Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
§ 286 Randnummer 16

1. Unbeachtlichkeit allgemeiner Erkenntnisskepsis

Zweifel, die nicht durch konkrete Gründe gestützt, sondern allein durch eine allgemeine Erkenntnisskepsis gespeist werden, bleiben für die Urteilsfindung außer Betracht, mögen sie auch die individuelle Überzeugungsbildung hindern (h. M. vgl. Walter S. 89 ff., 149 ff.). Wer den behaupteten Sachverhalt in Augenschein nimmt, muß von der Wahrheit der Behauptung ausgehen, wenn nicht konkrete Gründe für eine Wahrnehmungstäuschung angeführt werden können. Eine Zeugenaussage läßt sich nicht mit dem allgemeinen Hinweis auf die Aussagepsychologie vom Tisch wischen, wenn nicht gerade diesen Zeugen und seine Aussagen betreffende konkrete Zweifel zur Hand sind. Man darf nicht einen aus festgestellten Blutgruppenbefunden und bewährten Vererbungsgesetzen erschlossenen Vaterschaftsausschluß mit dem allgemeinen, womöglich durch ein Popper-Zitat gestützten Hinweis übergehen, daß all unser Gesetzeswissen nur Vermutungswissen sei (Popper Logik, S. 223: ,,Wir wissen nicht, sondern wir raten."), ohne konkrete Anhaltspunkte darzutun, daß und warum die Vererbungsgesetze gerade hier nicht gelten (BGHZ 12, 22, 25 ff.). Das alles steht praktisch wie theoretisch außer Streit. Die Kontroverse entzündet sich nicht an theoretisch denkbaren Zweifeln, für die im konkreten Fall keine Anhaltspunkte angeführt werden können; sie beginnt praktisch wie theoretisch dann relevant zu werden, wenn konkret faßbare Gründe den Grad des Vertrauens in die Wahrheit einer Sachverhaltsbehauptung zu senken geeignet sind.


zurück vorherige Randnummervor nächste Randnummer
Gesetzestext