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Leistung an Erfüllungs statt

Will der Schuldner anstatt der geschuldeten Leistung eine andere Leistung erbringen, dann kann diese Leistung nicht zur Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB führen. Allerdings kann der Schuldner die Leistung als Leistung an Erfüllungs statt anbieten. Nimmt der Gläubiger dieses Angebot an, so erlischt das Schuldverhältnis im engeren Sinne gemäß § 364 Abs. 1 BGB ebenso wie bei der Erfüllung. Dennoch ist streitig, ob es sich bei der Leistung an Erfüllungs statt um ein Erfüllungssurrogat handelt (vgl. dazu insbesondere Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 5 I, 2 a). Dies erklärt sich daraus, dass ein Teil der Literatur die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) begreift, der sofort erfüllt wird (so etwa Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 10, 3; Schmidt/Brüggemeier, Zivilrechtlicher Grundkurs, 7. Auflage 2006, Rdnr. 358). Wieder andere qualifizieren die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als entgeltlichen Austauschvertrag, bei dem der Gläubiger sich in kaufähnlicher Weise (vgl. § 365 BGB) zum Erlass seiner bisherigen Forderung gegen Begründung einer neuen Forderung durch den Schuldner verpflichtet (so etwa BGHZ 46, 338, 342). Die herrschende Meinung wertet die Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt als reinen Erfüllungsvertrag, der nicht darauf gerichtet ist, ein neues Schuldverhältnis zu begründen, sondern die bestehende Forderung zum Erlöschen zu bringen (MüKo/Wenzel, § 364 Rdnr. 1). Allerdings handelt es sich auch nach dieser Meinung jedenfalls dann um einen Schuldänderungsvertrag, wenn die Parteien bereits vor der Erfüllung vereinbaren, dass die Schuld durch eine andere als die zunächst versprochene Leistung erfüllt werden soll (MüKo/Wenzel, § 364 Rdnr. 2).

Von der "typischen" Leistung an Erfüllungs statt ist die Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) zu unterscheiden. Von einer Ersetzungsbefugnis des Schuldners spricht man, wenn dieser zwar von Anfang an nur eine bestimmte Leistung schuldet, jedoch berechtigt ist, sich von dieser Schuld auch durch eine andere als die geschuldete Leistung zu befreien. Nach h.M. handelt es sich somit bei der Ersetzungsbefugnis um eine vorweggenommene (antizipierte) Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt, die unter der Bedingung steht, dass der Schuldner sein Ersetzungsrecht ausübt. Leistet der Schuldner aufgrund einer Ersetzungsbefugnis, so erlischt nach dieser Meinung konsequenterweise das Schuldverhältnis nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung, sondern gemäß § 364 Abs. 1 BGB durch eine Leistung an Erfüllungsstatt (BGHZ 46, 338, 342).

Besonders wichtig ist die Abgrenzung zwischen der Leistung an Erfüllungsstatt und der Leistung erfüllungshalber. Während die Leistung an Erfüllungs statt als Erfüllungssurrogat das Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Erlöschen bringt, lässt die Leistung erfüllungshalber das Schuldverhältnis zunächst bestehen und führt erst dann zum Erlöschen des Schuldverhältnisses, wenn sich der Gläubiger aus dem erfüllungshalber Geleisteten befriedigt hat, indem er z.B. eine erfüllungshalber geleistete Sache veräußert hat.

Wenn die Parteien eine Leistung erfüllungshalber vereinbart haben, dann folgt aus ihrer Vereinbarung, dass der Gläubiger sich verpflichtet, aus dem erfüllungshalber geleisteten Gegenstand schnellst- und bestmöglich mit verkehrsüblicher Sorgfalt Befriedigung zu suchen. Verletzt er diese Verpflichtung, so steht dem Schuldner gegen den Gläubiger ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) zu. Eine weitere Rechtsfolge der Vereinbarung einer Leistung erfüllungshalber besteht darin, dass die Parteien eine Stundung der ursprünglichen Forderung vereinbaren. Das hat zur Folge, dass der Schuldner die Erfüllung der ursprünglichen Forderung solange verweigern darf, bis der Gläubiger sich aus dem erfüllungshalber hingegebenen Gegenstand erfolgreich befriedigt hat oder ein Versuch der Befriedigung fehlgeschlagen ist.

Ob die Parteien eine Leistung an Erfüllungs statt oder eine Leistung erfüllungshalber gewollt haben, ist bei fehlender ausdrücklicher Parteivereinbarung durch Auslegung zu ermitteln. Für diese Auslegung stellt das BGB in § 364 Abs. 2 eine Auslegungsregel für den Fall zur Verfügung, dass die Leistung des Schuldners darin besteht, dass er dem Gläubiger gegenüber eine neue Verbindlichkeit (z.B. durch Hingabe eines Schecks oder eines Wechsels) eingeht. Das Gesetz geht in diesem Fall im Zweifel davon aus, dass die Leistung erfüllungshalber erfolgt. In allen anderen Fällen "alternativer Leistungsangebote" hilft das Gesetz nicht weiter. Hier muss die Auslegung dann mithilfe der §§ 133, 157 BGB den normativen Willen der Parteien ermitteln. Dabei ist allerdings in erster Linie die Interessenlage des Gläubigers zu beachten, der entsprechend der Wertung des § 364 Abs. 2 BGB regelmäßig nicht bereit sein wird, seine "alte Forderung" gegen eine ungewisse Realisierungschance einzutauschen. So wird man z.B. bei der Abtretung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten an den Gläubiger regelmäßig eine Leistung erfüllungshalber annehmen müssen, da der Gläubiger in den seltensten Fällen bereit sein dürfte das Bonitätsrisiko des Dritten zu tragen. Auch der Gesetzgeber neigt dieser Auffassung zu, wie die Vorschrift des § 788 BGB aus dem Recht der Anweisung zeigt.

Bei der Leistung von Sachen an Stelle der geschuldeten Leistung wird der Parteiwille grundsätzlich dann auf eine Leistung an Erfüllungs statt gerichtet sein, wenn der Gläubiger die Sache behalten soll und sie dem mehr oder minder dem Wert der "alten" Forderung entspricht; soll der Gläubiger die Sache dagegen verwerten ("versilbern") wird der Parteiwille dagegen regelmäßig auf eine Leistung erfüllungshalber gerichtet sein.

Welche Rechte der Gläubiger hat, wenn der an Erfüllungs statt geleistete Gegenstand mangelhaft ist, regelt § 365 BGB. Diese Vorschrift verweist für den Fall des Sach- oder Rechtsmangels auf die Vorschriften des Kaufrechts (§§ 434 ff. BGB). Dies bedeutet, dass der Gläubiger die Rechte aus § 437 BGB hat. Meist wird sich der Gläubiger dann für den Rücktritt entscheiden. Wählt er den Rücktritt, so führt dies nicht automatisch zum Wiederaufleben der gemäß § 364 Abs. 1 BGB erloschenen Forderung. Vielmehr erhält der Gläubiger dann einen Anspruch auf Wiederbegründung der erloschenen Forderung. Dies würde genau betrachtet bedeuten, dass der Gläubiger, wenn der Schuldner nicht zur Gewährleistung bereit ist, den Schuldner zunächst auf Wiederbegründung der erloschenen Forderung und nach Wiederbegründung dieser Forderung in einer zweiten Klage auf Erfüllung der wieder begründeten Forderung verklagen müsste. Um dieses unsinnige Ergebnis zu vermeiden, lässt der BGH es zu, dass der Gläubiger in einem solchen Fall unmittelbar auf Erfüllung des wiederbegründeten Anspruchs klagt (BGHZ 46, 338, 342 f.).

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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