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Sachverhalt

A und B sind selbständige Ölhändler mit voneinander getrennten Lagern im Hamburger Hafen. Sie haben sich gegenüber K als Gesamtschuldner verpflichtet, 10.000 t leichtes Heizöl zu liefern. Die Lieferverpflichtung sollte auf ihre Bestände beschränkt sein. Untereinander waren sie übereingekommen, dass ein jeder den gleichen Anteil zur Lieferung beisteuern sollte.

Als K einige Wochen vergeblich auf die Lieferung wartet, schickt er A eine Mahnung und fordert ihn auf, unverzüglich 10.000 t leichtes Heizöl zu liefern. A unternimmt nichts.

Es kommt ohne Zutun von A oder B zu einem Großbrand im Hamburger Hafen, dem sämtliche Bestände leichten Heizöls von A und B zum Opfer fallen. A und B teilen K mit, dass er nun nicht mehr mit einer Lieferung rechnen könne. K besteht auf Lieferung, weil noch genügend leichtes Heizöl auf dem Markt zu haben sei. Mindestens müsse der Schaden ausgeglichen werden, der ihm dadurch entstehe, dass der Marktpreis inzwischen gestiegen sei.

Wie ist die Rechtslage? Hat K einen Lieferungsanspruch gegen A und/oder B? Hat K einen Schadensersatzanspruch gegen A und/oder B? Wie steht es mit Ausgleichsansprüchen dessen, der dem K gegenüber möglicherweise verpflichtet ist?

Die differenzierte Fragestellung gibt den Aufbau der Lösung weitgehend vor.

Lösung 

1. Das Lieferungsbegehren des K gegen B

Als Anspruchsgrundlage für das Lieferungsbegehren kommt § 433  Abs. 1 BGB in Betracht. Am Bestehen des Vertrages bestehen keine Zweifel. Die Verpflichtung des B, die Gesamtmenge zu liefern, ergibt sich aus § 421 BGB.

Fraglich ist, wie sich der Untergang der Bestände auf den Lieferungsanspruch auswirkt. Die einschlägige Regelung findet sich in § 275 Abs. 1 BGB. Danach entfällt die Lieferverpflichtung (der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen), wenn die Lieferung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Ob die Lieferung unmöglich ist, richtet sich danach, woraus geliefert werden sollte: aus dem gesamten Ölbestand oder aus dem bei B und A vorhandenen Ölbestand. Im ersteren Fall wäre die Lieferung noch möglich im zweiten nicht. Die letztere Möglichkeit liegt nach den Angaben im Sachverhalt vor. Wir haben es mit einer beschränkten Gattungsschuld zu tun. Hier liegt beim Untergang der gesamten Bestände objektive Unmöglichkeit vor. Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen. 

Die Lieferungsanspruch gegen B ist untergegangen. K wird mit sei­nem Lieferungsbegehren gegen B keinen Erfolg haben.

2. Das Lieferungsbegehren des K gegen A

Im Verhältnis zur vorangegangenen Untersuchung ergibt sich nur kein Unterschied. Der Untergang des Anspruchs auf Leistung wird durch die Tatsache, dass A sich durch die Mahnung des K in Verzug befand (§ 286 BGB) nicht berührt.

3. Das Schadensersatzbegehren des K gegen A

Die Verpflichtung des A zur Schadensersatzleistung ergibt sich aus § 283 BGB. A braucht nach § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten und hat die Unmöglichkeit zur Lieferung zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zwar trifft ihn an der Unmöglichkeit kein Verschulden (§ 276 Abs. 1 BGB); jedoch befand er sich durch die Mahnung des K im Zeitpunkt des Brandes im Verzuge. In dieser Lage hat er nach § 287 Satz 2 BGB auch die unverschuldet eintretende Unmöglichkeit zu vertreten.

4. Das Schadensersatzbegehren des K gegen B

Auch hier ist die Anspruchsgrundlage § 283 BGB. Allerdings hat B den Untergang seiner Lagerbestände nicht zu vertreten, so dass er wegen § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht haftet. Ihn trifft kein Verschulden (§ 276 Abs. 1 BGB), und er befand sich auch nicht im Verzug. Der Verzug des anderen Gesamtschuldners wirkt nach § 425 Abs. 2 BGB nicht gegen ihn. Es gibt mithin keinen Schadensersatzanspruch gegen B.

5. Das Ausgleichsbegehren des A gegen B

Als Anspruchsgrundlage für ein Ausgleichsbegehren des A gegen B kommt § 426 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach müssten A und B im Hinblick auf die Schadensersatzverpflichtung Gesamtschuldner sein. Sie waren Gesamtschuldner im Hinblick auf die Lieferungsverpflichtung, um die es hier aber nicht mehr geht. Ob sich das Gesamtschuldband automatisch von der Hauptleistungspflicht auf sekundäre Vertragspflichten erstreckt, halte ich für zweifelhaft. Gerade unser Fall zeigt ja, dass sich die sekundären Vertragspflichten unterschiedlich entwickeln können. Eine Gesamtschuld wird man deshalb im Hinblick auf die sekundären Vertragspflichten nur annehmen können, wenn die sekundären Vertragspflichten in mehreren Personen entstehen. Man könnte hier an eine Parallele zu § 840 BGB denken.

Gerade im Rahmen des § 840 BGB werden Fälle einseitig entstehender Verpflichtungen unter dem Stichwort des gestörten Gesamtschuldausgleichs erörtert. Eine der dort behandelten Fallgruppen ist dadurch gekennzeichnet, dass das Entstehen der Gesamtschuld durch den Enthaftungsvertrag mit einem der "Gesamtschuldner" verhindert wird. In diesen Fällen hält man es für unangemessen, den gesamten Schaden am nicht privilegierten "Gesamtschuldner" hängen zu lassen. Der Enthaftungsvertrag würde zu einem Vertrag zu Lasten eines Dritten werden. Ein solcher Vertrag ist unserer Rechtsordnung fremd. Aus diesem Grunde nimmt der BGH in den angesprochenen Fällen eine fiktive Gesamtschuld an (BGHZ 12, 213; BGH NJW 1972, 942). Das führt im Ergebnis zu einer völligen Außerachtlassung des Enthaftungsvertrages, wenn man nicht dem durch den Enthaftungsvertrag privilegierten "Gesamtschuldner" die Möglichkeit gibt, seinerseits auf der Grundlage des Enthaftungsvertrages gegen seinen Vertragspartner vorzugehen. Ohne diese Möglichkeit käme es zu dem absurden Ergebnis, dass ein Verletzer nicht haftet, wenn er allein Verpflichteter ist, dagegen aber haften soll, wenn bei der Pflichtverletzung ein Dritter beteiligt ist. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund.

Lösen kann man diesen Interessenkonflikt, indem man den Nachteil des Haftungsverzichts dem auferlegt, der ihn geschlossen hat. Man kann dieses Ziel auf zwei Wegen erreichen: auf dem Weg der unmittelbaren Anspruchskürzung beim Gläubiger der Gesamtschuld auf den Teil des Anspruchs, der auf den nicht privilegierten Schuldner entfällt, und dem Weg des sog. Anspruchskreisels (vgl. dazu den Beitrag von Wurm, Das gestörte Gesamtschuldverhältnis, JA 1986, 177).

Fraglich ist, ob in unserem Fall eine dem vertraglichen Haftungsverzicht vergleichbare Interessenlage gegeben ist, die dann auch nach vergleichbaren Lösungen verlangte. Eine mehr vordergründige Parallele zum Haftungsverzicht liegt darin, dass es der Willkür des Gläubigers überlassen scheint, über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis der Gesamtschuldner zu entscheiden. So wie er nicht durch einen Enthaftungsvertrag in den Innenausgleich soll eingreifen können, könnte ihm das auch verwehrt sein durch die willkürliche Verteilung von Mahnungen. Eine solche Lösung ließe sich aber nur schwer mit dem gesetzlichen Bild der Gesamtschuld vereinbaren. Es ist halt gerade das Privileg des Gläubigers einer Gesamtschuld, dass er sich aussuchen kann, welchen der Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt und mahnt. Im übrigen steht der gemahnte Gesamtschuldner nicht schutzlos da. Er kann, wenn ihn eine Mahnung ereilt, seinerseits die schon von Anfang an bestehende Mitwirkungspflicht des anderen Gesamtschuldners bei der Erfüllung anmahnen. Mit der Mahnung käme der andere Gesamtschuldner mit der Erfüllung der Mitwirkungspflicht in Verzug und könnte sich dann gegenüber seinem Mitgesamtschuldner nicht mehr darauf berufen, dass ihm die Mitwirkungspflicht aufgrund eines Ereignisses unmöglich geworden sei, das er nicht zu vertreten habe.

Der letzte Gedanke zeigt, dass man bei dogmatisch korrekter Betrachtungsweise zwischen zwei Begründungsmöglichkeiten für die Ausgleichsverpflichtung zu differenzieren hat. Was die sekundären Vertragsansprüche angeht, so ist schon mangels Gesamtschuld keine Ausgleichsverpflichtung entstanden. Im Hinblick auf die Erfüllungsverpflichtung bestand die Ausgleichspflicht des § 426 Abs. 1 BGB in Form einer Mitwirkungspflicht von Anfang an. Auch auf sie finden allerdings die Unmöglichkeitsregeln Anwendung, so dass B frei geworden ist. Dieses Freiwerden hätte A verhindern können, wenn er seinerseits den B gemahnt hätte.

Somit ist A nicht der Willkür des K, sondern seinem eigenen Versäumnis zum Opfer gefallen. Es besteht kein Grund, ihm einen Teil seiner Last zu nehmen.

A hat keinen Ausgleichsanspruch gegen B.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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