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bb) Das Rückabwicklungsschuldverhältnis

Wenn die Voraussetzungen eines der beiden Tatbestände des Art. 49 Abs. 1 CISG vorliegen und das Recht auf Vertragsaufhebung nicht gemäß Art. 82 Abs. 1 CISG untergegangen ist, führt die Aufhebungserklärung zur Umgestaltung des Kaufvertrages in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis. Das heißt: Die Parteien werden von ihren Primärleistungspflichten befreit (Art. 81 Abs. 1 CISG) und sind zur Rückgabe des Geleisteten verpflichtet (Art. 81 Abs. 2 CISG).

Das Rückabwicklungsschuldverhältnis geht aber über die Umkehrung der Hauptleistungspflichten hinaus.

Gemäß Art. 84 Abs. 1 CISG hat der Verkäufer, der den Kaufpreis zurückzahlen muss, vom "Tag der Zahlung" an auf den Betrag des Kaufpreises Zinsen zu zahlen. Diese Formulierung birgt jedoch einige Unklarheiten. Manche gehen davon aus, dass der "Tag des Empfangs" mit dem "Tag der Zahlung" identisch sei. Sie begründen das damit, dass Art. 84 Abs. 1 CISG einen Ausgleich für den abstrakten Vorteil gewähren will, den der Verkäufer dadurch hat, dass er über das Geld Gewinn bringend verfügen kann. Dies kann er aber erst mit dem Empfang des Geldes (Hornung in: Schlechtriem, Art. 84 Rdnr. 14). Demgegenüber verweisen andere auf den Wortlaut des Art. 84 Abs. 1 CISG, der gerade ausdrücklich von "Zahlung" spricht, womit nur die Vornahme der Leistungshandlung und nicht auch der Eintritt des Leistungserfolges gemeint sei (Staudinger/Magnus, Art. 84 Rdnr. 8).

Demgegenüber gewährt das deutsche Rücktrittsrecht keinen generellen Zinsanspruch bezüglich des zurück zugewährenden Kaufpreises. Vielmehr ist der tatsächlich erwirtschaftete Zins vom Verkäufer als gezogene Nutzung (§ 100 BGB) gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewähren; hat der Verkäufer mit dem Kaufpreis keinen Zins erwirtschaftet, so schuldet er insoweit gemäß § 347 Abs. 1 BGB Wertersatz für denjenigen Zins, den er entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht erwirtschaftet hat. Diese Bestimmung soll gegenüber einer starren Verzinsungsregelung den Vorteil haben, dass sie dem Umstand Rechnung trägt, dass der Schuldner bei kleineren Beträgen und kürzerer Nutzungsdauer nicht in der Lage ist, für das empfangene Geld eine Verzinsung in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu erzielen (vgl. Schulze, in: Handkommentar zum BGB, § 347 BGB Rdnr. 2). Dieser Aspekt spielt indes bei dem in aller Regel nur zwischen Kaufleuten zur Anwendung kommenden CISG keine Rolle.

Gemäß Art. 84 Abs. 2 CISG schuldet der Käufer dem Verkäufer den Gegenwert aller Vorteile, die er aus der Ware oder einem Teil der Ware gezogen hat. Der Begriff der Vorteile umfasst alles, was im internen deutschen Zivilrecht mit dem Begriff der "Nutzungen" umschrieben wird (vgl. § 100 BGB). Damit muss der Käufer dem Verkäufer insbesondere Wertersatz für die Gebrauchsvorteile leisten. Dieser soll der Höhe nach an den Marktpreisen, also am marktüblichen Mietzins, den üblichen Lizenzgebühren etc. ausgerichtet werden (Hornung in: Schlechtriem, Art. 84 Rdnr. 19; Staudinger/Magnus, Art. 84 Rdnr. 17). Im internen deutschen Zivilrecht wird der Wertersatzanspruch für Gebrauchsvorteile vom BGH dagegen anders berechnet: Der Mietzins enthalte einen unternehmerischen Gewinn, der dem Verkäufer, der vertragswidrige Ware geliefert habe, nicht zustehe. Daher sei der Wertersatzanspruch durch Umlegung des Kaufpreises auf die zu erwartende Nutzungsdauer des Kaufgegenstandes bis zu dessen Gebrauchsuntauglichkeit zu berechnen (BGHZ 115, 47, 54; dies ist auch im neuen Recht so geblieben: Grüneberg, in: Palandt, § 346 Rdnr. 10). Rechtsgrundlage für diesen Anspruch im BGB ist § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Hat der Käufer den Kaufgegenstand weiterveräußert oder ist dieser zerstört worden, so kann der Käufer unter den Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 2 CISG dennoch die Aufhebung des Vertrages erklären. In diesem Fall ist Art. 84 Abs. 2 b CISG Rechtsgrundlage für den Anspruch des Verkäufers auf Vorteilsausgleichung. Danach kann der Verkäufer zunächst einmal wie nach Art. 84 Abs. 2 a CISG Wertersatz für die gezogenen Nutzungen verlangen. Des Weiteren tritt ein Wertersatzanspruch an die Stelle des Kaufgegenstandes als dessen Surrogat. Er kann sich aus der Verwertung oder dem Verbrauch der Sache ergeben (commodum ex re) oder aber aus ihrer Weiterveräußerung (commodum ex negotiatione). Im ersteren Falle ergibt sich die Höhe des Anspruchs aus dem objektiven Wert der Sache, im zweiten Falle aus dem Nettoverkaufserlös (Hornung, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 84 Rdnrn. 25 ff.).

Im internen deutschen Zivilrecht ist in diesen Fällen die Rechtslage komplizierter. Ist die Kaufsache beim Käufer untergegangen oder beschädigt worden, so ist der Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz (§ 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB) beim gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, wenn der Käufer diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 277 BGB). Ob die Haftungsmilderung des § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB auch im Rahmen eines etwaigen Schadensersatzanspruches des Verkäufers aus § 346 Abs. 3 BGB anzuwenden ist, ist derzeit sehr umstritten und noch nicht geklärt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 346 Rdnr. 18 m.w.N.). Jedenfalls könnte der Käufer bereits für den Untergang/die Verschlechterung der Kaufsache vor Erklärung des Rücktritts, also seit Empfang der Leistung, haften, weil die Pflicht zur sorgfältigen Behandlung der Kaufsache bereits im Vertragsverhältnis angelegt ist (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 346 Rdnr. 15). Dies wird indes für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach allgemeiner Ansicht erst für den Zeitpunkt bejaht, in dem die Partei weiß oder wissen muss, dass die Rücktrittsvoraussetzungen vorliegen, also etwa, dass die Sache mangelhaft ist (Schulze, in: Handkommentar zum BGB, § 346 Rdnr. 18)..  Ist die Kaufsache dagegen vom Käufer verbraucht oder veräußert worden, so haftet er auf Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Ob die Haftungsmilderung des § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf den Fall des § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB analog anzuwenden ist, ist noch ungeklärt und umstritten. Eine systematische und wortlautorientierte Auslegung ergibt ("Auflistungstechnik des § 346 Abs. 2, 3 (Kaiser) jedenfalls, dass § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB im Falle des Verbrauchs und der Veräußerung nicht direkt eingreift. Bei Verbrauch und Veräußerung kommt wiederum ebenfalls ein Schadensersatzanspruch aus §§ 346 Abs. 4 i.V.m. §§ 280 ff. BGB in Betracht, der aus den oben genannten Gründen erst eingreift, wenn der Käufer im Zeitpunkt der Veräußerung/des Verbrauchs weiß oder wissen musste, dass die Sache mangelhaft ist.    

Außer Wertersatz- und Schadensersatzansprüchen kann dem Verkäufer im Falle der Veräußerung oder der Zerstörung der Sache auch gemäß § 285 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Surrogates des Kaufgegenstandes zustehen, dessen Rückgewähr dem Käufer unmöglich geworden ist, was für den Verkäufer insbesondere dann interessant ist, wenn das Surrogat wertvoller als der zurück zugewährende Gegenstand ist (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 346 Rdnr. 20). Im Falle der Weiterveräußerung etwa wäre das Surrogat der vom Käufer bei der Weiterveräußerung erzielte Kaufpreis, da § 281 BGB auch auf das commodum ex negatione anwendbar ist (BGH NJW 1983, 929, 930). Dabei wird es wie im alten Recht auch gleichgültig sein, ob die Unmöglichkeit der Herausgabe bereits vor oder nach der Erklärung des Rücktritts eingetreten ist, obwohl der Rückgabeanspruch erst durch die Rücktrittserklärung entsteht (so zum alten Recht ausdrücklich MüKo/Emmerich, § 281 Rdnr. 5, während der BGH in NJW 1983, 929, 930 dies nur für das vertragliche Rücktrittsrecht entschieden hat).

Diese insgesamt als unübersichtlich zu bewertende Regelung im BGB macht deutlich, dass das CISG im Hinblick auf den Nutzungsersatz bei Vertragsaufhebung der Regelung des BGB weit überlegen ist.

Eine Regelung des Verwendungsersatzes fehlt im CISG. Allerdings ist man sich weitgehend einig, dass man aus dem in Art. 84 CISG zum Ausdruck kommenden Gedanken des Vorteilsausgleichs entnehmen kann, dass der Käufer zwar die Gebrauchsvorteile herausgeben muss, andererseits der Verkäufer auch nicht durch ihm nun zufließende Verbesserungen des Kaufgegenstandes bereichert werden soll. Daher wird angenommen, dass die werterhaltenden oder wertsteigernden Verwendungen vom Nutzungsherausgabeanspruch abzuziehen sind, so dass der Verkäufer insoweit nur einen Anspruch auf Ersatz der Nettovorteile hat (Hornung, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 84 Rdnr. 20).

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, was zu gelten hat, wenn der Käufer zwar Aufwendungen auf die Sache vorgenommen hat, der Verkäufer aber keinen Anspruch auf Nutzungsersatz gegen ihn hat, von dem die Kosten für die Verwendungen abgezogen werden könnten. Hier wird vorgeschlagen, den Erhaltungsaufwand analog Artt. 85 ff. CISG zu ersetzen und den Verbesserungsaufwand über den ohnehin gegebenen Schadensersatzanspruch aus Art. 45 Abs. 1 b CISG zu ersetzen (Herber/Czerwenka, Art. 84 Rdnr. 8). Weitgehend ungeklärt ist noch, ob und inwieweit bei Anwendung des CISG die Kriterien, die z.B. das deutsche interne Zivilrecht zum Schutz des Verkäufers vor aufgedrängter Bereicherung kennt, (vgl. §§ 347 S. 2 bzw. 347 S. 3, 812 ff. BGB: nur "notwendige Verwendungen" bzw. die Schutzmechanismen des Bereicherungsrechts zum Schutz vor aufgedrängter Bereicherung), in die Ermittlung des erstattungsfähigen Verwendungsersatzes einfließen können (Hornung, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 84 Rdnr. 20a). Dies alles zeigt, dass die Lückenhaftigkeit des CISG im Hinblick auf den Verwendungsersatz unbefriedigend ist, so dass die Regelung des BGB der Regelung des CISG insoweit überlegen ist.

Nach Art. 82 Abs. 1 CISG geht - wie wir wissen - das Recht, die Aufhebung des Vertrages zu erklären, grundsätzlich unter, wenn es dem Käufer unmöglich ist, die Ware im Wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. Des Weiteren schuldet der Käufer dem Verkäufer gemäß Art. 84 Abs. 2 b CISG den Gegenwert für alle Vorteile, die er aus dem Verbrauch oder Veräußerung des Kaufgegenstandes gezogen hat. Was aber geschieht, wenn der Kaufgegenstand nach der Erklärung der Aufhebung zerstört oder beschädigt wird und der Käufer daraus keinen vermögenswerten Vorteil im Sinne des Art. 84 Abs. 2 b CISG zieht? Nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen müsste der Verkäufer dann leer ausgehen. Ein nachträglicher Wegfall der bereits erklärten Vertragsaufhebung kommt wegen der Gestaltungswirkung der Aufhebungserklärung nicht in Betracht. Daher wird vorgeschlagen, dem Verkäufer für diesen Fall einen Wertersatzanspruch zuzubilligen, der aus dem Grundgedanken des Art. 84 CISG hergeleitet werden könne. Als Haftungsmaßstab für diesen Anspruch könne man Art. 82 Abs. 2 a CISG heranziehen, der der Interessenlage der Parteien in diesem Fall besonders gerecht werde (Hornung, a.a.O., Art. 82 Rdnr. 13).

 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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