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Sachmangel kraft Nichteignung zur gewöhnlichen Verwendung oder Abweichung von der üblichen Beschaffenheit  (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB)

Haben die Parteien weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine bestimmte Verwendung der Kaufsache vorausgesetzt, kommen als Maßstab für die Soll-Beschaffenheit alleine noch die Eignung der Kaufsache zur gewöhnlichen Verwendung und die übliche Beschaffenheit der Kaufsache in Betracht (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Nur wenn beides, Eignung zur gewöhnlichen Beschaffenheit und übliche Beschaffenheit, bejaht werden kann, ist die Kaufsache mangelfrei. Deshalb handelt es sich bei der Nichteignung zur gewöhnlichen Verwendung und der Abweichung von der üblichen Beschaffenheit auch um zwei selbständige Mangeltatbestände. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist auf Grund des Anwendungsvorranges der §§ 434 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 BGB als klassischer Auffangtatbestand konzipiert, der sich an den zum früheren Recht gelegentlich vertretenen objektiven Fehlerbegriff anlehnt.

Die gewöhnliche Verwendung des Kaufgegenstandes ist objektiv anhand der Art der Sache und dem Verkehrskreis, dem der Käufer angehört, zu bestimmen. Dabei soll es insbesondere eine Rolle spielen, ob der Käufer die Sache erkennbar als Verbraucher (§ 13 BGB) oder als Unternehmer (§ 14 BGB) kauft (Beispiel: Kleidung für private oder berufliche Zwecke) (Weidenkaff, in: Palandt,  § 434 Rdnr. 27).

Bei der üblichen Beschaffenheit ist sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers auf "Sachen gleicher Art" als Vergleichsmaßstab abzustellen. Dabei gilt es, genau zu sein: Eine Sache "gleicher Art" muss in den für die jeweils in Rede stehende Beschaffenheit relevanten Merkmalen mit der Kaufsache übereinstimmen, d.h. etwa bezüglich des Herstellungsmaterials, wenn über die Karosseriebeschaffenheit eines Pkw gestritten wird oder im Baujahr, wenn es um die Üblichkeit bestimmter Verschleißerscheinungen geht (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, § 434 Rdnr. 29). Das bedeutet, dass man etwa bei gebrauchten Sachen nicht die übliche Beschaffenheit eines neuwertigen Gegenstandes zugrunde legen darf, sondern diejenige Beschaffenheit, die eine gepflegte gebrauchte Sache gleicher Art aufweisen müsste. Bei einem Gebrauchtwagen wird man daher zur Ermittlung der üblichen Beschaffenheit als Vergleichsfahrzeug ein durchschnittliches Fahrzeug gleichen Alters und gleicher Laufleistung heranziehen müssen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 214). Wenn das Gesetz zusätzlich für die "Üblichkeit der Beschaffenheit" Sachen gleicher Art auf die berechtigten Erwartungen des Käufers abstellt, ist damit keine Versubjektivierung der Soll-Beschaffenheit beabsichtigt. Es kommt nämlich nicht auf die Sicht des konkreten Käufers, sondern auf den objektiven "Erwartungshorizont" eines vernünftigen Durchschnittskäufers an (BT-Drucks. 14/6040, S. 214). Da es auf Grund der Produktvielfalt und unterschiedlichen Kundenkreise "den" Durchschnittskäufer nicht gibt, ist Durchschnittskäufer ein repräsentativer Vertreter des am jeweiligen Geschäftstyp (Handelskauf, Verbrauchsgüterkauf, grenzüberschreitender gewerblicher Kauf) üblicherweise beteiligten Personenkreises (Malzer, in: Martinek/Hoeren, Systematischer Kommentar zum Kaufrecht, § 434 Rdnr. 56). Ist demnach beispielsweise bei einem auf die Belieferung von Kantinen spezialisierten Unternehmen der durchschnittliche Kantinenbetreiber "Durchschnittskäufer", so ist bei einem auf die Belieferung von exquisiten Gourmetlokalen spezialisierten Feinkosthändler der durchschnittliche Gourmetlokalinhaber "Durchschnittskäufer", nach dessen vernünftigen Erwartungen sich die Beschaffenheit der Ware bestimmt, wenn die Parteien vor der Lieferung weder über die Beschaffenheit der Ware noch über den konkreten Verwendungszweck gesprochen haben.

§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB erweitert im Falle des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (also wenn weder eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen noch eine bestimmte Verwendung vertraglich vorausgesetzt wurde) die Soll-Beschaffenheit um Eigenschaften, die zwar nicht zur üblichen Beschaffenheit gehören, deren Vorliegen der Käufer aber gleichwohl auf Grund öffentlicher Äußerungen des Verkäufers, Herstellers oder seines Gehilfen, insbesondere in der Werbung, erwarten kann. Hintergrund dieser - in Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfolgten - Regelung ist Folgendes: Der Käufer, dem der Verkäufer bestimmte Eigenschaften einer Kaufsache im Rahmen des Verkaufsgesprächs zusagt, wird durch § 434 Abs. 1 S. 1 BGB geschützt. Häufig aber kommt es erst gar nicht mehr zu einem solchen Verkaufsgespräch, weil der Käufer bereits auf Grund von Werbeaussagen des Verkäufers oder des Herstellers vom Vorliegen bestimmter Eigenschaften wie selbstverständlich ausgeht. In diesem Fall soll er durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit der Werbeaussage geschützt werden. Dieser Regelungszweck ist zwar in erster Linie durch den Verbraucherschutz motiviert. Dennoch hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, den Schutz nur auf den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken. Denn auch bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern sind ohne weiteres Fälle denkbar, in denen die Kaufentscheidung durch eine Werbeaussage beeinflusst worden ist, so dass der Käufer, auch wenn er kein Verbraucher ist, in gleichem Maße schutzbedürftig ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 214). Eine entscheidende Eingrenzung erfährt der Tatbestand des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB durch das Merkmal der "Öffentlichkeit" der Äußerung. Öffentlich ist eine Äußerung, wenn sie potentiell für eine unbestimmte Vielzahl von Personen wahrnehmbar ist (ähnlich: Weidenkaff, in: Palandt, 61. Aufl., § 434 Rdnr. 34). Das ist insbesondere bei Anzeigen und Werbespots in Druckschriften (Zeitungsannoncen, Warenkataloge etc.), Radio- und Fernsehsendungen oder dem Internet der Fall. Eine weitere Eingrenzung folgt daraus, dass nur Werbeaussagen über konkrete Eigenschaften zu einer Haftung des Verkäufers führen und nicht etwa auch "reißerische Anpreisungen allgemeiner Art ohne Bezugnahme auf nachprüfbare Aussagen über die Beschaffenheit der Kaufsache" (BT-Drucks. 14/6040, S. 214). Schließlich greift die Erweiterung der Soll-Beschaffenheit über § 434 Abs. 1 S. 3 BGB dann nicht ein, wenn der Verkäufer die fragliche Werbeaussage nicht kannte und auch nicht kennen musste (§ 122 Abs. 2, 276 Abs. 2 BGB: auch leichte Fahrlässigkeit schadet!), sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war (z.B. durch eine breit angelegte Rückrufaktion des Herstellers) oder wenn sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.E.). Für das Eingreifen eines dieser Ausnahmetatbestände trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Verkäufer die Beweislast. Diese im Gesetzeswortlaut durch die negative Formulierung angelegte Beweislastverteilung ("..es sei denn...") beruht auf der Vorgabe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (BT-Drucks. 14/6040, S. 214 f.).      

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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