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Handeln in fremdem Namen (Offenkundigkeitsgrundsatz)

Eine wirksame Vertretung setzt weiterhin voraus, dass die Willenserklärung erkennbar "im Namen des Vertretenen" (§ 164 Abs. 1 BGB) abgegeben wird. Dazu bedarf es keiner ausdrücklichen Erklärung des Vertreters; es genügt, wenn sich das Handeln für einen anderen aus den Umständen ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sinn und Zweck dieses Offenkundigkeitsgrundsatzes ist der Schutz des Geschäftspartners des Vertretenen: Dieser soll wissen, dass er nicht mit demjenigen den Vertrag schließt, der ihm gegenüber handelt (Vertreter), sondern mit einer anderen Person. Denn andernfalls würde er möglicherweise im Vertrauen darauf, dass der Vertrag mit dem zahlungsfähigen Vertreter zustande kommt, einen Vertrag mit dem zahlungsunfähigen Vertretenen schließen.

Dieser Schutzzweck des Offenkundigkeitsgrundsatzes bestimmt auch Reichweite und Ausnahmen des Prinzips.

Unbestritten erfordert das Offenkundigkeitsprinzip das erkennbare Auftreten als Vertreter, d.h. es muss deutlich werden, dass durch die Handlung nicht der Vertreter, sondern ein anderer berechtigt und verpflichtet wird. Umstritten ist, ob darüber hinaus auch erkennbar sein muss, für wen der Vertreter auftritt. Zu diesem Streit ist zu sagen: Für dieses weitergehende Erfordernis, auch die Person des Vertretenen zu benennen, spricht der Wortlaut des § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB, der fordert, dass die Willenserklärung "im Namen des Vertretenen" (und eben nicht nur "im Namen eines anderen") abzugeben ist. Zu fragen ist jedoch, ob diese Auslegung auch vor dem Hintergrund des Schutzzwecks zwingend ist. Sicherlich dient es dem Schutz des Vertragspartners, wenn der Vertretene zumindest konkludent benannt werden muss. Seinem Schutzinteresse ist aber schon dann genügt, wenn er weiß, dass der Vertrag nicht mit dem Vertreter zustande kommt. Dann ist es an ihm, den Vertretenen (z.B. durch Nachfrage beim Vertreter) ausfindig zu machen oder den Vertrag zu schließen, ohne dies getan zu haben. Er geht dann eben ein Risiko ein, das ihm bewusst ist, vor dem er folglich auch nicht mehr geschützt zu werden braucht. Deshalb ist eine Nennung des Namens des Vertretenen nicht erforderlich. Zu fordern und ausreichend ist, dass der Vertreter deutlich macht, dass er als Vertreter handelt.

§ 164 Abs. 2 BGB

Häufig wird das Offenkundigkeitsprinzip auch an § 164 Abs. 2 BGB festgemacht. Diese schwer verständliche Norm könnte man so verstehen, dass sie zwei Aussagen enthalte:

Die erste beträfe die Fälle, in denen zweifelhaft ist, ob in eigenem oder fremdem Namen gehandelt wurde. Wenn bei Abgabe der Willenserklärung der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht für den Geschäftspartner erkennbar hervortritt, dann "kommt der Mangel des Willens, in eigenem Namen zu handeln, nicht in Betracht." Danach ist in Zweifelsfällen, wenn der Handelnde seinen Vertreterwillen nicht erkennbar gemacht hat, der Handelnde selbst aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dies ergibt sich aber bereits aus Absatz 1 bzw. dem hier mit angesprochenen Grundgedanken, dass jegliches rechtsgeschäftliche Handeln dem Handelnden zugerechnet wird, wenn er nicht zu erkennen gibt, dass er für einen anderen handelt. Mit dieser Aussage erwiese sich Absatz 2 als überflüssig. Seine wahre Funktion kommt auch in der zweiten Aussage zum Ausdruck. Das ist die allein zutreffende Aussage: § 164 Abs. 2 BGB schließt die Irrtumsanfechtung aus.

Es kann vorkommen, dass jemand in fremdem Namen, d.h. als Vertreter, auftreten will, dies aber dem Geschäftspartner nicht hinreichend deutlich macht, also irrtümlich im eigenen Namen auftritt. Dann hat er im eigenen Namen gehandelt und wird selbst Vertragspartner. Er könnte diese Erklärung aber an sich nach § 119 Abs. 1 Fall 1 (Inhaltsirrtum) anfechten. Diese Anfechtungsmöglichkeit ist ihm jedoch durch § 164 Abs. 2 BGB genommen: Der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, kommt nicht in Betracht.

Handeln unter fremdem Namen

Ein weiteres Problem im Rahmen des Offenkundigkeitsprinzips sind die Fälle, die gemeinhin als ""Handeln unter fremdem Namen" bezeichnet werden.

Um deutlich zu machen, wo das Problem dieser Fälle liegt, zunächst ein kleines Beispiel.

Beispiel: Klein möge sich für das Auto des Groß interessieren. Er besichtigt dieses. Klein und Groß kannten sich bis dato nicht und stellten sich auch nicht namentlich vor. Als es zum Kaufvertrag kommt, unterschreibt Groß als Verkäufer. Auf Käuferseite unterschreibt Klein mit dem Namen "Becker".

Zwischen wem ist der Kaufvertrag zustande gekommen?

Die Lösung dieses unscheinbaren Falles sieht wie folgt aus:

Der Kaufvertrag ist zwischen Groß und Becker zustande gekommen, wenn Klein den Becker beim Kaufvertragsschluss wirksam vertreten hat. Es sind also die Voraussetzungen der Stellvertretung zu prüfen.

Klein hat eine eigene Willenserklärung abgegeben. Zu prüfen ist, ob er in fremdem Namen gehandelt hat. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass ein Handeln in fremden Namen vorliegt, da Klein ja mit "Becker" unterschrieben hat. Das ist aber falsch (und darin liegt zugleich die größte Gefahr dieser Fälle). Denn Offenkundigkeit ("Handeln in fremdem Namen") bedeutet, dass Klein bei seiner Erklärung – zumindest konkludent – deutlich macht, "ich bin zwar nicht Becker, handele aber für ihn". Nur dann ist dem Sinn und Zweck des Offenkundigkeitsprinzips (dem Geschäftspartner deutlich zu machen, dass nicht die vor ihm stehende Person sein Vertragspartner ist) genüge getan. Das hat Klein hier aber nicht getan, denn Groß wird denken, dass die vor ihm stehende Person "Becker" ist und diese sein Vertragspartner wird. Es fehlt also an der Offenkundigkeit der Vertretung, so dass als Zwischenergebnis festzuhalten bleibt, dass keine wirksame Vertretung erfolgte, Becker also nicht Vertragspartner des Groß wurde.

Man sagt, Klein hat unter fremdem Namen gehandelt, nicht aber in fremdem Namen, wie in § 164 Abs. 1 BGB verlangt.

§ 164 Abs. 1 BGB könnte jedoch auf das Handeln unter fremdem Namen analog anwendbar sein.

Das hängt davon ab, ob der Sinn des Offenkundigkeitsprinzips (der Schutz des Vertragspartners, hier des Groß) diese Analogie zulässt. Dabei ist zu differenzieren:

Kommt es dem Groß nicht darauf an, welchen Namen sein Vertragspartner in Wirklichkeit trägt, sondern will er den Vertrag nur mit der tatsächlich vor ihm stehenden Person schließen, dann besteht keine Veranlassung, § 164 Abs. 1 BGB analog anzuwenden. Es kommt dann kein Vertrag zwischen Groß und Becker zustande, sondern ein Kaufvertrag zwischen Groß und dem vor ihm stehenden Klein (sog. Namenstäuschung).

Anders ist es, wenn Groß den Vertrag gerade mit dem Namensträger "Becker" abschließen will (etwa weil dieser sehr bekannt ist und Groß die Tatsache, dass "Becker" ein Auto von Groß fährt, zu Werbezwecken nutzen will). Dann ist es geboten, die §§ 164 ff. BGB entsprechend anzuwenden (sog. Identitätstäuschung). Das bedeutet allerdings noch nicht, dass zwischen Groß und Becker ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde. Dazu müsste Klein auch mit Vertretungsmacht (zu dieser Voraussetzung später) gehandelt haben, woran es in diesen Fällen regelmäßig fehlen wird. Dann gelten die §§ 177 ff. BGB (auch dazu Genaueres später), so dass bei fehlender Genehmigung des Becker der Klein nach § 179 Abs. 1 BGB haftet.

Durchbrechungen des Offenkundigkeitsprinzips

Ausgehend vom Schutzzweck des Offenkundigkeitsprinzips können schließlich auch diejenigen Fälle bestimmt werden, in denen es ausnahmsweise keine Anwendung findet: eben in den Fällen, in denen es dem Vertragspartner gleichgültig ist, mit wem er den Vertrag schließt.

Geschäft für den, den es angeht

Als erste Ausnahme wird gemeinhin das Geschäft für den, den es angeht, genannt. Dabei geht es um Folgendes: Schickt der Vater seinen Sohn zum Brötchenkauf, dann wird der Sohn weder ausdrücklich noch konkludent die Brötchen "für den Vater" kaufen. Er wird vielmehr "vier Brötchen und zwei Croissants" kaufen. Damit ist aber dem Offenkundigkeitsprinzip nicht Genüge getan, so dass der Vertrag mit dem Sohn zustande kommen würde. Bei diesen Bargeschäften des alltäglichen Lebens ist es den Beteiligten aber regelmäßig egal, mit wem sie den Vertrag schließen, da dieser sofort erfüllt wird. Da dem Verkäufer sein Vertragspartner gleichgültig ist, schließt er den Vertrag mit dem, den es angeht, eben dem Vater. Dies gilt sowohl für den schuldrechtlichen Kaufvertrag als auch für die dingliche Einigung.

Unternehmensbezogene Erklärungen

Als zweite Ausnahme wird häufig das Geschäft für den Inhaber eines Gewerbebetriebs genannt. In diesen Fällen wird beim Handeln des Angestellten für den Betrieb der Betriebsinhaber berechtigt und verpflichtet, auch ohne dass der Angestellte beim Vertragsschluss dies ausdrücklich klarstellen müsste. Das ist insoweit unstrittig. Genau genommen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip, sondern gerade um dessen Anwendung: Denn es genügt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Angestellte für den Betriebsinhaber handelt (§ 164 I 2 BGB). Diese Umstände sind z.B. die Bestellung auf Geschäftspapier, die Art oder Menge der bestellten Artikel usw.. Dann ergeben die Umstände, dass die Willenserklärung im Namen des Vertretenen erfolgt. Ergeben die Umstände dies jedoch nicht oder bleibt zweifelhaft, ob es sich um ein sog. unternehmensbezogenes Geschäft handelt, dann wird der Angestellte Vertragspartner. Nur wenn es sich erkennbar um ein unternehmensbezogenes Geschäft handelt und nur unklar bleibt, ob der Handelnde Vertreter oder selbst Betriebsinhaber ist, kommt das Geschäft mit dem wirklichen Inhaber zustande. Diese Fallgruppe ist also keine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip, sondern gerade dessen strikte Anwendung (vgl. dazu den Fall "Bedingte Aufrechnung").

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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