Beweisrecht
Alternativkommentar ZPO
vor § 284 Randnummer 28

VI. Freibeweis und Strengbeweis

Die Diskussion um amtliche (und nichtamtliche) Auskünfte hängt auch mit den Problemen des sog. Freibeweises (vgl. dazu Peters Der sogenannte Freibeweis im Zivilprozeß, 1962; Koch/Steinmetz MDR 1980, 901 ff.) zusammen. Der Freibeweis ist im Gesetz nicht nur nicht geregelt; er ist dort, anders als die amtliche Auskunft, auch nicht einmal erwähnt. Dennoch reserviert ihm die h. M. ein beachtliches Anwendungsfeld, in dem das Gericht, losgelöst von den Zwängen des durch die fünf klassischen Beweismittel repräsentierten Strengbeweises, ein Beweisverfahren nach eigenem Ermessen gestalten kann: ohne Beweisbeschluß, ohne Termin zur Beweisaufnahme unter Verwendung von Erkenntnisquellen jeglicher Art, insbesondere von amtlichen und halbamtlichen schriftlichen wie (fern-)mündlichen Auskünften, Versicherungen durch Privatpersonen und Akten aus anderen Verfahren. Der Freibeweis soll vor allem gelten für die Feststellung der allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels und sonstiger von Amts wegen zu prüfender prozessualer Tatbestandsmerkmale sowie im Revisionsverfahren und im Verfahren über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe. Gegenüber dem Freibeweis gelten die gegenüber einer allzu großzügigen Handhabung von Auskunftsersuchen erhobenen Bedenken in verstärktem Maße. Der Freibeweis sollte deshalb nur dann anerkannt werden, ,,wenn sich für bestimmte Fragen eine Freistellung vom allgemeinen Beweisrecht aus besonderen sachlichen Gründen rechtfertigt oder die ZPO die Absicht erkennen läßt, ein besonders vereinfachtes Verfahren zu ermöglichen" (StJ/Schumann/Leipold vor § 355 Anm. III 2). Das trifft für das Prozeßkostenhilfeverfahren zu. Im übrigen aber sollte für alle Fragen das allgemeine Beweisverfahren gelten, welches zwingend ohnehin nur für Behauptungen über singuläre Sachverhalte, die nicht offenkundig sind, vorgeschrieben ist (vgl. RN 25).


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