Produkthaftung und ProduzentenhaftungDie Gliederungsüberschrift deutet zwei Ansatzmöglichkeiten für die Haftung eines Herstellers für Schäden an, die von seinen Produkten angerichtet werden. Die eine setzt beim Produktfehler an, die andere orientiert sich an einem Fehlverhalten des Produzenten. Der ersten Möglichkeit hat sich das seit dem 1. Januar 1990 geltende Produkthaftungsgesetz verschrieben. Die zweite Möglichkeit ist im BGB-Deliktsrecht verwirklicht worden, das nach § 15 Abs. 2 ProdHaftG für den Bereich der Produzentenhaftung als parallele Haftungsordnung auch heute noch gilt. Welche Probleme sollen mit der Produkt- oder Produzentenhaftung gelöst werden? Die Antwort auf diese Frage findet man am leichtesten, wenn man sich die Differenzierungen im Interessenschutz in Erinnerung ruft, die wir am Anfang der Erörterungen zum Haftungsrecht entwickelt haben. Dort haben wir das Erfüllungsinteresse und das Integritätsinteresse zu unterscheiden gelernt. Ein Teil des Erfüllungsinteresses ist das Äquivalenzinteresse. In ihm ist das Interesse eines Vertragspartners angesprochen, für seine Leistung die entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Ist die Gegenleistung mangelhaft, entspricht sie nicht den vertraglich festgelegten oder allgemein erwarteten Eigenschaften, so ist das Äquivalenzverhältnis gestört. Die Mittel, diese Störung auszugleichen, stellt das vertragliche Gewährleistungsrecht zur Verfügung. Im Kaufrecht sind dies der Anspruch auf Nacherfüllung, der Rücktritt, die Minderung und der Anspruch auf Schadensersatz. Die Wahrung des Äquivalenz- und Erfüllungsinteresses ist nicht Gegenstand der Produkt- oder Produzentenhaftung. Diese Haftungen zielen auf die Wahrung des Integritätsinteresses. Damit ist das Interesse am Bestand der ohne das fehlerhafte Produkt vorhandenen Rechtsgüter angesprochen. Produkt- und Produzentenhaftungsfragen treten also dann auf, wenn ein Produkt Schäden an anderen Rechtsgütern anrichtet. Man kann sich vertragliche und außervertragliche Begründungsmöglichkeiten für eine Produkt- oder Produzentenhaftung denken. Vertragliche Haftungstatbestände haben den Vorteil, dass man die Haftungszurechnung an den Geschäftsherrn in der arbeitsteiligen Produktion über § 278 BGB leichter in den Griff bekommt. Ihre Schwierigkeiten liegen darin, Vertragsbande zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller zu knüpfen, wenn der Geschädigte das Produkt nicht seinerseits unmittelbar vom Hersteller erworben hat. Deliktsrechtliche Begründungsmöglichkeiten haben die letzteren Schwierigkeiten nicht. Sie sehen sich aber mit dem Problem konfrontiert, dass dem Produzenten bei arbeitsteiliger Produktion möglicherweise der Entlastungsbeweis im Rahmen des § 831 BGB zu Gebote steht und dass im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB das erforderliche Fehlverhalten des Produzenten vom Geschädigten nachgewiesen werden muss. |
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