Mit der von der Theorie nahegelegten pessimistischen Einschätzung der Realitätsnähe von Ereignisreproduktionen stimmen auch die Ergebnisse aus den Experimenten überein, die der Komplexität des Zeugenbeweises noch am ehesten nahekommen, diesen Vorteil dafür aber mit der Nichtkontrollierbarkeit der unterschiedlichen Einflußgrößen bezahlen müssen. Gemeint sind die an der Wiege der wissenschaftlichen Zeugenpsychologie stehenden inszenierten Zwischenfälle, über die die von dem Experiment nicht unterrichteten Teilnehmer später berichten sollen (vgl. Bender/Nack S. VI). Bei solchen Experimenten in den Jahren 1981 und 1982 mit Richtern als unbewußten Versuchspersonen ließ sich Rolf Bender während eines Vortrags von einen Angestellten der Richterakademie in Trier mit der Bitte um eine Unterschrift unterbrechen. Bender ging mit der Erklärung, nichts zu unterschreiben, was er nicht zuvor gelesen habe, die ihm vorgelegte Mappe durch und unterschrieb nicht. In den zwei Stunden nach dem Zwischenfall von den Teilnehmern erbetenen Berichten gab etwa die Hälfte der 70 befragten Richter an, Herr Bender habe unterschrieben. Welchen Einflüssen diese Fehlleistungen zuzuschreiben sind, ist bei einem solchen Experiment nicht zu kontrollieren. Allein das Ergebnis gibt allerdings Anlaß, Ereignisschilderungen in Zeugenaussagen mit Zurückhaltung zu begegnen.
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