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Rechtsfolgen der Stellvertretung

Wirksame Vertretungsmacht

Handelt der Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht – wozu auch die Fälle der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (für letztere umstritten, s.o.) gehören -, so kommt das Rechtsgeschäft zwischen dem Geschäftspartner und dem Vertretenen zustande. Berechtigt und verpflichtet wird nur der Vertretene; Rechtsfolgen für den Vertreter ergeben sich nicht. Dem entspricht es, dass die Verpflichtungen aus der Anbahnung von Vertragsverhandlungen regelmäßig den Vertretenen treffen; dieser haftet demzufolge auch aus culpa in contrahendo, wenn der Vertreter eine solche Verhaltenspflicht verletzt

Eigenhaftung des Vertreters

Nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen kommt daneben eine Eigenhaftung des Vertreters in Betracht. Die Fälle, die sich dazu in der Rechtsprechung ausgebildet haben, sind die Fälle, in denen der Vertreter ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat oder wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Seit dem 1.1.2002 gibt es für diese Haftung auch eine gesetzliche Grundlage: § 311 Abs. 3 BGB. Zur ersten Fallgruppe ist anzumerken, dass für die Annahme eines besonderen wirtschaftlichen Interesses des Vertreters ein nur mittelbares Interesse, wie z.B. das Provisionsinteresse des Vertreters, nicht ausreicht. Der Vertreter muss vielmehr wie in eigener Sache beteiligt sein.

Im Rahmen der zweiten Fallgruppe ist ebenfalls Zurückhaltung geboten. Denn das für die Eigenhaftung des Vertreters erforderliche Vertrauen muss über das normale Verhandlungsvertrauen, dass der Vertretene einen sachkundigen Vertreter einsetzt, hinausgehen. Ein solches besonderes persönliches Vertrauen kann sich aus der besonderen Sachkunde des Vertreters für den Vertragsgegenstand oder aus der Tatsache ergeben, dass der Vertreter den Eindruck besonderer persönlicher Zuverlässigkeit erweckt hat. Angenommen wurde dies für einen KFZ-Händler, der für einen Kunden einen Gebrauchtwagen verkauft.

Die Wissenszurechnung

Von Interesse ist im Zusammenhang mit einer wirksamen Vertretungsmacht noch § 166 BGB. Ausgangspunkt für die Regelung in § 166 Abs. 1 BGB ist die Tatsache, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt. Deshalb kommt es darauf an, ob in seiner Person Willensmängel vorliegen oder ob er Kenntnis von bestimmten Umständen hat oder hätte haben müssen. Das bedeutet, dass der Vertretene (bzw. der Vertreter, sofern er dafür Vertretungsmacht besitzt) zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB nur berechtigt ist, wenn der Vertreter sich geirrt hat; ob er sich selbst geirrt hat, ist nach § 166 Abs. 1 BGB ohne Belang. Kommt es im Rahmen des Erwerbs vom Nichtberechtigten auf den guten Glauben des Erwerbers an und wurde dieser beim dinglichen Einigungsvertrag vertreten, so ist nach der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB die Gut-/Bösgläubigkeit ("Kenntnis oder Kennenmüssen gewisser Umstände) des Vertreters, nicht des Vertretenen, entscheidend.

Dass diese Regelung leicht missbraucht werden könnte, ist offensichtlich: Der Erwerber, der darum weiß, dass die Sache nicht im Eigentum des Veräußerers steht, müsste sich nur eines gutgläubigen Vertreters bedienen und könnte so Eigentum erwerben.

Diesem Missbrauch beugt § 166 Abs. 2 BGB vor:

Handelt der Vertreter "nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers", d.h. würde der Vertretene den Vertreter losschicken, um eine bestimmte Sache für ihn zu erwerben, so kommt es entgegen § 166 Abs. 1 nicht auf die Person des Vertreters, sondern auf die des Vertretenen an (§ 166 Abs. 2 BGB). § 166 Abs. 2 BGB bestimmt das ausdrücklich nur für die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen bestimmter Umstände.

Umstritten ist deshalb, ob das auch für Willensmängel des Vertretenen gilt. Denn nach der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB kommt es nur auf die Willensmängel des Vertreters an und § 166 Abs. 2 BGB bestimmt auch bei einem Handeln "nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers" – zumindest ausdrücklich – nichts anderes.

Zur Lösung dieser Frage sollte der hinter § 166 Abs. 1 und 2 BGB stehende Grundgedanke herangezogen werden: Danach kommt es eben nicht darauf an, um wessen Willenserklärung es sich rein formal handelt (denn dann käme es immer – auch bei einem Handeln nach bestimmten Weisungen – auf den Vertreter an), sondern abzustellen ist auf diejenige Person, auf deren Entschließung der Geschäftsabschluss beruht. Das ist im Fall des § 166 Abs. 1 BGB (selbständiges Handeln des Vertreters) der Vertreter. Dagegen ist es im Fall des § 166 Abs. 2 BGB der Vollmachtgeber, da er hier über seine Weisung die Willenserklärung des Vertreters entscheidend bestimmt.

Deshalb ist § 166 Abs. 2 BGB analog auf Willensmängel des Vertretenen anzuwenden. Handelt der Vertreter also nach bestimmten Weisungen des Vertretenen und wurde diese Weisung durch Willensmängel des Vertretenen (z.B. Irrtum oder Täuschung) beeinflusst, so kann der Vertretene anfechten, auch wenn der Vertreter nicht irrte.

Fehlende Vertretungsmacht

Bevor wir uns näher mit den Rechtsfolgen bei fehlender Vertretungsmacht befassen, sollen zunächst die verschiedenen Gründe erörtert werden, aus denen die Vertretungsmacht fehlen kann.

Das Fehlen der Vertretungsmacht kann darauf zurückzuführen sein, dass die Bevollmächtigung unwirksam ist (etwa weil der Vertretene geschäftsunfähig ist) oder nur eine beschränkte Vertretungsmacht erteilt wurde und der Vertreter Geschäfte außerhalb dieser Vertretungsmacht abgeschlossen hat.

Hier ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in den Fällen der beschränkten Vertretungsmacht genau zu prüfen ist, ob lediglich eine Abrede im Innenverhältnis vorliegt (die die Vertretungsmacht im Außenverhältnis unberührt lässt), oder ob die Vollmacht beschränkt wurde (was zu einem Fehlen der Vertretungsmacht führt).

Die Vertretungsmacht fehlt auch, wenn sie wirksam widerrufen oder angefochten wurde.

Insichgeschäfte

Die Vertretungsmacht ist für sog. "Insichgeschäfte" kraft Gesetzes gemäß § 181 BGB ausgeschlossen.

§ 181 BGB kennt zwei Arten von "Insichgeschäften":

Das Selbstkontrahieren ("im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen"), bei dem auf der einen Seite der Vertretene, vertreten durch den Vertreter, steht, auf der anderen Seite der Vertreter, handelnd für sich selbst.

Die Mehrfachvertretung ("im Namen des Vertretenen mit sich ... als Vertreter eines Dritten"), bei der auf der einen Seite der Vertretene, vertreten durch den Vertreter, steht, auf der anderen Seite ein anderer Vertretener, vertreten durch denselben Vertreter.

Gemeinsam ist diesen gesetzlich geregelten Fällen des § 181 BGB, dass der Vertreter zwar formal für verschiedene Personen handelt, er jedoch beim Vertragsschluss beide Parteien vertritt (im untechnischen Sinne).

Für diese Fälle ordnet § 181 BGB an, dass "der Vertreter ... ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen [kann]". Das spräche dafür, dass ein unter § 181 BGB fallendes Rechtsgeschäft des Vertreters (unheilbar) nichtig ist.

Es besteht jedoch Einigkeit, dass § 181 BGB nur die Vertretungsmacht ausschließt. Demzufolge handelt ein Vertreter, der ein unter § 181 BGB fallendes Rechtsgeschäft vornimmt, als Vertreter ohne Vertretungsmacht; das von ihm vorgenommene Rechtsgeschäft ist nicht nichtig, sondern es finden die §§ 177 ff. BGB entsprechende Anwendung (dazu später).

Jedoch kennt § 181 BGB selbst zwei Ausnahmen, in denen das "Insichgeschäft" zulässig ist:

Sofern dem Vertreter das "Insichgeschäft" gestattet ist oder sofern es ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Insoweit sind Anwendungsbereich und Ausnahmen des § 181 BGB klar.

Strittig ist, ob und auf welche Fälle § 181 BGB darüber hinaus Anwendung finden soll.

Die Lösung dieser Streitfrage kann nur vom Normzweck des § 181 BGB her erfolgen. Dieser ist ein zweifacher: Einmal handelt es sich um eine formale Ordnungsvorschrift, die jede Personenidentität bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts vermeiden will, zum anderen dient § 181 BGB der Vermeidung von Interessenkollisionen, die typischerweise – aber nicht zwangsläufig – mit der Personenidentität einhergehen.

Problematisch (und strittig) sind die Fälle, in denen eine Personenidentität vorliegt, ohne dass es zu einer Interessenkollision kommt, oder umgekehrt zwar eine Interessenkollision auftritt, ohne dass aber Personenidentität vorliegt.

Zunächst zu der Konstellation der Personenidentität ohne Interessenkollision: Da § 181 BGB die Interessenkollision nicht zum Tatbestandsmerkmal gemacht hat, unterfielen diese Fälle bei wörtlicher Auslegung der Vorschrift. Das Bedürfnis nach einer teleologischen Reduktion der Norm wird aber deutlich, wenn man die Schenkung der Eltern an ihr sechsjähriges Kind betrachtet: Dieses Rechtsgeschäft fiele unter die Fallgruppe "Selbstkontrahieren" und damit unter § 181 BGB. Um dies zu vermeiden, wendet man § 181 BGB nicht an, wenn das Geschäft nicht zum Nachteil des Vertretenen ausfallen kann. Dabei darf die Unbedenklichkeit bzw. das Fehlen eines Interessenkonflikts aber nicht für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden; vielmehr gebietet die Rechtssicherheit , dass ein Rechtsgeschäft nur dann nicht unter § 181 BGB fällt, wenn es bei abstrakter Betrachtung zu keinem Nachteil für den Vertretenen führen kann. Das ist dann der Fall, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist, was mit der Wertung in § 107 BGB übereinstimmt.

In der umgekehrten Konstellation – Interessenkonflikt ohne Personenidentität – stellt sich die Frage, ob § 181 BGB auch auf diese Fälle anwendbar ist, obwohl der Anwendungsbereich der Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht eröffnet ist. Das ist aber abzulehnen: Interessenkonflikte können in vielfältigen Situationen und sehr versteckt auftreten. Wollte man hier jeweils § 181 BGB anwenden, so führte dies zu einer nicht zu vertretenden Rechtsunsicherheit.

Ganzheitliche Betrachtungsweise oder teleologische Reduktion des § 181 BGB

Im Zusammenhang mit dem Minderjährigenrecht und dem Recht der Eltern, ihre Kinder zu vertreten, kann es bei Geschenken der Eltern an ihre Kinder zu Problemen kommen. Betrachten wir zunächst den Normalfall der Geschenke der Eltern an die Kinder unter dem Weihnachtsbaum. Hier gibt es regelmäßig keine formwirksamen Schenkungsversprechen, da niemand vor Weihnachten mit seinen Kindern zum Notar zu gehen pflegt. Da könnte es ja auch zu Verwechselungen des Notars mit dem Weihnachtsmann kommen. Die Wirksamkeit der Rechtsübertragung (und der Schenkung) hängen allein von der Eigentumsübertragung ab.

Gegenüber den Kindern, die schon sieben Jahre alt sind, bereitet die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen kein Problem. Diese Kinder können die erforderliche Einigungserklärung allein abgeben, weil der Erwerb des Eigentums ihnen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt und deshalb nach § 107 BGB ohne Einwilligung der Eltern möglich ist. Die noch nicht sieben Jahre alten Kinder aber sind geschäftsunfähig und können gar keine wirksame rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Sie müssen vertreten werden. Ihre gesetzlichen Vertreter sind die Eltern, die nun auf beiden Seiten der Eingungserklärung auftreten müssen und daran unter Umständen durch § 181 BGB gehindert sind. Wären sie wirklich gehindert, bliebe für die Weihnachtsgeschenke an die Kleinsten nur der Weg zum Gericht und zur Bestellung eines Pflegers nach § 1909 BGB. Das ergibt wenig Sinn. Man muss § 181 BGB in seinem Anwendungsbereich einschränken. Den Kindern drohen ja aus Rechtsgeschäften, die ihnen lediglich rechtliche Vorteile bringen, keinerlei Gefahren. Die gesetzlichen Vertreter können auch in keinen Interessenkonflikt kommen, dessen Vermeidung das Ziel des § 181 BGB ist. Dieser findet im Wege der teleologischen Reduktion keine Anwendung auf Rechtsgeschäfte, die dem Vertretenen lediglich rechtliche Vorteile bringen.

Ein wenig anders verläuft die Argumentation, wenn die Eigentumsübertragung rechtliche Nachteile mit sich bringt. Das ist etwa bei Grundstücken der Fall, auf denen sich Wohnungen befinden, die der Eigentümer vermietet hat (siehe § 566 BGB). Hier können schon Kinder, die sieben Jahre und älter sind, die Einigungserklärung (Auflassung) nicht mehr allein (ohne Beteiligung der gesetzlichen Vertreter) wirksam abgeben. Und die Eltern als gesetzliche Vertreter sehen sich wieder dem Verbot des Insichgeschäfts aus § 181 BGB ausgesetzt. Dieses Verbot kann nicht mit der Erwägung überwunden werden, dass es wegen der rechtlichen Vorteile keinen Interessenkonflikt gäbe. Der Eintritt in die Mietverhältnisse bringt rechtliche Nachteile für die Kinder mit sich. Die Bestellung eines Pflegers zur Erklärung der Auflassung für die Kinder erscheint unausweichlich, wenn nicht die in § 181 BGB angeordnete Ausnahme den Beteiligten zuhilfe kommt. Ist die Eigentumsübertragung nicht die bloße Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Schenkungsvertrag? Anders als bei den üblichen Weihnachtsgeschenken geht man für Grundstücksüberlassungsverträge zum Notar. Es liegt mithin ein formwirksames Schenkungsversprechen vor, das dem Minderjährigen nur Vorteile und keine Nachteile bringt. Die Nachteile resultieren erst aus der Eigentumsübertragung. Doch hat der Bundesgerichtshof diesem trickreichen Vorgehen den Erfolg mit einer Gesamtbetrachtung versagt (BGHZ 78, 28, 33 ff.). Dafür wurde er gescholten, denn die Gesamtbetrachtung verletzt den Trennungsgrundsatz. Doch will auch die Literatur den aufgezeigten Weg der Übertragung ohne Beteiligung eines Pflegers nicht gehen. Sie greift abermals zur teleologischen Reduktion, jetzt nicht des Verbots des Insichgeschäfts, sondern der gesetzlichen Ausnahme vom Verbot des Insichgeschäfts (Nachweise in BGHZ 161, 170, 174).

Beschränkungen der Vertretungsmacht 

In weiteren Vorschriften ist die Vertretungsmacht für bestimmte Fälle ausgeschlossen oder beschränkt: § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm § 1795 BGB nimmt den Eltern die Vertretungsmacht für bestimmte Rechtsgeschäfte, § 1643 Abs. 1 BGB iVm §§ 1821,1822 BGB beschränkt die Vertretungsmacht der Eltern insofern, als sie für bestimmte Rechtsgeschäfte der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen.

Ein letzter Grund für das Fehlen der Vertretungsmacht kann schließlich der Missbrauch der Vertretungsmacht sein.

Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt an sich immer dann vor, wenn der Vertreter seinen Beschränkungen im Innenverhältnis zuwider Rechtsgeschäfte im Außenverhältnis vornimmt. Diese Tatsache lässt jedoch aufgrund des Abstraktionsprinzips zwischen Grundgeschäft und Vollmacht die Vertretungsmacht grundsätzlich unberührt, so dass dieses Risiko grundsätzlich der Vertretene trägt. Diese Fälle werden aber – obwohl es sich um Missbrauchsfälle handelt – gemeinhin nicht als solche bezeichnet.

In der juristischen Terminologie werden unter "Missbrauch der Vertretungsmacht" zwei Fallgruppen gefasst, die eine Bindung des Vertretenen ausschließen:

Arbeiten der Vertreter und der Geschäftspartner bewusst zum Zwecke der Schädigung des Vertretenen zusammen (Kollusion), so wird der Vertretene nicht gebunden, da das Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten) unwirksam ist.

Ist der Dritte nicht schutzwürdig, weil der Vertreter in verdächtiger Weise von seiner Vertretungsmacht Gebrauch gemacht hat und musste sich dies dem Geschäftspartner aufdrängen, d.h. war der Missbrauch evident, so ist das Rechtsgeschäft zwar nicht nichtig, der Vertretene wird aber nicht gebunden, da in einem solchen Fall des evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht die Vertretungsmacht verneint wird, der Vertreter also als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelte.

Vereinzelt wird ein solcher evidenter Missbrauch erst dann bejaht, wenn der Geschäftspartner positive Kenntnis vom Missbrauch hatte. Dagegen spricht aber, dass sich diese positive Kenntnis kaum beweisen lässt.

Andere wollen evidenten Missbrauch schon dann annehmen, wenn die Unkenntnis des Geschäftspartners vom Missbrauch auf einfacher Fahrlässigkeit beruht. Das würde aber zu übergroßer Rechtsunsicherheit führen und auch das Abstraktionsprinzip aus den Angeln heben.

Deswegen liegt evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht immer dann vor, wenn sich dem Geschäftspartner der Missbrauch gewissermaßen aufdrängen musste, also bei grober Fahrlässigkeit des Geschäftspartners. Der Vertreter selbst muss sich des Missbrauchs nicht bewusst sein.

Liegt ein solcher Fall vor, so handelt der Vertreter als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen des Handelns des Vertreters ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) sind in den §§ 177 ff. BGB geregelt.

Rechtsverhältnis Vertretener – Dritter

Das rechtsgeschäftliche Handeln des falsus procurator wirkt nicht für und gegen den Vertretenen; der Vertretene wird also durch das Handeln des Vertreters zunächst nicht vertraglich gebunden.

Im Übrigen ist zwischen Verträgen (§§ 177, 178 BGB) und einseitigen Rechtsgeschäften (§ 180 BGB) zu unterscheiden:

Verträge, die der falsus procurator abgeschlossen hat, sind zunächst schwebend unwirksam. Der Vertretene hat das Recht, den Vertrag zu genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Genehmigt er, so wird der Vertretene aus dem Vertrag genauso berechtigt und verpflichtet, wie wenn der Vertreter von vornherein Vertretungsmacht gehabt hätte; genehmigt er nicht, ist der Vertrag endgültig unwirksam.

Für die Genehmigung gelten die §§ 182, 184 BGB: Sie kann dem Vertreter oder dem Vertragspartner gegenüber erklärt werden, sie ist grundsätzlich formfrei (§ 182 Abs. 2 BGB) und sie wirkt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück.

Die Vorgehensweise zur Beendigung des Zustands der schwebenden Unwirksamkeit ist in den §§ 177 Abs. 2, 178 BGB normiert, die den §§ 108 ff entsprechen.

Für einseitige Rechtsgeschäfte gilt § 180 BGB, der teilweise § 111 BGB entspricht.

Nach § 180 S.1 BGB ist ein vom falsus procurator vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft unzulässig: Es ist also nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig. Demzufolge kann es vom Vertretenen auch nicht genehmigt, sondern allenfalls neu vorgenommen werden.

Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen des § 180 S. 2, 3: Danach ist das einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäft nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam ("finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung") und der Vertretene kann genehmigen.

Rechtsverhältnis falsus procurator – Dritter

Wurde das Rechtsgeschäft vom Vertretenen genehmigt, so entstehen vertragliche Beziehungen ausschließlich zwischen dem Vertretenen und dem Dritten und die Rechtslage stellt sich so dar, wie sie sich bei von vornherein wirksamer Vertretungsmacht darstellen würde, d.h. der Vertreter ist am Rechtsgeschäft nicht beteiligt.

Bleibt die Genehmigung aus und ist das Rechtsgeschäft somit endgültig unwirksam, so muss der Dritte, der auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraute, geschützt werden. Diesen Schutz gewährleisten die in § 179 BGB geregelten Ansprüche gegen den falsus procurator. Dabei wird nach der Redlichkeit und Schutzwürdigkeit des falsus procurator sowie nach dem Schutzbedürfnis des Dritten unterschieden.

Nach § 179 Abs. 1 BGB haftet der falsus procurator, der den Mangel seiner Vertretungsmacht gekannt hat (argumentum e contrario aus § 179 Abs. 2 BGB), dem Dritten nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz.

Der Erfüllungsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn der falsus procurator persönlich überhaupt erfüllen kann. Das ist insbesondere bei Geldschulden der Fall, z.B. wenn er als Käufer aufgetreten ist. Wählt der Dritte dann Erfüllung, dann kommt zwar zwischen falsus procurator und Drittem kein Vertrag zustande, es entsteht aber zwischen ihnen kraft Gesetzes ein Schuldverhältnis mit dem Inhalt des Erfüllungsanspruchs. Inhalt dieses Schuldverhältnis sind auf Seiten des falsus procurator weitgehend die Rechte einer Vertragspartei, wie etwa die §§  275 ff und 320 ff. BGB und beim Kauf die §§ 437 ff. BGB.

Wählt der Dritte Schadensersatz, so schuldet der falsus procurator Schadensersatz wegen Nichterfüllung, also das positive Interesse.

Nach § 179 Abs. 2 BGB haftet der falsus procurator, der den Mangel seiner Vertretungsmacht nicht gekannt hat, auf den Ersatz des Vertrauensschadens. Dieses negative Interesse ist – wie auch in § 122 BGB – durch das positive Interesse in der Höhe begrenzt.

Schließlich sind die Ansprüche des Dritten aus § 179 Abs. 1 und 2 BGB ausgeschlossen, wenn sein Vertrauen auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts keinen Schutz verdient:

Nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB ist das der Fall, wenn der Dritte das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Bezüglich des "Kennenmüssen" ist aber zu beachten, dass die Verantwortung für die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht grundsätzlich bei diesem liegt. Den Dritten trifft keine Nachforschungspflicht, so dass sich "Kennnenmüssen" hier – ähnlich wie beim Missbrauch der Vertretungsmacht – nur auf evidente Mängel beziehen kann.

Nach § 179 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Schutz des beschränkt geschäftsfähigen falsus procurator dem des Dritten vor: Der Vertreter ohne Vertretungsmacht, der in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, haftet nicht, es sei denn, er handelte mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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