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Gläubigergemeinschaft

(i) Begriff

Die Gläubigergemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner nur an alle Gemeinschaftsgläubiger gemeinsam leisten kann. Erbringt der Schuldner die Leistung nur an einen Gläubiger, so erlischt die Forderung nicht. Diese Gläubigermehrheit bietet im Vergleich zu den zuvor erläuterten Typen eine ausgeglichene Berücksichtigung der verschiedenen Interessen. Der Schuldner braucht nur einmal zu leisten und muss sich nicht um das Innenverhältnis kümmern. Die Gläubiger müssen andererseits nicht fürchten, dass die Forderung gleichsam „hinter ihrem Rücken“ zum Erlöschen gebracht wird.

(ii) Anwendungsbereich der Gläubigergemeinschaft

Eine derartige gemeinschaftliche Forderungszuständigkeit kennt das Gesetz in drei Fällen:

bulletbei Gesamthandsgemeinschaften,
bulletbei Bruchteilsgemeinschaften (§§ 741 ff. BGB),
bulletbei im natürlichen Sinne unteilbaren Leistungen (§ 432 BGB).

Im Einzelnen:

à Gesamthandsgemeinschaften

Eine gemeinschaftliche Forderungszuständigkeit ergibt sich zum einen bei den Gesamthandsvermögen. Rechtsgemeinschaften „zur gesamten Hand" sind die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die Personalgesellschaften des Handelsrechts (§§ 105 ff. HGB), die eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) und die Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Wegen seiner Gemeinschaftsbindung ist das Gesamthandsvermögen gegenüber dem sonstigen Privatvermögen der Gesamthändler verselbständigt. Die getrennte Verfügung über den Anteil an einer solchen Forderung ist dem Gesamthandsgläubiger selbst dann verwehrt, wenn die Forderung teilbar ist. Die Forderung darf nur einheitlich geltend gemacht werden. Die Befugnis dazu steht entweder allen gemeinsam (§ 719 BGB) oder jedem einzelnen (§ 2039 BGB) zu. Auch im letzteren Fall muss aber Leistung an die gesamte Gesamthandsgemeinschaft verlangt werden.

Beispiel: A und B beerben ihre Mutter. Zum Nachlass gehört eine fällige Darlehensforderung gegen C. A, der knapp bei Kasse ist, verlangt von C Zahlung. C lehnt ab, mit dem Hinweis, er zahle nur, wenn A und B ihn gemeinsam auffordern. Zu Recht?

Nein. Zwar hat C insoweit Recht, als dass er mit befreiender Wirkung nur an A und B gemeinsam leisten kann (§ 2039 S. 1 BGB) und somit auch nur an beide gemeinsam leisten muss und darf. Dies muss er aber auch auf Aufforderung eines einzigen Gläubigers.

à Bruchteilsgemeinschaften

Der zweite Grund für eine gemeinschaftliche Forderungszuständigkeit ist gegeben, wenn die Forderung einem Gegenstand entspringt, der zu einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) gehört. Bei einer solchen Bruchteilsgemeinschaft steht jedem Teilhaber ein ideeller Teil an einem real nicht geteilten Gegenstand zu.

Beispiel: Miteigentum an einer Sache (vgl. § 1008 BGB).

Liegt eine Bruchteilsgemeinschaft vor, so erstreckt sich die gemeinsame Berechtigung auch auf die der Gemeinschaft erwachsenen Forderungen.

Beispiel: A und B haben ein Haus im je hälftigen Miteigentum. Mieter M verursacht aus Unachtsamkeit einen Brand, bei welchem große Teile des Hauses abbrennen.

Hier liegt zwischen A und B hinsichtlich des Eigentums am Haus eine Bruchteilsgemeinschaft vor. Die hieraus folgende gemeinsame Berechtigung erstreckt sich auch auf die (aus Vertrag und Delikt folgende) Schadensersatzforderung gegen C. Obwohl die Geldzahlung an sich teilbar wäre, setzt sich die Bruchteilsgemeinschaft am Haus auch an den Einnahmen aus dem gemeinsamen Gegenstand fort. Dies ist sinnvoll, da aus den Einnahmen der Bruchteilsgemeinschaft zunächst die Kosten der Unterhaltung des Gegenstandes erbracht werden sollen – hier also die Kosten der Reparatur –, bevor der verbleibende Überschuss (etwa der Mietüberschuss) an die Miteigentümer verteilt wird.

Die Verfügung über die Forderung und ihre Einziehung gehört zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes, die nach § 744 BGB nur allen gemeinschaftlich zukommt.

à Unteilbarkeit der zu fordernden Leistung

Ein dritter Grund für die gemeinschaftliche Forderungszuständigkeit liegt schließlich in der Unteilbarkeit der zu fordernden Leistung (§ 432 BGB).

Beispiel: A und B sind auf dem Flug von Miami ins Gespräch gekommen und haben festgestellt, dass sie beide aus dem gleichen Vorort von Frankfurt stammen. Sie nehmen daher, um Geld zu sparen, gemeinsam ein Taxi.

Hier schuldet der Taxifahrer die gemeinsame, einmalige Beförderung. Diese Leistung ist nicht teilbar. Aus dem Sachverhalt ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass A und B weitere Abreden getroffen haben, aus denen sich etwa der Wille, einen Gesellschaftsvertrag abschließen zu wollen, ergeben könnte. Es sind die nach § 432 BGB geltenden Regeln anwendbar.

Die Regelung des § 432 BGB greift allerdings nur dann, wenn zwischen den Gläubigern nicht eine andere Rechtsgemeinschaft besteht (Gesamtgläubigerschaft, Gesamthand, Bruchteilsgemeinschaft). Für die Fälle einer anderen Rechtsgemeinschaft gelten jeweils die speziellen Geschäftsführungs- und Verwaltungsregeln vorrangig.

Auch im Fall des § 432 BGB kann der Schuldner sich nur durch Leistung an alle Gemeinschaftsgläubiger befreien. Dennoch besteht eine gewisse Eigenständigkeit der Forderung. Jeder Gläubiger kann – anders als bei der Gesamthand – über seinen Anteil frei verfügen.

Beispiel: A kann etwa seinen Beförderungsanspruch an einen Dritten abtreten – etwa weil er sich kurzfristig überlegt hat, doch noch eine Nacht in der Innenstadt von Frankfurt zu bleiben.

Diese Eigenständigkeit der Forderungen kommt auch in § 432 Abs. 2 BGB zum Ausdruck. Danach wirken Tatsachen, die nur in der Person eines Gläubigers eintreten, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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