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Rechtswidrigkeitszusammenhang und Schutzbereichslehre
Die Schutzbereichslehre bietet den besseren dogmatischen Standort. Nach ihr führen nur
solche Rechtsgutsverletzungen und Schadensentwicklungen zu einer Schadensersatzpflicht,
die im Schutzbereich der verletzten Pflicht liegen. Dazu muss man sich fragen, ob der
Pflichtverstoß, den man jemandem vorhält, eine Pflicht betrifft, die gerade zur
Vermeidung von Schäden der Art entwickelt worden ist, um deren Ersatz es in einem
konkreten Fall geht. Im Gesamtkonzept können durchaus auch
Wahrscheinlichkeitsüberlegungen eine Rolle spielen. Sie tun das aber nicht auf der
Kausalitätsebene zur Ausscheidung inadäquater Entwicklungen, sondern auf der Ebene der
Pflichtenbegründung, wenn es um das Merkmal der Vorhersehbarkeit geht.
Grünstreifen-Fall
Eine der grundlegenden Entscheidungen, in denen die Inadäquanz der Adäquanzlehre
deutlich und die Tauglichkeit der Schutzbereichslehre belegt wird, findet sich im
Grünstreifen-Fall:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 16.02.1972, Az: VI ZR 128/70
Leitsatz
Dem für einen Verkehrsunfall Verantwortlichen sind in der Regel nicht auch die
Schäden zuzurechnen, die nachfolgende Kraftfahrer dadurch anrichten, daß sie, um die
Unfallstelle umgehen zu können, über den Radweg und Fußweg der unfallbedingt gesperrten
Straße fahren.
Fundstelle
BGHZ 58, 162-170 (LT1)
Tatbestand
Am 21. Juni 1968 ereignete sich auf der L.-Straße in B. ein Verkehrsunfall. Ein
Lastkraftwagen der niederländischen Streitkräfte war bei dem Versuch, einen parkenden
Kraftwagen zu überholen, mit einem ihm entgegenkommenden Personenkraftwagen
zusammengestoßen. Die beiden Fahrer ließen ihre Fahrzeuge in der durch den rechts
parkenden Wagen gebildeten Engstelle der Straße stehen, um das Eintreffen der Polizei
abzuwarten. Infolgedessen war die Straße für die nachfolgenden Kraftfahrer zunächst
gesperrt. Daraufhin fuhren mehrere Kraftfahrer, die wegen des vor ihnen stehenden LKW
nicht weiterfahren konnten, um die Unfallstelle herum, indem sie über den rechts
befindlichen Rad- und Fußweg fuhren. Als die Verkehrspolizei nach etwa 15 Minuten
eintraf, waren an dem Rad- und Fußweg erhebliche Schäden entstanden. Für deren
Beseitigung mußte die Stadt B., die Klägerin, als Wegeeigentümerin 1.736,58 DM
aufwenden.
Die Kraftfahrer, die über den Bürgersteig gefahren waren, sind nicht ermittelt
worden.
Die Bundesrepublik hat aufgrund der Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts dem
Eigentümer des von dem Militär-LKW angefahrenen PKW dessen Schaden ersetzt. Die
Klägerin steht auf dem Standpunkt, daß die Bundesrepublik auch für die Schäden
einstehen müsse, die jene Kraftfahrer beim Überfahren des Rad- und Gehweges verursacht
hatten.
Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat ihr das Oberlandesgericht
stattgegeben.
Auf die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten hat der
Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.
Entscheidungsgründe
Die Bundesrepublik hat, worüber die Parteien einig sind, nach den Bestimmungen des
NATO-Truppenstatuts für die von dem LKW der niederländischen Streitkräfte verursachten
Schäden in gleicher Weise einzustehen, wie wenn der Schaden von einem LKW der Bundeswehr
angerichtet worden wäre. Anspruchsgrundlage ist daher zunächst
§ 839 BGB iV mit
Art 34 GG, so daß eine Haftung aus den
§§ 831,
823 BGB i Verb mit den Vorschriften
der Straßenverkehrsordnung ausscheidet. Nach Satz 2 des
§ 839 Abs 1 BGB hätte die
Klägerin dartun müssen, daß sie den Ersatz ihrer Schäden nicht anderweit erreichen
konnte - vor allem nicht von den Kraftfahrern, die die eigentlichen Schadensurheber
gewesen sind und ihr, wären sie ermittelt worden, zweifellos hätten Ersatz leisten
müssen. Das Berufungsgericht brauchte nicht zu untersuchen, ob die Klägerin etwa,
nachdem die schuldigen Kraftfahrer nicht hatten ermittelt werden können, einen
Ersatzanspruch - wenigstens soweit er 1.000 DM übersteigt - gegen den
"Entschädigungsfonds" (§ 12 des PflVersG idF vom 5. April 1965 - BGBl I
213) hätte geltend machen können, (vgl aber auch
§ 152 VVG). Auf diese Frage kam
es nicht mehr an, nachdem die Klägerin erklärt hatte, sich lediglich auf die Haftung der
Beklagten nach
§ 7 StVG zu stützen. Daß an sich hier die Voraussetzungen dieser
Haftungsnorm erfüllt sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Da, wie das
angefochtene Urteil feststellt, den Fahrer des LKW sogar ein Verschulden trifft, entfällt
die Gefährdungshaftung nicht etwa wegen unabwendbaren Ereignisses (§ 7 Abs 2 StVG).
Fraglich ist allein, ob auch die Schäden, welche die hinter dem die Straße sperrenden
LKW zunächst zum Halten gezwungenen Kraftfahrer beim Überfahren des Rad- und Gehweges
angerichtet haben, noch auf ein haftungsbegründendes Verhalten, hier die vom Halter zu
vertretende Betriebsgefahr des LKW, zurückgeführt werden können. Das Berufungsgericht
hat das bejaht.
I.
Diesem Standpunkt kann nicht gefolgt werden.
1. Dem Berufungsgericht muß zwar zugestimmt werden, wenn es auch im vorliegenden Fall
den Ursachenzusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten des LKW-Fahrers und
der Beschädigung von Rad- und Gehweg als adäquat angesehen hat (insofern richtig auch LG
Düsseldorf NJW 1955, 1031: "Grünstreifen-Fall"). Erfahrungsgemäß gibt es bei
Unfällen der hier geschehenen Art immer wieder Kraftfahrer, die - unzweifelhaft
verkehrswidrig und wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung strafbar (§ 303 StGB) -
nicht so lange warten, bis die Weiterfahrt wieder möglich oder ihnen die Umfahrung durch
eine Anordnung der Verkehrspolizei erlaubt worden ist. Angesichts der Erfahrung, daß das
Verhalten jener Kraftfahrer immer wieder vorkommt, wird man sogar annehmen können, ein
Kraftfahrer müsse voraussehen, daß ein von ihm verursachter Unfall im fließenden
Verkehr derartige Reaktionen nachfolgender Fahrer mit den damit angerichteten Schäden an
öffentlichen Straßen, privaten Vorgärten, Zäunen usw zur Folge haben kann. Indes kommt
es im vorliegenden Fall ohnehin nicht auf Verschulden als Zurechnungsgrund entscheidend
an, weil die Klägerin ihren Ersatzanspruch auf
§ 7 StVG stützen kann.
Zu Unrecht zieht die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts in Zweifel, daß der
LKW noch in dem Zeitpunkt "im Betrieb" war, in welchem jene Kraftfahrer den Rad-
und Gehweg überfuhren. Der LKW war, als er zum Stehen gekommen war, aber die anderen
Fahrzeuge an der Weiterfahrt hinderte, noch nicht aus dem Verkehr gezogen. Im Sinne des
§ 7 StVG dauert der Betrieb eines Kraftfahrzeugs so lange fort, wie es der Fahrer im
Verkehr beläßt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht (BGHZ 29, 163, 166).
Auch stand das Ausweichen der ungeduldig gewordenen Kraftfahrer noch in dem erforderlichen
nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem von dem LKW verursachten
Zusammenstoß (vgl BGHZ 37, 311, 318). Wäre ein nachfolgendes Kraftfahrzeug, um nicht auf
den vor ihm stehenden LKW aufzufahren, beim Bremsen ins Schleudern gekommen und dabei auf
den Rad- und Gehweg geraten, so wäre der dabei von ihm angerichtete Schaden gewiß noch
der Betriebsgefahr des LKW zuzurechnen. Nichts anderes würde gelten, wenn ein
nachfolgender Kraftfahrer, um nicht aufzufahren oder nicht von nachkommenden
Verkehrsteilnehmern angefahren zu werden, sein Fahrzeug bewußt auf den Radund Gehweg
gelenkt hätte.
2. Lassen sich somit der adäquate Ursachenzusammenhang und der Zusammenhang mit der
Betriebsgefahr des die Straße sperrenden LKW nicht verneinen, so hängt die Entscheidung
des Rechtsstreits davon ab, ob einem Schädiger auch solche Folgen zugerechnet werden
können, die auf einem "freien" Entschluß eines Dritten beruhen (sog
"Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" oder Regreßverbot"). Diese Frage
stellt sich in Fällen der vorliegenden Art ohne Rücksicht darauf, ob der Geschädigte
seinen Ersatzanspruch auf
§ 823 Abs 2 (iV mit den Vorschriften der StVO) oder Abs 1
BGB oder auf
§ 839 BGB oder, wie hier, weil die Straße durch ein Kraftfahrzeug
gesperrt worden war, auf die
§§ 7, 18 StVG stützt.
a) Entgegen der Meinung der Revision ist diese Zurechnung nicht schon deshalb zu
verneinen, weil jene ungeduldigen Kraftfahrer vorsätzlich und rechtswidrig handelten, als
sie über den Rad- und Gehweg fuhren.
Die Zurechnung eines Schadens ist keineswegs schlechthin schon deshalb ausgeschlossen,
weil er auf dem Eingreifen eines Dritten beruht (BGHZ 12, 206, 211; 17, 153, 159; 24, 263,
266). Nur dann, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis
völlig unerheblich war, kann davon gesprochen werden, daß der Kausalzusammenhang
"unterbrochen" ist (BGHZ 3, 261, 268; 12, 211; 17, 159). Das ist hier nicht der
Fall. Der Zurechnung steht auch nicht entgegen, daß jene Kraftfahrer den Schaden
rechtswidrig angerichtet haben. Ob das Eingreifen des Dritten in den Ablauf des Geschehens
rechtmäßig war oder rechtswidrig, ist nicht von entscheidender Bedeutung für die Frage
der Zurechnung.
Ebensowenig wird ein Schädiger, dessen Verhalten einen haftungsbegründenden
Tatbestand erfüllt hat, von der Haftung für Schäden, die ein Dritter angerichtet hat,
schon deshalb freigestellt, weil dieser außerdem vorsätzlich gehandelt hat (vgl
Senatsurteil vom 1. Februar 1966 - VI ZR 196/64 - LM BGB § 832 Nr 8a; vgl auch
Larenz in NJW 1958, 627 gegen NJW 1955, 1009). Deshalb muß zB der Fahrer und der Halter,
dessen Kraftwagen einen Lieferwagen so angefahren hat, daß dessen Ladung auf die Straße
gefallen ist, nicht nur die Waren ersetzen, die bei dem Unfall beschädigt worden sind
oder nicht mehr geborgen werden konnten, sondern auch die aus der verstreut auf der
Straße liegenden Ladung gestohlenen Waren. Hier kann der für den Unfall Haftende den
Geschädigten nicht auf seine Ansprüche gegen die Diebe verweisen; der von diesen
verursachte Schaden ist auch ihm zuzurechnen, weil er die Gefahr, daß der durch den
Unfall Geschädigte bestohlen werden könnte, geschaffen hat. Daß diese Folgen seines
haftungsbegründenden Tuns, nämlich das Halten seines schadensträchtigen Kraftfahrzeugs
oder der Verkehrsverstoß seines Fahrers, nicht mehr in den Bereich der Gefahren fielen,
zu deren Abwehr jene Haftungsnormen (§§ 7, 18 StVG,
§§ 823ff BGB iV mit den
Vorschriften der StVO usw) erlassen worden sind, kann nicht angenommen werden (vgl BGHZ
27, 137, 140; H. Lange Gutachten zum 43. DJ-Tag 1960 S 50). Ebensowenig kann, wer aufgrund
Vertrages dafür einzustehen hat, daß eine Sache behütet bleibt, seinen trotzdem
bestohlenen Auftraggeber auf seine Ansprüche gegen den Dieb verweisen. Auch durch Gesetz
können derartige "Garantenpflichten" begründet sein. So kann unter Umständen
die einem Verkehrsteilnehmer obliegende Sorgfaltspflicht so weit gehen, daß er darauf
achtet, nicht durch sein verkehrswidriges Verhalten Dritte zu vorsätzlichen
Verkehrsverstößen zu verleiten. Vor allem ist der Halter eines Kraftfahrzeugs für
sämtliche Schäden verantwortlich, die mit dem Betrieb seines Fahrzeugs verbunden sind,
gleichviel wie im konkreten Fall dessen Gefährlichkeit schadenswirksam geworden ist; er
haftet auch für Schäden, die der Schwarzfahrer mittels seines Fahrzeugs bewußt und
gewollt anrichtet, sogar bei vorsätzlicher Tötung eines Menschen (BGHZ 37, 311,
316/317).
b) Bei wertender Betrachtung liegt aber der hier zu entscheidende Fall anders. Die
Kraftfahrer sind, nachdem sie auf der Straße zum Halten gekommen waren, aus freien
Stücken über den Rad- und Gehweg gefahren. Das war nur insofern noch mit dem Unfall,
also mit der Fahrweise des LKW und der von ihm ausgehenden Betriebsgefahr verknüpft, als
der Unfall mit seiner Sperrung der Straße den Anlaß für das Verhalten jener Kraftfahrer
bildete. Dies aber war nicht mehr als ein äußerer Umstand, der lediglich die Motivation
für das eigenmächtige, nicht mehr von Rücksichten auf Verkehrssicherheit bestimmte
Verhalten der Kraftfahrer abgab. Er kann daher nicht als ausreichend angesehen werden, um
einen zurechenbaren Zusammenhang zu begründen (vgl auch BGHZ 25, 86, 90; Senatsurteil vom
12. Februar 1963 - VI ZR 181/62 - LM BGB § 823 (C) Nr 28). Vor allem kann hier nicht
gesagt werden, daß das Verhalten des LKW-Fahrers und die Sperrung der Straße das Handeln
jener Kraftfahrer "herausgefordert" hätte (so die Formulierung von Larenz,
Schuldrecht, Bd I 10. Aufl § 27 III b3 S 323; vgl BGHZ 57, 25, 28 mw Nachw). Eine
solche zum Eingreifen Dritter drängende Lage war durch die Sperrung der Straße nicht
entstanden. "Herr" des schadenstiftenden Geschehens waren in bezug auf die
Beschädigung des Randstreifens allein die ungeduldigen Kraftfahrer und nicht auch der
Fahrer des LKW. Der vorliegende Fall gibt daher keinen Anlaß zur Prüfung, ob bei der
Frage nach der "Herausforderung" des vorsätzlichen Handelns des Dritten auch
dem Grade und der Erheblichkeit der hervorgerufenen Gefahr für die Rechtsgüter anderer
Bedeutung zukommt. Die Entscheidung folgt im Streitfall bereits aus dem Grundsatz, daß
die Vorgänge, die für die Frage nach der Zurechnung eines Schadens erheblich sind, stets
einer wertenden Betrachtung zu unterwerfen sind (BGHZ 18, 286, 288; 30, 154, 157;
Senatsurteile vom 8. Januar 1963 - VI ZR 80/62 - und vom 12. Februar 1963 - VI ZR 181/62 -
BGH LM BGB § 823 (C) Nr 27 und Nr 28).
Bei wertender Betrachtung besteht ein für die Haftung ausreichender Zusammenhang
zwischen dem Verhalten des LKW-Fahrers und der Sachbeschädigung hier auch dann nicht,
wenn zugunsten der Klägerin nicht nur auf
§ 7 StVG abgestellt wird, sondern auf das
den LKW-Fahrer treffende Verschulden, das zu dem Zusammenstoß geführt hat. Hier waren
nach der Rechts-, vor allem der Verkehrsordnung die Verantwortungsbereiche deutlich
getrennt: Der Fahrer und der Halter des LKW waren verantwortlich für den Zusammenstoß
und seine Folgen für andere Verkehrsteilnehmer, die etwa in den Unfall verwickelt worden
waren, sowie für alle durch den Zusammenstoß in Mitleidenschaft gezogenen Sachen. Für
die Beschädigung des Rad- und Gehweges sind aber bei dem hier gegebenen Schadensverlauf
allein die Kraftfahrer, die über ihn gefahren waren, verantwortlich. Die für den Fahrer
des LKW geltenden Gebote und Verbote schützten nur insoweit auch die Interessen derer,
die mit ihrem Eigentum dem Verkehrsraum nahe waren, als der Fahrer nicht mit seinem LKW
auf den Bürgersteig geraten und nicht Anlaß dafür geben durfte, daß andere Fahrzeuge,
um nicht mit ihm zusammenzustoßen, auf das Gelände neben der Straße ausweichen mußten.
In seinen Pflichtenkreis fällt aber nicht mehr das, was sich, nachdem das Unfallgeschehen
beendet war, dadurch ereignete, daß die nachfolgenden, schon zum Halten gelangten
Kraftfahrer über den Rad- und Gehweg fuhren, um schneller vorwärts zu kommen. Diese
daran zu hindern, war der LKW-Fahrer weder tatsächlich in der Lage noch rechtlich
verpflichtet. Daß die vom Berufungsgericht bejahte Zurechnung zu weit geht, wird auch
dadurch deutlich, daß die Klägerin, wäre ihr Standpunkt zutreffend, auch den Halter des
PKW, auf den der LKW aufgefahren war, in Anspruch nehmen könnte, wenn diesem nicht der
Entlastungsbeweis aus
§ 7 Abs 2 StVG gelungen wäre; unter Umständen könnte dann
sogar die Mit-Haftung des rechts parkenden Kraftwagens in Betracht kommen. Zu weit ginge
es auch, einen Halter, dessen Fahrzeug sich infolge Versagens seiner Einrichtungen
(§ 7 Abs 2 StVG) in der Straße quergestellt hat, für die Schäden haften zu
lassen, die nachfolgende Kraftfahrer durch überfahren des Bürgersteiges angerichtet
haben.
3. Hier war es nach alledem nicht die Betriebsgefahr des LKW oder die Fahrweise des
Fahrers, die in zurechenbarer Weise zu den Schäden an dem Bürgersteig geführt hat.
Diese mögen allerdings dadurch verursacht worden sein, daß der Fahrer des LKW diesen
anschließend so lange stehen ließ, bis die hereingerufene Verkehrspolizei eintraf.
Sollte er für die dadurch herbeigeführte Behinderung des Verkehrs (vgl
§ 1 StVO)
keinen vernünftigen Grund (mehr) gehabt haben, so könnte aus diesem Verhalten eine
Haftung für die von den ungeduldig gewordenen Kraftfahrern angerichteten Schäden
hergeleitet werden (§ 823 Abs 1 und 2, hier
§ 839 BGB), so daß auch der
Halter (nach
§ 831 BGB, hier die Beklagte nach
Art 34 GG) haftbar sein könnte. Eine
so begründete Haftung ist aber rechtlich von der Haftung aus dem vorausgegangenen
Verhalten für die eigentlichen Unfallfolgen zu trennen. Jene Haftung könnte auch den
treffen, der die Straße nicht durch ein Kraftfahrzeug (§ 7 StVG) sperrt oder an dem
Unfall schuldlos gewesen war.
Unter welchen Voraussetzungen eine solche Haftung zu bejahen wäre, bedarf hier keiner
Prüfung. In dieser Richtung hat die Klägerin gegen den Fahrer des LKW keine Vorwürfe
erhoben.
II.
Die Klägerin kann sich somit wegen der Schäden, die ihr jene Kraftfahrer zugefügt
haben, lediglich an diese halten. Sie läuft zwar, nachdem diese nicht mehr zu ermitteln
sind, Gefahr, den Schaden endgültig tragen zu müssen. Das aber ist ein allgemeines
Risiko, das jeden Anlieger einer vom Verkehr benutzten Straße trifft und das sie nicht
auf die Beklagte abwälzen kann (vgl H. Lange aaO S 53). Infolgedessen kann das
angefochtene Urteil nicht aufrechterhalten bleiben (vgl die Bedenken von von Caemmerer DAR
1970, 290; Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl § 7 StVG Anm 2d S 886). Mit
Recht ist daher auch das "Grünstreifen-Urteil" des Landgerichts Düsseldorf
angegriffen worden (Larenz, NJW 1955, 1009, und von Caemmerer, Das Problem des
Kausalzusammenhangs, 1956 = Gesammelte Schriften S 398, 405). Auch im übrigen Schrifttum
wird dieses Urteil überwiegend als unrichtig angesehen (H. Lange aaO; Wolf, Der Normzweck
im Deliktsrecht, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Bd 42 S 30; Rother NJW 1965,
180 und in Haftungsbeschränkungen im Schadensrecht 1965 S 26; Deutsch in der Festschrift
für Honig 1970 S 33, 51; Esser Schuldrecht, Bd I 4. Aufl § 45 II 2 Fn 9;
Erman/Sirp, BGB 4. Aufl § 249 Anm 3h; von Caemmerer DAR 1970, 290).
Somit war das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Schockschadenfälle
Mit der Schutzbereichslehre hängt auch die Ersatzfähigkeit sog. Schockschäden
zusammen. Dabei geht es um Schäden, die jemand erleidet, weil er einem Unfallgeschehen
zusehen muss oder eine Nachricht über einen Unfall erhält. Ein erstes Problem liegt hier
in der Festlegung dessen, was man eine Gesundheitsverletzung nennen will. Das normale
Entsetzen, die übliche Trauer reicht da nicht hin. Es muss schon ein pathologischer
Zustand ausgelöst werden. Ist das der Fall, liegen weitere Probleme nicht auf der Ebene
der Kausalität. Der Unfallverursacher ist auch kausal für den pathologischen
Schockzustand. Hätte er sich pflichtgemäß verhalten, wäre es nicht zu dem Unfall
gekommen; wäre es nicht zu dem Unfall gekommen, hätte der Beobachter oder
Nachrichtenempfänger auch keinen Schock erlitten. Man spricht hier von psychisch
vermittelter Kausalität. Und das ist eine Kausalität wie jede andere. Die Probleme
liegen in der Bestimmung des Schutzbereichs der durch den Unfallverursacher verletzten
Pflichten. Wird ein verkehrsgerechtes, unfallvermeidendes Verhalten geboten, um (auch)
Schockschäden zu vermeiden?
Die Frage wird von der Rechtsprechung nicht verneint. Allerdings wird der geschützte
Personenkreis auf solche Personen eingegrenzt, die mit dem Unfallopfer in besonderer Weise
verbunden sind.
Die Leitentscheidung zu den Schockschadenfällen ist die folgende:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 11.05.1971, Az: VI ZR 78/70
Leitsatz
1. Die seelische Erschütterung ("Schockschaden") durch die Nachricht vom
tödlichen Unfall eines Angehörigen begründet einen Schadensersatzanspruch gegen den
Verursacher des Unfalls nicht schon dann, wenn sie zwar medizinisch erfaßbare
Auswirkungen hat, diese aber nicht über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt
sind. Der Schutzzweck des BGB
§ 823 Abs 1 deckt nur Gesundheitsbeschädigungen, die
nach Art und Schwere diesen Rahmen überschreiten.
Bei einer durch den Unfall eines Angehörigen seelisch vermittelten
Gesundheitsschädigung ist, wenn den unmittelbar Verletzten ein Mitverschulden trifft,
BGB
§ 846 auch nicht entsprechend anwendbar (Abweichung von RGZ 157, 11); es kommt aber
nach
BGB §§ 254,
242 eine Anrechnung des fremden Mitverschuldens in Betracht, weil
die psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an
den unmittelbar Verletzten beruht.
Fundstelle
BGHZ 56, 163 (LT1)
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin wurde am 6. März 1965 im Alter von 64 Jahren durch den
Personenkraftwagen des Beklagten tödlich verletzt.
Mit der Klage verlangt die damals 50 Jahre alte Klägerin Ersatz für
Gesundheitsschäden, die sie selbst gelegentlich des Unfalltodes des Ehemannes erlitten
haben will.
Das Landgericht hat der Klage voll, das Oberlandesgericht hat ihr teilweise
stattgegeben.
Die zugelassene Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an
das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
A. I. II. III. 1 ... 2 (a) ...
b) Das Berufungsurteil ist schon insoweit nicht haltbar, als es überhaupt eine durch
die Unfallnachricht ausgelöste echte Gesundheitsstörung (vgl BGH Urteil vom 9. November
1965 - VI ZR 260/63 = VersR 1966, 283, 285ff; OLG Freiburg JZ 1953, 709, 705) bei der
Klägerin bejaht.
Das geltende Recht versagt bewußt - von hier nicht einschlägigen Sonderfällen
abgesehen - einen Anspruch für Schäden durch zugefügten seelischen Schmerz, sofern
dieser nicht wiederum eine Auswirkung der Verletzung des (eigenen) Körpers oder der
(eigenen) Gesundheit ist. Mit dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist es zwar vereinbar,
daß ein selbständiger Schadensersatzanspruch demjenigen zusteht, bei dem eine
ungewöhnliche, "traumatische" Auswirkung des Unfallerlebens oder der
Unfallnachricht sich in einer echten körperlichen oder geistig/seelischen
Gesundheitsschädigung verwirklicht. Auch der Umstand, daß diese ungewöhnliche
Erlebnisreaktion im Einzelfall nur auf der Grundlage einer vorgegebenen organischen oder
seelischen Labilität möglich gewesen sein mag, dem Unfallerleben also nur eine
auslösende Wirkung zukam, steht - unbeschadet der von der Rechtsprechung für die
Sonderfälle der Zweckneurosen und der überholenden Ursächlichkeit entwickelten
Grundsätze - der Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs nicht entgegen. Der
entgegengesetzten Anregung von Stoll, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, 1964,
S 20, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich auch eine ungewöhnliche Reaktion
aufgrund einer vorhandenen Schadensbereitschaft regelmäßig nicht nur der Einflußnahme
des Schädigers, sondern auch derjenigen des Geschädigten entzieht.
Andererseits gilt es zu beachten, daß nach allgemeiner Erkenntnis und Erfahrung ein
starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz, Trauer und Schrecken hervorruft,
regelmäßig physiologische Abläufe und seelische Funktionen in oft sehr empfindlicher
Weise stört. Schon solche Störungen als Gesundheitsbeschädigungen im Sinne der
Vorschrift des
§ 823 Abs 1 BGB anzuerkennen, wäre mit der verbindlichen
Entscheidung des Gesetzes nicht vereinbar (Stoll aaO S 19ff). Vielmehr ist jedenfalls bei
den Fällen, in denen die psychisch vermittelte gesundheitliche Beeinträchtigung vom
Täter nicht gewollt war, unabhängig von der herkömmlichen Adäquanzformel eine
Beschränkung auf solche Schäden erforderlich, die nicht nur in medizinischer Sicht,
sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der
Gesundheit betrachtet werden (Stoll aaO S 21; vgl die zahlreichen Hinweise auf die
uneinheitliche Praxis der Instanzgerichte bei Bick, Haftung für psychisch verursachte
Körperverletzungen, Diss Freiburg 1970 S 7ff). Deshalb müssen unter Umständen auch
Beeinträchtigungen ersatzlos bleiben, die zwar medizinisch erfaßbar sind, aber nicht den
Charakter eines solchen "schockartigen" Eingriffs in die Gesundheit tragen; so
können die oft nicht leichten Nachteile für das gesundheitliche Allgemeinbefinden, die
erfahrungsgemäß mit einem tief empfundenen Trauerfall verbunden sind, regelmäßig keine
selbständige Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.
c) Der Prüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil nicht stand. Das
Berufungsgericht legt Gewicht auf die Feststellung des Gutachters, es "sei
verständlich, daß die Klägerin durch die Nachricht vom Tode ihres Ehemannes zunächst
einen schweren seelischen Schock erlitten habe". Die Folgerungen, die es für seine
Entscheidung daraus ziehen will, sind jedoch in der bisherigen Form nicht haltbar. Der
Gutachter war im Beweisbeschluß befragt worden, ob die Klägerin "einen schweren
seelischen Schock mit Wesensänderungen in Form von Depressionen, übermäßiger
Erregbarkeit, Schlaflosigkeit, Weinanfällen und Zittern bei geringster Aufregung"
erlitten habe. Das Berufungsgericht war bei der Formulierung dieser Beweisfrage offenbar
der schriftlichen Äußerung des Hausarztes, Dr C., gefolgt, deren sachlichen Gehalt auch
der Gutachter kritisch gegenübersteht. Der Sachverständige hat daraufhin jedoch ledigich
in allgemeiner Form den Eintritt eines "schweren seelischen Schocks" bestätigt,
wobei seine unmittelbar anschließenden Ausführungen sogar Zweifel erwecken, ob er damit
einen medizinischen Befund bestätigen wollte. Von den weiter gefragten
Begleiterscheinungen hat er keine bejaht, sie vielmehr im Rahmen seiner eigenen
Beobachtungsmöglichkeit verneint. Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es
schon aus dieser Bekundung des Sachverständigen ohne Rückfrage eine
anspruchsbegründende Gesundheitsschädigung der Klägerin entnehmen will.
Mit einem "schweren seelischen Schock" bezeichnet die Umgangssprache eine
heftige reaktive Gemütsbewegung, die keinen Krankheitscharakter aufzuweisen braucht. Der
ärztlichen Terminologie ist der Begriff des Schocks als psychopathologischer Zustand
fremd. Der pathologische Begriff des "Schocks" bezeichnet - wenn man vom
Sonderfall der "Schocktherapie" absieht - lediglich eine akute Kreislaufstörung
(vgl hierzu Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch 185. - 250. Aufl 1969 Stichwort
"Schock"), die mitunter auch durch ein Unfallerlebnis (weniger durch eine bloße
Unfallnachricht) ausgelöst werden kann. Dieser Prozeß ist seiner Natur nach
vorübergehend, kann aber zu bleibenden organischen Schäden führen. Daß der Gutachter
dergleichen bekunden wollte, ist nicht ersichtlich.
Daneben kann ein Unfallereignis (und weniger häufig wohl auch eine Unfallnachricht)
auch zu psycho-pathologischen Auswirkungen führen, die in der Medizin als Neurose (nicht
notwendig eine nicht entschädigungspflichtige Zweckneurose) oder in schweren Fällen auch
als "Psychose" eingeordnet werden (Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie 11. Aufl
1969 S 513ff; vgl dazu auch Bick aaO S 9f). Daß der Sachverständige ein solches
Krankheitsbild feststellen will (insbesondere nicht nur nicht ausschließt, was für den
der Klägerin obliegenden Beweis nicht genügen würde), läßt sein Gutachten bisher
gleichfalls nicht erkennen.
B.
I. Sollte das Berufungsgericht aufgrund erneuter Prüfung wiederum zur Bejahung eines
Anspruchs kommen, dann wird es anders als bisher auch ein Mitverschulden des getöteten
Ehemannes nicht außer Betracht lassen dürfen.
1. Dem Berufungsgericht ist zwar beizutreten, soweit es eine entsprechende Anwendung
der Vorschrift des
§ 846 BGB auf Fälle der vorliegenden Art ablehnt. Es setzt sich
damit bewußt in Widerspruch zu der Ansicht des Reichsgerichts (RGZ 157, 11; RG DR 1940,
163), der sich ein Teil des Schrifttums angeschlossen hat (Staudinger/Schäfer, BGB
10./11. Aufl, § 846 Rdz 8; BGB-RGRK, 11. Aufl, § 846 Anm 2; Erman/Drees, BGB
4. Aufl, § 846 Anm 2; Palandt/Thomas, BGB 29. Aufl, § 846 Anm 2; Geigel,
Haftpflichtprozeß 14. Aufl, S 194 RdZ 69; von Hippel, NJW 1965, 1890, 1893; von
Caemmerer, Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht 1956 S 15). Der Auffassung
des Reichsgerichts kann jedoch in dieser Form nicht gefolgt werden. Das Reichsgericht geht
zwar richtig davon aus, daß der Gesetzgeber grundsätzlich nur dem durch die unerlaubte
Handlung unmittelbar Verletzten einen Schadensersatzanspruch gewähren und von dieser
Regel lediglich zugunsten der Hinterbliebenen bzw Dienstberechtigten die in §§ 844,
845 BGB angeordneten Ausnahmen machen wollte. Soweit es aber die entsprechende Anwendung
des
§ 846 BGB damit begründet, daß mit der Bejahung eines Anspruchs des Dritten,
der eine durch die Verletzung oder Tötung eines anderen herbeigeführte
Gesundheitsbeschädigung erlitten habe, die Haftung des unerlaubt Handelnden auf eine
andere Art von "mittelbarer Schädigung eines Dritten" ausgedehnt worden sei,
kann ihm nicht beigetreten werden. Diese Fälle unterscheiden sich von denen der
§§ 844, 845 BGB wesentlich dadurch, daß hier auch der geschädigte Dritte in einem
der Rechtsgüter des
§ 823 Abs 1 BGB betroffen und deshalb unmittelbar Geschädigter
mit einem eigenen Anspruch aus
§ 823 Abs 1 BGB ist. Die Ansprüche der mittelbar
Geschädigten aus
§§ 844, 845 BGB setzen eine schaden- und haftungsbegründende
Einwirkung auf den unmittelbar Verletzten voraus (BGH, Urteil vom 13. Juni 1961 - VI ZR
224/60 - VersR 1961, 846, 847). Deshalb ist in
§ 846 BGB angeordnet, daß ein
Verschulden des Verletzten, das bei der Entstehung des Schadens des Dritten mitgewirkt
hat, auf die Ansprüche aus
§§ 844, 845 BGB anzurechnen ist. Diese im Rahmen der
§§ 844, 845 BGB sinnvolle Regelung paßt aber nicht auf den selbständigen Anspruch
des Dritten aus
§ 823 Abs 1 BGB. Daß der unmittelbare Schaden des Dritten durch die
Verletzung einer anderen Person vermittelt worden ist, ist für den Anspruch aus
§ 823 Abs 1 BGB unerheblich. Der Schadensersatzanspruch des Dritten ist vielmehr im
Regelfall unabhängig davon, ob der unmittelbar Verletzte oder Getötete selbst einen
Ersatzanspruch hat oder gehabt hätte (OLG München, NJW 1959, 819d; Deubner, NJW 1957,
1269f; Esser, Schuldrecht Bd II 3. Aufl S 451; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 10. Aufl RdZ
95; Weimar, MDR 1964, 987, 988 und MDR 1970, 565, 566; Müller, Straßenverkehrsrecht 22.
Aufl, § 10 StVG RdZ 13; Selb, Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Instituts
für ausl und internat Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg 1967, S
259, 267f; Deutsch JuS 1969, 197, 200).
2. Gleichwohl ist wenigstens für Fälle der vorliegenden Art im Ergebnis der
Auffassung des Reichsgerichts beizutreten, daß das Mitverschulden des getöteten
Ehemannes bei der Bemessung des eigenen Anspruchs der durch mittelbare Verursachung
geschädigten Ehefrau nicht außer Betracht bleiben darf. Dies ergibt sich aus einer
entsprechenden Anwendung der Vorschrift des
§ 254 BGB, in der sich der allgemeinere
Rechtsgedanke des
§ 242 BGB ausprägt (BGHZ 34, 355).
a) Hinsichtlich des nach Billigkeit zu bemessenden Schmerzensgeldanspruchs (§ 847
BGB) ist dies nicht zweifelhaft. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt
v 16. November 1961 - III ZR 189/60 - VersR 1962, 93) anerkannt, daß beim
Schmerzensgeldanspruch - im Gegensatz zu den für den Vermögensschaden geltenden
Grundsätzen - die in der besonderen körperlichen und seelischen Verfassung des
Verletzten liegende Schadensbereitschaft anspruchsmindernd in Betracht gezogen werden
kann. Beim Schmerzensgeld bildet auch das eigene Mitverschulden des Geschädigten, das
hier nicht in Frage steht, nur einen Bemessungsfaktor für die nach den Umständen billige
Entschädigung (vgl BGHZ 18, 149, 157). Für andere Verursachungsbeiträge, die aus dem
dem Geschädigten zugeordneten Bereich, hier aus einem Angehörigenverhältnis zu dem
Verletzten oder Getöteten, hervorgehen, kann nichts anderes gelten.
b) Für die hier gegebene Fallgruppe der Gesundheitsschädigung durch sog Fernwirkung
ist aber auch hinsichtlich des Vermögensschadens die Meinung des Reichsgerichts im
Ergebnis zutreffend, daß sich ein Mitverschulden des unmittelbaren Unfallopfers zu Lasten
des durch mittelbare Verursachung an seiner Gesundheit geschädigten Angehörigen
auswirken müsse. Denn hier wird die Ursachenverbindung zwischen dem bei der Klägerin
(angeblich) eingetretenen Gesundheitsschaden und dem Unfalltod ihres Ehemannes nur dadurch
vermittelt, daß sich die Schockgeschädigte infolge ihrer engen persönlichen Bindung zu
dem unmittelbaren Unfallopfer das diesem zugestoßene Unglück zu eigen macht. Daß die
bloße Nachricht vom Unfalltod einer anderen, der Klägerin nicht nahestehenden Person
eine gleiche Wirkung getan haben würde, ist kaum denkbar, wäre jedenfalls so
ungewöhnlich, daß man die Voraussehbarkeit einer Gesundheitsbeschädigung verneinen
müßte und überdies dem Beklagten diese Schadensfolge billigerweise nicht mehr zurechnen
könnte.
Wenn aber die enge persönliche Beziehung so der ausschlaggebende Grund für den
Eintritt des Gesundheitsschadens der Klägerin war, dann kann ihr Schadensersatzanspruch
von einem eigenen Verschulden des Ehemannes an dem ihm zugestoßenen Unfall im Verhältnis
zum Beklagten billigerweise nicht unberührt bleiben. Der Grundgedanke des
§ 254
BGB, der es verbietet, Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als eine zusätzliche,
für den Erfolgseintritt wesentliche Schadensursache aus dem eigenen Verantwortungsbereich
hervorgegangen ist, muß vielmehr entsprechende Anwendung finden.
In diesem Zusammenhang ist ferner in Betracht zu ziehen, daß die Klägerin einen durch
den Tod ihres Ehemannes vermittelten eigenen Gesundheitsschaden im Zweifel dann ersatzlos
hätte hinnehmen müssen, wenn der Tod allein auf dessen mangelnder Sorgfalt gegenüber
seinem eigenen Wohl beruht hätte. Es kann nämlich - abgesehen von besonders gelagerten
Fällen, wie etwa dem einer bewußt schockierend gestalteten Selbsttötung - zwar eine
sittliche, nicht aber eine Rechtspflicht anerkannt werden, das eigene Leben und die eigene
Gesundheit deshalb zu schonen, weil sonst eine seelische Fehlverarbeitung des Todes oder
Unfalls durch Angehörige gewärtigt werden muß; durch die Anerkennung einer solchen
Rechtspflicht würde die persönliche Selbstbestimmung in einer der Rechtsordnung fremden
Weise eingeschränkt.
Daraus ergibt sich zugleich, daß die vom Berufungsgericht und von einem Teil des
Schrifttums vertretene Auffassung, das Mitverschulden des Erstgeschädigten sei nicht zu
berücksichtigen, in den Fällen des durch Fernwirkung eingetretenen Schockschadens zu
unhaltbaren Ergebnissen führt. Denn nach dem Ausgeführten ist die vom Reichsgericht (RGZ
157, 11, 14) und im Schrifttum geäußerte Meinung, der Schädiger könne gegen die Erben
des Erstgeschädigten einen Ausgleichsanspruch nach §§ 840, 426, 254 BGB erheben,
nicht richtig, da der Erstgeschädigte dem Schockgeschädigten nicht als Gesamtschuldner
ersatzpflichtig geworden ist. Infolgedessen müßte vom Standpunkt der hier abgelehnten
Auffassung aus der Schädiger vollen Ersatz des Erwerbsschadens der schockgeschädigten
Ehefrau des Unfallopfers auch dann leisten, wenn dieses den eigenen Tod so weitgehend
selbst verschuldet hat, daß in seinem Verhältnis zum Schädiger dieser nach § 254
BGB ganz freigestellt sein würde. Ein solches Ergebnis ist nicht annehmbar.
Nun trifft zwar grundsätzlich den in Anspruch genommenen Schädiger das Risiko, ob
andere mithaften und gegebenenfalls mit Erfolg auf Ausgleich in Anspruch genommen werden
können. Dies gilt aber nicht ausnahmslos. So hat die Rechtsprechung einen Schutz des
Zweitschädigers für geboten erachtet, wo der Geschädigte einem Erstschädiger aufgrund
persönlicher Beziehung eine Haftung von vornherein erlassen hatte (BGHZ 12, 213). Im
vorliegenden Fall ist allerdings nicht durch willkürliches Verhalten des Gläubigers die
Mithaftung eines Dritten von vornherein ausgeschlossen oder durch Erlaß beseitigt worden.
Vielmehr war die unfreiwillige Einwirkung des Unfallopfers auf die Gesundheit der
Schockgeschädigten schon an sich derart, daß sie die Entstehung eines Ersatzanspruchs im
Verhältnis dieser Personen zueinander ausschloß. Diese besonders geartete
Schadenswirkung war aber wiederum nur durch die besonders enge persönliche Bindung
zwischen der Klägerin und dem Unfallopfer vermittelt worden, vermöge deren die Klägerin
das fremde Unglück auch als eigenes, die Tötung des Mannes als schweren eigenen Verlust
empfand. Bei dieser Gestaltung geht es zwar nicht an, das Unfallopfer bzw seine Erben im
Rahmen des Ausgleichs mit einer Haftung zu belasten. Wohl aber erfordert es die
Billigkeit, daß der Verursachungsbeitrag des vom Unfall unmittelbar Betroffenen nicht dem
fremdem Schädiger, sondern dem Angehörigen zugerechnet wird, dessen gesundheitliche
Reaktion entscheidend auf einer durch persönliche Beziehung hergestellten Teilnahme am
Schicksal des Unfallopfers beruht. Ähnliche Billigkeitserwägungen haben den Gesetzgeber
zu der Regelung des § 846 BGB geführt, wenn diese auch, wie bereits dargelegt,
einen anderen Fall betrifft. Die Protokolle (II 2 S 638ff) führen hierzu aus, die
Anschauung, daß der Ersatzanspruch eines Dritten gegen den Verletzenden ein vollkommen
selbständiger sei, beruhe auf theoretischen Erwägungen und enthalte eine Übertreibung
der logischen Konsequenzen; ihre strenge Anwendung führe zu Ergebnissen, die der
Gerechtigkeit und Billigkeit zuwiderlaufen; der Anspruch der Hinterbliebenen eines
Getöteten habe seinen Grund in der Tötung; es liege in der Natur der Sache, daß die
Hinterbliebenen mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zu dem Verletzten auch die Folgen aus
dessen fahrlässigem Verhalten, insofern dieses den tödlichen Ausgang herbeigeführt oder
beschleunigt habe, auf sich nehmen müßten.
Nach alledem ist das, was gegen das Ergebnis der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu
dieser Frage vorgebracht wird, nicht überzeugend genug, um den durch die Rechtsprechung
entwickelten Anspruch auf Ersatz der schon nach ihrem Zustandekommen besonders gearteten
Schockschäden in der vom Berufungsgericht angestrebten Richtung zu erweitern. Es bleibt
noch zu bemerken, daß - entgegen einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung das
Reichsgericht sich vollkommen klar darüber war und blieb (vgl RGZ 162, 321), daß es sich
bei dem Schockschaden um die unmittelbare Verletzung eines durch
§ 823 Abs 1 BGB
geschützten Rechtsguts und nicht - wie in den Fällen der
§§ 844, 845 BGB - um den
Ersatz nur mittelbaren Schadens handelt.
c) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß zu der Prüfung, wie zu entscheiden wäre,
wenn und soweit die persönliche Bindung als Ursache der psychisch vermittelten
Schädigung hinweggedacht werden kann, und inwieweit gegebenenfalls überhaupt auch
Fehlreaktionen dritter, mit dem Unfallopfer nicht verwandtschaftlich oder sonst eng
verbundener Personen im Verhältnis zum Schädiger als zurechenbare Schadenswirkung
anerkannt werden könnten.
Auf eine mehrfach psychisch vermittelte Kausalität treffen wir in der folgenden
Entscheidung:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 05.02.1985, Az: VI ZR 198/83
Leitsatz
1. Der Schädiger haftet grundsätzlich auch dann dem später mit einem
Gesundheitsschaden zur Welt gekommenen Kind aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz,
wenn die Verletzung der Leibesfrucht durch einen Angriff auf die Psyche der Schwangeren
vermittelt wird (Weiterentwicklung BGH, 1972-01-11, VI ZR 46/71, BGHZ 58, 48).
2. Ein Haftungszusammenhang zwischen einem Verkehrsunfall mit tödlichen oder
lebensbedrohenden Verletzungen des Unfallopfers, dem Schock der Schwangeren bei der
Nachricht hiervon und der durch ihre psychische Beeinträchtigung vermittelten Schädigung
der Leibesfrucht besteht jedenfalls dann, wenn das Unfallopfer ein naher Angehöriger und
wenn die Schädigung der Leibesfrucht schwer und nachhaltig ist.
Fundstelle
BGHZ 93, 351-358 (LT1-2)
NJW 1985, 1390-1392 (LT1-2)
JZ 1985, 538-540 (LT1-2)
Nicht immer gibt es Schmerzensgeld für den erlittenen Schock:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 13.01.1976, Az: VI ZR 58/74
Leitsatz
Voraussetzungen für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes wegen eines erlittenen
"Schockschadens".
Fundstelle
NJW 1976, 673-674 (ST1-2)
Tatbestand
Die damals 28 Jahre alte Ehefrau des Erstklägers und Mutter der Kläger zu 2-4
verstarb am 29. Mai 1970 an den Folgen eines vom Erstbeklagten verschuldeten
Verkehrsunfalles. Die Verunglückte befand sich auf der Rückfahrt aus der Gastwirtschaft
J. in S., deren Inhaberin die Ehefrau des Erstbeklagten war. Sie half dort - meist zum
Wochenende und an Feiertagen, so auch am 28. Mai 1970, dem Fronleichnamstag - als
Bedienung aus. In der Regel brachte der Erstkläger seine Frau zur etwa 40 km entfernt
liegenden Gaststätte und holte sie dort auch wieder ab. Gelegentlich fuhr sie auch der
Erstbeklagte heim. Die Ehefrau des Erstbeklagten war Halterin des verunglückten
Fahrzeugs, das bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war.
Der Erstbeklagte, der im Zeitpunkt der Unglücksfahrt keine Fahrerlaubnis besaß, wurde
dieserhalb und wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht ist der Meinung, der Erstkläger könne ein Schmerzensgeld
(§ 847 BGB) verlangen, weil er einen Schockschaden mit körperlichen Folgen erlitten
habe. Er sei kurz nach dem Unfall an die Unfallstelle gekommen und habe dort von den
schweren Verletzungen seiner Frau erfahren. Schon der Anblick der nächtlichen
Unfallstelle möge für ihn eine besondere Wirkung gehabt haben. Zu Hause "müsse ihm
dann beim Anblick seiner damals 1, 2 und 5 Jahre alten Kinder das ganze Ausmaß der über
die Familie hereingebrochenen Katastrophe klargeworden" sein. Nach seinen Aussagen
und seinem persönlichen Eindruck (der während der Vernehmung einen Weinkrampf erlitten
hatte) sehe der Senat es als erwiesen an, daß der Kläger "in glücklicher Ehe
gelebt" habe; darum müsse sich der Verlust seiner Frau auch physisch-psychisch
ausgewirkt haben. Er sei nach der von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigung eine Woche
arbeitsunfähig krank gewesen und habe wenigstens einen Monat lang bei Benutzung eines
Kraftfahrzeuges Übelkeitsanfälle gehabt; noch heute leide er unter Weinkrämpfen. Zwar
gehe der Senat davon aus, daß sich diese Art der Erkrankung mit dem zeitlichen Abstand
gebessert habe und weiter bessern werde. Indessen habe der Kläger einen
Gesundheitsschaden davongetragen, der sich auch bei Ausübung seines Berufes als
Kraftfahrer bemerkbar gemacht habe. Unter Abwägung aller Umstände sei darum ein
Schmerzensgeld von 2.000 DM angemessen.
2. Auch hiergegen richtet sich die Revision mit Erfolg.
Zwar kann auch ein seelischer Schmerz, bei dem eine ungewöhnliche, traumatische
Auswirkung der Nachricht vom tödlichen Unfall eines Angehörigen, sich in einer echten
körperlichen oder geistig/seelischen Gesundheitsbeschädigung verwirklicht, einen
selbständigen Schadensersatzanspruch begründen. Dies kann jedoch dann nicht angenommen
werden, wenn die seelische Erschütterung, oft, aber selten richtig,
"Schockschaden" genannt, zwar medizinisch erfaßbare Auswirkungen hat, diese
aber nicht über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen nahe
Angehörige bei Todesnachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Der Schutzzweck des
§ 823 Abs 1 BGB deckt nur Gesundheitsbeschädigungen, die nach Art und Schwere
diesen Rahmen überschreiten (BGHZ 56, 163).
Das Berufungsurteil ist nicht haltbar, wenn es seine Feststellungen dahin würdigt,
daß hier schon eine derartige durch die Unfallnachricht ausgelöste echte
Gesundheitsstörung bei dem Erstkläger vorgelegen habe. Eine 8-tägige
Arbeitsunfähigkeit und Weinkrämpfe bei Erörterung der mit dem Unfall zusammenhängenden
Fragen, die ganz allgemein geeignet sind, die Erinnerung an das seelisch erschütternde
Ereignis wieder zu wecken, sind die natürliche Folge des Todes eines nahen Angehörigen.
Wie der Senat bereits in dem angeführten Urteil ausgeführt hat, stört nach allgemeiner
Erkenntnis und Erfahrung ein starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz,
Trauer und Schrecken hervorruft, regelmäßig seelische Funktionen und auch physiologische
Abläufe in oft sehr empfindlicher Weise. Darin liegt jedoch noch kein Gesundheitsschaden
in dem angegebenen Sinne. Nur soweit dieser einen "schockartigen" Eingriff in
medizinischem Sinne darstellt - was hier von keinem ärztlichen Sachverständigen
festgestellt ist - kann er die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.
Beeinträchtigungen im seelischen Wohlbefinden sind dagegen nicht ersatzfähig, selbst
wenn der Betroffene diese zum Anlaß nimmt, sie mit Medikamenten zu mildern und
auszugleichen.
3. Damit kann das angefochtene Urteil auch keinen Bestand haben, soweit es dem Kläger
ein Schmerzensgeld zubilligt. Die Sache bedurfte insoweit keiner Zurückverweisung.
Vielmehr war der Senat in der Lage, selbst zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat nicht
dargetan, inwiefern der Kläger hier einen Gesundheitsschaden in diesem streng zu
nehmenden Sinne erlitten hat. Selbst wenn man seine Vernehmung vor dem Berufungsgericht
zugrundelegt: "Er sei damals wochenlang nervlich fertig gewesen; ihm sei beim
Autofahren schlecht geworden und er habe noch wochenlang Angst gehabt, ein Auto zu
steuern; nachts habe er Weinkrämpfe gehabt; er habe seine Arbeitsstelle unmittelbar nach
dem Unfall gekündigt und erst fast 4 Monate später wieder Arbeit als Reisender
aufgenommen, wobei er wieder Auto fahren mußte, aber dann sei es nicht mehr so schlimm
gewesen"; so reicht dies nicht aus, die Voraussetzungen eines Schockschadens im
dargelegten Sinne zu bejahen, zumal der Kläger unstreitig keinen weiteren Arzt aufgesucht
hat.
Ein Kuriosum enthält die in der juris-Datenbank nur mit Orientierungsssatz
wiedergegebene Entscheidung des AG Recklinghausen:
Gericht: AG Recklinghausen
Datum: 1989-02-28
Az: 15 C 754/88
Orientierungssatz
Dem Hundehalter, der miterleben muß, wie sein eigener angeleinter Hund von einem
anderen frei laufenden Hund gebissen und schwer verletzt wird, steht kein
Schmerzensgeldanspruch aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten Schockschadens zu, da es
sich bei dem Hund um eine Sache handelt, deren Beschädigung grundsätzlich nicht zu einem
Schmerzensgeldanspruch des Eigentümers führen kann.
Fundstelle
ZfSch 1989, 191 (ST)
In dieser Form verfehlt die Entscheidung den maßgeblichen Gesichtspunkt. Der liegt
nicht darin, ob nicht die Verletzung eines Tieres in gleicher Weise Schockschäden
auszulösen vermag wie die Verletzung eines Menschen, und auch nicht darin, dass
es für
die Verletzung von Sachen kein Schmerzensgeld geben könne. Haben wir es mit einem Schock
von pathologischem Charakter zu tun, ist nicht eine Sachbeschädigung, sondern eine
Gesundheitsbeeinträchtigung zu beklagen. Und die kann sehr wohl zu einem
Schmerzensgeldanspruch führen (§ 847 BGB). Fraglich ist allein, ob ein über die
Verletzung eines Tieres ausgelöster Schock im Schutzbereich der Pflichten liegt, die der Verletzer hätte einhalten sollen.
Verfolgerverletzungen
Im Hinblick auf die Schutzbereichsproblematik von einiger Delikatesse sind die sog.
Verfolgerverletzungen, die jemand erleidet, weil er in Ausübung seiner beruflichen
Pflichten einen Schwarzfahrer oder einen Dieb verfolgt und dabei ohne Einwirkung des
Flüchtenden zu Schaden kommt. Die Rechtsprechung arbeitet auch hier mit der psychisch
vermittelten Kausalität, will die Verfolgerschäden aber nur dann auf den Flüchtenden
abwälzen, wenn der Verfolger sich zur Verfolgung herausgefordert fühlen durfte und der
Einsatz des Verfolgers nicht außer Verhältnis zum angestrebten Verfolgungserfolg steht.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 13.07.1971, Az: VI ZR 125/70
Leitsatz
Wer sich als Benutzer der Bahn ohne Fahrtausweis der berechtigten Feststellung seiner
Personalien durch Flucht zu entziehen sucht, hat bei erkannter Verfolgung grundsätzlich
für die Körperschäden des Verfolgenden einzustehen, soweit sie sich als Verwirklichung
eines gesteigerten Verfolgungsrisikos darstellen.
Fundstelle
BGHZ 57, 25-33 (LT1)
NJW 1971, 1980 (LT1)
Tatbestand
Am 24. Juni 1967 traf der Kläger, der als Betriebsoberaufseher der Deutschen
Bundesbahn in H. auf der Strecke Hauptbahnhof-A. Fahrkartenkontrollen durchführte, den
damals 23jährigen Beklagten auf dem Bahnhof S. ohne Fahrtausweis an. Er versuchte,
den Beklagten zur Zahlung des erhöhten Fahrgeldes von 20,-- DM oder zur Vorlage seines
Ausweises zu veranlassen, um die Personalien festzustellen. Der Beklagte erfriff jedoch
schließlich die Flucht und lief an der Sperre vorbei die Treppe zum Bahnhofsausgang
hinunter. Der Kläger verfolgte ihn und suchte ihn noch auf der Treppe zu ergreifen. Am
Fuß der Treppe stürzte der Kläger. Er erlitt einen komplizierten Schenkelhalsbruch am
linken Bein.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Ersatz des ihm entstandenen Schadens, soweit er
nicht von dritter Seite getragen wird.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage zu zwei Dritteln stattgegeben. Die
zugelassene Revision des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht bejaht in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach
§ 823 Abs 1 BGB die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger zwei Drittel des Schadens zu
ersetzen, den er infolge des Sturzes auf der Treppe des Bahnhofs erlitten hat. Die
hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Zu dem im einzelnen streitigen Unfallhergang hält das Berufungsgericht zwar einen
auf den Sturz des Klägers gerichteten Zugriff seitens der Beklagten nicht für erwiesen.
Das gilt insbesondere von dem Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe ihn mittels eines
Polizeigriffs gepackt, über sich hinweg auf die Treppenstufen oder die Fliesen am Fuß
der Treppe geworfen und dort durch Schüttelbewegungen gegen die Stufen geschleudert. Das
Berufungsgericht stellt aber jedenfalls fest, daß der Beklagte infolge seiner nicht mehr
beherrschten Geschwindigkeit auf der Treppe gefallen und der Kläger sodann über ihn
hinweggestürzt ist, wobei er sich den Schenkelhalsbruch zugezogen hat.
2. Damit hat der Beklagte die Körperverletzung des Klägers im Sinne des
Bedingungszusammenhangs verursacht.
Das Berufungsgericht führt weiterhin aus, dieser Ursachenzusammenhang zwischen dem
Verhalten des Beklagten und der Körperverletzung des Klägers sei auch adäquat.
Es mag dahinstehen, ob der Adäquanz nur im Bereich der haftungsausfüllenden
Ursächlichkeit ein Platz zukommt, wie man zunehmend unter Hinweis auf die
haftungsbeschränkende Funktion dieses Zurechnungsgrundes meint, die bei der
Haftungsbegründung bereits durch das Erfordernis schuldhaften Verhaltens erfüllt werde
(Esser, SchR I 4. Aufl § 44 II 1 S 300; Lorenz, JZ 1964, 179, 180; Deutsch, JZ 1967,
641; vgl Huber, JZ 1969, 677, 680 und Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im
Deliktsrecht, 1968 S 20; unterscheidend: Weitnauer, Festgabe für Karl Oftinger, 1969 S
321, 325/326), oder ob sie auch im Bereich der hier in Frage stehenden
haftungsbegründenden Ursächlichkeit rechtliche Bedeutung gewinnt, wovon das
Berufungsgericht ausgeht (E.-Lehmann, SchR 15. Aufl § 15 I S 63/64; Esser, SchR 2.
Aufl § 59, 10 S 229; Medicus, Bürgerliches Recht 3. Aufl § 25 I 1a, b, 2;
Brox, Besonderes Schuldrecht S 249 Nr 1b, Rn 438; Palandt/Thomas, 28. Aufl § 823, 5;
vgl auch BGHZ 41, 123, 125; Adäquanz im Bereich der Haftungsbegründung; vgl ebenfalls
BGH Urt v 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = LM BGB § 823 (C) Nr 32 = NJW 1964, 1363;
Urt v 3. Februar 1967 - VI ZR 115/65 = LM BGB § 823 (C) Nr 36 = VersR 1967, 580 = JZ
1967, 639 m Anm Deutsch). Denn wenn man die Adäquanz auch in diesem Bereich für
erforderlich hält, bestehen - vorbehaltlich der Erwägungen zu 3 - gegen ihre Bejahung
hier aus den insoweit zutreffenden Gründen des Berufungsgerichts keine ernsthaften
Bedenken. Auch die Revision räumt einen adäquaten Zusammenhang zwischen der Flucht des
Beklagten und seinem Sturz ein. Entgegen ihrer Meinung ist aber auch der fernere Verlauf,
nämlich der Sturz des Klägers über den Beklagten und die hierbei erlittene
Körperverletzung, nicht besonders eigenartig, unwahrscheinlich und nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge außer Betracht zu lassen. Im Gegenteil lag ein solcher Sturz des
Verfolgenden durchaus nahe.
3. Der durch das Verhalten des Beklagten verursachte Verletzungserfolg
(Körperverletzung) ist auch im übrigen, ohne daß es auf die Erwägungen zu 2 ankommt,
dem Beklagten im Rechtssinne objektiv zuzurechnen.
a) Hierfür ist entscheidend, daß der Beklagte, für ihn erkennbar, durch sein
Weglaufen ohne Notwendigkeit in zurechenbarer Weise eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr
für den Kläger geschaffen hat, indem er die mit dem Gesetz in Einklang stehende
Verfolgung durch den Kläger herausforderte, obgleich er die nicht unerhebliche
Gefährdung voraussehen und vermeiden konnte (vgl von Caemmerer, DAR 1970, 283, 291 unter
Hinweis auf Nökel, Rechtsstellung des Nothelfers, Anglo-Amerikanisches im Vergleich zum
Deutschen Recht, Diss Freiburg 1968 S 96ff, 102ff; von Caemmerer, Festschrift DJT II 1960,
49, 74; Huber aaO S 679; vgl auch Stoll, Kausalzusammenhang aaO S 32). Der Kläger war zur
Verfolgung des Beklagten jedenfalls berechtigt. Ihm stand nicht nur das Recht aus
§ 127 StPO zu, sondern auch die Ausübung des Selbsthilferechts (§ 229 BGB),
das der Bahn zur Sicherung ihres Anspruchs gegen den Beklagten zukam. Demgegenüber
standen dem Beklagten für seine Flucht keine schutzwürdigen Belange zur Seite. Durch
sein Weglaufen suchte er sich nach einer strafbaren Handlung (§ 265a StGB) der
Feststellung seiner Personalien zu entziehen, obgleich er zu deren Offenlegung und damit
auch zum Verbleiben zu ihrer Feststellung bürgerlich-rechtlich schon auf Grund der
zwischen ihm und der Bahn bestehenden schuldrechtlichen Sonderverbindung sogar
verpflichtet war.
Daß der eigentliche Zurechnungsgrund die Schaffung des gekennzeichneten gesteigerten
Gefahrenzustandes ist, auf Grund dessen der Verfolgende eine Verletzung der in der
Rechtsordnung deliktisch geschützten Rechtsgüter oder Rechte erleidet, klingt bereits in
den Ausführungen des Urteils des erkennenden Senats vom 24. März 1964 (VI ZR 33/63 =
aaO) zur Begründung der objektiven Zurechnung an. In derartigen Gefahrenlagen, so ist
dort ausgeführt, wird das Eingreifen (dort) opferbereiter Dritter nahezu zwangsläufig
herausgefordert (vgl auch BGHZ 43, 178, 181). So ist diese Entscheidung auch verstanden
worden (von Caemmerer, DAR aaO S 291 unter Hinweis auf Nökel aaO; vgl auch Stoll aaO).
b) Daß der Kläger durch sein Dazutreten, nämlich durch seinen Entschluß zur
Verfolgung und dessen Ausführung, eine neue Gefahr gesetzt hat und damit ein
Schadensrisiko eingegangen ist, schließt die Zurechnung der verursachten
Rechtsgutverletzung nicht ohne weiteres aus.
Allerdings gibt es, wie allgemein anerkannt ist, Fälle, in denen der Ausschluß der
Zurechnung geboten ist, obgleich an sich ein Ursachenzusammenhang besteht und auch der
Schutzzweck der die Haftung begründenden Norm keinen Anhalt für eine Begrenzung hergibt
(vgl Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3 S 322; ders Festschrift f Honig, 1970, S 79,
83o). In diesem Zusammenhang werden ua eben die Fälle erörtert, in denen die
Schadensfolge auf einem selbständigen oder "freien" Entschluß des Verletzten
selbst (oder eines Dritten) beruht. Diese Gestaltung wird meist unter dem Gesichtspunkt
und der Bezeichnung "Unterbrechung" oder Abbruch des (adäquaten)
Ursachenzusammenhangs behandelt (vgl dazu: Larenz, SchR I aaO; Weitnauer, aaO S 345;
Esser, SchR I 4. Aufl § 44 III 2c S 305; Deutsch aaO; vgl auch Oftinger, Schweiz
Haftungsrecht Bd I 2. Aufl S 91ff). Ohne Rücksicht darauf, ob man diesem Gesichtspunkt
dem Bereich der Adäquität des Ursachenzusammenhang oder einem daneben stehenden
Zurechnungsbereich zuordnet (vgl Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3; Festschrift f
Honig S 322; Esser aaO), ändert sich nichts an seiner Erheblichkeit. So ist anerkannt,
daß sich diese Frage der Zurechnung, wenn sie auch meist nur im haftungsausfüllenden
Bereich von Belang wird, auch im Rahmen der haftungsbegründenden Zurechnung stellen kann
(Larenz, SchR I 10. Aufl § 27 III 3 N 1 S 324 unter Hinweis auf BGH Urt v 3. Februar
1967 - VI ZR 115/65 = aaO; vgl auch BGH Urt v 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO; Urt v 1.
Februar 1966 - VI ZR 196/64 = VersR 1966, 368).
Auch im Streitfall liegt es so. Die Verfolgung und damit die Körperverletzung des
Klägers beruht (auch) auf seinem eigenen selbständigen freien Willensentschluß. Bei
solcher Lage erscheint eine Zurechnung der Schadensfolge allerdings dann nicht
gerechtfertigt, wenn der Entschluß des Verletzten (Dritten), der eine neue Gefahr
schafft, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgefordert ist (vgl BGH Urt v
24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO), wenn das Verhalten des die erste Ursache Setzenden
lediglich den äußeren Anlaß und nur die Gelegenheit für den Verletzten (Dritten)
darstellt, sich zusätzlich einem unfallfremden Risiko auszusetzen (vgl BGH Urt v 12.
Februar 1963 - VI ZR 181/62 = LM BGB § 823 (C) Nr 28 = NJW 1963, 1671). Wird aber
der selbständige Entschluß des Verletzten (Dritten) durch den haftungsbegründenden
Vorgang herausgefordert, so ist in der Regel die Verantwortlichkeit nicht schon wegen des
Dazutretens des Verletzten (Dritten) ausgeschlossen (Larenz, SchR I aaO; Festschrift f
Honig S 79, 87). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verfolgende sich des Risikos
eigener Verletzung bewußt war oder nicht. So liegt der Fall hier.
c) Diese im Grundsatz anerkannte Unterscheidung und Einschränkung bezweckt
haftungsrechtlich, im Bereich psychisch vermittelter Kausalität bei Dazutreten eines
selbständigen Entschlusses des Verletzten oder eines Dritten nicht ohne weiteres für
sämtliche im Sinne des Bedingungszusammenhangs ursächliche Verletzungsfolgen -
vorbehaltlich des Verschuldens - schlechthin einstehen zu lassen. Bei dieser Fallgruppe
ist die objektive Zurechnung der verursachten Verletzung somit nicht selbstverständlich.
Vielmehr ist eine genauere Bestimmung der Voraussetzungen für die wertende Einschränkung
geboten. Das kommt bereits darin zum Ausdruck, daß ein herausgefordertes Dazutreten
(Eingreifen) zur Bejahung der Zurechnung vorausgesetzt wird. Diesem Erfordernis ist nicht
bereits genügt, wenn sich der Verletzte (Dritte) tatsächlich zum Eingreifen hat bewegen
lassen. Außer dieser psychischen Verursachung ist notwendig, daß sich der Eingreifende
zum Handeln herausgefordert fühlen durfte, und zwar überhaupt und gegebenenfalls in der
gewählten Art und Weise. Wann ein Eingreifen in diesem Sinne als herausgefordert zu
werten ist, hängt von den Umständen ab. So hat der erkennende Senat im Urteil vom 24.
März 1964 (VI ZR 33/63 = aaO) - dort bei Erörterung der Adäquanz - ausgeführt, daß
bei Gefahr für Leib und Leben das Eingreifen opferbereiter Dritter, und zwar nicht nur in
den Fällen rechtlicher und sittlicher Pflicht zur Rettung, nahezu zwangsläufig
herausgefordert werde. Für den Fall der Verfolgung eines nach Verkehrsunfall Flüchtigen
hat er dort weiter ausgeführt, es hänge von dem Verhältnis des von dem Flüchtenden
angerichteten und noch drohenden Schadens zu den Wagnissen der Verfolgung ab, ob gesagt
werden könne, jener habe mit dem Unfall und der Flucht objektiv auch das Risiko weiterer
Unfälle bei seiner Verfolgung gesetzt.
Das hat der erkennende Senat dort bejaht; es lag ebenso bei der im Urteil vom 3.
Februar 1967 (VI ZR 115/65 = aaO) beurteilten Sachlage vor (hierzu zustimmend: von
Caemmerer, DAR 1970, 283, 291 unter Hinweis auf Nökel aaO S 99).
Auch bei dieser Sicht ist im übrigen nicht ausgeschlossen, daß der Ersatzanspruch des
Eingreifenden durch ein mitwirkendes Verschulden auf seiner Seite gemindert wird, was das
Berufungsgericht hier auch bejaht hat (vgl dazu Deutsch aaO S 643 aE).
Der Senat brauchte nicht darüber zu befinden, ob die damit geforderte
Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko des Eingreifens für die
verschiedenen Fallgruppen - etwa für die Fälle der Rettung und die der Verfolgung -
einheitlich zu beurteilen ist oder nicht (vgl dazu Deutsch aaO S 643).
Bereits im Urteil vom 24. März 1964 (VI ZR 33/63 = aaO) klingt an, daß ein Eingreifen
Dritter bei einer Gefahr für Leib und Leben als "nahezu zwangsläufig
herausgefordert" anzusehen ist und damit Schäden des Retters weithin ohne
Einschränkung zu ersetzen sind, während die Antwort bei weniger bedrohlichen Situationen
von der Wertung der besonderen Umstände abhängt (vgl zu dieser Fallgruppe auch: Larenz,
SchR I 10. Aufl § 27 III 3 S 323). Denn diese Verhältnismäßigkeit unterliegt hier
nach der zutreffenden Wertung des Berufungsgerichts keinen durchgreifenden Bedenken. Das
allerdings hier gesteigerte Risiko der Verfolgung zu Fuß über die, wie der Beklagte
vorgetragen hat, steile und langgezogene Treppe stand nicht außer Verhältnis zu dem
Anliegen des Klägers, für die Bahn zur Sicherstellung ihres bürgerlich-rechtlichen
Anspruchs die Personalien des Beklagten festzustellen. Außerdem diente es einer wirksamen
Durchführung der Fahrkartenkontrolle und damit zugleich der Abschreckung vor
Schwarzfahrten (vgl zur Prävention: Deutsch, JZ 1971, 244). Welche schließliche
Auswirkung das Risiko hat, ist nicht entscheidend, denn es kommt auf die bei Übernahme
des Risikos erkennbare Gefahrenlage an.
d) Soweit eine Haftung des Verfolgten für die Verletzungs- und Schadensfolgen hiernach
gerechtfertigt ist, beschränkt sie sich auf die gesteigerten Risiken der Verfolgung.
Dagegen hat er, wie schon das Erfordernis des inneren Zusammenhangs mit dem Grund der
Haftung naheliegt, das normale Risiko des Eingreifenden jedenfalls bei der Gruppe der
Verfolgungsfälle nicht zu tragen (Deutsch aaO S 642; vgl auch Lüer, Die Begrenzung der
Haftung bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen, 1969, S 150 u). Legt man die
Feststellungen des Tatrichters zugrunde, so hat sich ein durch die Verfolgung deutlich
erhöhtes Risiko verwirklicht. Der Kläger mußte zur Verfolgung die steile und
langgezogene Treppe mit einer hohen Geschwindigkeit hinablaufen, um den Beklagten einholen
und seiner habhaft werden zu können.
4. Das Berufungsgericht hat schließlich im einzelnen zutreffend ausgeführt, daß der
Beklagte die Körperverletzung des Klägers fahrlässig verursacht hat.
Zunächst mußte der Beklagte bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
damit rechnen, daß der Kläger ihn weiterhin verfolgen werde. Es mußte für ihn
naheliegen, daß ein Kontrollbeamter entsprechend dem Sinn und Zweck der Überwachung und
seiner Aufgabe eine Person, die Fahrgeld hinterzogen und hierdurch eine strafbare Handlung
nach
§ 265a StGB begangen hat, verfolgt. Der Tatrichter stellt sogar fest, daß der
Beklagte die Aufnahme und Fortsetzung der Verfolgung durch den Kläger erkannt hat. Der
Kläger hatte den Beklagten bereits an der Sperre vor der Treppe erreicht, wo dieser sich
dem Zugriff entziehen konnte. Der Beklagte wußte den Kläger aber auch auf der Treppe
unmittelbar hinter sich mit dem Vorhaben, ihn zu ergreifen. Unter diesen Umständen
unterliegt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken, der
Beklagte habe ebenfalls voraussehen können, daß der Kläger bei der schnellen Verfolgung
über die Treppe körperliche Schäden davontragen könne. Die Verfolgung führte zu einer
erhöhten für den Beklagten erkennbaren Gefahr für den Kläger, als der Beklagte in
Kenntnis der Verfolgung die Flucht fortsetzte und die Treppe hinabstürmte, um sich der
Festnahme zu entziehen.
Auf den Einwand der Revision, der Beklagte habe vernünftigerweise nicht damit zu
rechnen brauchen, daß er selbst stürzen und der Kläger dann über ihn fallen und in
solchem Hergang verletzt werde, kommt es nicht an. Die Vorhersehbarkeit braucht sich nur
darauf zu erstrecken, daß der Kläger bei dem Hergang irgendwie körperlich zu Schaden
kommen könne, aber nicht darauf, daß er gerade in dem schließlich verwirklichten Ablauf
verletzt werde (von Caemmerer, Festschrift DJT 1960 II S 75 Nr 114 mwN; Stoll, AcP 162,
203, 234).
Im nächsten Fall ist das Opfer ein Polizist:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 29.10.1974, Az: VI ZR 168/73
Fundstelle
BGHZ 63, 189-196 (LT1)
NJW 1975, 168-169 (LT1)
JZ 1975, 374-377 (LT1)
Tatbestand
Am 16. September 1971 wollte der im Dienst des klagenden Landes stehende, damals
55jährige Polizeiobermeister T. seinen Auftrag, den damals 17jährigen Beklagten
festzunehmen, durchführen. Dieser sollte einen Jugendarrest verbüßen, weil er ohne
Fahrerlaubnis mit einem Moped gefahren war. T. erschien zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr
morgens in der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung der Eltern des Beklagten. Nachdem dieser
sich fertiggemacht hatte, suchte er mit Erlaubnis des Beamten die Toilette auf. Dort schob
er eine Waschmaschine vor die Türe und sprang aus dem Fenster in den Hof. Hierbei mußte
er eine 2 m tiefe und 1,50 m breite Ausschachtung überwinden, die sich unterhalb des
Fensters befand und zum Hofraum hin mit einem Zaun gesichert war. Als der Polizeibeamte,
der die Örtlichkeit nicht kannte, bemerkte, daß der Beklagte entweichen wollte, drückte
er die Toilettentüre auf und sprang dem Beklagten nach. Dabei zog er sich einen
Fersenbeinbruch zu. Der Beklagte, der sich im Hof hinter Sträuchern versteckt hatte,
wurde wenig später von dem zweiten Beamten, der im Fahrzeug geblieben war, und der
Besatzung eines Streifenwagens festgenommen.
Polizeiobermeister T. war bis zum 31. Januar 1972 dienstunfähig. Das klagende Land
wandte für ihn Arzt- und Behandlungskosten auf.
Mit der Klage fordert das klagende Land kraft Rechtsübergangs Ersatz in Höhe dieser
Aufwendungen und Erstattung der dem Beamten während seiner Dienstunfähigkeit gezahlten
Bezüge.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision
des klagenden Landes führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem klagenden Land ein nach § 99 BG
NRW übergegangener Schadensersatzanspruch des Polizeiobermeisters T. gegen den Beklagten
aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) nicht zu. Zwischen dessen Flucht und dem
Fersenbeinbruch des Beamten besteht nach Meinung des Berufungsgerichts kein die Haftung
begründender Ursachenzusammenhang, weil der Entschluß des T., den Beklagten zu
verfolgen, zum Abbruch des Kausalverlaufs geführt habe (das Berufungsurteil ist in NJW
1973, 1929 veröffentlicht).
I. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
1. Daß der Beklagte die Körperverletzung des T. im Sinne des Bedingungszusammenhanges
verursacht hat, zieht auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Seine Bedenken
gegenüber der Adäquanz - die es dahinstehen läßt, weil es dem Beklagten aus anderen
Gründen die Verletzung des T. nicht zurechnet - greifen nicht durch. Sofern man ihr im
Bereich der haftungsbegründenden Ursächlichkeit einen Platz zuweist (vgl Nachweise in
BGHZ 57, 25, 27; vgl aber auch BGHZ 58, 162, 163), bestehen keine durchgreifenden Bedenken
gegen ihre Bejahung. Die Flucht des Beklagten und der dadurch ausgelöste Entschluß des
T., ihn wie geschehen zu verfolgen, sowie der weitere Ablauf, nämlich der Sturz des T.
und die hierbei erlittene Verletzung, sind nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht so
besonders eigenartig und unwahrscheinlich, daß sie nach dem bisherigen und üblichen
Verständnis der Adäquanz als einer besonderen Form des Ursachenzusammenhangs schon
deshalb außer Betracht zu lassen wären.
2. Darüber hinaus prüft das Berufungsgericht zutreffend in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl insbesondere BGHZ 57, 25 und Urteil vom 13.
Juli 1971 - VI ZR 165/69 = LM BGB § 823 (C) Nr 39 = NJW 1971, 1982), ob der durch
das Verhalten des Beklagten verursachte Verletzungserfolg (Körperverletzung) auch im
übrigen - also auch bei Bejahung der Ursächlichkeit - dem Beklagten objektiv zuzurechnen
ist. Diese Frage ist auf Grund einer wertenden Betrachtung zu beantworten.
Entscheidend ist, wie der erkennende Senat in den erwähnten beiden früheren Urteilen
ausgeführt hat, daß der Beklagte, für ihn zumindest erkennbar, wenn hier nicht sogar
erkannt, durch sein Weglaufen ohne Notwendigkeit in zurechenbarer Weise eine Lage
erhöhter Verletzungsgefahr für T. geschaffen hat, indem er dessen mit dem Gesetz in
Einklang stehende Verfolgung herausforderte, obgleich er dessen Gefährdung voraussehen
und vermeiden konnte (vgl von Caemmerer DAR 1970, 283, 291).
Daß T. durch seinen Entschluß zur Verfolgung und dessen Ausführung selbst ein
Schadensrisiko eingegangen ist, steht einer Zurechnung der verursachten
Rechtsgutverletzung nicht ohne weiteres entgegen, wie der Senat ebenfalls bereits früher
ausgeführt hat (vgl insbesondere BGHZ 57, 25, 29 mw Nachw). Allerdings sind bei solcher
Gestaltung Fälle anerkannt, in denen trotz bestehenden Ursachenzusammenhangs der
Ausschluß der Zurechnung geboten ist (vgl Larenz, Schuldrecht I, 10. Aufl § 27 III
3; ders Festschrift für Honig 1970 S 70, 83o). Insbesondere ist sie dann nicht
gerechtfertigt, wenn der Entschluß des Verletzten nicht "herausgefordert" ist
(vgl BGH Urteil vom 24. März 1964 - VI ZR 33/63 - = NJW 1964, 1363 = LM BGB § 823
Nr 32), wenn vielmehr das Verhalten des die erste Ursache Setzenden lediglich den
äußeren Anlaß und nur die Gelegenheit für den Verletzten darstellt, sich zusätzlich
einem unfallfremden Risiko auszusetzen (vgl BGH Urteil vom 12. Februar 1963 VI ZR 181/62 =
LM BGB § 823 (C) Nr 28 = NJW 1963, 1671; BGHZ 58, 162). Wird aber der Entschluß des
Verletzten wie hier durch das Verhalten herausgefordert, so ist in der Regel die
Verantwortlichkeit nicht schon wegen des Dazutretens des Verletzten ausgeschlossen (vgl
Larenz, Schuldrecht I aaO; ders Festschrift für Honig S 79, 87).
Der Senat hat es damit bei dieser Fallgruppe für geboten erachtet, den Verfolgten
nicht ohne weiteres für sämtliche verursachten Rechts- und Rechtsgutverletzungen -
vorbehaltlich des Verschuldens - schlechthin einstehen zu lassen (vgl dazu unter dem
Gesichtspunkt der psychisch vermittelten Ursächlichkeit auch Deutsch JZ 1972, 551).
Die so gebotene wertende Einschränkung kommt, wie das Berufungsgericht nicht verkennt,
bereits und insbesondere darin zum Ausdruck, daß ein herausgefordertes Dazwischentreten
(Eingreifen) für die Zurechnung vorausgesetzt wird. Das hat der Senat in BGHZ 57, 25
dahin erläutert, daß dem nicht schon genügt ist, wenn sich der Verletzte
"tatsächlich" zum Eingreifen hat bewegen lassen, wenn sein Verhalten also bloß
veranlaßt (psychisch verursacht) worden ist, sondern nur wenn er sich zum Eingreifen
herausgefordert fühlen "durfte". Unter diesem Gesichtspunkt ist auch von
Belang, ob ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Zweck der Verfolgung und deren
erkennbarem Risiko gewahrt ist. Damit findet eine wertende Betrachtung zu einer im
Einzelfall gebotenen Einschränkung Eingang in die rechtliche Beurteilung.
3. Diese Grundsätze legt auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde. Es
meint aber, ihre Anwendung führe hier bereits im Grunde zur Verneinung einer Haftung des
Beklagten, weil es an der Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko der
Verfolgung fehle.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Allerdings ist, wie bereits erwähnt, in BGHZ 57, 25 ausgesprochen, worauf das
Berufungsurteil zutreffend hinweist, zu dem vorausgesetzten herausgeforderten Dazutreten
(Eingreifen) genüge nicht bereits, daß sich der Verletzte tatsächlich zum Eingreifen
hat bewegen lassen. Vielmehr ist außer dieser psychischen Verursachung notwendig, daß
sich der Eingreifende zum Handeln herausgefordert fühlen durfte und zwar überhaupt und
gegebenenfalls in der von ihm gewählten Art und Weise. Damit sollten - insoweit ist dem
Berufungsgericht zu folgen - auch Fälle angesprochen werden, die bereits wegen des zu
hohen, übersteigerten Risikos die Zurechnung des Handelns des Verfolgenden im Hinblick
auf die zivilrechtliche Verteilung des Schadensrisikos zwischen ihm und dem Verfolgten als
nicht mehr tragbar erscheinen läßt. Das besagt aber nicht, daß jedes nicht
ungefährliche Verhalten schon wegen seiner Gefahren eine Zurechnung bereits im Grunde
ausschließt. Sinn dieser Einschränkung, die zu einer Verneinung der Haftung bereits im
Grundsatz führt, ohne daß Raum für eine Abwägung nach § 254 BGB verbleibt, ist,
das mit einer Flucht verknüpfte Haftungsrisiko nicht ins Unermeßliche wachsen zu lassen.
Nur dann, wenn eine Verfolgung überhaupt und deren konkrete Durchführung derart ist,
daß der Verfolgte mit ihr nicht rechnet und nicht zu rechnen braucht, scheidet eine
Haftung bereits im Grundsatz aus. Daß nicht schon jede gefährliche Verfolgung eine
Haftung des Verfolgten ausscheiden läßt, zeigen auch deutlich die Beurteilungen der
früheren Sachverhalte (Urteil vom 24. März 1964 - VI ZR 33/63 = aaO und vom 3. Februar
1967 - VI ZR 115/65 = LM BGB § 823 (C) Nr 36 = JZ 1967, 639). So hat der Senat denn
auch in BGHZ 57, 25, 31 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der dort im Grundsatz
bejahte Ersatzanspruch des Verfolgenden durch ein mitwirkendes Verschulden auf seiner
Seite gemindert sein kann, was im übrigen damals vom Berufungsgericht auch angenommen
worden war.
Eine so verstandene Grenzziehung ist auch, abgesehen von anderen Erwägungen, aus
folgenden Gründen geboten. Eine Sicht, die in solchen Fällen nur die Möglichkeiten
kennt, den Ersatzanspruch entweder zu verneinen oder zu bejahen, würde weithin ohne
Notwendigkeit eine differenzierende Abwägung erschweren oder gar verhindern und stünde
damit einer gerechten Beurteilung im einzelnen Fall im Wege. Eine dem Einzelfall gerecht
werdende Wertung ist aber bereits in der Bestimmung des
§ 254 BGB vorgesehen mit
ihrer Reichweite von voller Haftung bis zu ihrer Verneinung. Eine Sicht, die in zu weit
gehender und nicht gebotener Weise die Haftung bereits im Grundsatz ausschließt, begibt
sich dieser Möglichkeit. Es entspricht auch sonst der Rechtsentwicklung, das sog
"Alles-oder-nichts" Prinzip zurückzudrängen.
b) Würdigt man unter diesen Gesichtspunkten den zu beurteilenden Sachverhalt, dann
rechtfertigen die festgestellten Tatumstände es nicht, bereits die objektive Zurechnung
und damit schon im Grundsatz eine Haftung zu verneinen. Allerdings mag es sein, worauf der
Tatrichter hinweist, daß die Personalien des Beklagten, der bei seinen Eltern wohnte,
bekannt waren, und daß bei geglückter Flucht die Strafvollstreckung wahrscheinlich nicht
vereitelt, sondern nur hinausgeschoben worden wäre. Auch war die Verfehlung des
Beklagten, die zur Verhängung des Jugendarrestes führte, verhältnismäßig gering.
Immerhin kann das (öffentliche) Interesse an dem Eingreifen des T. nicht außer Betracht
bleiben (vgl rechtsvergleichend Lüer, Die Begrenzung der Haftung bei fahrlässig
begangenen unerlaubten Handlungen, 1969 S 148/149), womit die in anderen
Verfolgungsfällen erheblichen Abwägungsgesichtspunkte zumindest in ihrem Gewicht
beeinflußt werden. T. war zur Verfolgung des Beklagten jedenfalls berechtigt,
dienstrechtlich sogar trotz der damit verbundenen Selbstgefährdung verpflichtet. Es
handelt sich um den Ersatz von Schäden, die der Beamte durch seinen vom verfolgten
Beklagten unmittelbar herausgeforderten Einsatz erlitten hat (vgl dazu auch Martens NJW
1972, 740, 746 Fn 37 und Hübner JuS 1974, 496, 499). Schutzwürdige Interessen des
Beklagten an seiner Flucht, die demgegenüber in Frage kommen, fehlen. Durch sein
Weglaufen suchte er sich der Überführung in die Jugendarrestanstalt und damit dem
Vollzug der gegen ihn ausgesprochenen Strafe zu entziehen. Darin allein liegt in diesem
Zusammenhang kein Umstand, der besonderer Berücksichtigung zugängig ist (vgl BGHZ 57,
25, 28; Urteil vom 13. Juli 1971 VI ZR 165/69 = aaO zu 2a).
Unter diesen Umständen steht das Risiko der Verfolgung durch T. an sich nicht außer
Verhältnis zu seinem Zweck. T. versuchte dem Beklagten durch das Fenster der im
Erdgeschoß liegenden Toilette ins Freie zu folgen, nachdem der Beklagte diesen Weg mit
Erfolg genommen hatte. Diesem hier gesteigerten Risiko der Verfolgung durch einen Sprung
aus dem ebenerdigen Fenster fehlt nicht die Verhältnismäßigkeit zu dem Anliegen des T.
. Bei diesen Gegebenheiten mußte der Beklagte damit rechnen, daß ihm T. durch das
Fenster folgen würde, weil dieser sich herausgefordert fühlen durfte.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist daher eine Haftung des Beklagten
nicht schon im Grundsatz ausgeschlossen. Sonach konnte das Berufungsurteil aus den ihm
gegebenen Gründen keinen Bestand haben.
1. Dem erkennenden Senat ist verwehrt, selbst zu entscheiden. Daher war die Sache an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
2. Das Berufungsgericht führt zum Schluß der Entscheidungsgründe aus, da die
Körperverletzung des T. dem Beklagten schon wegen der fehlenden Verhältnismäßigkeit
zwischen Zweck und erkennbarem Risiko der Verfolgung nicht zuzurechnen sei, bedürfe es
keiner Entscheidung, ob hier ein gesteigertes Verfolgungsrisiko vorgelegen habe. Damit
wird offenbar das angesprochen, was in BGHZ 57, 25, 32 (und im Urteil vom 13. Juli 1971 -
VI ZR 165/69 = aaO zu 2d am Ende) ausgeführt ist.
Dort ist dargelegt, daß, sofern nach der gebotenen Abwägung im Einzelfall für die
beim Verfolgenden eingetretenen Verletzungen grundsätzlich eine Haftung zu bejahen ist,
diese nur die besonderen (gesteigerten) Risiken der Verfolgung und nicht das normale
Risiko des Eingreifenden umfaßt, wie das schon das Erfordernis des inneren Zusammenhangs
mit dem Grund der Haftung (der geschaffenen erhöhten Gefahrenlage) nahelege. So greift
auch bei an sich bejahter Zurechnung die Haftung des Verfolgten nicht ein, wenn
beispielsweise ein geschütztes Rechtsgut durch das Platzen eines Reifens des
Streifenwagens verletzt wird, ohne daß dieses Ereignis auf eine für die Reifen
gefährliche Verfolgung (Geschwindigkeit oder Fahrweise) zurückzuführen ist (vgl dazu
Fallgestaltungen bei Deutsch JZ 1967, 642 zu 2d; vgl auch Lüer aaO S 150u).
Legt man die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen zugrunde, so spricht
Überwiegendes für die Annahme, daß sich hier ein durch die Verfolgung deutlich
erhöhtes Risiko verwirklicht hat und es sich nicht um ein mit der zugerechneten
Gefahrerhöhung ohne inneren Zusammenhang stehendes Ereignis handelt.
Auf einer den Verfolgerfällen vergleichbaren Linie liegen die Nothelfer- und
Rettungsfälle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass jemand Gefahren abzuwenden versucht,
die ein anderer pflichtwidrig ausgelöst hat und dabei selbst zu Schaden kommt (Einfangen
eines herrenlosen Ski, Einsatz zur Verhinderung eines Bankraubs).
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