückabwicklung führt

Vertragsverletzung: Wie wir bereits gesehen haben, versteht man unter "Vertragsverletzung" jede Form der Nichterfüllung einer Vertragspflicht (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 7). Die Nichterfüllung kann auf der Lieferung einer sach- oder rechtsmängelbehafteten Sache, auf der Lieferung eines aliuds, auf der nicht rechtzeitigen Erfüllung, auf der Unmöglichkeit der Erfüllung oder auf der Verletzung einer sonstigen Vertragspflicht bestehen. Diese Umstände können auch nach dem BGB-Kaufrecht einen Schadensersatzanspruch des Verkäufers begründen. Allerdings ist hier an eine Vielzahl verschiedener Anspruchsgrundlagen zu denken: §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. 286, Abs. 3 i.V.m. 281 bzw. 282 bzw. 283, 311a Abs. 2 BGB. Damit sticht bereits ein Vorteil des Leistungsstörungsrechts des CISG gegenüber dem BGB-Kaufrecht ins Auge, der allerdings durch die Schuldrechtsreform erheblich verringert wurde: Anders als im BGB gibt es nicht mehrere verschiedene Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz; vielmehr beschränkt sich das CISG insoweit auf eine einzige Vorschrift! Lediglich die c.i.c. wird nicht von Art. 45 Abs. 1 b CISG erfasst. Sie ist, wie wir bereits gesagt haben, im CISG bewusst überhaupt nicht geregelt (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 11).

Gegenüber den vorgenannten Schadensersatzansprüchen im Leistungsstörungsrecht des BGB fällt auf, dass Art. 45 Abs. 1 b CISG als verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet ist, während die Schadensersatzansprüche des BGB als Haftung für vermutetes Verschulden konzipiert sind, so dass der Verkäufer sich durch den Beweis des Nichtvertretenmüssens von der Haftung befreien kann (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 S. 3 BGB). Allerdings zeigt die Befreiungsmöglichkeit nach Artt. 79, 80 CISG eine dem § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Interessenbewertung. Ferner könnte man bei unbefangener Lektüre des Art. 45 Abs. 1 b CISG meinen, dass das CISG "schadensersatzfreundlicher" ausgestaltet ist als das generell dem Prinzip des Vorranges der Nacherfüllung unterliegende BGB-Kaufrecht (Ausnahmen: 280 Abs. 1, 281 Abs. 2, 282, 283, 311a Abs. 2, 440 BGB), das, soweit das Sinn macht, den Schadensersatzanspruch an den fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung knüpft (Ausnahmen: 280 Abs. 1, 281 Abs. 2, 282, 283, 311a Abs. 2, 440 BGB). Dieser erste Eindruck täuscht indes. Der Verkäufer kann nämlich ebenso wie bei der Minderung das Schadensersatzbegehren abwenden, wenn er von seinem Mangelhebungsrecht aus Art. 48 CISG Gebrauch macht. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann der Käufer auch beim Vorliegen einer einfachen, nicht wesentlichen Vertragsverletzung aus Art. 45 Abs. 1 b CISG den kleinen Schadensersatz ersetzt verlangen, also die Sache behalten und den mangelbedingten Minderwert nebst Folgeschäden liquidieren (vgl. Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 74 Rdnr. 5). Ferner darf das Schadensersatzverlangen nicht dazu führen, dass die Wertungen des Art. 49 CISG unterlaufen werden, wonach Vertragsaufhebung "ultima ratio" ist. Dies wäre aber der Fall, wenn der Käufer trotz des Nichtvorliegens der Rücktrittsvoraussetzungen des Art. 49 CISG unter den erheblichen niedrigeren Anforderungen des Art. 45 Abs. 1 b CISG "großen Schadensersatz" (Rückgabe der Kaufsache gegen Ersatz des gesamten Nichterfüllungsschadens) verlangen könnte. Daher ist Art. 45 Abs. 1 b CISG in systematischer Auslegung so zu verstehen, dass man aus ihm einen Anspruch auf "großen Schadensersatz" nur ableiten kann, wenn zugleich die Voraussetzungen des Art. 49 CISG erfüllt sind und der Käufer mit dem Schadensersatzverlangen konkludent (und rechtzeitig: vgl. Art. 49 Abs. 2 CISG) den Rücktritt erklärt hat (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 45, Rdnr. 27). Damit ist das CISG bei näherer Betrachtung keineswegs schadensersatzfreundlicher als das BGB-Kaufrecht. Es gewährt lediglich dann im Hinblick auf den Vorrang der Nacherfüllung voraussetzungslos Schadensersatz, wenn der Schaden durch Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden kann (z.B. Verzögerungsschaden) oder wenn der Schaden, das Integritätsinteresse des Käufers betrifft, also "einfacher Schadensersatz" ist. Dies entspricht im Ergebnis der Regelung des BGB (vgl. § 280 Abs. 1, ggf. i.V.m. Abs. 2, 286 bzw. Abs. 3, 281 Abs. 1 und 2 BGB, 282, 283 BGB).  

Befreiung des Schuldners von der Verpflichtung zum Schadensersatz nach Artt. 79, 80 CISG: Der Schuldner wird von der Verpflichtung zum Schadensersatz frei, wenn er beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb seines Einflussbereiches liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden (Art. 79 Abs. 1 CISG). Gleiches gilt, wenn sich der Schuldner zur Erfüllung eines "Erfüllungsgehilfen" bedient und sowohl der Schuldner als auch der Dritte die Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 1 CISG erfüllen (Art. 79 Abs. 2 CISG).

Die vorgestellten Vorschriften machen deutlich, dass das CISG bei der Vertragshaftung anders als das BGB-Leistungsstörungsrecht grundsätzlich vom Garantieprinzip und nicht vom Verschuldensprinzip ausgeht. Dem Vorbild des englischen und amerikanischen Rechts weitgehend folgend, haben die Parteien dafür einzustehen, dass das gegebene Vertragsversprechen eingehalten wird. Mangelndes Verschulden befreit sie nicht von der Haftung. Befreien kann den Schuldner nur der Nachweis, dass die Nichterfüllung auf einem Umstand beruht, der seinem Einfluss entzogen ist. Damit erhebt das CISG die mangelnde Beherrschbarkeit des Risikos zum Entlastungsprinzip (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 79 Rdnr. 7). Trotz der verschiedenen Ausgangspunkte knüpft auch Art. 79 CISG an subjektive Elemente an, indem er auf die mangelnde Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des Hinderungsgrundes abstellt (Stoll/Gruber, aaO., Art. 79 Rdnr. 11 ff., 22).

Nach Art. 80 CISG kann sich der Käufer nicht auf die Nichterfüllung von Pflichten durch den Verkäufer berufen, soweit diese Nichterfüllung durch seine Handlung oder Unterlassung verursacht wurde. Art. 80 CISG geht damit über Art. 79 CISG hinaus und befreit den Verkäufer nicht nur von der Schadensersatzhaftung, sondern verwehrt dem Käufer alle Rechtsbehelfe. Wegen dieser einschneidenden Rechtsfolge geht die wohl überwiegende Ansicht davon aus, dass Art. 80 CISG nicht auf den Fall der beiderseitigen Verursachung der Nichterfüllung anwendbar ist. Demnach setzt Art. 80 CISG voraus, dass die Nichterfüllung alleine kausal und zurechenbar durch den Käufer verursacht worden ist (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 80 Rdnr. 7).

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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