Sachverhaltsvorgabe: Mit der formellen Beauftragung zur Beantwortung der nach der beschriebenen Vorarbeit wohl hinreichend präzisen Beweisfrage ist dem Sachverständigen mitzuteilen, von welchem Sachverhalt (auch Sachverhaltsvarianten) er nach den bisherigen Feststellungen des Gerichts auszugehen hat. Das empfiehlt sich schon um der eigenen wie um der Kontrolle durch die Parteien willen. Sind die Feststellungen des Gerichts im Zeitpunkt der Beauftragung noch nicht abgeschlossen, weil noch Zeugen zu vernehmen und Augenscheinseinnahmen durchzuführen sind, so ist sicherzustellen, daß der Sachverständige an diesen Feststellungen teilhat, wenn seine Teilnahme der Auftragserledigung förderlich ist (entsprechend § 80 StPO). Sollten weitere Feststellungen durch den Sachverständigen erforderlich werden, so muß das Gericht das vom Sachverständigen einzuhaltende Verfahren bestimmen (vgl. zur Beschaffung des Tatsachenstoffs allgemein Jessnitzer S. 188 ff.; Müller S. 251 ff.). Soweit es dabei um allgemeine Verfahrensgrundsätze geht, braucht das bei Sachverständigen, die häufiger für Gerichte tätig sind, nicht in jedem Fall ausdrücklich zu geschehen. Bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen darf man die Kenntnis der allgemeinen Verfahrensgrundsätze aufgrund der Sachverständigenordnungen und Richtlinien der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern unterstellen (veröffentlicht in: Sachverständige, Inhalt und Pflichten ihrer öffentlichen Bestellung, herausgegeben vom DIHT Bonn 1975; Muster-Sachverständigenordnung mit Richtlinien, herausgegeben vom Deutschen Handwerkskammertag, 1978; siehe auch das bei Müller abgedruckte ,,Merkblatt der Industrie- und Handelskammer für den gerichtlichen Sachverständigen). Dazu zählt die Gewährleistung der Parteiöffentlichkeit bei Besichtigungen (vgl. aber § 357 RN 3 zur Erzwingbarkeit) und wohl auch bei Experimenten, wenn es etwa um die Feststellung der Bremsverzögerungsleistung eines konkreten Fahrzeugs geht. Bei körperlichen Untersuchungen und Laborexperimenten gilt der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit nicht. Entstehen allerdings Zweifel daran, daß alles mit rechten Dingen zugegangen sei, mögen der Sachverständige und seine Mitarbeiter dazu gehört werden. Man sollte der Eigenermittlungstätigkeit des Sachverständigen insgesamt keine allzu engen Grenzen ziehen und dem Sachverständigen auch das Recht zugestehen, die Parteien oder andere Betroffene unmittelbar um Unterlagen und Auskünfte anzugehen. Er muß allerdings die Ergebnisse seiner Nachforschungen offenlegen. Wenn sie von dem Sachverhalt abweichen, den das Gericht dem Sachverständigen aufgegeben hat, sollte der Sachverständige noch vor der Abfassung des Gutachtens das Gericht davon unterrichten und um Weisung bitten, auf welcher Grundlage das Gutachten zu erstatten sei. Wenn die Ergebnisse den bisherigen Sachverhalt lediglich ergänzen oder präzisieren, so besteht kein Grund, diese Ergebnisse zu vernachlässigen. Erst wenn die Parteien über die Korrektheit der Feststellungen streiten, ist der Weg zum gerichtlich überwachten förmlichen Beweisverfahren einzuschlagen. Dieses Verfahrens bedarf es auch dann, wenn dem Sachverständigen die gewünschten Unterlagen und Auskünfte verweigert werden (vgl. Müller S. 258 ff.).
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