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Garantenstellung
Sie ist die erste Ebene in der Feststellung einer Pflichtverletzung, in der es darum
geht, wer, bzw. im Rahmen der gutachtlichen Prüfung eines Schadensersatzanspruchs, ob
gerade die in Anspruch genommene Person für die Abwendung des Schadenseintritts
verantwortlich ist. Steht das "Angesprochensein" in einer Person fest, so hängt
ihre Ersatzpflicht nur noch von den Faktoren der Vermeidbarkeit und der Zumutbarkeit ab.
Es ist also entscheidend, nach welchen Kriterien sich das "Angesprochensein" im
Rechtssinne, die sog. Garantenstellung, bestimmt. Dieser Begriff, der nicht mit der
strafrechtlichen Garantenstellung identisch ist, wird in der Literatur und in der
Rechtsprechung oft nur im Zusammenhang mit einem Unterlassen gebraucht. Die Unterscheidung
zwischen Tun und Unterlassen ist jedoch im Zivilrecht nicht fruchtbar, denn es geht immer
um Handlungs- und Verhaltenspflichten, nämlich sich so zu verhalten, dass die
Rechtsgutsverletzung bzw. im Vertragsrecht die Vertragsverletzung nicht eintritt.
Aus den allgemeinen Hilfs- und Anzeigepflichten, wie sie sich aus den
§§ 323c,
138 StGB begründen, erwächst nach der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung keine
zivilrechtliche Garantenstellung.
Beispiel: A wird mit seinem Wagen von einem Unbekannten von der
Straße abgedrängt und bleibt schwer verletzt im Straßengraben liegen. B kommt an der
Unfallstelle vorbei, hilft dem A jedoch nicht. A verlangt von B Schadensersatz und
Schmerzensgeld, weil ihm ein Bein amputiert werden musste, das gerettet worden wäre, wenn
B sofort einen Rettungswagen verständigt hätte.
Die Haftung wird von der h.M. mit der Begründung abgelehnt, dass die
§§ 323c,
138 StGB nicht dem Schutz von Individualrechtsgütern dienten (hierfür sind die
einschlägigen Strafvorschriften, z.B.
§ 223 StGB zuständig), sondern für
jedermann eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung aufstellten. Dies zeige sich auch daran, dass die Bestrafung nach
§ 323c,
138 StGB unabhängig von den Folgen der Unterlassung erfolge. Die
Gegenmeinung argumentiert, dass die
§§ 323c, 138 StGB zwar in erster Linie das
öffentliche Interesse, daneben aber auch die individuellen Rechtsgüter der betroffenen
Personen schützten. Die gleiche Kontroverse gibt es bei der Frage, ob
§§ 323c,
138
StGB Schutzgesetze i.S. des
§ 823 Abs. 2 BGB sind.
Unter besonderen Umständen, in denen eine sittliche Pflicht zum Handeln besteht (z. B.
Lebens- und Leibesgefahr) und Schädigungsvorsatz nachweisbar ist, kommt eine Haftung aus
§ 826 BGB in Betracht.
Wenn es eine allgemeine deliktsrechtliche Pflicht, fremde Personen oder Sachen vor
Schaden zu bewahren, nicht gibt, so fragt sich, was die Kriterien der Garantenstellung
sind, in der solche Pflichten begründet sind. Die Kriterien bestimmen sich prinzipiell
parallel zum Strafrecht. Danach ist zu unterscheiden zwischen Obhutspflichten, bei
denen bestimmte Rechtsgüter vor einer unbestimmten Vielzahl von Gefahren zu schützen
sind, und den Sicherungs- oder Gefahrabwendungspflichten, bei denen es um den
Schutz einer unbestimmten Vielzahl von Rechtsgütern vor einer bestimmten Gefahr geht.
Obhutspflichten
Obhutspflichten leiten sich aus der natürlichen Verbundenheit zwischen zwei
Personen (zum Beispiel Ehegatten, nahen Angehörigen), aus besonderen
Gemeinschaftsbeziehungen (Gefahren- und Betriebsgemeinschaften, Kameradschaftpflicht aus
§ 12 Soldatengesetz), aus gesetzlicher Anordnung, sowie aus einer besonderen Berufs-
oder Amtsposition ab (z.B. Hilfspflicht der Polizei, Rettungspflicht des Bademeisters).
Außerdem kann man Obhutspflichten natürlich vertraglich übernehmen
(Verwahrungsvertrag, Bergführer). Dann tritt neben die aus dem Vertrag
resultierende Haftung noch die deliktische. Das Nebeneinander kann bedeutsam
werden, wenn
der Vertrag unwirksam ist. Denn hiervon wird die deliktische Haftung nicht berührt. Sie
hängt nur von der tatsächlichen Übernahme der Obhut ab und beruht darauf, dass der
andere Teil sich im berechtigten Vertrauen auf die Zusage in die Obhut des
Vertragspartners begeben hat.
Beispiel: Bergführer B verpflichtet sich A gegenüber zur
Durchführung einer Bergtour. Neben die vertraglichen Pflichten des B tritt eine
deliktische Obhutspflicht, die vom Bestand des Vertrages unabhängig ist und nur davon
abhängt, dass A sich berechtigterweise im Vertrauen auf B's Zusage in dessen Obhut
begibt. Verletzt sich A auf Grund einer Obhutspflichtverletzung des B, so kann A
vertragliche und deliktische Ansprüche geltend machen. Fallen die
vertraglichen Ansprüche aus irgendeinem Grunde weg, bleiben die deliktischen unberührt.
Sicherungspflichten, insbesondere die Verkehrssicherungspflichten
Das Gesetz selbst stellt einige Sicherungspflichten explizit auf, so die Haftung aus
§§ 831 Abs. 1, 832 Abs. 1 BGB, die Nutztierhaftung aus
§ 833
Satz 1 und 2 BGB sowie die Haftung bei Gebäudeeinsturz (§§ 836-838 BGB).
In allen Fällen geht es um die Beherrschung einer Gefahrenquelle und den Schutz
fremder Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen durch die Gefahr. Man kann diesen Gedanken
der Gefahrbeherrschung verallgemeinern zu der sog. allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht. Danach muss jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine
Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, diejenigen ihm möglichen und zumutbaren
Maßnahmen und Vorkehrungen treffen, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden
Gefahren für die in
§ 823 Abs. 1 bezeichneten Lebensgüter und Rechte
notwendig sind.
Aus diesem Grundsatz haben sich im Laufe der Zeit durch Rechtsprechung und Literatur
zahlreiche Einzelpflichten herausgebildet, die kaum noch zu überschauen, geschweige denn
für den Studenten in ihrem Umfang zu lernen sind. Dies wäre auch wenig effektiv, denn
das Leben schafft ständig neue Situationen, für die es neue Verkehrssicherungspflichten
zu entwickeln gilt. Das Handwerkszeug hierzu ist ein grobes Gerüst der wichtigsten
Anknüpfungspunkte für Verkehrssicherungspflichten, sowie ein Zumutbarkeitsmaßstab für
die Entscheidung des Einzelfalles, den wir weiter unten unter der Überschrift
Zumutbarkeit diskutieren wollen.
Als hauptsächliche Anknüpfungspunkte für Verkehrssicherungspflichten haben sich
herausgebildet:
Die Verkehrseröffnung. Wer für andere in Gebäuden, auf Grundstücken oder
Straßen einen Verkehr eröffnet, zulässt oder andauern lässt, ist für die Sicherheit
des Verkehrs verantwortlich. Dazu gehört insbesondere, dafür zu sorgen, dass die
Verkehrsteilnehmer vor nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahren geschützt oder gewarnt
werden.
Beispiele: Der Eigentümer eines Kaufhauses, der Gastwirt, die Gemeinde
müssen dafür sorgen, dass niemand in ihren Gebäuden in seinen Rechtsgütern verletzt
wird.
Ähnliches gilt auch für die Einwirkung auf einen bestehenden Verkehr,
die auch schon in der bloßen Teilnahme liegen kann. Hieraus wurde insbesondere für die
Teilnahme am Straßenverkehr ein ganzer Katalog von Verkehrssicherungspflichten entwickelt
(vgl. nur die Inhaltsübersicht in MünchKomm/Wagner, § 823
Vierter Teil: Konkretisierte deliktische
Sorgfaltspflichten).
Eine weitere wichtige Gruppe ist das Inverkehrbringen von Sachen, aus der sich
mittlerweile die Produzentenhaftung herausgebildet hat. Wir werden auf die
Produzentenhaftung und ihr Verhältnis zur Produkthaftung in einem eigenen Abschnitt
eingehen.
Auch die sonstige Schaffung oder Beherrschung von Gefahrenquellen
kann, neben den schon gesetzlich bezeichneten Fällen, zur Begründung einer
Verkehrssicherungspflicht führen.
So z.B. das Hantieren mit Schusswaffen oder Feuerwerkskörpern; aber
auch die Einrichtung und Unterhaltung einer Baustelle: Der Bauherr ist verpflichtet,
dafür zu sorgen, dass niemand - insbesondere nicht Kinder - die Baustelle
betreten und sich an herumliegenden scharfkantigen Gegenständen verletzen.
Die Übertragung von Verkehrssicherungspflichten auf Dritte (z.B. auf den Arbeitnehmer
oder ein Unternehmen, Übertragung der Streupflicht der Gemeinde per Satzung auf die
Anlieger, vom Hauseigentümer auf den Mieter etc.) ist möglich, doch kann sich der
Erstgarant nicht vollständig von seiner Pflicht befreien. Vielmehr verbleibt bei ihm
zumindest eine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung. Auch dieser
Rechtsgedanke hat eine Ausprägung im Gesetz gefunden, nämlich im
§ 831 Abs. 1
BGB.
Garantenpflicht kraft Übernahme vom Erstgaranten
Eine Garantenstellung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Person sich einer
anderen (sog. Erstgarant) gegenüber vertraglich verpflichtet, deren Garantenpflicht zu
übernehmen. Fraglich ist, an welche Voraussetzungen das Entstehen der Garantenpflicht des
Übernehmers gebunden ist.
Bei den gesetzlichen Tatbeständen der Übernahme einer Garantenpflicht ist dies noch
relativ einfach zu beantworten:
§§ 831 Abs. 2,
832 Abs. 2 und
834 BGB
setzen voraus, dass die jeweilige Aufsichts- oder Gefahrenabwendungspflicht "durch
Vertrag" übernommen wird, während
§ 838 BGB einen solchen nicht verlangt.
Nach der überwiegenden Meinung, die sich auf den Wortlaut beruft, entfällt die
Garantenstellung und damit die Haftung aus
§§ 831 Abs. 2,
832 Abs. 2 und
834, wenn der Übernahmevertrag unwirksam ist und die Übernahme der Aufsicht nur
tatsächlich erfolgte.
Beispiel: Die 17-jährige S arbeitet ohne Zustimmung ihrer Eltern
bei den Eheleuten E als Babysitterin, während diese im Theater sind. Damit übernimmt S
eine schon bestehende Aufsichtspflicht der Eltern E. Fügt das Kind auf Grund einer
Unaufmerksamkeit der S einem Dritten einen Schaden zu, so haftet S nach der h.M. nicht.
Nach der gleich noch vorzustellenden Minderansicht haftet sie jedoch aus
§ 832
Abs. 2 trotz Unwirksamkeit des Dienstvertrages, wobei ihre Minderjährigkeit nur
über
§ 828 Abs. 2 berücksichtigt wird.
Bereits für diese Tatbestände und erst recht bei einer Garantenpflicht, deren
Übernahme nicht unter eine der genannten Vorschriften fällt, erklärt eine Gegenmeinung
die Wirksamkeit des Vertrages für unbeachtlich und macht die deliktische Haftung allein
von der tatsächlichen Übernahme vom Erstgaranten abhängig, wenn der Erstgarant aus
Erklärungen oder aus dem Verhalten des Übernehmers berechtigterweise den Schluss ziehen
durfte, dass dieser an seiner Stelle die Erfüllung der Verkehrssicherungsobliegenheit
übernehmen würde. Es geht bei der Übernahme von Garantenpflichten immer um die
Übernahme deliktischer Pflichten, die dem Erstgaranten bereits obliegen. Nicht etwa sind
die Vertragsverletzungen des Übernehmers gegenüber dem Erstgaranten, sondern nur die
Verletzung der übernommenen, dem Dritten gegenüber obliegenden Pflicht, sind die
Grundlage für den deliktischen Anspruch des geschädigten Dritten.
Dies verdeutlicht das sog. "Gasbadeofenurteil" des Reichsgerichts von 1929
(RGZ 127, 14).
Ein Hausbesitzer hatte im Badezimmer Gasgeruch festgestellt und einen
Handwerker mit der Untersuchung des Gasbadeofens beauftragt. Dieser übersah bei der
Reparatur durch Nachlässigkeit eine verschlossene Abzugsklappe. Das Dienstmädchen nahm
am darauf folgenden Tag ein Bad und erstickte dabei. Die Mutter der Verstorbenen macht
Ansprüche aus
§ 844 BGB geltend.
Hier kommt es auf eine deliktische Garantenpflicht des Handwerkers gegenüber dem
Dienstmädchen an. Denn nur dann kann die Mutter aus
§ 844 BGB Ansprüche geltend
machen. Im Bereich der Vertragshaftung steht im Falle der Tötung den Angehörigen kein
eigener Anspruch, sondern nur der geerbte Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu.
Dieser aber dürfte mangels eines Schadens (des Gestorbenen wohlgemerkt) leer laufen.
Deshalb fällt auch in diesem Falle ein Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
aus, obwohl sich das Dienstmädchen zweifellos im Schutzbereich des Werkvertrages befand.
Das Reichsgericht führte hierzu aus,
"dass, wer fahrlässig eine gegenüber einem anderen übernommene
Vertragspflicht nicht erfüllt, deren Verletzung geeignet ist, das Leben eines Dritten zu
gefährden, sich einer unerlaubten Handlung dem Dritten gegenüber schuldig macht".
Dies ist in der Begründung falsch, weil aus der Verletzung einer Vertragspflicht auf
einen deliktischen Schadensersatzanspruch gefolgert wird. Der Anspruch der Mutter besteht
nur dann, wenn der Handwerker dem Hausbesitzer gegenüber dessen deliktische
Sicherungspflicht gegenüber dem Dienstmädchen übernommen hat. Dies ist nach den
heutigen Grundsätzen über die Verkehrssicherungspflicht zu bejahen. Der Hausbesitzer
hatte gegenüber allen Hausbewohnern eine Verkehrssicherungspflicht bezüglich häuslicher
Gefahrenquellen. Bezüglich des Gasbadeofens hatte er diese, als er den Gasgeruch
bemerkte, mangels Fachkundigkeit an den Handwerker übertragen. Die so übernommene
Verkehrssicherungspflicht hat der Handwerker verletzt. Somit war das Urteil des
Reichsgerichts im Ergebnis richtig.
Der Haftungsgrund für die Haftung des Übernehmers liegt, wie Ulmer in
JZ 1969, 174 zutreffend formuliert,
"in dem Umstand, dass der Rechtsverkehr es dem Erstgaranten
freistellt, die Erfüllung der Obliegenheiten einem anderen zu übertragen und ihn in
diesem Fall zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung verpflichtet. Dieser
Entlastungsmöglichkeit des Erstgaranten muss aber die Ausdehnung der deliktsrechtlichen
Handlungspflichten auf denjenigen entsprechen, auf den sich der Erstgarant
berechtigterweise verlassen darf, wenn nicht eine Lücke im deliktischen Rechtsschutz
entstehen soll. Entscheidende Voraussetzung für die Übernehmerhaftung ist daher der
Umstand, dass der Übernehmer die objektiv berechtigte Erwartung des Erstgaranten auf
seine Tätigkeit begründet".
Umstritten ist jedoch, ob es die Garantenstellung kraft Übernahme vom Erstgaranten
für alle und, wenn nein, für welche Garantenpflichtigen es sie gibt.
Unbestritten ist die Übernahmemöglichkeit lediglich bei den
(Verkehrs-)Sicherungspflichten, auch neben den gesetzlichen Übernahmetatbeständen
(§§ 832 Abs. 2,
831 Abs. 2,
834,
838). Überträgt beispielsweise ein
Straßenanlieger seine Reinigungs- und Streupflichten auf einen Unternehmer, so ist dieser
bei Vernachlässigung der Pflicht dem hierdurch Geschädigten unmittelbar deliktisch
verantwortlich.
Ob dies uneingeschränkt auch für die Übernahme von Obhutspflichten gilt, ist
fraglich, jedoch zu bejahen. Denn auch hier erweckt der Übernehmer beim Erstgaranten die
berechtigte Erwartung auf seine Tätigkeit, die den Erstgaranten von seiner
deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit freistellen kann und deswegen zur Vermeidung von
Haftungslücken zur Garantenpflicht des Übernehmers führt. So wird auch niemand
bezweifeln, dass der Babysitter dem Kind gegenüber deliktisch verantwortlich ist, wenn es
auf Grund Vernachlässigung der Aufsicht verletzt wird (der Babysitter übernimmt also die
Sicherungspflicht per legem
§ 832 Abs. 2 und die Obhutspflicht kraft
Übernahme).
Wir nähern uns nun allmählich einem Problem innerhalb der Frage der Garantenpflicht,
das näher zu beleuchten sich lohnt, weil man hier die Grundprinzipien des Haftungsrechts
zur Argumentation heranziehen und gut veranschaulichen kann.
Bis jetzt ging es uns bei der Betrachtung der Übernahme einer fremden Garantenpflicht
immer nur um die Übernahme durch einen selbständigen "Unternehmer", wobei
hierunter jeder zu verstehen ist, der seinen Erwerb damit betreibt, gegen Entgelt fremde
Garantenpflichten zu übernehmen. Auch die babysittende Schülerin gehört hierher. Auch
das Modell der
§§ 832 Abs. 2,
831 Abs. 2,
834,
838 geht von dieser Form
der Pflichtenübernahme aus.
Nun kommt es aber sehr oft vor, dass auch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, im
Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für den Geschäftsherrn, Dritte, zu denen
möglicherweise noch der Arbeitgeber, jedenfalls aber nicht der schädigende Arbeitnehmer
vertragliche Beziehungen hat, in ihren Rechtsgütern verletzen. Es stellt sich die Frage
der sog. Außenhaftung, d.h. ob der Arbeitnehmer dem Geschädigten deliktisch haftet, oder
ob die Haftung ausschließlich auf den Geschäftsherrn zu kanalisieren ist.
Die Außenhaftung des Arbeitnehmers
Hierzu sollte man sich zunächst überlegen, dass das Arbeitsverhältnis ein
Rechtsverhältnis besonderer Art ist. Es ist beispielsweise geprägt von einem
gegenseitigen Vertrauensverhältnis, aber auch von einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
gegenüber dem Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer wird nicht im eigenen, sondern im fremden
Interesse tätig (das Gelderwerbsinteresse des Arbeitnehmers ist nur der Grund, warum er
überhaupt tätig wird, seine Tätigkeit selbst aber geschieht im Interesse des
Arbeitgebers). Nun gibt es Tätigkeiten, bei denen erfahrungsgemäß auch einem
sorgfältigen Arbeitnehmer Fehler unterlaufen können, die zwar vermeidbar sind, mit denen
aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit gerechnet werden muss. Es wäre nicht
gerecht, müsste der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber oder einem anderen Geschädigten den
Schaden aus eigener Tasche ersetzen. Dem Arbeitgeber wäre nämlich, hätte er selbst Hand
angelegt, früher oder später bei solcher so genannter "gefahrgeneigter Arbeit"
ebenfalls ein Missgeschick passiert. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung schon früh
ein abgestuftes Haftungsschema entwickelt, wonach der Arbeitnehmer bei Vorliegen einer
gefahrgeneigten Arbeit dem Arbeitgeber je nach Fahrlässigkeitsgrad nicht oder nur
teilweise haftet. Außerdem hat der Arbeitnehmer unter den gleichen Voraussetzungen einen
Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber, wenn er einem Dritten gegenüber
schadensersatzpflichtig wird. In der neueren Entwicklung hat die Rechtsprechung die
besondere Voraussetzung der gefahrgeneigten Arbeit aufgegeben. Das besondere
Haftungsschema gilt für alle Arbeitnehmer, die Schäden bei der Arbeit anrichten.
Es wäre nun denkbar, diesen Gedanken auch auf die Außenhaftung von Arbeitnehmern zu
übertragen, d.h. die Eigenhaftung des Arbeitnehmers entfallen zu lassen und die Haftung
auf den Arbeitgeber als Organisationsträger zu kanalisieren. Die rechtliche Konstruktion
wäre, nicht den Arbeitnehmer, sondern nur den Arbeitgeber als Träger der Garantenpflicht
und damit als schadensersatzpflichtig anzusehen. Für einen solchen Wegfall der
Außenhaftung des Arbeitnehmers spricht vor allem, dass der Arbeitnehmer nicht im eigenen
Interesse tätig wird, trotzdem aber möglicherweise ruinösen Schadensersatzforderungen
ausgesetzt werden kann, obwohl hauptsächlich dem Arbeitgeber die Früchte der Arbeit
zugeflossen sind. Der erwähnte Freistellungsanspruch hilft nicht immer. Der Arbeitgeber
kann insolvent werden.
Für die Rechtsprechung kommt eine solche Lösung jedoch erklärtermaßen nicht in
Betracht, wie der folgende, auch wegen der Darstellung der einzelnen Auslegungsmethoden
lesenswerte, Entscheidungsauszug zeigt:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 19.09.1989, Az: VI ZR 349/88
Leitsatz
1. Zu Lasten außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehender Dritter ist für eine
Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers nach Maßgabe der in der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit kein Raum.
2. Zur Haftung des Arbeitnehmers für die Beschädigung eines geleasten
Betriebsmittels bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
Fundstelle
BGHZ 108, 305-319 (LT)
JA 1990, 123-126 (ST)
JuS 1990, 508-509, Reuter, Dieter (Entscheidungsbesprechung)
Tatbestand
Die klagende GmbH, eine Autohandlung, hat im Jahre 1983 dem damaligen Arbeitgeber des
Beklagten, der R.-AG, im Wege des Leasings einen Pkw zur Nutzung überlassen. Die R.-AG
stellte das Fahrzeug dem Beklagten zur Verfügung, der als Verkaufsrepräsentant im
Angestelltenverhältnis für sie tätig war. Ihm war vertraglich die Benutzung des Wagens
auch für private Zwecke, für Urlaubsfahrten nach Genehmigung des Bereichsleiters,
gestattet.
In den frühen Morgenstunden des 26. Oktober 1985 verlor der Beklagte auf einer
Dienstfahrt, möglicherweise infolge Reifglätte, die Kontrolle über den Wagen und geriet
gegen eine Leitplanke. Der Klägerin entstand ein Schaden von 7.893,50 DM. Die R.-AG ist
zahlungsunfähig.
Das Landgericht hat die gegen den Beklagten gerichtete Schadensersatzklage der
Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte den Unfall nur leicht
fahrlässig verursacht habe und deshalb nach den Grundsätzen der gefahrgeneigten Arbeit
auch im Verhältnis zu der Klägerin von der Haftung frei sei. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Mit seiner - zugelassenen -
Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat dargelegt, dass der Beklagte das Kraftfahrzeug der
Klägerin fahrlässig beschädigt habe, und sich auf den Standpunkt gestellt, dass er
infolgedessen zum Schadensersatz verpflichtet sei. Für eine Haftungsbeschränkung nach
den Grundsätzen der gefahrgeneigten Arbeit sei im Verhältnis zu der Klägerin kein Raum.
II. Das Berufungsurteil hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
1. Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs an einen anderen im Wege des Leasings ändert,
auch wenn der Leasingnehmer damit alleiniger Halter des Fahrzeugs wird, nichts daran, dass
der Leasinggeber als Eigentümer bei Beschädigung des Fahrzeugs den Schädiger auf
Schadensersatz in Anspruch nehmen kann (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 87, 133, 138). Die
Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte i.S. des
§ 823 Abs. 1 BGB das Eigentum
der Klägerin an dem Kraftfahrzeug fahrlässig verletzt habe, begegnet keinen
durchgreifenden Bedenken. Die Fahrlässigkeit des Beklagten ergibt sich, wie das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, nach den Grundsätzen des sog.
Anscheinsbeweises. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass einem Kraftfahrer,
der mit dem von ihm geführten Kraftfahrzeug von der Fahrbahn abkommt, ein bei Anwendung
der gebotenen Sorgfalt vermeidbarer Fahrfehler zur Last fällt (vgl. etwa Senatsurteil vom
19. November 1985 - VI ZR 176/84 - NJW-RR 1986, 383, 384 m.w.N.). Soweit in Betracht
kommt, dass der Beklagte die Kontrolle über das Fahrzeug infolge Straßenglätte verloren
hat, könnte dies den Anscheinsbeweis nur entkräften, wenn die Straßenglätte
unvorhersehbar gewesen wäre (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1971 - VI ZR 17/69 - VersR
1971, 842, 843 m.w.N.). Das war jedoch angesichts der auf die Gefahr von Glätte
hinweisenden Beschilderung vor der Unfallstelle in Verbindung mit der Tages- und
Jahreszeit, zu der sich der Unfall ereignet hat, nicht der Fall. In dieser Hinsicht wird
das Berufungsurteil im Übrigen auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
2. Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann dahinstehen, ob und ggfls.
inwieweit der Beklagte nach der Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit von einer
Haftung gegenüber der R.-AG als seiner Arbeitgeberin frei wäre (s. näher zuletzt BAG
Urteil vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 - VersR 1988, 946, 947f.) bzw. ob und ggfls.
inwieweit er bezüglich des hier geltend gemachten Schadensersatzanspruches der Klägerin
einen Freistellungsanspruch gegen seine Arbeitgeberin hat, wie ihn die Rechtsprechung bei
Schädigung eines Dritten unter den nämlichen Voraussetzungen (gefahrgeneigte Arbeit)
zugesteht (s. schon BAGE 5, 1, 8). Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahre 1959
ausgesprochen, dass diese Rechtsprechung Haftpflichtansprüche außerhalb des
Betriebsorganismusses stehender Dritter nicht beschränke und die geltende Rechtsordnung
einen allgemeinen Grundsatz der Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit weder im
allgemeinen Vertrags- noch im Deliktsrecht kenne (BGHZ 30, 40, 49). Hieran ist
fest zu halten.
a) Zum einen lässt das Deliktsrecht - wie hier im Hinblick darauf, dass zwischen den
Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestehen, zunächst erörtert sei - für eine
Berücksichtigung der Grundsätze zur Haftungsbeschränkung bei gefahrgeneigter Arbeit im
Verhältnis zu der Klägerin keinen Raum.
Freilich kann die Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit, solange die Außenhaftung
des Arbeitnehmers unberührt bleibt, den von ihr angestrebten Schutz des Arbeitnehmers nur
begrenzt erreichen. Das gilt unbeschadet dessen, dass der Arbeitnehmer, der bei
gefahrgeneigter Arbeit einen Dritten schädigt, von seinem Arbeitgeber ggfls.
Haftungsfreistellung verlangen kann. Die Schwäche dieser Lösung offenbart sich, wenn der
Arbeitgeber, wie vorliegend die R.-AG, zahlungsunfähig wird und damit der
Freistellungsanspruch nicht realisierbar ist. Für diese Fälle bleibt der Arbeitnehmer
einem u.U. existenzbedrohenden Haftungsrisiko ausgesetzt. Der Senat sieht indes keine
Möglichkeit, hier auf dem Boden des geltenden Rechts Abhilfe zu schaffen.
aa) Wortlaut und Systematik des positiven Deliktsrechts bieten für eine
haftungsrechtliche Sonderbehandlung von Schäden durch Arbeitnehmer keinen Ansatz. Dies
ist umso bemerkenswerter, als der Gedanke, Arbeitnehmer haftungsrechtlich zu
privilegieren, dem bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgefundenen Recht nicht
vollkommen fremd war. So sah § 899 ALR vor, dass der "gemeine Handarbeiter"
sowohl gegenüber dem Dingenden "als auch gegen einen Dritten" nur "grobes
oder mäßiges" Verschulden zu vertreten habe, bei culpa levissima also von der
Haftung frei sei. Derartige Differenzierungen sind dem Haftungsrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuchs fremd. Es geht davon aus, dass jeder Schädiger in gleicher Weise unter den im
Gesetz genannten Voraussetzungen zum Schadensausgleich verpflichtet ist.
bb) Das Risiko, dass der Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber wegen dessen
Insolvenz nicht realisierbar ist, geht zulasten des Arbeitnehmers als des Inhabers dieses
Freistellungsanspruchs. Insofern liegt es ähnlich wie etwa bei dem Anspruch auf
Entlohnung. Auch hier geht die Insolvenz des Arbeitgebers im Grundsatz zu Lasten des
Arbeitnehmers, wie sich in der Vorschrift des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO sowie darin
bestätigt, dass der Gesetzgeber zur Abmilderung der mit dem Lohnausfall verbundenen
sozialen Unzuträglichkeiten das Konkursausfallgeld (§§ 141aff AFG) eingeführt hat. Der
Leasingvertrag zwischen der Klägerin und der R.-AG muss in dem hier erörterten
Zusammenhange außer Betracht bleiben, da es allein um das Risiko der
Nicht-Realisierbarkeit des Freistellungsanspruchs geht. Wäre er realisierbar, wäre die
Abwicklung des Schadens auf diesem Wege vorgezeichnet gewesen und hätten sich
Unzuträglichkeiten nicht ergeben.
cc) Die Rechtsprechung zur eingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers bei
gefahrgeneigter Arbeit beruht nicht auf übergreifenden, sondern auf spezifisch
arbeitsvertraglichen Erwägungen. Die eigentliche Begründung liegt in den "das
Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgepflichtgedanken, mit denen es sich
nicht vertrüge, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Schäden und Ersatzansprüchen
belasten würde, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen
Arbeit ergeben" (BAG aaO). Diese Begründung versagt im Verhältnis zu einem
außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten. Ob und ggfls. unter welchen
näheren Voraussetzungen hierüber bei enger rechtlicher oder wirtschaftlicher
Verflechtung des Dritten mit dem Arbeitgeber, etwa bei künstlicher Betriebsaufspaltung
aus steuerlichen Gründen, hinweggegangen werden könnte, bedarf vorliegend keiner
Entscheidung, da für eine derartige Verflechtung zwischen der Klägerin und der R.-AG
keine Anhaltspunkte vorliegen. Die Ergänzung der Rechtsprechung zur gefahrgeneigten
Arbeit dahin, dass der Arbeitnehmer bei Schädigung eines Dritten von seinem Arbeitgeber
ggfls. Freistellung verlangen kann, geht im Übrigen ihrerseits davon aus, dass die
Haftung des Arbeitnehmers nach außen unberührt bleibt und keinen Einschränkungen
unterliegt. Dies deckt sich mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass der
Schuldner mit Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zu einem Dritten - hier: im
Verhältnis zu dem Geschädigten mit Haftungserleichterungen als Ausfluss des
Arbeitsvertrags mit seinem Arbeitgeber - nicht gehört wird.
dd) Der Senat hält sich auch nicht für befugt, die deliktische Außenhaftung des
Arbeitnehmers im Wege der Rechtsfortbildung zu beschränken. Der richterlichen
Rechtsfortbildung sind durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechts- und
Gesetzesbindung in seiner den Senat bindenden Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht
Schranken gesetzt (vgl. BVerfGE 65, 182, 190f., 194f. und 69, 315, 371f. jew. m.w.N.).
Danach setzt sie voraus, dass die Rechtsordnung, wie sie sich unter Einschluss des
Rechtsprechungsrechts und allgemeiner Rechtsüberzeugungen darbietet, Wertentscheidungen,
sei es auch nur in unvollkommener Form, für eine Lösung in einem bestimmten Sinne
ergibt. Das ist in dem hier in Frage stehenden Zusammenhange nicht der Fall: Soweit eine
uneingeschränkte Außenhaftung des Arbeitnehmers das Sozialstaatsprinzip des
Art. 20 Abs.
1 GG berührt, weist doch diese Verfassungsregelung, jedenfalls für sich allein, nicht
den Weg zu einer bestimmten Lösung. Allgemein richtet sich das Sozialstaatsgebot, eben
weil in der Regel verschiedene Möglichkeiten zu seiner Verwirklichung in Betracht kommen,
in erster Linie an den Gesetzgeber. Dieser hätte bei einer gesetzlichen Regelung des hier
in Frage stehenden Problems außer den Interessen des Arbeitnehmers und der Geschädigten
auch die mittelbaren Auswirkungen auf Dritte zur berücksichtigen. Handelt es sich
beispielsweise bei dem Geschädigten seinerseits um einen Arbeitgeber, könnte eine
Begrenzung seiner Ansprüche im Einzelfall seine Liquidität beeinträchtigen und sich auf
diesem Wege auch zu Lasten der bei ihm tätigen Arbeitnehmer auswirken. Daher kommt - für
den Gesetzgeber - etwa auch eine Pflichtversicherungslösung oder eine Erstreckung der
Regelungen über das Konkursausfallgeld auf den Freistellungsanspruch in Betracht, wie sie
auf dem 56. Deutschen Juristentag erörtert, freilich mehrheitlich nicht befürwortet,
worden ist (s. Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages 1986, Bd. II S. N 210).
Weiter kann auch
Art.
34 GG mit seiner Enthaftung der Beamten gegenüber dem geschädigten
Dritten im hoheitlichen Bereich keine Leitbildfunktion für die Arbeitnehmeraußenhaftung
beigemessen werden. Diese Verfassungsbestimmung beruht auf dem Gedanken einer besonderen
Einstandspflicht des Staates für in seinem Verantwortungsbereich geschehenes Unrecht und
lässt sich deshalb für unerlaubte Handlungen im nicht-öffentlichen Bereich nicht
nutzbar machen. Soweit durch § 637 RVO die Haftung unter Betriebsangehörigen beschränkt
worden ist, hängt dies mit der besonderen sozialversicherungsrechtlichen Absicherung des
Verletzten bei Arbeitsunfällen zusammen, so dass sich auch hieraus nichts
Verallgemeinerungsfähiges für eine Beschränkung der Außenhaftung des Arbeitnehmers
ergibt; demgemäß betrifft § 637 RVO nur Personenschäden, während es vorliegend um
einen Sachschaden geht. Auch die Versuche, unter Rückgriff auf dem
Haftpflichtversicherungsrecht entlehnte Prinzipien und den Gedanken des Betriebs als
Haftungseinheit einerseits und des Betriebsrisikos andererseits eine Einstandspflicht des
Arbeitgebers zu begründen (vgl. etwa Lorenz SAE 1971, 202, 204f. sowie Drewitz, Der
Grundsatz: Die Versicherung folgt der Haftung, Diss. Mannheim 1977, S. 198f., 203ff.),
vermögen nach Auffassung des Senats die persönliche Außenhaftung des Arbeitnehmers, der
einen deliktsrechtlichen Tatbestand verletzt hat, de lege lata nicht in Frage zu stellen.
Angesichts des Fehlens anderweitiger geeigneter Anknüpfungsgesichtspunkte käme eine
Rechtsfortbildung in dem von der Revision verfolgten Sinne allenfalls in Betracht, wenn
sich in Ausweitung der Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit und unter Lösung von
ihrer arbeitsvertraglichen Begründung eine gefestigte Rechtsüberzeugung dahin entwickelt
hätte, dass der Arbeitnehmer allgemein oder doch im Bereich der gefahrgeneigten Arbeit
nicht oder nur eingeschränkt, etwa nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, hafte.
Eine allgemeine Rechtsüberzeugung dieser Art besteht jedoch offensichtlich nicht.
Stimmen, die schon auf dem Boden des geltenden Rechts einen gänzlichen Ausschluss der
Außenhaftung des Arbeitnehmers vertreten (s. etwa Drewitz aaO S. 203ff.; Eberlein BB
1989, 621, 624f.; Lorenz ZfB 1975, 491, 497ff.; 499; vgl. auch Baumert, Festschrift für
Wengler, Bd. II S. 129, 147), stehen solche gegenüber, die de lege lata eine
uneingeschränkte Außenhaftung des Arbeitnehmers, und zwar auch im Bereich der
gefahrgeneigten Arbeit, für unabweisbar halten (s. z.B. Buchner RdA 1972, 153, 170; Denck
BB 1989, 1192, 1193; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, 8. Aufl., S. 709; Gerhardt VersR
1971, 381, 386; Heinze NZA 1986, 545, 549; Hübner, Schadenszurechnung nach
Risikosphären, Diss. Hamburg 1972, S. 136; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Nr. 3210
S. 3; Otto, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages 1986, Bd. I S. E 72, 74;
Reinhardt, Die dogmatische Begründung der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers, S.
184f.; Riemann, Der personale Geltungsbereich der Haftung für Verrichtungsgehilfen, Diss.
Köln, S. 198f.; Staudinger/Schäfer BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 823ff. Rdn. 52; Schaub,
Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl., S. 267). Andere halten eine Anpassung der Außen- an die
Binnenhaftung des Arbeitnehmers für erwägens- und erstrebenswert, sehen jedoch, dass die
dogmatische Begründung problematisch ist (vgl. etwa Dersch RdA 1951, 78, 80 ("bei
aller Anerkennung der Zweifelhaftigkeit"); Hanau Anm. zu BAG AP § 611 BGB Nr. 53
("zweifelhaft"); Mohr, Die Kanalisierung der Haftung, S. 54
("nahe liegend"); Müller-Erzbach, AcP 106, 205, 388f. ("rechtspolitisch
begründet"); Wilburg, Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages 1960, Bd. II S.
C 15f. Ä"zu erwägen"Ü). Däubler sieht bei Uneinbringlichkeit des
Freistellungsanspruchs in dem Zugriff auf den Arbeitnehmer "immanente Grenzen"
überschritten und nimmt deshalb Rechtsmissbrauch an, fügt jedoch hinzu, dass man sich
hierbei nicht auf "gesichertem Terrain" bewege (Däubler NJW 1986, 867, 872). In
der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat die Diskussion über eine Beschränkung (auch)
der Außenhaftung des Arbeitnehmers bisher keinen Niederschlag gefunden. Ebenso wie das
Bundesarbeitsgericht (aaO) geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Haftung des
Arbeitnehmers gegenüber Dritten, und zwar auch im Bereich der gefahrgeneigten Arbeit,
keinen Beschränkungen unterliegt (BGHZ 30, 40, 49; 41, 203, 204f.; 50, 250, 257;
Senatsurteile vom 14. November 1978 - VI ZR 133/77 - VersR 1979, 278, 279, insoweit in
BGHZ 73, 1 nicht mit abgedruckt, und vom 18. März 1986 - VI ZR 213/84 - NJW 1986, 1813,
1814). Angesichts dieses Meinungsbildes kann von einer gefestigten Rechtsüberzeugung, an
die eine Rechtsfortbildung anknüpfen könnte, keine Rede sein. Dass sich eine
Rechtsüberzeugung dieser Art nicht herausgebildet hat, liegt auch darin begründet, dass
sich gegen eine generelle Beschränkung der Außenhaftung des Arbeitnehmers
ernst zu nehmende Einwände ergeben. Es entstünde ein Sonderrecht für Arbeitnehmer in dem
durch vertraglichen Verbindungen gerade nicht geprägten Bereich der Pflichtenbeziehungen.
Aus der Sicht des Geschädigten würde es von Zufälligkeiten (Arbeitnehmereigenschaft des
Schädigers, gefahrgeneigte Arbeit, Verschuldensgrad) abhängen, ob er von dem
Inanspruchgenommenen uneingeschränkt oder nur unter bestimmten Voraussetzungen
Schadensersatz erlangen kann. Entscheidungen des Arbeitgebers wie die, in welcher Weise er
seinen Betrieb organisiert und seine Beschäftigten einsetzt, würden sich ggfls. zulasten
Dritter auswirken, die diese Entscheidungen nicht zu überblicken vermögen. Auch müssten
handhabbare Kriterien zur Abgrenzung des privilegierten Personenkreises der Arbeitnehmer
gefunden werden. Weiter würde sich etwa die Frage stellen, warum eine solche
Haftungsprivilegierung nicht auch bestimmten Selbständigen zugute kommen sollte, die sich
in einem weiteren Sinne in abhängiger Stellung von ihren Auftraggebern befinden. Auch
diese Einwände lassen erkennen, dass eine generelle Einschränkung der deliktischen
Außenhaftung des Arbeitnehmers die Grenzen der Rechtsfortbildung, wie sie das
Bundesverfassungsgericht abgesteckt hat, überschreiten würde.
ee) Eine Beschränkung der Außenhaftung des Arbeitnehmers nur für den Fall, dass sein
Arbeitgeber vermögenslos ist und deshalb der Freistellungsanspruch versagt, scheidet
gleichfalls aus. Dass der Arbeitnehmer bei gleichem Schadenshergang haftet, wenn sein
Arbeitgeber liquide, aber nicht haftet, wenn er illiquide ist, wäre dogmatisch vollends
unbegründbar. Wie Baumert (aaO S. 143) insoweit zu Recht bemerkt, haftet der Arbeitnehmer
dem Dritten entweder in jedem Falle oder aber überhaupt nicht.
ff) Auch eingeengt auf die Beschädigung arbeitgeberfremder Betriebsmittel ergibt sich
für eine die deliktische Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten einschränkende,
die Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit jedenfalls insoweit aufgreifende
Rechtsfortbildung kein tragfähiger Ansatz.
(1) Freilich wird der Arbeitnehmer durch eine uneingeschränkte Außenhaftung gerade in
diesem Bereich im besonderem Maße betroffen. Es entspricht dem überkommenen, jedenfalls
dem bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gültigen Bild, dass die
Betriebsmittel dem Arbeitgeber gehören. Für diesen Fall kommen dem Arbeitnehmer bei
einer Beschädigung des ihm an die Hand gegebenen Betriebsmittels, wenn sie bei einer
gefahrgeneigten Arbeit eintritt oder die Benutzung des Betriebsmittels ihrerseits die
Gefahr seiner Beschädigung mit sich bringt, die von der Rechtsprechung entwickelten
Haftungserleichterungen zugute. Als Folge veränderter Wirtschafts- und
Finanzierungspraktiken hat aber der Einsatz arbeitgeberfremder - gemieteter, geleaster,
unter Eigentumsvorbehalt gekaufter oder sicherungsübereigneter - Betriebsmittel mehr und
mehr Verbreitung gefunden. Dabei handelt es sich zunehmend um besonders hochwertige - eben
von dem Arbeitgeber nicht ohne weiteres bezahlbare - Sachen, so dass im Falle einer
Beschädigung entsprechend hohe Schadensersatzansprüche drohen. Gleichzeitig ist die Zahl
der Insolvenzen und damit die Gefahr, dass der Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber
nicht durchsetzbar ist, nicht geringer geworden. Somit hat sich für den Arbeitnehmer
aufgrund gewandelter Verhältnisse das Risiko, bei Schädigung von Betriebsmitteln von
Dritten in Anspruch genommen zu werden, deutlich erhöht. Andererseits ist für ihn
vielfach nicht zu übersehen, ob das Betriebsmittel, mit dem er umgeht, dem Arbeitgeber
gehört oder etwa geleast ist oder aus einem anderen Grunde im Eigentum eines Dritten
steht. Auch wenn ihm bewusst ist, dass es sich um Eigentum eines Dritten handelt, kann er
die Arbeit mit diesem Betriebsmittel rechtlich oder jedenfalls faktisch nicht verweigern.
Aus seiner Sicht hat er so oder so seine Arbeit zu tun. Auch aus diesem Grunde will es
nicht ohne weiteres einleuchten, dass für die Haftung des Arbeitnehmers je nach dem, ob
das Betriebsmittel dem Arbeitgeber oder einem Dritten gehört, unterschiedliche Maßstäbe
gelten sollen.
(2) Vor diesem Hintergrund fehlt es nicht an Versuchen, die Haftung des Arbeitnehmers
wenigstens bei Beschädigung arbeitgeberfremder Betriebsmittel auch dem Dritten - dem
Eigentümer - gegenüber nach Maßgabe der Rechtsprechung zur gefahrgeneigten Arbeit zu
beschränken (s. etwa Baumert aaO S. 142f.; Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der
Außenhaftung, S. 137ff.; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, 2. Aufl., S.
96f.; Günther/Hase AuR 1974, 364, 368f.; Pfeifer BB 1968, 132, 134; vgl. auch - aus
rechtspolitischer Sicht - Otto aaO). Auch dem vermag der Senat indes nicht zu folgen.
Wortlaut und Systematik der §§ 823ff BGB geben für eine Differenzierung je nach Art und
Funktion der beschädigten Sache wie auch nach Art und Grad des Verschuldens (s. insoweit
auch Baumert aaO S. 144) nichts her. Über das Fehlen einer arbeitsvertraglichen
Verbundenheit, die die eigentliche Rechtfertigung der Rechtsprechung zur gefahrgeneigten
Arbeit darstellt, lässt sich im Verhältnis zu einem von dem Arbeitgeber verschiedenen
Eigentümer auch bei den arbeitgeberfremden Betriebsmitteln nicht hinwegkommen. Die oben
(s. zu dd) für eine Rechtsfortbildung in Betracht gezogenen Gesichtspunkte versagen in
gleicher Weise auch hier und bieten ihrerseits keinen Anhalt für eine Sonderbehandlung
von Betriebsmitteln. Eine allgemeine Rechtsüberzeugung, dass der Arbeitnehmer zumindest
bei der Beschädigung von Betriebsmitteln auch im Verhältnis zu Dritten nur
eingeschränkt hafte, hat sich ebenfalls nicht herausgebildet (vgl. etwa Blomeyer ZfA
1975, 243, 316f.). Auch die hinsichtlich der Betriebsmittel zusätzlich ins Feld
geführten Argumente reichen für eine diesbezügliche Haftungsbeschränkung im Wege der
Rechtsfortbildung nicht aus. Soweit eine Parallele zum finanzierten Abzahlungskauf gezogen
und darauf verwiesen wird, dass nach den hierzu entwickelten Grundsätzen die Aufspaltung
in zwei Rechtsverhältnisse nicht zu Rechtsnachteilen für den Käufer führen dürfe
(Pfeifer aaO; Denck aaO S. 138), ist die rechtliche Ausgangslage insofern unvergleichbar
anders, als beim finanzierten Abzahlungskauf Vertragsbeziehungen ineinander greifen, an
denen der Käufer jeweils beteiligt ist. Die von der Rechtsprechung entwickelte Lösung
der hieraus erwachsenden Probleme wurzelt dementsprechend im Vertragsrecht. Demgegenüber
bestehen in dem hier untersuchten Verhältnis des Arbeitnehmers zu dem Eigentümer des
arbeitgeberfremden Betriebsmittels gerade keine Vertragsbeziehungen, sondern es geht
allein um einen deliktischen Anspruch. Soweit von anderer Seite eine Haftungsbeschränkung
zugunsten des Arbeitnehmers bei arbeitgeberfremden Betriebsmitteln aus der sog.
Risikotheorie hergeleitet wird (vgl. Günther/Hase aaO S. 368), läuft dies letztlich
darauf hinaus, einen den gesetzlichen Voraussetzungen nach gegebenen
Schadensersatzanspruch aus Funktionalitätserwägungen zu beschneiden. Dies muss jedoch
dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
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