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Sog. "Weiterfressende" Mängel
Ein Problembereich aus dem Überschneidungsfeld zwischen Vertragshaftung und
außervertraglicher Haftung ist mit den weiterfressenden Mängeln angesprochen.
Hier geht es darum, ob der Erwerber eines Produkts, bei dem ein abgrenzbares
Teil mangelhaft ist, Ansprüche nur nach Vertragsrecht - das sind in der Regel
Gewährleistungsansprüche - hat oder für den ursprünglich mangelfreien Bereich
des Produkts auch Ansprüche aus außervertraglicher Haftung. Diese Frage wird
insbesondere dann von Interesse, wenn die vertraglichen
Ansprüche verjährt, die außervertraglichen Ansprüche dagegen noch unverjährt
sein sollten. Das kann bei beweglichen Sachen trotz der
Ausdehnung der kaufrechtlichen Gewährleistungsfristen durch die
Schuldrechtsreform der Fall sein, wenn etwa ein Auto 25 Monate nach der Übergabe zerstört wird, weil der Gaszug fehlerhaft oder
das Auto nicht mit vorschriftsmäßigen Reifen ausgestattet war.
Für die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz ist die Sache durch den
Gesetzgeber entschieden.
§ 1 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes ordnet im Falle
der Sachbeschädigung die Haftung nur an, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte
Produkt beschädigt wird.
Für den Bereich außerhalb des Produkthaftungsgesetzes ist man auf systematische
Erwägungen zum Schutz des Äquivalenzinteresses und des Integritätsinteresses
angewiesen. Sie sollten eigentlich dahin gehen, dass das Interesse an einer
gebrauchsfähigen Sache, das Äquivalenzinteresse, allein vertragsrechtlich geschützt
ist, während der deliktsrechtliche Schutz anderen Sachen als der erworbenen Sache
vorbehalten bleibt. Der BGH sieht das anders. Der Sündenfall liegt in der
Schwimmschalter-Entscheidung (BGHZ 67, 359). Er ist trotz massiver Kritik in der Literatur
(vgl. nur Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 10) auch in späteren Entscheidungen - zu
Unrecht - nicht korrigiert worden.
Leider wird die Leitentscheidung "Schwimmschalter" elektronisch nur mit einem
nichtssagenden Leitsatz vorgehalten. In der nachfolgend abgedruckten Reifenentscheidung
geht der BGH aber auf diese Entscheidung ein. Dabei muss man
sich bei der Lektüre der nachfolgenden Entscheidungen vor Augen halten, dass sie
auf der Grundlage des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts vor der
Schuldrechtsreform ergangen sind, das für bewegliche Sachen eine sechsmonatige
Verjährungsfrist von der Ablieferung an vorsah (§ 477 BGB a.F.). Für deliktische
Ansprüche war dagegen wie auch im heutigen Recht eine dreijährige Verjährung ab
Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen vorgesehen (§ 852 BGB a.F.) :
Gericht: BGH 8. Zivilsenat, Datum: 05.07.1978, Az: VIII ZR 172/77
Leitsatz
1. Zur Frage, wann die Verjährung eines Schadenersatzanspruches wegen Fehlens einer
zugesicherten Eigenschaft beginnt.
2. Hat der Verkäufer dem Käufer einen Gebrauchtwagen übereignet, der mit
unvorschriftsmäßigen Hinterreifen versehen ist, so können dem Käufer gegen den
Verkäufer Schadenersatzansprüche aus Eigentumsverletzung zustehen, wenn diese Reifen
später einen Unfallschaden an dem Kraftwagen selbst verursachen.
Fundstelle
NJW 1978, 2241-2243 (LT1-2)
Tatbestand
Der Kläger kaufte am 21. Januar 1975 bei der Beklagten, einer Vertragshändlerin von
Renault, einen gebrauchten Sportwagen Renault Alpine 310 zum Preise von 14.700 DM. Auf der
"Bestellung", die formularmäßig die Übernahme des Kraftfahrzeugs
"gebraucht, wie besichtigt, und unter Ausschluß jeder Gewährleistung" vorsah,
war ua handschriftlich vermerkt:
" ... wird in einwandfreiem technischen Zustand übergeben ... ".
In den auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten heißt es unter VII (Gewährleistung):
"1. Für den Kaufgegenstand wird keine Gewähr geleistet. Dies gilt nicht, wenn
und soweit der Verkäufer schriftlich in einem gesonderten Garantieschein eine
Gewährleistung übernimmt.
2. Ein Anspruch auf Wandlung, Minderung oder Schadensersatz besteht nicht".
Am 28. März 1975 erlitt der Kläger mit dem Pkw einen Unfall, der, wie in der
Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, auf unvorschriftsmäßige Beschaffenheit eines
geplatzten Hinterreifens zurückzuführen ist. Der frühere Halter hatte anstelle der
vorhandenen und im Kfz-Brief vorgeschriebenen Hinterreifen 185 HR 13 solche von dem Typ
165 SR 13 aufziehen lassen.
Der Kläger, der im September 1975 auf seine Anfrage von der Reifenherstellerin erfuhr,
daß der geplatzte Reifen für die Felgen des Pkw nicht zugelassen war, macht mit der der
Beklagten am 25. Februar 1976 zugestellten Klage Ersatz seines - in der Berufungsinstanz
mit 16.527,39 DM bezifferten und der Höhe nach unstreitigen - Unfallschadens
(Reparaturkosten, Wertminderung, Nutzungsentgang, Gutachterkosten und Unkostenpauschale)
geltend. Die Beklagte hat ua die Einrede der Verjährung erhoben. Beide Vorinstanzen haben
der Klage stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der
Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I. Sie wendet sich allerdings zu Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die
Beklagte hafte dem Kläger gemäß
§ 463 Satz 1 BGB auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung; denn dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
verjährt.
1. a) Ohne Rechtsfehler sieht das Berufungsgericht in der Erklärung, der Pkw werde in
technisch einwandfreiem Zustand übergeben, die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von
§ 459 Abs 2 BGB, nämlich die Übernahme der Gewähr dafür, daß das Fahrzeug bei
der Übergabe technisch in Ordnung, betriebsbereit und betriebssicher sei. Ob derartige
Angaben über die Kaufsache in einem Kaufvertrag lediglich deren Beschreibung dienen
(§ 459 Abs 1 BGB) oder mit ihnen eine Eigenschaft zugesichert wird (§ 459 Abs
2 BGB), ist, soweit es sich - wie hier - nicht um typische, regelmäßig bei solchen
Geschäften abgegebene Erklärungen handelt, eine Frage der tatrichterlichen Auslegung im
Einzelfall. Die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung ist möglich, hält sich im
Rahmen der von der Rechtsprechung zur Frage der Zusicherung von Eigenschaften entwickelten
Grundsätze (vgl Senatsurteile BGHZ 59, 158, 160, vom 25. Juni 1975 - VIII ZR 244/73 = WM
1975, 895 = NJW 1975, 1693 und vom 17. März 1976 VIII ZR 208/74 = WM 1976, 614, 615) und
ist mithin für das Revisionsgericht bindend. Sie ist darüber hinaus aber auch
naheliegend. Wer von einem Vertragshändler einer bestimmten Herstellerfirma einen
Gebrauchtwagen gerade dieses Fabrikats erwirbt, legt vor allem Wert darauf, daß der Wagen
zumindest den amtlichen Zulassungsvorschriften entspricht (§§ 18ff StVZO) und damit bedenkenfrei in Betrieb genommen werden kann. Bestätigt ihm der Gebrauchtwagenhändler
entgegen den sonst üblichen Gepflogenheiten im Gebrauchtwagenhandel überdies, daß der
Wagen sich in technisch einwandfreiem Zustand befindet, so liegt es zumindest nahe, daß
er damit die Verpflichtung übernimmt, für einen etwa entstehenden Schaden einzustehen,
wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Ansicht der Revision, es könne unmöglich
angenommen werden, daß die Beklagte eine haftungsbegründende Gewähr für den technisch
einwandfreien Zustand sämtlicher Teile des Gebrauchtwagens habe übernehmen wollen, weil
damit der Kläger weitaus besser als bei einem Neuwagenkauf gestellt würde, geht ins
Leere, weil das Berufungsgericht die vertragliche Erklärung der Beklagten ersichtlich
nicht in einem derart umfassenden Sinne verstanden wissen will, sondern ihren
maßgeblichen Sinn in der Zusicherung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit
sieht und auch sehen durfte. Soweit schließlich die Revision meint, mit ihrer
vorgenannten Erklärung habe die Beklagte zwar die dem Gesetz entsprechende
Gewährleistung wiederherstellen und damit den Haftungsausschluß beseitigen, nicht aber
darüber hinaus die Eigenschaft zusichern wollen, versucht sie, in rechtlich unzulässiger
Weise ihre eigene Auslegung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen; im
übrigen würde es auch für eine derartige Auslegung an jedem Anhaltspunkt fehlen.
Da mit dem Aufziehen von Reifen, die der Betriebserlaubnis nicht entsprechen, diese
für das hier streitige Fahrzeug erloschen war (§§ 18 Abs 1, 19 Abs 2 Satz 1, 21
StVZO) und überdies das Fahrzeug nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des
Berufungsgerichts mit den von der Norm abweichenden Reifen auch nicht mehr betriebssicher
war, haftet mithin die Beklagte dem Kläger auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung
(§ 463 Satz 1 BGB).
b) Beizutreten ist dem Berufungsgericht auch darin, daß die Haftung der Beklagten für
die zugesicherte Eigenschaft weder durch die Formularbestimmung "gebraucht wie
besichtigt, und unter Ausschluß jeder Gewährleistung" noch durch den in ihren
Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Formulars enthaltenen
Gewährleistungsausschluß abbedungen worden ist. Der formularmäßige
Gewährleistungsausschluß erfaßt, wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, die Haftung
des Verkäufers für das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gerade nicht
(Senatsurteile BGHZ 50, 200, 206, 207, vom 5. Juli 1972 - VIII ZR 74/71 = WM 1972, 969
(insoweit in BGHZ 59, 158 nicht abgedruckt) und vom 17. März 1976 aaO; vgl jetzt auch
§ 11 Nr 11 AGB-Gesetz). Hat der Verkäufer nicht den Willen, das Haftungsrisiko
entsprechend der gesetzlichen Regelung zu behalten, so muß er dies unmißverständlich
sowie für den Käufer deutlich - und zwar bezogen gerade auf die abgegebene Zusicherung
im Vertragstext oder sonst bei Vertragsabschluß zum Ausdruck bringen (Senatsurteil vom
10. Oktober 1977 - VIII ZR 110/76 = WM 1977, 1351). Das ist hier nicht geschehen. Die
Beklagte kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, ihre als Zusicherung zu wertende
Erklärung sei nicht in der gemäß VII Nr 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen
vorgeschriebenen Form (" ... in einem gesonderten Garantieschein ... ")
abgegeben worden (vgl Senatsurteile vom 25. Juni 1975 aaO und vom 17. März 1976 aaO).
2. Die dem Kläger mithin gemäß
§ 463 Satz 1 BGB an sich zustehenden
Schadensersatzansprüche sind jedoch verjährt. Zwar meint das Berufungsgericht, die
sechsmonatige Verjährungsfrist des
§ 477 Abs 1 BGB habe erst begonnen, als der
Kläger aus der schriftlichen Auskunft des Reifenherstellers vom 23. September 1975 mit
der erforderlichen Sicherheit die Unfallursache habe erkennen können. Diese Ansicht ist
jedoch rechtsirrig.
a) Allerdings hat der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen - ohne daß es
allerdings letztlich darauf angekommen wäre - die Frage aufgeworfen, ob zur Vermeidung
grober Unbilligkeiten und einer Rechtsverkürzung auf seiten des Käufers die Verjährung
von gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen im weitesten Sinn unter
Umständen nicht schon mit der Ablieferung der Kaufsache, sondern erst zu einem späteren
Zeitpunkt - etwa dem Entstehen des Schadens, seiner Erkennbarkeit durch den Käufer oder
ganz allgemein der Möglichkeit, derartige Ansprüche im Einzelfall in
verjährungsunterbrechender Weise geltend zu machen - beginnt (Senatsurteile vom 1.
Dezember 1971 - VIII ZR 143/70 = WM 1972, 161, BGHZ 60, 9, 13, vom 14. März 1973 - VIII
ZR 137/71 = WM 1973, 730, 732 = NJW 1973, 843 und vom 11. Januar 1978 - VIII ZR 1/77 = WM
1978, 328; vgl auch Larenz, Schuldrecht II, 11. Aufl § 41 II e S 62). Diese
Erwägungen betrafen jedoch ausnahmslos die Haftung für sogenannte Mangelfolgeschäden,
die typischerweise häufig erst längere Zeit nach der Ablieferung der Kaufsache an
anderen Rechtsgütern des Käufers sichtbar werden oder gar erst zu diesem Zeitpunkt
entstehen.
Hier handelt es sich dagegen ausschließlich um den Ersatz des reinen
Nichterfüllungsschadens. Das bedarf hinsichtlich der Reparaturkosten, des Minderwertes
und des Nutzungsausfalls keiner näheren Darlegung; aber auch die Gutachterkosten zur
Feststellung der Mängel gehören hierzu, denn sie sind zwangsläufig die Folge des
Mangels, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mangelbeseitigung und vermindern -
letztlich nicht anders als der infolge der Mangelhaftigkeit entgangene Gewinn (dazu
Senatsurteil vom 2. Februar 1972 - VIII ZR 103/70 = WM 1972, 558, 560) - den Nutzwert der
vom Käufer für seinen Kaufpreis in Empfang genommenen Gegenleistung (BGHZ 54, 352, 358;
Peters, NJW 1978, 665, 668; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses vom negativen
Vertragsinteresse und vom Integritätsinteresse S 83; Schlechtriem, VersR 1973, 581, 593;
Todt, BB 1971, 680, 683, Fußn 69).
b) Ob auch bei derartigen Mängeln trotz des insoweit eindeutigen Wortlauts des
§ 477 Abs 1 BGB unter Umständen für eine Verschiebung des Beginns der
Verjährungsfrist auf einen späteren Zeitpunkt als den der Ablieferung der Kaufsache Raum
ist, mag hier dahinstehen (vgl dazu Senatsurteil vom 21. Dezember 1960 - VIII ZR 9/60 = LM
BGB § 477 Nr 4; Schubert, JR 1977, 458, 460; Rengier, JZ 1977, 346, 347). Denn auch
wenn man das zugunsten des Klägers annehmen wollte, so wäre doch jedenfalls im
vorliegenden Fall die Verjährung eingetreten. Dem Kläger war nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts kurze Zeit nach dem Unfall vom 28. März 1975 der Umfang des Schadens
bekannt. Der von ihm sogleich eingeschaltete Kfz-Sachverständige hatte ihm im
Zusammenhang mit der Erstattung des Gutachtens vom 25. Juni 1975 den "allgemeinen
Hinweis" gegeben, der Unfall könne etwas mit der Bereifung zu tun haben. Der Kläger
hatte also in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall hinreichende Kenntnis von allen
Umständen, die eine Inanspruchnahme der Beklagten nahelegten. Das Erlangen dieser
Kenntnis war aber der letztmögliche Zeitpunkt, an dem die Verjährungsfrist für den
Anspruch auf Schadensersatz wenn überhaupt erst später als mit Ablieferung des Pkw - zu
laufen begann. Spätestens im Juni/Juli 1975 begann mithin hier der Lauf der
sechsmonatigen Verjährungsfrist und nicht etwa erst, wie das Berufungsgericht meint, mit
dem Zugang des Schreibens des Reifenherstellers vom 23. September 1975. Wie der Senat
bereits in dem Urteil vom 11. Januar 1978 aaO klargestellt hat, verfolgen die erwähnten
Erwägungen in Rechtsprechung und Schrifttum, den Beginn der Verjährungsfrist für die
Haftung bei bestimmten Schäden gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt als den der
Übergabe zu verschieben, nicht den Zweck, dem Käufer Gelegenheit zu geben, vor
Fristbeginn auch seine Beweislage zu verbessern.
II. Damit sind vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte verjährt, so
daß die vom Berufungsgericht gegebene Begründung das angefochtene Urteil nicht trägt.
Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Der Klageanspruch
ist nämlich aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs 1 BGB) begründet; insoweit greift,
da der Deliktsanspruch nicht der kurzen Verjährung unterliegt (§ 852 BGB;
Senatsurteil BGHZ 66, 315), auch die Verjährungseinrede nicht durch.
1. Das Berufungsgericht äußert gegen einen Anspruch aus unerlaubter Handlung ohne ihn
näher zu prüfen - Bedenken, weil der Kläger den Pkw bereits in mangelhaftem Zustand
erworben habe. Sein Eigentum sei von Anfang an mit der Gefahr weiterer Schäden durch
einen Unfall belastet gewesen. Die Verwirklichung dieser Gefahr sei keine selbständige
Eigentumsverletzung. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) In der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung BGHZ 39, 366 hat der
Bundesgerichtshof allerdings den auf die mangelhafte Erstellung eines Bauwerks gerichteten
Anspruch eines Bauherrn aus Eigentumsverletzung (§ 823 Abs 1 BGB) gerade
hinsichtlich dieses Bauwerks verneint, wenn die im Bau verwendeten Materialien mangelhaft
waren und mit fortschreitenden Bauarbeiten jeweils ein weiterer mangelhaft erstellter Teil
in das Eigentum des Grundstückseigentümers überging (zu diesem Fragenkreis vgl auch RG
JW 1905, 367; BGH Urteil vom 14. März 1957 - VII ZR 268/56 = LM BGB § 830 Nr 4;
BGHZ 55, 392, 398; OLG Karlsruhe, NJW 1956, 913; OLG Stuttgart, NJW 1967, 572; OLG
München, NJW 1977, 438; Wilts, VersR 1967, 817; Freund/Barthelmess, NJW 1975, 281; Kötz,
Deliktsrecht, S 41, 42). Diesen Fällen ist wesentlich, daß der Mangel der übereigneten
Sache von vornherein insgesamt anhaftete, diese damit für den Eigentümer von Anfang an
schlechthin unbrauchbar war und sich der Mangel mit dem geltend gemachten Schaden deckt
(vgl dazu Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware 1969, S 66).
b) Hiervon hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. November 1976 (BGHZ 67,
359) einen Fall abgegrenzt, in dem der Verkäufer dem Käufer Eigentum an einer Anlage
verschaffte, die im übrigen einwandfrei war und lediglich ein - funktionell begrenztes -
schadhaftes Steuergerät (Sicherheitsschalter) enthielt, dessen Versagen nach der
Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen hatte.
Der Senat hat eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung bejaht. Er hat dabei
entscheidend darauf abgestellt, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters
liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübertragung zu einem über diesen Mangel
hinausgehenden Schaden realisiert habe und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum
des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt worden sei. Rengier (JZ 1977, 346) und
Schubert (JR 1977, 458) halten dieser Entscheidung entgegen, auch kleine, begrenzte Fehler
machten die gesamte Kaufsache von Anfang an mangelhaft und wegen der damit verbundenen
Gefahr einer Zerstörung unbrauchbar. Weitnauer (Arztrecht 1978, 38) bezweifelt nicht die
- tatbestandsmäßig rechtswidrige Eigentumsverletzung, meint jedoch, es fehle an einem
Schaden bei späterer Zerstörung der Anlage; dieses Ereignis habe nämlich lediglich
einen bereits vorher eingetretenen Schaden sichtbar gemacht. Der Wert einer Anlage, mit
deren Selbstzerstörung infolge eines Fehlers gerechnet werden müsse, sei von vornherein
"Null".
Diese - im Grunde auf das gleiche hinauslaufenden - Einwände vermögen nach Ansicht
des Senats nicht zu überzeugen und geben keinen Anlaß, von der in BGHZ 67, 359
vertretenen Auffassung abzugehen. Es ist vor allem nicht richtig, daß im Verkehr einer
gefahrbehafteten Anlage kein Wert beigemessen werde. Davon könnte allenfalls die Rede
sein, wenn der in Frage stehende Mangel schlechthin unentdeckbar ist und in jedem Fall zu
einer Zerstörung der Gesamtanlage führen muß. Um solche Fälle geht es hier aber nicht.
Daß, wie Rengier und Schubert (aaO) hervorheben, im Einzelfall die Abgrenzung zwischen
einem die übereignete Sache von vornherein insgesamt umfassenden Mangel und einem
begrenzten Fehler, der erst später einen zusätzlichen Schaden an der sonst mangelfreien
Sache hervorgerufen hat, auf Schwierigkeiten stoßen kann, hat der Senat bereits in seinem
Urteil vom 24. November 1976 (BGHZ 67, 359) herausgestellt; die dortige eindeutige
Fallgestaltung nötigte jedoch nicht dazu, nähere Abgrenzungskriterien aufzustellen.
Nicht zu überzeugen vermag auch die von Rengier und Schubert (aaO) vertretene Ansicht,
mit der Gewährung eines deliktischen Anspruchs unterlaufe der Bundesgerichtshof die
kaufrechtlichen Bestimmungen über Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 463 BGB) bzw die Verjährungsregelung des § 477 BGB. Zwischen dem Schadensersatzanspruch aus
Vertragsverletzung und demjenigen aus unerlaubter Handlung, bei dem - sieht man von den
Besonderheiten der Produzentenhaftung ab - der Geschädigte im Gegensatz zur vertraglichen
Haftung (§ 282 BGB) für das Verschulden des Schädigers beweispflichtig ist,
besteht eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, daß jeder Anspruch der ihm eigenen
gesetzlichen Regelung folgt (Senatsurteil BGHZ 66, 315). Es ist in Fällen, wie der Senat
ihn in BGHZ 67, 359 zu entscheiden hatte, kein Grund ersichtlich, dem Geschädigten das
Zurückgreifen auf deliktische Ansprüche abzuschneiden und den Schädiger damit besser zu
stellen als einen Dritten, der in die gekaufte Sache nach deren Übergabe an den Käufer
ein mangelhaftes, zu ihrer Zerstörung führendes Einzelteil eingebaut hat.
c) Der jetzt zu entscheidende Fall - die Beschädigung eines gekauften Kraftfahrzeuges
infolge eines Unfalls, der auf eine unzulässige Bereifung zurückzuführen ist - muß
nach Auffassung des Senats im Ergebnis genauso behandelt werden. Zwar war der Pkw, den der
Kläger bei der Beklagten erwarb, im Hinblick auf die hintere Bereifung mangelhaft. Der
Wagen blieb aber als Ganzes ein wertvolles Vermögensstück. Erst nach Eigentumsübergang
hat sich eine aus diesem Mangel entspringende Gefahrenursache zu einem im Vergleich zu
diesem Mangel anderen und ungleich höheren Schaden infolge eines Unfalls in einer
konkreten Verkehrssituation realisiert. Bei anderweitigem Verlauf, insbesondere bei
rechtzeitigem Auswechseln der Reifen, wäre dieser, mit den unvorschriftsmäßigen Reifen
nicht stoffgleiche Schaden vermieden worden. Eine rechtswidrige Verletzung des Eigentums
des Klägers durch die Beklagte ist also zu bejahen (Dunz/Kraus aaO S 66; vgl auch
Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S 299, der in einer durch
Unfall verursachten Zerstörung eines Kfz, sofern dieser Unfall auf den Defekt einer
Radfelge zurückzuführen ist, eine Sachbeschädigung sieht; einschränkend allerdings
derselbe in VersR 1973, 581, 589). Ersichtlich ist auch der VI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 30. Mai 1978 (VI
ZR 113/77) von der vorgenannten Rechtsauffassung des Senats ausgegangen.
2. a) Ob ein Verschulden der Beklagten vorliegt, hat das Berufungsgericht von seinem
Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - offen gelassen. Der Senat kann diese Frage jedoch, da
insoweit keine Feststellungen mehr zu treffen sind, selbst abschließend beantworten. Sie
ist in Übereinstimmung mit der Ansicht des Landgerichts zu bejahen, weil die Beklagte als
Renault-Vertragshändlerin zumindest verpflichtet war, den Gebrauchtwagen dahin zu
überprüfen, ob er den Zulassungsvorschriften entsprach und insbesondere in Einzelteilen
nicht so verändert war, daß die Betriebserlaubnis erloschen war. Bei einer solchen, auch
nur flüchtigen Prüfung hätte ihr aber auffallen müssen, daß die durch Beschriftung
deutlich gekennzeichneten Hinterreifen nicht den Angaben im Kraftfahrzeugbrief
entsprachen.
b) Ein Mitverschulden des Klägers hat das Berufungsgericht, wenn auch in anderem
Zusammenhang, deswegen verneint, weil er sich auf eine sorgfältige Untersuchung durch die
Beklagte habe verlassen können. Auch das läßt im Hinblick darauf, daß der Kläger sich
an die Beklagte gerade als Vertragshändlerin für Renault-Fahrzeuge gewandt und diese ihm
den technisch einwandfreien Zustand des gebrauchten Fahrzeugs noch ausdrücklich
zugesichert hatte, keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Schließlich kann sich die Beklagte gegenüber dem Schadensersatzanspruch des
Klägers aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs 1 BGB) auch nicht auf den
formularmäßigen Haftungsausschluß (Abschnitt VII der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Beklagten) und den Umstand berufen, daß der Kläger das Fahrzeug "wie
besichtigt" gekauft hatte. Zwar entspricht im Gebrauchtwagenhandel ein möglichst
weitgehender Haftungsausschluß den üblichen Gepflogenheiten dieses Geschäftszweigs; der
Senat hat ihn bereits früher als "geradezu ein Gebot der wirtschaftlichen
Vernunft" bezeichnet (Senatsurteil vom 21. März 1966 - VIII ZR 44/64 = WM 1966, 473,
474). Andrerseits hatte die Beklagte hier durch Individualerklärung den
"einwandfreien technischen Zustand" des Gebrauchtwagens ausdrücklich
zugesichert. Wollte sie gleichwohl sich auch gegenüber derartigen
Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung freizeichnen und damit ihre Zusicherung
auch in diesem Haftungsbereich weitgehend gegenstandslos und damit für den Käufer
wertlos machen, so hätte sie dies unmißverständlich klarstellen müssen. Der bloße, im
Rahmen der Regelung über die vertragliche Gewährleistung gemachte formularmäßige
Hinweis, daß ein "Anspruch auf ... Schadensersatz" nicht bestehe, reichte
jedenfalls bei den Besonderheiten des vorliegenden Falles für einen derart umfassenden
Haftungsausschluß nicht aus. Die weitere Frage, ob allgemein, auch ohne daß eine
besondere Zusicherung vorliegt, Haftungsfreizeichnungsklauseln der hier verwendeten Art im
Gebrauchtwagenhandel auch deliktische Schadensersatzansprüche umfassen, kann daher auf
sich beruhen (vgl dazu auch BGHZ 67, 359, 366).
An der verfehlten Entwicklung wird auch in der Gaszug-Entscheidung nichts geändert. Es
kommt lediglich ein neues Abgrenzungskriterium ins Spiel: funktionelle Begrenzung des
mangelhaften Teils und geringfügiger Wert des mangelhaften Teils im Verhältnis zum
Gesamtwert des Produkts:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 18.01.1983, Az: VI ZR 310/79
Leitsatz
1. Dem Käufer einer Sache können gegen deren Hersteller auch dann deliktische
Schadensersatzansprüche aus Eigentumsverletzung zustehen, wenn diese Sache nach ihrem
Erwerb infolge eines fehlerhaft konstruierten oder mit Herstellungsfehlern versehenen
Einzelteils beschädigt wird.
2. Für deliktische Schadensersatzansprüche ist jedoch kein Raum, wenn sich der
geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit
von Anfang an anhaftete, deckt.
Orientierungssatz
Für die außervertragliche Haftung des Herstellers oder Lieferanten eines mit einem
Teilmangel behafteten Produkts ergeben sich keine abschließenden Abgrenzungskriterien aus
der Voraussetzung, daß das mitgelieferte, mangelhafte Teil funktionell begrenzt und sein
Wert gegenüber dem Gesamtwert des Produkts nur geringfügig ist (Abgrenzung BGH,
1976-11-24, VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359; Abgrenzung BGH, 1978-07-05, VIII ZR 172/77, NJW
1978, 2241).
Fundstelle
WM IV 1983, 178-180 (LT1-2)
VersR 1983, 344-346 (LT1-2)
NJW 1983, 810-812 (LT1-2)
JZ 1983, 499-504 (LT1-2)
Im Jahre 1992 sind vom BGH zwei weitere Entscheidungen zu dem Problemkomplex
der Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produkts bei Schäden an der
gelieferten Sache gefällt worden: die Austauschmotorentscheidung und die
Silokipperentscheidung. Zu diesen beiden im folgenden wiedergegebenen
Entscheidungen empfehle ich das Studium der
Rezension von Tiedtke, ZIP 1992, 1446.
Die erste Entscheidung ist die Austauschmotorentscheidung, in der die verfehlte
Abgrenzung des Integritätsinteresses vom Äquivalenzinteresse fortgeschrieben wird:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 24.03.1992, Az: VI ZR 210/91
Leitsatz
Für den Anspruch des Erwerbers einer Sache auf Schadensersatz dafür, daß diese
infolge der Fehlerhaftigkeit eines Einzelteils beschädigt wird, ist nicht entscheidend,
ob er den Fehler vor dem Schadenseintritt bei normalem Lauf der Dinge entdecken konnte.
Wesentlich ist, daß der Mangel, wäre gezielt nach ihm gesucht worden, technisch
hätte aufgespürt und behoben werden können und daß weder die Fehlersuche noch die
Mangelbeseitigung einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und Kosten
erfordert hätte.
Fundstelle
ZIP 1992, 704-706 (LT)
NJW 1992, 1678-1679 (LT)
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung seines Eigentums
an einem Pkw-Motor, der infolge eines der Beklagten zuzurechnenden Montagefehlers
beschädigt worden sei.
Am 8. April 1989 kaufte der Kläger von der Firma P. einen Pkw-Motor, den er durch
einen Bekannten in sein Kraftfahrzeug einbauen ließ. Dieser Motor war zuvor von der
Beklagten generalüberholt und von ihr als sogenannter Austauschmotor an die Firma P.
geliefert worden. Nach einer Fahrleistung von ca. 9.500 km kam es am 18. Januar 1990 zu
einem erheblichen Motorschaden.
Der Kläger führt den Schadensfall darauf zurück, daß die Beklagte die stirnseitige
Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades nicht angebracht habe, so daß letzteres
von der Nockenwelle heruntergerutscht sei. Er hat von der Beklagten Schadensersatz
(Reparatur- und Gutachterkosten, Nutzungsentschädigung, Telefonauslagen) in Höhe von
insgesamt 6.870,39 DM verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos
geblieben. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unschlüssig erachtet. Die Beklagte ist zwar
nach seiner Auffassung als Herstellerin des Motors anzusehen. Ihre deliktische Haftung auf
der Grundlage des
§ 823 Abs. 1 BGB scheitere jedoch daran, daß nur das
Äquivalenzinteresse des Klägers, nicht aber dessen Integritätsinteresse beeinträchtigt
sei. Zwischen dem Endschaden und dem behaupteten Produktfehler bestehe nämlich
"Stoffgleichheit", der ursprüngliche Mangelunwert decke sich mit dem
eingetretenen Schaden.
Der anfänglich vorhandene Mangelunwert des Motors habe sich nicht auf die Kosten für
das Anbringen der fehlenden Befestigungsschraube beschränkt. Eine solche Betrachtung sei
nur dann angebracht, wenn das Fehlen der Schraube bekannt oder bei dem üblichen Umgang
mit dem Motor, etwa bei einer Wartung, erkennbar gewesen wäre. Das sei jedoch nach dem
eigenen Vortrag des Klägers gerade nicht der Fall gewesen. Der spätere Geschehensablauf,
das Herunterrutschen des Steuerrades, habe sich daher zwangsläufig verwirklichen müssen.
Ein Fehler, der nicht entdeckt werden könne, könne auch nicht behoben werden. Dann aber
sei das von Anfang an beeinträchtigte Äquivalenzinteresse des Klägers deckungsgleich
mit dem späteren (großen) Schaden.
Hinzu komme, daß der Kläger von Anfang an keinen funktionstüchtigen Motor erworben
habe, da die Gefahr jederzeitiger Zerstörung bestanden habe. Das nur von dem auf der
Nockenwelle angebrachten Keil festgehaltene Steuerrad habe bereits unmittelbar nach
Inbetriebnahme des Motors herunterfallen können, so daß "kein weiterfressender
Schaden" vorliege.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Der Kläger
hat die Voraussetzungen eines auf
§ 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs
schlüssig dargelegt.
1. Wer ein Produkt herstellt oder in den Verkehr bringt, kann für Schäden, die an
diesem selbst nach dessen Auslieferung entstehen, wegen Verletzung des Eigentums des
Erwerbers aus § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig sein, wenn sich in der
Beschädigung oder Zerstörung des Produkts ein Schaden verwirklicht, den zu vermeiden ihm
im Integritätsinteresse des Erwerbers durch eine deliktische Sorgfaltspflicht aufgegeben
ist (sog. "Weiterfresserschaden"); hingegen besteht keine deliktische
Einstandspflicht für Schäden, die lediglich den auf der Mangelhaftigkeit des Produkts
beruhenden Unwert für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Erwerbers ausdrücken
(st. Rspr. des Bundesgerichtshofes, vgl. z.B. Senatsurteile vom 21. November 1989 - VI ZR
350/88 - Weinkorken - VersR 1990, 204, 205, vom 14. Mai 1985 - VI ZR 168/83 - Kompressor -
VersR 1985, 837 und vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79 - Gaszug - BGHZ 86, 256, 257 ff.;
BGH, Urteil vom 5. Juli 1978 - VIII ZR 172/77 - Pkw-Reifen - NJW 1978, 2241, 2242).
Von diesen Grundsätzen geht auch das Berufungsgericht aus. Dabei erlegt es zu Recht
der Beklagten deliktische Sorgfaltspflichten für den von ihr
"generalüberholten" Motor auf, den sie als "Austauschmotor"
veräußert und ausgeliefert und für dessen Mangelfreiheit sie eine Garantie gewährt
hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte im Rahmen der Generalüberholung alle
oder nur eine beschränkte Anzahl der Motorenteile erneuert und dabei Materialien von
Dritten bezogen hat; denn die Beklagte hat jedenfalls den Zusammenbau der hergerichteten
Teile in Eigenverantwortung vorgenommen (vgl. dazu Senatsurteil vom 3. Juni 1975 - VI ZR
192/73 - Spannkupplung - VersR 1975, 922, 923; BGH, Urteil vom 16. Januar 1985 - VIII ZR
317/83 - WM 1985, 463, 465).
2. Nicht frei von Rechtsirrtum sind jedoch die Überlegungen, aufgrund deren das
Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt ist, es fehle an einer Verletzung des
Integritätsinteresses des Klägers, weil zwischen Endschaden (Beschädigung des Motors)
und Produktfehler (fehlende Befestigungsschraube) "Stoffgleichheit" bestehe,
sich der ursprüngliche Mangelunwert daher mit dem eingetretenen Schaden decke.
a) Als "stoffgleich" mit dem anfänglich bestehenden Mangelunwert bezeichnet
der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung den wirtschaftlichen Niederschlag des schon
beim Erwerb enttäuschten Käuferinteresses (vgl. Steffen, VersR 1988, 977, 979). Deshalb
liegt "Stoffgleichheit" vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der
Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt
wird, ergreift (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 1985, aaO) etwa weil die Sache als Ganzes
wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum
vorgesehenen Zweck verwendbar war (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR
270/80 - VersR 1983, 346 - Hebebühne; OLG Oldenburg, Urteil vom 18. April 1985 - 8 U
249/84 - mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. Mai 1986 - VI ZR 127/85 - VersR
1986, 1003). Hierher gehören auch die Fälle, bei denen eine Beseitigung des (wenn auch
nur einem Teil der Sache anhaftenden) Fehlers technisch nicht möglich ist; eine gleiche
Beurteilung greift dann Platz, wenn ein Mangel nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise
behoben werden kann (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 310/79 - aaO., S. 262).
Ist hingegen der Mangel zunächst nur auf einen Teil des Produkts beschränkt und
entsprechend den genannten Grundsätzen behebbar und führt er erst später zu einer
Zerstörung des Produkts oder zur Beschädigung anderer Teile desselben, dann hat der von
dem Fehler zunächst nicht erfaßte Teil der Sache einen eigenen Wert; der Mangelunwert
deckt sich dann nicht mit dem Schaden (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 1985, aaO).
b) Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend von diesen Grundsätzen aus, hält aber zu
Unrecht das Fehlen der Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades für einen nicht
behebbaren Mangel, was zur Identität des eingetretenen Schadens mit dem Mangelunwert
führe. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht, wenn es wesentlich darauf
abstellt, ob der Fehler bei dem üblichen Umgang mit dem Motor, etwa bei einer Wartung,
hätte erkannt werden können.
Für die Frage, ob das Integritätsinteresse des Erwerbers oder nur sein
Äquivalenzinteresse beeinträchtigt ist, ist es rechtlich nicht von Bedeutung, ob er den
Fehler vor dem Schadenseintritt bei normalem Lauf der Dinge entdecken konnte oder nicht;
die subjektive Erkennbarkeit ist nicht entscheidend. Wesentlich ist allerdings, daß der
Mangel - von objektiv technischer Warte aus gesehen - hätte aufgespürt werden können,
und sei es auch erst bei gezielter Suche, sofern diese nicht mit einem
unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden gewesen wäre. Nur unter
letzterem Gesichtspunkt kann es für den wirtschaftlichen Stellenwert eines Mangels darauf
ankommen, unter welchen Umständen ein vermuteter Fehler erkannt werden kann. Denn bei
einem in diesem Sinne nur schwer aufzuspürenden Mangel könnte die technische oder
wirtschaftliche Behebbarkeit in Frage gestellt sein (vgl. dazu Steffen, aaO, S. 980).
Anfänglicher Mangelunwert und Schaden decken sich, wenn die Fehlersuche und die
Fehlerbeseitigung Kosten verursachen, die etwa dem Wert der Gesamtsache entsprechen oder
ihn sogar übersteigen (vgl. Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1512, S. 14).
c) Der Sachverhalt, von dem das Berufungsgericht auf der Grundlage des Klägervortrags
ausgeht, rechtfertigt nicht die Annahme, der Mangel in der Befestigung des
Nockenwellensteuerrades habe entsprechend den dargelegten Grundsätzen aus technischen
oder wirtschaftlichen Gründen nicht behoben werden können. Das Berufungsgericht zieht
seinen dahingehenden Schluß allein aus der Behauptung des Klägers, das Fehlen der
Nockenwellenschraube wäre auch bei ordnungsgemäßer Ausführung der laut Service-Heft
vorgeschriebenen Wartungsarbeiten am Motor nicht aufgefallen.
Von einem Mangel, dessen Behebbarkeit technisch oder wirtschaftlich ausgeschlossen ist
und der daher bereits von vornherein die ganze Sache mit seinem Unwert ergreift, kann
keinesfalls schon dann gesprochen werden, wenn unbekannt ist, ob die Sache überhaupt
einen Fehler hat, oder wenn er bei üblichen und vom Hersteller vorgesehenen
Wartungsarbeiten, also letztlich bei einem normalen Ablauf der Dinge nicht aufgespürt
wird. Das ist nämlich, wie die bisher höchstrichterlich entschiedenen Fälle zum
"weiterfressenden Schaden" gezeigt haben, in aller Regel der Fall (vgl. Steffen,
aaO, S. 978).
Dafür, daß das Fehlen der Befestigungsschraube hier auch bei gezielter Suche nicht
ohne wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand hätte ermittelt werden können, findet
sich in den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und dem ihnen zugrunde
liegenden Vortrag der Parteien, die nur auf die vorgesehenen Wartungsarbeiten abstellen,
keinerlei Anhaltspunkt.
3. Der Senat vermag auch nicht den Überlegungen des Berufungsgerichts zu folgen, dem
seitens der Beklagten ausgelieferten Motor habe die Gebrauchstauglichkeit von vornherein
gefehlt, weil er von Anfang an die Gefahr jederzeitiger Zerstörung in sich getragen habe,
so daß nicht von einem "weiterfressenden Schaden" gesprochen werden könne,
vielmehr nur die anfängliche Schadhaftigkeit zufälligerweise erst später zutage
getreten sei.
Zwar war der Motor im Hinblick auf die fehlende Schraube, welche das Steuerrad auf der
Nockenwelle festhalten sollte, mangelhaft. Der Motor in seinen übrigen Teilen war aber
einwandfrei und stellte auch als Ganzes einen durchaus beachtlichen Wert dar. Der Mangel
haftete zunächst nur einem kleinem Teil an - eben dem Steuerrad, das nicht
ordnungsgemäß befestigt war und deshalb Gefahr lief, sich von der Nockenwelle zu lösen
-, nicht hingegen dem Gesamtprodukt als solchem, auch wenn - wie dies bei weiterfressenden
Schäden stets der Fall ist - von vornherein das Risiko einer erheblichen Beschädigung
der (ansonsten mangelfreien) Gesamtsache bestand. Wann sich dieses Risiko verwirklichen
würde, insbesondere ob der Mangel zuvor noch rechtzeitig entdeckt und behoben werden
würde (etwa bei anderweitig notwendig werdenden Reparaturarbeiten), war ungewiß. Der
Sachverhalt, den das Berufungsgericht im Hinblick auf den Vortrag des Klägers
zugrundegelegt hat, zeigt, daß die Schädigung der Gesamtsache keineswegs sofort nach
Ingebrauchnahme eintreten mußte, sondern der Motor - aus welchen technischen Gründen
auch immer - noch eine Fahrleistung von 9.500 km über einen Zeitraum von neun Monaten zu
erbringen in der Lage war. Dann aber kann nicht davon gesprochen werden, daß der
Mangelunwert des Motors von Anfang an so hoch war, daß der später eingetretene Schaden
als mit diesem "stoffgleich" zu erachten wäre und nur noch das
Äquivalenzinteresse des Klägers ausdrückte.
In der Silokipperentscheidung liegt die Besonderheit darin, dass die Kaufsache nicht
mangelhaft war, kaufrechtliches Gewährleistungsrecht deshalb von vornherein nicht in
Betracht kam. Dann lässt sich in der Tat mit guten Gründen vertreten, dass wegen der
Verletzung anderer Pflichten - hier Instruktionspflichten - ein
deliktsrechtlicher Integritätsschutz auch für die Kaufsache selber in Betracht kommt.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 05.05.1992, Az: VI ZR 188/91
Leitsatz
1. Schadensersatzansprüche wegen Schäden an einer erworbenen Sache können gegen
deren Hersteller auch dann entstehen, wenn dieser die Verwender nicht ausreichend darüber
unterrichtet, wie sie mit der Sache umzugehen haben, um Schäden daran zu vermeiden.
2. Beim Inverkehrbringen von Produkten, die nur von Fachpersonal bedient werden, sind
die Instruktions- und Warnpflichten des Herstellers deutlich herabgesetzt.
Fundstelle
ZIP 1992, 934-937 (LT)
NJW 1992, 2016-2018 (LT)
Zum Sachverhalt (vereinfacht):
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem Hersteller von Spezialanhängern,
Schadensersatz, nachdem sich beim Beladen eines ihrer beiden von der Beklagten
hergestellten Sattelauflieger mit Silobehälter ein Unfall ereignet hat. Die Kl. macht
geltend, die Bekl. habe sie nicht ausreichend über die Bedienung des Anhängers
informiert, insbesondere darüber, daß der Anhänger für die Art der Verwendung bei der
Kl. kontruktiv ungeeignet sei.
Die Klage hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
2. Mit der Revision können deliktische Schadensersatzansprüche der Klägerin
bezüglich der Schäden an dem Silokipper auch nicht deshalb verneint werden, weil die
Klägerin insoweit durch eine unzureichende Instruktion über dessen Gebrauch nicht in
ihrem Integritätsinteresse verletzt worden sei.
Im Streitfalle geht es - jedenfalls aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts -
nicht um die vom Bundesgerichtshof seit der grundlegenden Entscheidung in BGHZ 67, 359
mehrfach (zuletzt durch Senatsurteil vom 24. März 1992 - VI ZR 210/91 - zur
Veröffentlichung bestimmt) bejahte Frage, ob die Lieferung einer Sache, an der nur
einzelne Teile mangelbehaftet sind, Ansprüche aus Verletzung des Eigentums an dieser
Sache auslösen kann, wenn dadurch vorher einwandfreie Teile dieser Sache beschädigt oder
zerstört werden. Hier geht es vielmehr darum, ob Schadensersatzansprüche wegen Schäden
an einem völlig einwandfreien Produkt dann entstehen können, wenn der Hersteller den
Verwender nicht ausreichend darüber unterrichtet, wie er mit dem Produkt umzugehen hat,
um Schäden daran zu vermeiden. Die diesbezüglichen Instruktions- und Warnpflichten sind,
wie auch vom Schrifttum offenbar nicht in Abrede gestellt wird, dem Hersteller im
Integritätsinteresse des Erwerbers auferlegt. Bei einem Schaden, der infolge der
Verletzung dieser Pflichten an dem Produkt entsteht, kann deshalb ohne weiteres eine
deliktische Haftung des Herstellers eingreifen (vgl. Steffen, VersR 1988, 977, 978; vgl.
auch OLG Frankfurt, Urteil vom 18. November 1988 mit NA-Beschluß des Senats vom 9. Januar
1990 - VI ZR 345/88 - Industriefilter - VersR 1990, 981, 982).
3. Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an
die Instruktionspflicht des Herstellers überspannt.
Jeder Warenhersteller ist allerdings grundsätzlich verpflichtet, vor den mit der
Verwendung seines Produktes verbundenen Gefahren zu warnen und den Produktverwender darauf
hinzuweisen, wie er solche Gefahren vermeiden kann. Unter Umständen muss sogar vor einem
naheliegenden Missbrauch des Produkts gewarnt werden (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 12.
November 1991 - VI ZR 7/91 - Kindertee - VersR 1992, 96, 97, demnächst auch in BGHZ 116,
60). Die Instruktionspflicht besteht jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, nur
im Rahmen der Verbrauchererwartung und nur insoweit, als der Hersteller damit rechnen
muß, daß seine Produkte in die Hand von Personen gelangen, die mit den Produktgefahren
nicht vertraut sind (Senatsurteile vom 4. Februar 1986 - VI ZR 179/84 - Überrollbügel -
VersR 1986, 653 und vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - Verzinkungsspray - VersR 1987,
102, 103). Vor allem im Hinblick auf die Gefahr sachwidriger Verwendung von Produkten
werden die inhaltlichen Anforderungen an die Instruktionspflichten maßgeblich dadurch
beeinflußt, ob die Produkte von Laien in privaten Haushaltungen oder von Fachleuten im
gewerblichen Bereich verwendet werden (vgl. Walter, Kaufrecht, 1987, S. 419). Nur dann,
wenn der Hersteller davon ausgehen muß, daß bestimmte Produktgefahren auch in
spezialisierten Fachunternehmen nicht bekannt sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 7. August
1990, mit NA-Beschluß des Senats vom 11. Juni 1991 - VI ZR 301/90 - Brandschutzmörtel -
NJW-RR 1992, 285), oder wenn außer Fachleuten auch sonstige Personen das Produkt
verwenden, die dessen Gefahren nicht kennen (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister,
Produzentenhaftung, Kennzahl 1520 (Bearbeitung VIII/90), S. 41; vgl. auch OLG Düsseldorf,
Urt. vom 10. Januar 1991 mit NA-Beschluß des Senats vom 12. Dezember 1991 - VI ZR 35/91 -
Saunaaufguß - NJW-RR 1992, 534), muß er auch bei Lieferungen seines Produkts an
Fachunternehmen bzw. Großabnehmer auf die Produktgefahren hinweisen. Da die Silokipper
aber nur von Fachpersonal bedient werden, waren die Instruktions- und Warnpflichten der
Beklagten damit ihren Kunden gegenüber deutlich herabgesetzt.
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