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Gesamtgläubigerschaft

(i) Begriff und Außenverhältnis Gläubiger/Schuldner

Bei der Gesamtgläubigerschaft ist jeder einzelne Gesamtgläubiger berechtigt, die ganze Leistung an sich zu fordern, § 428 BGB. Die Forderung ist also anders als bei der Teilgläubigerschaft nicht geteilt. Der Schuldner braucht die Leistung allerdings nur einmal zu bewirken. Dabei kann er sich nach seinem Belieben aussuchen, an wen er die Leistung erbringt. Dies gilt – solange nichts Gegenteiliges vereinbart ist - selbst dann, wenn ein anderer Gläubiger bereits Leistung gefordert oder den Schuldner sogar verklagt hat, § 428 S. 2 BGB.

Beispiel: A und B haben bei der C-Bank gemeinsam ein Konto eröffnet und mit ihr vereinbart, dass jeder für sich allein über das Guthaben verfügen kann (so genanntes Oder-Konto). A verklagt die C-Bank auf Auszahlung des Restguthabens in Höhe von 1.000 Euro. Die C-Bank zahlt das Guthaben an B aus.

Hier sind A und B Gesamtgläubiger, denn nach der Vereinbarung sollen beide die ganze Leistung an sich fordern können. Die B-Bank braucht die geschuldeten Leistungen (hier Auszahlung des Restguthabens) jedoch nur einmal zu erbringen. Dass sie vorliegend an den B zahlt, obwohl A sie schon verklagt hat, lässt das Gesetz in § 428 S. 2 BGB ausdrücklich zu (etwas anders ist der Fall des gemeinsamen Kontos von Ehegatten zu beurteilen – hier muss die Bank nach der Rechtsprechung an denjenigen zahlen, der Auszahlung verlangt, OLG Nürnberg NJW 1961, 510; KG NJW 1976, 807).

Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit rechtsändernde Umstände, die zwischen dem Schuldner und einem Gläubiger eintreten, auch gegen die anderen Gläubiger wirken, muss insbesondere der Umstand berücksichtigt werden, dass der Schuldner nur einmal und an einen Gläubiger seiner Wahl zu leisten braucht. Dementsprechend hat das Gesetz in den folgenden Fällen eine Gesamtwirkung angeordnet:

bulletbei der Erfüllung und ihren Surrogaten (§§ 429 Abs. 3 S. 1, 422 BGB): Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger, so erlöschen die Forderungsrechte aller Gläubiger. Das Gleiche gilt bei Leistung an Erfüllungs Statt, Hinterlegung und Aufrechnung.
bulletbeim Erlass (§  429 Abs. 3 S. 1, 423 BGB): Soweit der einzelne Gläubiger eine entsprechende Verfügungsbefugnis hat, wirkt ein zwischen einem Gläubiger und dem Schuldner vereinbarter Erlassvertrag gegen alle Gläubiger.
bulletbei der Konfusion (§ 429 Abs. 2 BGB): Vereinigen sich Forderung und Schuld in einer Person, so erlöschen die Forderungsrechte aller Gläubiger. Der Grund liegt darin, dass der Gesamtgläubiger ansonsten als Schuldner die ganze Leistung an sich selbst verlangen könnte.
bulletbeim Gläubigerverzug (§ 429 Abs. 1 BGB): Der Gläubigerverzug eines Gläubigers wirkt gegen die anderen Gläubiger. Dies folgt aus dem Wahlrecht des Schuldners hinsichtlich der Person des Leistungsempfängers.

Andere rechtsändernde Umstände, die zwischen dem Schuldner und einem der Gläubiger eintreten, wirken hingegen grundsätzlich nur in diesem Verhältnis, §§ 429 Abs. 3, 425 BGB. Dies gilt beispielweise für Schuldnerverzug, Verjährung, rechtskräftiges Urteil und Forderungsabtretung.

(ii) Innenverhältnis zwischen den Gesamtgläubigern

Da die Befriedigung eines Gläubigers die Forderung mit Wirkung gegen die anderen Gläubiger zum Erlöschen bringt, dies aber nicht notwendigerweise auch den Abmachungen der Gläubiger im Innenverhältnis entspricht, bedarf es der Möglichkeit eines Ausgleichs. Diese Möglichkeit begründet § 430 BGB. Nach dieser Norm ist der Leistungsempfänger seinen Mitgläubigern gegenüber ausgleichspflichtig. In welcher Höhe dies der Fall ist, bestimmt sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen im Innenverhältnis. Für den Fall, dass keine Vereinbarungen vorliegen, bestimmt § 430 BGB, dass die Gesamtgläubiger im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet sind.

Beispiel: Im obigen Bankkontofall muss B dem A mangels anderer Abreden als Ausgleich die Hälfte des an ihn ausgezahlten Guthabens und damit 500 Euro zahlen. Etwas anderes würde etwa gelten, wenn A und B unter sich ausgemacht hätten, dass seinem Einzahlungsanteil entsprechend an Auszahlungen beteiligt werden soll, und A ¼, B hingegen ¾ eingezahlt hätte. Dann hätte A lediglich einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 250 Euro.

(iii) Anwendungsbereich der Gesamtgläubigerschaft

Die Gesamtgläubigerschaft kann zwischen den Gläubigern und dem Schuldner vertraglich vereinbart werden. Dies ist jedoch eher selten der Fall, da die Interessen der Parteien bei der Gesamtgläubigerschaft sehr ungleichmäßig berücksichtigt sind. Anders als die Teilgläubigerschaft ist die Gesamtgläubigerschaft zwar für den Schuldner sehr vorteilhaft. Er kann die gesamte Leistung auf einmal erbringen und darf dabei an den Gläubiger leisten, an den die Leistung für ihn am bequemsten zu erbringen ist. Auch braucht er sich nicht um das Innenverhältnis zu kümmern. Für die Gläubiger ist diese Art der Gläubigermehrheit hingegen gefährlich, denn sie müssen damit rechnen, dass der Schuldner jeweils nicht an sie, sondern an einen anderen Gläubiger mit befreiender Wirkung leistet. Da es kaum ein Gläubiger gerne sieht, dass seine Forderung durch Leistung an einen anderen befriedigt wird, sind Fälle der vertraglich vereinbarten Gesamtgläubigerschaft außerordentlich selten. Die Gläubiger können zwar Ausgleich im Innenverhältnis suchen. Dieser Ausgleich kann aber wegen mangelnder Leistungswillig- bzw. -fähigkeit des im Innenverhältnis verpflichteten Gläubigers sehr mühselig sein bzw. im Einzelfall sogar scheitern.

Gesetzlich angeordnet ist die Gesamtgläubigerschaft lediglich in § 2151 Abs.3 BGB.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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