Interpretationsprobleme entstehen dann, wenn Irrtumsanalyse und Lügenanalyse sich auf unterschiedliche Aussagen beziehen sollten. Sicher ist, daß die Lügenanalyse bei (3) ansetzt, mit der Folge, daß das Feststehen einer Lüge nicht zugleich die Nichtwahrheit von A belegt. Die Lüge kann sich ja allein auf das Erleben eines im übrigen stattgehabten Ereignisses beziehen. Dagegen läßt sich für ungesteuerte Verfälschungen eine Interpretation denken, bei der die Wahrscheinlichkeit des Irrtums gleich der Wahrscheinlichkeit des Negats von (2) oder des Komplementereignisses von (1) ist. Wenn wir uns indessen darauf verständigen, daß auch die Wahrscheinlichkeit ungesteuerter Verfälschungen einer Aussage sich auf Aussagen der Art (3) bezieht (Beispiel: Traum einer realen Begebenheit), dann schwinden die Schwierigkeiten, ungesteuerte Verfälschungen (Irrtum) und gesteuerte Verfälschungen (Lüge) in ein einheitliches Modell zu integrieren. Es ist ein Modell für die Vertrauenswürdigkeit (Wahrscheinlichkeit der Wahrheit) einer Behauptung der Art (3), nämlich: ,,Ich habe erlebt, daß A". Die Wahrheit dieser Aussage ist genau dann gegeben, wenn sowohl ungesteuerte Verfälschungen als auch gesteuerte Verfälschungen ausgeschlossen sind. Unsicherheiten über das Vorliegen dieser beiden notwendigen (und zusammen hinreichenden) Bedingungen können als Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Vorliegen der einen oder anderen Bedingung notiert werden. Das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten ergibt die Wahrscheinlichkeit der Wahrheit der Aussage: ,,Ich habe erlebt, daß A". Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit einer Aussage aus den Wahrscheinlichkeiten für die notwendigen Bedingungen dieser Aussage gibt die Multiplikationsregel ein geeignetes mathematisches Modell.
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