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Verzug im Synallagma

Das frühere Recht kannte eigene Regeln und eigene Anspruchsgrundlagen für den Verzug bei gegenseitigen Verträgen. Das am 1.1.2002 in Kraft getretene Recht kommt ohne solche Regeln aus.

Die Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht in einem gegenseitigen Vertrag sind:

bulletdas Bestehen einer – nicht notwendig im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden ‑ Leistungsverpflichtung;
bulletdie Fälligkeit der Leistungsverpflichtung;
bulletdie Setzung einer angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung;
bulletdas Ausbleiben der Leistung insgesamt oder der vertragsgemäßen Leistung oder der Nacherfüllung innerhalb der gesetzten Frist.

Im Unterschied zum früheren Recht muss der Schuldner sich nicht im Verzug befinden. Das wird er zwar regelmäßig durch die Leistungsaufforderung mit Fristsetzung. Dem Verzug aber würde der Schuldner durch den Nachweis entgehen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Das Rücktrittsrecht besteht dagegen unabhängig vom Vertretenmüssen. Es ist nur ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder wenn der Gläubiger sich im Falle eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstands im Verzug der Annahme befindet (§ 323 Abs. 6 BGB).

Der Gläubiger muss auch nicht mehr wie im früheren Recht die Fristsetzung mit einer Ablehnungsandrohung verbinden. Die Fallstricke des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sind abgeschafft. Es genügt die einfache Setzung einer angemessenen Frist.

Dies kann vor dem Hintergrund des Zwecks der Nachfristsetzung nicht bedeuten, dass ein bisher nicht leistungswilliger Schuldner für seine Vertragsverletzung noch belohnt wird, indem der Gläubiger diesem Schuldner noch Gelegenheit gewähren müsste, nun erst die Bewirkung der Leistung in die Wege zu leiten, indem er seine Leistung jetzt erst insgesamt herstellt oder überhaupt erst vorbereitet. Vielmehr soll dem Schuldner nur eine letzte Möglichkeit zur Vertragserfüllung eröffnet werden, so dass eine Frist schon dann angemessen ist, wenn sie dem Schuldner die Gelegenheit bietet, seine im Wesentlichen schon vorbereitete Leistung nunmehr zu erbringen (RGZ 89, 123, 125; BGH NJW 1982, 1279, 1280; 1985, 320, 323; 855, 857; ebenso für das neue Recht: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 188). Im Streitfall entscheidet dann das Gericht, ob die vom Gläubiger gesetzte Nachfrist angemessen ist. Bei dieser Entscheidung hat das Gericht die Interessen des Schuldners an einer nachträglichen Vertragserfüllung und des Gläubigers an einer möglichst pünktlichen Erfüllung in gleicher Weise zu beachten. Dabei gilt als allgemeiner Maßstab, dass die Frist umso kürzer sein darf, je dringender nach den vertraglichen Abreden das Interesse des Gläubigers an einer raschen und pünktlichen Erfüllung ist oder je länger der Schuldner sich bereits in Verzug befindet (MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 70; BGH NJW 1982, 1279, 1280).

Verfährt der Gläubiger bei der Fristbestimmung redlich, erklärt er sie also nicht nur zum Schein oder um eine kurzfristige Verlegenheit des Schuldners auszunutzen, so wäre es unbillig, eine zu kurze Nachfristsetzung als unwirksam anzusehen und ihm damit das Risiko aufzubürden, dass das Gericht die von ihm vorgenommene Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" billigt. Das würde im Ergebnis nämlich darauf hinauslaufen, dass der Gläubiger gut beraten wäre, wenn er die Frist entgegen seinen berechtigten Interessen etwas zu großzügig bestimmen würde, da er dann immer auf der sicheren Seite wäre. Daher hat schon das Reichsgericht es als "eine im Interesse aller Beteiligten liegende und statthafte Ergänzung der von ihm abgegebenen Willenserklärung" angesehen, wenn seiner zu kurzen Fristbestimmung "die Wirkung beigelegt wird, dass er bereit sei, die ausstehende Leistung innerhalb derjenigen Frist vorzunehmen, die nach Lage der Sache als die angemessene zu gelten hat" (RGZ 56, 231, 234 f.). Auf der dogmatischen Basis der ergänzenden Auslegung der Fristsetzungserklärung wird somit bei der Bestimmung einer zu kurzen Nachfrist durch den redlich handelnden Gläubiger eine angemessene Nachfrist in Gang gesetzt (Palandt/Heinrichs, § 326 Rdnr. 17). Die Gerichte kommen dem Gläubiger auch insoweit entgegen, als sie es zulassen, dass dem Schuldner einfach eine "angemessene" Frist gesetzt wird, da sie im Streitfall ohnehin darüber entscheiden, welche Frist angemessen ist (MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 77 f.).

Wird mithin eine unangemessen kurze Frist bestimmt, so ist die Fristsetzung nicht unwirksam. Sie setzt auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine angemessene Frist in Gang (Regierungsentwurf BT‑Drucks. 14/6040, S. 138).

Ein weiterer Unterschied zum früheren Recht liegt in den Rechtsfolgen. Der Erfüllungsanspruch ist nicht mit dem Ablauf der Frist ausgeschlossen, sondern erst mit der Ausübung des Rücktrittsrechts.

§ 323 Abs. 2 BGB erklärt die Fristsetzung in bestimmten Fällen für entbehrlich. Inhaltliche Änderungen gegenüber dem früheren Recht sind darin nicht enthalten. Nr. 1 positiviert die anerkannte Rechtspraxis, dass eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung die Fristsetzung entbehrlich mache. Nr. 2 normiert diese Folge für das relative Fixgeschäft, macht damit die Auslegungsregel des früheren Rechts entbehrlich und verwandelt das früher vertraglich gedachte Rücktrittsrecht in ein gesetzliches Rücktrittsrecht. Nr. 3 hebt in einer Art Auffangtatbestand auf besondere Umstände ab, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (vgl. zur Auslegung dieser "Gummiklausel": Faust/Huber, Schuldrechtsmodernisierung, S. 190. Das ist eine Verdoppelung dessen, was nach früherem Recht als Gebot von Treu und Glauben galt.

Schließlich ist es für die Auslösung des Rücktrittsrechts noch erforderlich, dass die Fristsetzung erfolglos war, die Leistung also nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist bewirkt worden ist. Dabei ist fraglich und umstritten, ob es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Leistung auf den Zeitpunkt der Vornahme der Leistungshandlung oder auf den Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolges ankommt. Wenn man bedenkt, dass man bei der Auslegung des § 362 Abs. 1 BGB unter "Bewirkung der Leistung" die Herbeiführung des Leistungserfolges versteht und dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung den Gläubiger benachteiligt, da er etwa im Falle einer Schickschuld noch eine gewisse Zeit über die rechtzeitige Leistung des Gläubigers im Unklaren gelassen wird, so spricht Einiges dafür, auf den Eintritt des Leistungserfolges abzustellen. Dennoch stellten der BGH und die ganz herrschende Meinung in der Literatur schon zum alten Recht auf den Zeitpunkt der Vornahme der Leistungshandlung ab, da man vom Schuldner für die Abwendung der Rechtsfolge des § 323 Abs. 1 BGB nicht mehr verlangen könne, als das seinerseits zur Leistung Erforderliche zu tun, und dies sei nun einmal die Vornahme der Leistungshandlung, also etwa im Falle einer Schickschuld (z.B. Versendungskauf) die rechtzeitige Absendung der Ware (BGHZ 12, 367, 369; MüKo/Ernst, § 323 Rdnr. 84 f.).

Teilleistung

Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB der Gläubiger von dem gesamten Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Diese Regelung galt auch schon im früheren Recht. Durch die Neufassung steht allerdings jetzt auch Kraft gesetzlicher Anordnung fest, dass der Gläubiger nicht vor die Entscheidung gestellt ist, am gesamten Vertrag festzuhalten oder vom gesamten Vertrag zurückzutreten. Er darf auch den Teilrücktritt wählen. 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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