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BlanketterklärungenBlanketterklärungen sind dadurch gekennzeichnet, dass jemand einem anderen ein schon unterschriebenes, aber noch nicht vollständig ausgefülltes Schriftstück überlässt und den anderen ermächtigt, das Schriftstück bei Bedarf auszufüllen. Das bürgerliche Gesetzbuch kennt keine eigenständige Regelung für Blanketterklärungen, die sich als ein Zwitter zwischen Eigenerklärungen (das ist ihr äußerliches Bild) und Erklärungen eines Stellvertreters (des zur Ausfüllung Ermächtigten) präsentieren. Lösungen müssen deshalb in den allgemeinen Lehren der Rechtsgeschäftslehre gefunden werden. Dafür kommen, jedenfalls für die offene Blankettsituation, das Recht der Stellvertretung und, falls die vollständige Erklärung nicht so ausfällt, wie der Ermächtigende sich das vorgestellt hatte, die Irrtumsanfechtung in Betracht. Es mag vielfältige Situationen geben, in denen man mit Blanketten arbeitet. Wir wollen das am Beispiel einer Blankobürgschaft zeigen. Blankobürgschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass der Bürge eine Bürgschaftserklärung unterzeichnet, aus der sich zwar ergibt, dass er sich verbürgen möchte, die aber wenigstens eines der für eine Bürgschaftserklärung wesentlichen Merkmale nicht enthält: die Bezeichnung des Gläubigers, des Schuldners oder der Forderung. Seinen Grund mag das Fehlen wenigstens einer dieser Angaben darin finden, dass der Bürge die für die Angaben erforderlichen Kenntnisse (noch) nicht hat. Der Sohn studiert in einer anderen Stadt, wird für die Wohnungsmiete eine Bürgschaft beibringen müssen und kennt bei der Abreise naturgemäß weder den Vermieter noch die Höhe des Mietzinses. Hier bietet es sich an, den Sohn mit einem Blankoformular auszustatten und ihn zu ermächtigen, die für die Bürgschaft erforderlichen Eintragungen dann vorzunehmen, wenn Vermieter und Mietforderung bekannt sind. Wählen die Eltern diesen Weg, so stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der so erteilten Bürgschaft, wenn der Vermieter die vervollständigte Bürgenerklärung in Händen hält. Dabei sind verschiedene Fallkonstellationen denkbar. Als Unterscheidungsmerkmale kommen in Betracht: die offene und die verdeckte Blankettlage sowie die berechtigte und die missbräuchliche Ausfüllung des Blanketts. Die offene Blankettlage ist dadurch gekennzeichnet, dass der Gläubiger als Empfänger der Bürgenerklärung erkennt (dass für einen objektiven mit den Verhältnissen vertrauten Dritten in der Position des Empfängers deutlich ist), dass die Bürgenerklärung nicht in Gänze vom Bürgen stammt, sondern durch einen Dritten vervollständigt worden ist. In der verdeckten Blankettlage stellt sich die Bürgenerklärung als in Gänze vom Bürgen stammend dar. Die missbräuchliche Ausfüllung ist eine Ausfüllung, die die Grenzen der Ermächtigung überschreitet, während die berechtigte Ausfüllung sich in den Grenzen der Ermächtigung bewegt. Offene Blankettlage und berechtigte Ausfüllung
Dies scheint nach dem Gesetz der einfachste Fall zu sein. Die Ausfüllungsermächtigung ist nach den Regeln des Stellvertretungsrechts zu beurteilen. Die Erklärung wirkt nach § 164 Abs. 1 BGB insgesamt für und gegen die Eltern, weil der Sohn die Ergänzung der Erklärung im Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung vorgenommen hat. Ob die Ermächtigung ihrerseits mündlich oder schriftlich erteilt worden ist, scheint mit Blick auf die Regelung des § 167 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung. So sah es denn auch die höchstrichterliche Rechtsprechung bis zum 29. Februar 1996. Dann aber kam der BGH (Entscheidung des BGH vom 29.2.1996) und stellte das bis dahin geltende Recht auf den Kopf. Gegen den Text des § 167 Abs. 2 BGB legte er fest: "Eine formbedürftige Bürgschaft kann nicht in der Weise wirksam erteilt werden, dass der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde zu ergänzen." Im Ergebnis bedeutet dies, dass mangels formwirksamer Ermächtigung die Ausfüllung des Blanketts nicht zu einer die Eltern bindenden Bürgschaft geführt hat. Genauer: Die Bürgschaft ist nach § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und kann mit der Genehmigung durch den Bürgen Wirksamkeit erlangen. Verdeckte Blankettlage und berechtigte Ausfüllung
Der eben zitierte Leitsatz ist so formuliert, dass er nicht zwischen offenen und verdeckten Blankettlagen unterscheidet. Damit dürfte sich am Ergebnis eigentlich nichts ändern. Es erscheint indessen nicht richtig, auch dem das Risiko der formunwirksamen Ermächtigung aufzubürden, der die Ermächtigungslage gar nicht erkennen kann, dem vielmehr eine vollständige Bürgschaftserklärung vorgelegt wird, die er als von den Eltern stammend ansehen muss. So sieht es denn auch der BGH (Entscheidung des BGH vom 29.2.1996), wenn er in einem weiteren Leitsatz festlegt: "Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, dass sie durch einen anderen ergänzt wurde." Offene Blankettlage und missbräuchliche Ausfüllung
Es erscheint überaus fraglich, ob es in dieser Situation nach der Umkehr des BGH in der Beurteilung der Formbedürftigkeit der Ermächtigung noch rechtliche Probleme geben kann. Wenn die Formbedürftigkeit der Ermächtigung die dem § 766 BGB zugeschriebene Warnfunktion erfüllen soll, so muss nun die Ermächtigung die Informationen enthalten, die sonst die Bürgschaft enthält. Es müsste sich die Grenze, bis zu der die Eltern zu bürgen bereit sind, aus der schriftlichen Ermächtigung ergeben. Dann aber wird der Missbrauch offenbar, und die unter Überschreitung der Ermächtigung ausgefüllte Bürgenerklärung entfaltet in Anlehnung an § 173 BGB keine Bindungswirkungen. Wenn indessen eine schriftliche Ermächtigung auch ohne Angabe einer solchen Grenze wirksam sein sollte oder aber wie bei Kaufleuten auf die Form der Ermächtigung verzichtet werden kann, dann stellt sich die Frage nach der Bindung des Bürgen an eine missbräuchlich ausgefüllte Bürgenerklärung. Die Antwort liegt auf der Hand. Das Blankett steht der Vollmachtsurkunde in § 172 BGB gleich. Die missbräuchliche Nutzung der Vollmacht führt zur Bindung des Vertretenen, soweit der Vertragspartner den Missbrauch nicht erkennen kann. Es kommt auch keine Anfechtung der Bürgschaftserklärung wegen eines Irrtums des Bürgen über den Umfang der von ihm eingegangenen Bürgenverpflichtung in Betracht. Dies ergibt sich aus § 166 Abs. 1 BGB, der beim Vertretergeschäft auf die Kenntnis des Vertreters und nicht des Vertretenen abstellt. Der missbräuchlich handelnde Vertreter aber hat sich nicht geirrt. Verdeckte Blankettlage und missbräuchliche Ausfüllung
Die Rechtsprechung will auch in diesem Fall denjenigen, der ein Blankett aus der Hand gibt, an die missbräuchliche Ausfüllung des Blanketts binden und ihm die Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums verwehren. Zwar stand eine solche Situation gar nicht zur Entscheidung durch den BGH an. Doch ist der Leitsatz: "Gibt der Bürge eine Blankounterschrift ohne formgerechte Vollmacht oder Ermächtigung aus der Hand, haftet er gegenüber dem Gläubiger, der eine vollständige Urkunde erhält und ihr nicht ansehen kann, dass sie durch einen anderen ergänzt wurde", so weit formuliert, dass er auch diesen Fall umfasst. Überdies kann sich der BGH insoweit auf eine (seit BGHZ 40, 65, 68) ständige Rechtsprechung berufen. Auch folgt die Literatur dem BGH in dieser Hinsicht weitgehend (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, § 33 III, Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 48 Rdnrn. 36 bis 40 sowie Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 65; anders etwa Pawlowski, JZ 1997, 309, 311 f.). Damit aber schießt man über das Ziel hinaus. Dem Vertragspartner, der die Blankettsituation gar nicht erkennt, müssen auch die Wohltaten des Vertretungsrechts nicht zugute kommen. Wer den Bürgen anfechten lässt, dem seine Schreibkraft die diktierte Bürgschaftserklärung verfälscht, der muss, um Gleiches gleich zu behandeln, auch den Bürgen anfechten lassen, dem der verdeckt agierende Ermächtigte eine Erklärung nicht gewollten Inhalts unterschiebt. Vertrauensschadensersatz nach § 122 BGB ist das Einzige, was man in diesen Fällen von dem Bürgen zu erwarten hat. |
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