III. Gesellschafteranspruch und Gesellschaftsschaden
Auch die Entwicklung einer neuen Fallgruppe für die Drittschadensliquidation ist entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung nicht angezeigt. Die hier angegriffene Auffassung ist als Reaktion auf Entscheidungen des BGH entstanden, die es dem nach vertraglichen oder deliktischen Haftungsgrundsätzen anspruchsberechtigten Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft erlauben, den auf eine Rechtsverletzung zurückführbaren Verlust der Kapitalgesellschaft als eigenen Schaden zu liquidieren (BGH 61, 380; dazu Hüffer JuS 1976, 83; BGH NJW 1977, 1283 mit Anm. Hüffer und Anm. F. A. Mann S. 2160). Soweit die (hier besonders unklaren) Entscheidungen es dem Alleingesellschafter gestatten, den liquidierten Gesellschaftsverlust für sich zu behalten, sind sie auf allgemeine Kritik gestoßen. Es wäre in der Tat eine völlig neue Variation zum Thema Anspruchsberechtigung und Drittschaden, wenn der Verletzte zu seinen Gunsten einen Schaden liquidieren dürfte, den ein anderer erlitten hat. Aber auch die von der Kritik gutgeheißene Liquidierung des Schadens zugunsten der geschädigten Gesellschaft ist nicht berechtigt. Der Hinweis auf den insoweit liquidationsberechtigten Einzelkaufmann verfängt nicht. Denn diese risikoreiche Unternehmensform hat der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft gerade nicht gewählt. Wer aber einerseits die Vorteile einer Vermögenstrennung für sich in Anspruch nimmt, soll andererseits auch die sich aus dieser Trennung ergebenden Nachteile in Kauf nehmen. Niemand käme auf die Idee, den leitenden Angestellten eines Unternehmens die Geschäftsverluste liquidieren zu lassen, die das Unternehmen wegen des verletzungsbedingten Ausfalls des leitenden Angestellten erleidet. Genau das aber soll dem BGH und der Literatur zufolge der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, der gleichzeitig Alleingesellschafter ist, dürfen. Die korrekte schadensrechtliche Lösung des Konflikts vermeidet den Privilegienkumul (Haftungsprivileg durch Personen- und Vermögenstrennung und Liquidierungsprivileg durch Aufhebung dieser Trennung) beim Unternehmer: Der geschäftsführende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann wie jeder andere die Nachteile liquidieren, die ihm aus dem verletzungsbedingten Nichteinsatz seiner Arbeitskraft erwachsen. Bekommt er kein oder weniger Gehalt, so ist die Differenz auszugleichen. Wird das Gehalt in voller Höhe weitergezahlt, so greift die bekannte Regreßkonstruktion (s.o. Rz. 91) zugunsten der Gesellschaft ein. Der Gesellschafter hat dann allenfalls noch einen Anspruch auf Ausgleich der Wertminderung seines Gesellschaftsanteils. Diese ist auch bei Alleingesellschaftern nicht identisch mit dem Geschäftsverlust der Gesellschaft (insoweit zutr. Hüffer JuS 1976, 83 ff.. 84 m. w. N.; vgl. zum Ganzen auch Lieb in: FS Fischer 1979, 385 ff.; Schulte NJW 1979, 2230; John JZ 1979, 511).