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Teilgläubigerschaft

(i) Begriff und Rechtsfolgen

Bei der Teilgläubigerschaft ist jeder von mehreren Gläubigern berechtigt, unabhängig von den anderen Gläubigern einen Teil der Leistung zu fordern, § 420 BGB.

Beispiel: G1 und G2, die auf benachbarten Grundstücken je ein Haus bauen, wollen einen Mengenrabatt erreichen und bestellen gemeinsam eine Ladung Kies, wobei sie mit dem Verkäufer S ausmachen, dass jeder der beiden die Hälfte der Ladung erhalten und zahlen soll.

Hier sind G1 und G2 Teilgläubiger, d.h. sie können von S je die Hälfte einer Ladung Kies verlangen.

Bei einer Teilgläubigerschaft steht somit jedem Gläubiger ein eigenes, unabhängiges Forderungsrecht gegen den Schuldner zu. Die Größe des Anteils richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den getroffenen Vereinbarungen.

Beispiel: Im obigen Beispiel der Kieslieferung hätten G1 und G2 mit S auch vereinbaren können, dass G1 1/3 und G2 2/3 der Lieferung erhalten und zahlen sollten.

Fehlen vertragliche Regelungen und bestimmen auch sonstige Umstände keine abweichende Aufteilung, so gebührt jedem Gläubiger nach der Auslegungsregel des § 420 BGB im Zweifel ein gleich großer Anteil der Leistung.

Über sein Forderungsrecht bzgl. des ihm zustehenden Teils kann jeder Gläubiger selbständig verfügen. Er kann Leistung verlangen oder einen Schulderlass mit dem Schuldner vereinbaren. Er kann auch Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Leistungsverpflichtung geltend machen. Insofern steht er rechtlich nicht wesentlich anders als ein Einzelgläubiger. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Forderung einheitlich mit anderen Forderungen entstanden ist. Dies muss sich dann auswirken, wenn durch die Rechtsausübung eines Gläubigers das zugrunde liegende Schuldverhältnis im weiteren Sinne betroffen würde. Deswegen ordnet das Gesetz beispielsweise an, dass ein Rücktrittsrecht nur von allen Gläubigern gemeinsam ausgeübt werden kann (§ 351 BGB). Weiterhin steht dem Schuldner beim gegenseitigen Vertrag die Einrede des nicht erfüllten Vertrages wegen der gesamten Gegenleistung der Gläubiger zu (§ 320 Abs. 1 S. 2 BGB).

Beispiel: Im oben genannten Fall des Kiesverkaufs liefert S auch nach Fristsetzung nicht. G1 möchte zurücktreten (§ 323 Abs. 1 BGB), weil ihm der S nunmehr als unzuverlässig erscheint. G2 möchte lieber weiter auf Lieferung bestehen, da der Preis ausgesprochen günstig ist.

G1 kann nicht alleine zurücktreten, § 351 BGB. Die Überlegung, die hinter dieser Regelung steht, wird gerade am vorliegenden Fall deutlich. Die Bedingungen eines Schuldverhältnisses, an welchem mehrere Personen beteiligt sind, werden in der Regel ja gerade auch im Hinblick auf die Beteiligung mehrerer Personen getroffen. Dies würde unberücksichtigt bleiben, wenn einzelne Gläubiger allein zurücktreten könnten.

Könnte etwa G1 im vorliegenden Fall allein vom Vertrag zurücktreten, so würden die Interessen des S nicht hinreichend berücksichtigt. S hat mit G1 und G2 gerade aufgrund der Tatsache, dass zwei Personen eine Bestellung aufgegeben haben, einen günstigeren Preis ausgehandelt. An diesen Preis wäre er gegenüber G2 auch dann noch gebunden, wenn  G1 zurücktreten würde, da G1 nicht in der Lage ist, allein durch seine Erklärung auf das Verhältnis des S zu G2 einzuwirken. S müsste also weiterhin zum günstigen Preis liefern, obwohl er nunmehr keine Vorteile mehr hätte. Dieses Ergebnis würde einseitig die Interessen des S benachteiligen.

Die Teilgläubigerschaft ist ohnehin nachteilig für den Schuldner. Zum einen muss er die Leistung in Teilen an verschiedene Personen erbringen – dies ist in der Regel mühsamer als eine einheitliche Leistungserbringung. Zum anderen trägt er auch ein Verteilungsrisiko. Die hälftige Teilung nach § 420 BGB gilt nur „im Zweifel“, d.h. andere Abreden sind möglich. Diese Abreden muss der Schuldner genau berücksichtigen, um die Leistung in den richtigen Anteilen erbringen zu können.

(ii) Anwendungsbereich der Teilgäubigerschaft

Das Gesetz sieht die Teilgläubigerschaft als den Regelfall an („im Zweifel“, § 420 BGB). In der Rechtswirklichkeit gilt aber das genaue Gegenteil – die Teilgläubigerschaft ist eher die Ausnahme.

Voraussetzung der Teilgläubigerschaft ist zunächst, dass es sich bei der geschuldeten Leistung um eine teilbare Leistung handelt. Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertminderung in mehrere gleichartige Teile zerlegt werden kann.

Beispiele: Dies ist insbesondere bei Geldforderungen immer der Fall. Eine Geldsumme lässt sich in verschiedene Teilsummen teilen, ohne dass sich Wesen oder Wert der Leistung verändern würden. Das Gleiche gilt bei der oben erörterten Kieslieferung.

Keine teilbare Leistung liegt demgegenüber etwa vor, wenn ein lebendes Tier geschuldet wird. Diese Leistung ist schon aufgrund der natürlichen Verhältnisse unteilbar. Ein Stück von einem (nach der Teilung notwendigerweise) toten Tier ist qualitativ etwas anderes als ein lebendes Tier. Anders, wenn eine ganze Herde von Tieren geschuldet wird. Hier lässt sich die Schuld in verschiedene Teilmengen (Teilherden) lebender (J) Tiere aufspalten.

Auch bei im vorgenannten Sinn teilbaren Leistungen liegt darüber hinaus dann keine Teilgläubigerschaft vor, wenn sich aus dem Verhältnis der Gläubiger untereinander etwas anderes ergibt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gläubiger eine Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaft (Gläubigergemeinschaft) bilden. Da dies bei Gläubigermehrheiten fast immer der Fall ist, verliert die „Regel“ des § 420 BGB erheblich an Gewicht.

Eine Teilgläubigerschaft ist somit fast nur noch dort denkbar, wo mehrere nicht miteinander verbundene Menschen sich eine – teilbare – Leistung versprechen lassen. In derartigen Fallkonstellationen ist bei der Auslegung jedoch zudem immer die Möglichkeit zu beachten, dass auch voneinander getrennte Verträge - und damit überhaupt keine Gläubigermehrheit im vorliegenden Sinne - gewollt sein können. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Auslegung ergibt, dass die Parteien eine Anwendbarkeit der §§ 320 Abs. 1 S. 2351 BGB nicht gewollt haben. 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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