Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 07.06.1988, Az: VI ZR 91/87
Leitsatz
1. Für den Beweis, daß ein Produktfehler im Verantwortungsbereich des Herstellers
entstanden ist, kann unter besonderen Umständen zugunsten des Geschädigten eine
Beweislastumkehr in Betracht kommen, wenn der Hersteller aufgrund der ihm im Interesse des
Verbrauchers auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt auf seine
einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund zu sichern, er dieser
Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist.
2. Zu den Voraussetzungen für eine derartige Befundsicherungspflicht des Herstellers
(hier: Wiederverwendung von Mehrweg-Limonadenflaschen).
Orientierungssatz
1. Den Hersteller eines wegen seiner Eigenart besonders schadensgeneigten, das Risiko
besonders schwerwiegender Schadensfolgen für den Verbraucher einschließenden Produktes
trifft die Pflicht, das Produkt vor Inverkehrgabe auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu
prüfen und den Befund zu sichern, wenn das technisch möglich und ihm wirtschaftlich
zumutbar ist (hier zur Frage der Befundsicherungspflicht des Getränkeherstellers bei
Wiederverwendung dem hohen Innendruck kohlensäurehaltiger Getränke ausgesetzter
Mehrwegglasflaschen).
Fundstelle
BGHZ 104, 323-336 (LT)
NJW 1988, 2611-2615 (LT)
JZ 1988, 966-969 (LT)
Tatbestand
Die Beklagte stellt kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke her, die sie in
Einheits-Mehrwegflaschen der Genossenschaft D. B. abfüllt und u.a. unter der Bezeichnung
"Fri." in den Handel bringt. Die Eltern des damals drei Jahre alten Klägers
bezogen am 5. September 1981 bei dem Getränkehändler F. einen aus der Produktion der
Beklagten stammenden Kasten Limonade. Als der Kläger zwei Tage später, am 7. September
1981, im Keller des Wohnhauses der Eltern eine Flasche Limonade aus dem Getränkekasten
nahm, zerbarst diese. Der Kläger verlor durch die Glassplitter sein rechtes Auge und
büßte einen Teil der Sehkraft des linken Auges ein. Die Glasreste wurden nach dem Unfall
nicht sichergestellt.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung eines Teilschmerzensgeldes in Höhe von 6.000
DM in Anspruch genommen. Er hat hierzu vorgetragen: Als Herstellerin habe die Beklagte
für Gesundheitsschäden einzustehen, die bei der bestimmungsgemäßen Verwendung ihrer
Produkte entständen. Der Nachweis, daß der den Schaden verursachende Fehler nicht erst
nach der Inverkehrgabe der Flasche entstanden sei, könne ihm - weil ihm praktisch
unmöglich - nicht auferlegt werden. Die Vielzahl vergleichbarer Vorfälle, bei denen
Flaschen mit Erzeugnissen der Klägerin oder anderer Hersteller von Mineralwasserprodukten
explodiert seien, zeige, daß es sich bei dem Unfall nicht lediglich um einen
"Ausreißer" gehandelt habe. Sie belege vielmehr, daß technisch mögliche
Vorkehrungen in den Abfüllbetrieben nicht getroffen würden, obwohl die Gefahren dort
bekannt seien.
Die Beklagte hat die Unfalldarstellung des Klägers bestritten. Nach ihrer Ansicht ist
die Limonadenflasche nicht explodiert, vielmehr sei sie dem Kläger entweder aus der Hand
gefallen, oder der Kläger sei mit der Flasche beim Herausholen aus dem Getränkekasten an
einen anderen Gegenstand gestoßen. Die Limonadenflasche sei einwandfrei gewesen, als sie
den Betrieb verlassen habe. Das gewährleiste die technische Ausstattung und die
Organisation ihres Betriebs. Daß die Unfallursache wegen der nicht gesicherten
Flaschenreste nicht aufzuklären sei, gehe zu Lasten des Klägers.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen
und auf die im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage der Beklagten festgestellt, daß dem
Kläger keine Ansprüche aus dem Unfallgeschehen gegen die Beklagte zustehen. Mit der
Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren und die Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält nicht für bewiesen, daß die Limonadenflasche bereits
fehlerhaft war, als die Beklagte sie in den Verkehr gebracht hat. Der fehlende Nachweis
geht nach Auffassung des Berufungsgerichts zu Lasten des Klägers. Es hat hierzu im
wesentlichen ausgeführt: Die von der Rechtsprechung für die Produzentenhaftung
entwickelte Beweislastumkehr erstrecke sich weder auf die Fehlerhaftigkeit des Produkts
noch auf die haftungsbegründende Kausalität zwischen Fehler und Schaden, sondern beziehe
sich ausschließlich auf das Verschulden. Auch die Beweiserleichterungen nach den Regeln
des Anscheinsbeweises kämen nicht zur Anwendung. Zwar scheide unsachgemäßes Hantieren
durch den Kläger aus. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. sei vielmehr
entweder ein zu hoher Innendruck infolge zu geringer Befüllung der Flasche oder ein
bereits vorhandener Riß im Glas, der durch eine geringe Erhöhung des Innendrucks infolge
der Bewegung des Füllguts bei der Entnahme der Flasche aus dem Kasten zum Bruch der
Flasche geführt habe, als Unfallursache anzunehmen. Jedoch könne nicht ausgeschlossen
werden, daß eine Beschädigung der Flasche, wie sie hier als auslösender Faktor für das
Zerbersten der Flasche in Betracht komme, erst verursacht worden sei, nachdem sie von der
Beklagten letztmalig in den Verkehr gebracht worden sei. Somit befände sich der Kläger
zwar in der typischen Beweisnot eines Verbrauchers, der durch ein Produkt aus einer
längeren Herstellungs- und Vertriebskette Schaden nehme. Beweiserleichterungen könnten
dem Geschädigten indes in diesen Fällen für den Kausalitätsnachweis nicht zugute
kommen. Das liefe auf eine dem geltenden Recht fremde Gefährdungshaftung des Herstellers
hinaus, da auch dieser den Gegenbeweis praktisch nicht führen könne.
II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht in
allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht zieht ersichtlich eine Haftung der Beklagten nur für den Fall
in Betracht, daß die beiden nach den Feststellungen des Sachverständigen für das
Zerbersten der Limonadenflasche in Frage kommenden Ursachen - ein überhöhter Innendruck
infolge zu geringer Befüllung oder eine Rißbeschädigung im Hohlglas - schon bei
Inverkehrgabe der Flasche durch den Beklagten vorgelegen haben. Damit wird der
haftungsrechtliche Ansatz von dem Berufungsgericht zu sehr verkürzt. Im gegenwärtigen
Verfahrensstand ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte für das Zerbersten der
Limonadenflasche jedenfalls mit einer Intensität, wie sie hier zu so schweren
Verletzungen führt, als Herstellerin auch dann verantwortlich ist, wenn die unmittelbare
Ursache dafür ein Haarriß gewesen ist, der erst nach ihrer Inverkehrgabe durch die
Beklagte auf dem Vertriebsweg zu dem Kläger im Glas aufgetreten ist. In diesem Fall käme
es auf die von dem Berufungsgericht in den Mittelpunkt gestellte Frage nach der Beweislast
für das Vorliegen oder Fehlen der erwähnten Mängel im Zeitpunkt der Inverkehrgabe der
Flasche nicht an.
a) Als Herstellerin der kohlensäurehaltigen Limonade ist die Beklagte nach
Deliktsgrundsätzen verpflichtet, in den Grenzen des technisch Möglichen und ihr
wirtschaftlich Zumutbaren dafür zu sorgen, daß der Verbraucher durch ihr Erzeugnis keine
Gesundheitsschäden erleidet. Dazu gehört nicht nur die Sorge für die Verträglichkeit
des von ihr hergestellten Getränks; vielmehr ist sie auch dafür verantwortlich, daß die
Behältnisse, in denen sie ihre Limonade in den Handel gibt, nicht zu Verletzungen
führen, sei es beim Verbraucher, sei es bei anderen mit dem Transport befaßten Personen
(vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1967 - VI ZR 14/65 = VersR 1967, 498 -
Plastikmassebehälter; BGH, Urteil vom 28. April 1976 - VIII ZR 244/74 = VersR 1976, 882 -
Batterie). Das gilt auch für die Gefahr des Explodierens der von der Beklagten für ihr
Produkt gewählten Glasflasche infolge eines Materialfehlers oder zu hohen Innendrucks,
das - wie der Streitfall zeigt - zu schwersten Verletzungen führen kann. Derartige
Unfälle sind zwar gemessen an dem hohen Getränkeumsatz und der Gebräuchlichkeit
derartiger Limonadenflaschen - auch als Einheits-Mehrwegflaschen - selten; sie kommen
aber, wie die Gerichtspraxis zeigt und der Sachverständige bestätigt hat, immer wieder
vor und sind der Getränkeindustrie seit langem als spezifisches Produktrisiko bekannt.
Diesem Risiko hat die Beklagte im Rahmen des technisch Möglichen und ihr
wirtschaftlich Zumutbaren zu begegnen. Ihre Verantwortlichkeit wird nicht dadurch in Frage
gestellt, daß sie neben gebrauchten Flaschen, die sie für die Neubefüllung aufbereitet,
von der Genossenschaft D. B. bezogene fabrikneue Glas-Mehrwegflaschen zur Abfüllung der
Limonade verwendet. Auch hinsichtlich dieser Neuflaschen übernimmt sie mit der Verwendung
die Produktverantwortung; auch insoweit hat sie deshalb dafür zu sorgen, daß die
Flaschen bei ihrer Auslieferung den Anforderungen von Transport und bestimmungsgemäßem
Gebrauch durch den Abnehmer genügen. Es handelt sich bei der Beklagten auch nicht um
einen reinen Abfüllbetrieb, für den die Verantwortlichkeit für die Verwendung der
Flaschen anders zu beurteilen sein kann (vgl. Senatsbeschluß vom 7. März 1978 - VI ZR
143/77 = VersR 1978, 550). Sie entscheidet über die Zusammensetzung des Getränks,
insbesondere über die den Innendruck bestimmende Kohlensäurevernetzung, sowie über Art,
Bezug und Verwendung des gewählten Verpackungsmaterials. Deshalb trägt sie nicht nur die
Verantwortung dafür, daß Material und Innendruck, unter dem die Flaschen nach der
Befüllung stehen, aufeinander abgestimmt sind, sondern auch dafür, daß die Flaschen
nach ihrer Beschaffenheit denjenigen Beanspruchungen durch Handel und Verbraucher, mit
denen gerechnet werden muß, gewachsen sind. Mängel, die nach den Feststellungen des
Sachverständigen hier für die Augenverletzungen des Klägers in Frage stehen, sind von
der Beklagten nach Möglichkeit durch geeignete Fertigungsmethoden und Kontrollen
auszuschließen.
b) Dabei muß die Beklagte in Rechnung stellen, daß die Flaschen, selbst wenn sie im
Zeitpunkt der Auslieferung aus dem Herstellerbetrieb unbeschädigt sind, auf dem Weg zu
dem Verbraucher ihre Berstsicherheit durch Beschädigung des Glases verlieren können.
Denn Einwirkungen wie Stoß, Druck, Hitze, Kälte u.ä. muß das Produkt nicht nur bei
normalem, d.h. bestimmungsgemäßem Gebrauch gewachsen sein, sondern solche Flaschen
müssen auch dem vorhersehbaren üblichen Umgang standhalten (vgl. OLG Frankfurt, VersR
1985, 890; Borer Produktehaftung: Der Fehlerbegriff nach deutschem, amerikanischem und
europäischem Recht, 1986, S. 26). Allerdings kann von dem Hersteller nicht verlangt
werden, für alle Fälle eines unsorgfältigen Umgangs mit der Getränkeflasche Vorsorge
zu treffen. Die Grenze für die ihn treffende Gefahrenvorsorge wird dann überschritten,
wenn der unsachgemäße Umgang außerhalb des üblichen Erfahrungsbereichs liegt. In
Rechnung stellen muß aber die Beklagte nicht nur die oft erhebliche Länge des Weges bis
zu dem Verbraucher und die zeitliche Dauer bis zum Verzehr des Getränks und die damit
verbundenen Unwägbarkeiten der Beanspruchung der Flaschen, sondern auch den sehr großen
Kreis einer Verbraucherschaft ganz unterschiedlicher Zusammensetzung. Sie kann nicht damit
rechnen, daß bei Transport und Lagerung mit den Flaschen stets in verständiger,
schonender Weise umgegangen wird.
c) Freilich kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, daß sie überhaupt für ihre
Limonade Mehrwegflaschen aus Glas verwendet, für die eine Verletzungsgefahr insbesondere
bei unvorsichtigem Umgang von Handel oder Verbraucherschaft nie ganz ausgeschlossen werden
kann. Grundsätzlich kann die Beklagte den Schutz vor den Verletzungsgefahren von
Glasbruch der Selbstvorsorge des Verwenders überlassen, schon weil dieser ebenfalls die
normalen Risiken des Materials in Rechnung stellen kann. Gleiches kann aber nicht für das
Risiko eines explosionsartigen Zerberstens der Flasche gelten, wie es sich hier
verwirklicht hat. Der durchschnittliche Verbraucher rechnet mit dieser Gefahr nicht; auch
ein entsprechender Hinweis auf der Flasche dürfte die Verbrauchererwartung in dieser
Hinsicht nicht nachhaltig verändern. Er kann sich vor ihr, wenn die Flasche schon
vorgeschädigt ist oder unter zu hohem Innendruck steht, im allgemeinen auch nicht durch
vorsichtiges Hantieren schützen. Die schweren Verletzungen, die gerade wegen des
explosiven Zersplitterns des Glases eintreten können, stehen außer jedem Verhältnis zu
den Belastungen, die dem Verbraucher im Umgang mit einem Produkt als sein allgemeines
Lebensrisiko zugemutet werden können. Allerdings spricht nach den bisher in den
Rechtsstreit eingeführten Daten viel dafür, daß - gesehen auf die große Zahl der von
den Getränkeherstellern kohlensäurehaltiger Getränke benutzten Mehrwegflaschen
derselben Beschaffenheit - Unfälle mit wegen einer Vorschädigung im Glas zerplatzenden
Flaschen sehr selten sind, so daß nicht schon wegen des generellen Gefahrenpotentials von
Mehrwegflaschen rechtliche Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen. Andererseits
können die spezifischen Risiken eines explosionsartigen Zerberstens nicht schon deshalb
vom Hersteller unbeachtet gelassen werden; dazu sind die Folgen zu schwer. Vielmehr muß
der Getränkehersteller als verpflichtet angesehen werden, im Rahmen des ihm
wirtschaftlich Zumutbaren und technisch Möglichen - sei es, was der Sachverständige im
Streitfall angedeutet hat, durch ein wesentliches Herabsetzen des Vernetzungsdruckes, sei
es durch eine weniger bruchgefährliche Gestaltung der Flasche, durch einem Überdruck
vorbeugende Verschlüsse oder andere Maßnahmen - solche spezifische Gefahren mit ihren
schweren Verletzungen möglichst auszuschalten.
d) Für den Streitfall bedeutet das, daß das Berufungsgericht zunächst der Frage
nachzugehen hat, ob und inwieweit die Beklagte in dem hier maßgeblichen Zeitraum, in dem
die Flasche von ihr in den Verkehr gegeben worden ist, derartige Vorkehrungen gegen ein
explosionsartiges Zerbersten ihrer Flaschen im Falle einer Vorschädigung ihres Glases -
sei es auch erst auf dem Transport zum Verbraucher - zugemutet werden konnten. Bei der
Beurteilung des wirtschaftlich Zumutbaren werden u.a. die Verbrauchergewohnheiten und die
Absatzchancen für ein entsprechend verändertes Produkt zu berücksichtigen sein,
andererseits aber auch der Umstand, daß den wirtschaftlichen Gesichtspunkten elementare
Sicherheitsbedürfnisse des Verbrauchers gegenüberstehen. Die Darlegungs- und Beweislast
für die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer solchen Fertigung, die das explosive Bersten
von Limonadenflaschen ausschließt, und die dahingehende Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte trifft den Kläger, ohne daß ihm hier
Beweiserleichterungen zugute kämen. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen,
daß auf diese Weise derartige Explosionsrisiken von der Beklagten bereits damals
ausgeschlossen werden konnten und daß sich die Beklagte diesen Möglichkeiten trotz des
in der Branche seit langem bekannten Risikos fahrlässig verschlossen hat, so steht damit
fest, daß sie für die Verletzung des Klägers verantwortlich ist, auch wenn die Flasche
nicht wegen eines überhöhten Innendrucks infolge zu geringer Befüllung, sondern wegen
einer Beschädigung des Glases, sei es auch erst auf dem Transport zum Verbraucher,
zerborsten ist.
2. Nur wenn eine Verpflichtung der Beklagten zu derartigen Vorkehrungen für einen
Ausschluß des vorgenannten Risikos für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der
Inverkehrgabe der Flasche zu verneinen wäre, käme es für eine Haftung der Beklagten auf
die von dem Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterung gestellte Frage an, ob
neben der Möglichkeit eines überhöhten Innendrucks infolge zu geringer Befüllung, für
die ein Fabrikationsfehler der Beklagten außer Frage stehen würde, auch die andere
mögliche Schadensursache, eine Rißschädigung im Glas der Flasche, bereits im
Produktionsbereich der Beklagten bestanden hat, d.h. ob die Flasche bei ihrer
Inverkehrgabe schon den Mangel aufgewiesen hat, der die Explosion ausgelöst hat. Auch
insoweit halten indes die Ausführungen des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision
nicht durchweg stand.
a) Ohne Verfahrensverstoß vermag das Berufungsgericht nicht auszuschließen, daß die
Limonadenflasche, um die es geht, in Ordnung gewesen ist, als sie von der Beklagten in den
Vertrieb gegeben worden ist.
aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision für den Nachweis, daß der zum Bruch der
Flasche führende Fehler bereits im Zeitpunkt ihres Inverkehrbringens vorlag, auf die
Regeln des Anscheinsbeweises. Der Kläger sieht die Typizität des Geschehensablaufs, die
Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Beweiserleichterung ist und die grundsätzlich
auch für den Nachweis eines Produktfehlers in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 27.
September 1957 VI ZR 139/56 = VersR 1958, 107 - Betondecken und vom 2. Dezember 1986 - VI
ZR 242/85 = VersR 1987, 587 - Putenfutter), zum einen darin, daß es bei von der Beklagten
vertriebenen Limonadenflaschen - wie auch bei Limonaden- und Sprudelflaschen anderer
Hersteller - in der Vergangenheit wiederholt zu ähnlichen Unfällen gekommen sei, die
Beklagte jedoch keine Vorsorge für eine ausreichende Kontrolle der von ihr in den Verkehr
gegebenen Flaschen getroffen habe; zum anderen hält der Kläger die Voraussetzungen des
Anscheinsbeweises deswegen für gegeben, weil die Beklagte eine ernsthafte Möglichkeit
der Beschädigung der Limonadenflasche nach Verlassen ihres Betriebes weder dargetan noch
bewiesen habe.
Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 2. Dezember
1986 aaO m.w.N.), helfen die Regeln des Anscheinsbeweises dann nicht, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, daß der gefahrbringende Zustand erst entstanden ist, nachdem
das Produkt den Herstellungsbetrieb verlassen hat. Gegen die Ausführungen des
Berufungsgerichts, nach denen nicht auszuschließen ist, daß eine Schädigung der Flasche
verursacht worden ist, nachdem sie von der Beklagten letztmalig in Verkehr gebracht wurde,
ist nichts zu erinnern. Es bleibt die Möglichkeit, daß ein Dritter, für den der
Produzent nicht einzustehen hat - wie Zwischen- oder Einzelhändler -, die
Limonadenflasche durch unsachgemäße Handhabung vorgeschädigt hat.
bb) Auch soweit die Revision sich darauf beruft, daß durch das schädigende Ereignis
das Produkt selbst zerstört und dadurch die Ursache für Beweisschwierigkeiten im Bereich
der Beklagten gesetzt worden sei, führt dies nicht zu den angestrebten
Beweiserleichterungen. Von einer Beweisvereitelung durch die Beklagte kann schon deshalb
nicht ausgegangen werden, weil nicht auszuschließen ist, daß nicht die Beklagte, sondern
ein anderer für das Zerbersten der Flasche und die damit einhergehende Vernichtung des
Beweismittels verantwortlich ist.
cc) Auch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor allem für den Bereich der
Arzthaftung zugelassene Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler hilft hier dem
Kläger nicht weiter. Diese Rechtsprechung beruht darauf, daß das vom Behandlungsfehler
in das Behandlungsgeschehen hineingetragene Aufklärungserschwernis darin liegt, daß das
Spektrum der für den Mißerfolg in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der
besonderen Schadensneigung des Fehlers verbreitert bzw. verschoben worden ist und wegen
des groben Verstoßes der Mißerfolg der Behandlung besonders nahe liegt (vgl.
Senatsurteil vom 21. September 1982 - VI ZR 302/80 = BGHZ 85, 212 = VersR 1982, 1193
m.w.N.). An einer mit einem groben Behandlungsfehler vergleichbaren Situation fehlt es
hier. Die Wiederverwendung gebrauchter Limonadenflaschen ohne ausreichende Kontrolle auf
Vorschädigung stellt sich nicht als solch elementarer Fehler dar, daß schon aus diesem
Grunde Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr gerechtfertigt wären. Denn
immerhin hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine gewisse
Auslese dadurch getroffen, daß sie die Getränkeflaschen unter einen Vorspanndruck von
6,0 bar gebracht hat.
b) Kommt es deshalb im Streitfall darauf an, welche Partei mit den Nachteilen der
Nichtaufklärbarkeit der genauen Fehlerursache und des Zeitpunkts ihres Entstehens
belastet ist, dann ist dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt zwar darin zu folgen, daß es
grundsätzlich Sache des Klägers ist, nicht nur den Fehler des Produkts und seine
Ursächlichkeit für den Verletzungsschaden, sondern auch zu beweisen, daß der in Frage
stehende Produktmangel aus dem Herstellerbereich stammt, der von der Beklagten zu
verantworten ist. Eine Erstreckung der Grundsätze zur Beweislastumkehr für das
Verschulden auf den objektiven Zurechnungszusammenhang ist bisher stets abgelehnt worden
(vgl. zuletzt Senatsurteile vom 2. Dezember 1986 aaO und vom 18. Januar 1983 - VI ZR
208/80 = VersR 1983, 375 - Muscheln II - m.w.N.; Baumgärtel JA 1984, 660, 667;
Brüggemeier WM 1982, 1294, 1330; Diederichsen VersR 1984, 797; Lorenz AcP 170, 367, 380;
Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1526 I. 2 b, IV. 3 a, aa 1.;
MünchKomm./Mertens, 2. Aufl., § 823 Rdn. 308; aA OLG Frankfurt VersR 1980, 144 und
Loewenheim NJW 1969, 1754, 1756). Eine generelle Beweislastumkehr würde die
Deliktshaftung des Herstellers zu einer Erfolgseinstandshaftung machen, für die es einer
besonderen materiell-rechtlichen Legitimierung bedarf.
Indes folgt daraus nicht, daß Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr für
die Zuordnung eines schädlichen Produktfehlers im Herstellerbetrieb stets auszuschließen
sind, wie das Berufungsgericht annimmt.
Die Einwände gegen eine vom Hersteller zu entkräftende Kausalitätsvermutung
verlieren u.a. dann ausnahmsweise weithin an Gewicht, wenn der festgestellte Mangel des
Produkts typischerweise aus dem Bereich des Herstellers stammt, dieser gerade deshalb -
und weil er zur Vermeidung schwerer Schadensfolgen ein derartiges Risiko nach Möglichkeit
auszuschließen hat - zum Schutz des Verbrauchers verpflichtet ist, sich über das
Freisein des Produkts von solchen Mängeln vor Inverkehrgabe zuverlässig zu vergewissern,
und der Geschädigte nachgewiesen hat, daß der Hersteller diese
"Statussicherung" über den mangelfreien Zustand des Produkts nur unzureichend
vorgenommen hat. In einem derartigen Falle wird die materielle Pflichtenstellung nicht
wesentlich zu Lasten des Herstellers verändert, wenn er - sozusagen in Fortführung
seiner Pflicht zu der von ihm versäumten "Statussicherung" - nachweisen muß,
daß der Mangel erst nach Inverkehrgabe des Produkts durch ihn entstanden ist. Er würde
sich treuwidrig verhalten, wenn er sich im Prozeß zu seiner Entlastung auf das Fehlen von
Daten für den Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts berufen könnte, um die sich zu
sorgen ihm zum Schutz des Verbrauchers materiell-rechtlich gerade aufgegeben war.
aa) Mit der Eröffnung einer solchen Möglichkeit der Beweislastumkehr beim
Kausalitätsnachweis auch im Bereich der Produzentenhaftung knüpft der Senat an von ihm
bisher schon entwickelte Grundsätze für Beweiserleichterungen im Deliktsrecht an. Dabei
wird davon ausgegangen, daß nicht jede Pflichtwidrigkeit, die zur Unaufklärbarkeit des
Schadenshergangs führt, schon dem Schädiger anzulasten ist. Eine allgemeine Regel, daß
das Aufklärungsrisiko demjenigen voll zur Last fällt, der es durch seine
Pflichtwidrigkeit geschaffen hat, läßt sich nicht halten (vgl. Senatsurteil vom 4.
Oktober 1983 - VI ZR 98/82 = VersR 1984, 40, 41 und BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR
12/73 = BGHZ 61, 118, 121; Gottwald, Karlsruher Forum 1986, S. 16). Würde sich ein
von der Beklagten zu verantwortendes Unterlassen ausreichender Kontrolle der
wiederverwendeten gebrauchten Getränkeflaschen auf Berstsicherheit lediglich als
Verletzung ihrer allgemeinen Verkehrspflicht darstellen, ein Produkt herzustellen, das
ohne Schaden für die Gesundheit verwendet werden kann, so bestünde kein Anlaß, dem
Kläger als Geschädigten allein wegen dieses Verstoßes der Beklagten gegen die ihr
obliegende Verhaltenspflicht die Beweislast für die Ursächlichkeit der unterlassenen
Kontrolle an dem Unfall anzulasten (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 aaO).
bb) Anderes kann jedoch in Betracht kommen, wenn die Pflicht des Herstellers zur
Gefahrenabwehr gezielt auf Erhebungen zur Aufhellung eines unklaren Zustands oder einer
ungeklärten Beschaffenheit des Produkts gerichtet ist, die dem Hersteller zum Schutz der
Verwender gerade deshalb aufgegeben ist, um durch eine genaue Ermittlung und Sicherung des
Status sich rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu vergewissern, die
typischerweise das Produkt belasten und die nach Inverkehrgabe des Produkts durch den
Hersteller nicht mehr aufzudecken sind. Ist der Hersteller in diesem Sinne zur Erhebung
und Sicherung der Daten über den Zustand des Produkts verpflichtet, weil er den Verwender
mit einem ungeklärten Status und darin verborgenen Gefahren nicht belasten darf, dann
verändert es die materielle Pflichtenstellung des Herstellers nicht, sondern bestätigt
sie, wenn ihm, weil er diese Pflicht zur Statussicherung verletzt hat, im Prozeß die
Beweislast dafür auferlegt wird, daß pflichtgemäße Befunderhebung im Zeitpunkt der
Prüfung einen einwandfreien Zustand des Produkts ergeben haben würde. Insoweit geht es
um einen vergleichbaren Interessenskonflikt wie in den Fällen, in denen dem Arzt zum
Schutz seines Patienten aufgegeben ist, Befunde zu sichern, um sich rechtzeitig Klarheit
über einen Krankheitszustand zu verschaffen, die zur Vermeidung gefährlicher
Entwicklungen erforderlich und die nachträglich nicht mehr zu erlangen sind. Auch in
diesen Fällen hat der erkennende Senat dem Arzt, der diese Befundsicherung schuldhaft
unterläßt, die Beweislast für den Verlauf auferlegt, wenn dadurch die Aufklärung eines
immerhin wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem ärztlichen Behandlungsfehler
und dem Gesundheitsschaden erschwert oder vereitelt wird und die Befundsicherung gerade
wegen des erhöhten Risikos des in Frage stehenden Verlaufs geschuldet war (vgl.
Senatsurteile vom 25. Januar 1983 - VI ZR 24/82 = VersR 1983, 441 Trinkwasser -, vom 3.
Februar 1987 - VI ZR 46/86 = BGHZ 99, 391 = VersR 1987, 1089, 1091 m.w.N. und vom 19. Mai
1987 - VI ZR 167/86 = VersR 1987, 1092). Der diesen Entscheidungen zugrundeliegende
allgemeine Rechtsgedanke kann für Fallgestaltungen, wie sie oben näher umschrieben sind,
auch in der Herstellerhaftung ausnahmsweise zu Beweiserleichterungen des Verwenders für
den Ursachenzusammenhang bis zur Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers führen.
cc) Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze zur Beweislastumkehr sind
nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hier erfüllt. Die Beklagte hat
mit der Einheits-Mehrwegflasche ein Produkt in den Verkehr gebracht, das wegen seiner
Eigenart (Glasbehälter, der mehrfach verwendet wird und unter starkem Innendruck steht)
eine besondere Schadenstendenz aufweist. Für solche Getränkeflaschen, bei denen nach dem
- oft mehrfachen und langjährigen - Vorgebrauch eine Vorschädigung und die damit
verbundene Berstgefahr nicht auszuschließen ist, trifft die Beklagte als Herstellerin die
Prüfungs- und Befundsicherungspflicht dahin, den Zustand des Glases jeder Flasche vor
ihrer Inverkehrgabe auf seine Berstsicherheit hin zu ermitteln und sich darüber zu
vergewissern, daß nur unbeschädigte Flaschen den Herstellerbetrieb verlassen. Denn wenn
der Getränkehersteller in Fällen wie hier nicht nur neue, sondern auch u.a. schon
mehrfach gebrauchte Glasflaschen verwendet, dann fehlt ihm ohne solche Befundsicherung
jede Grundlage für die Beurteilung, in welchem Zustand sich das Glas befindet und ob und
inwieweit es nicht nur dem hohen Innendruck, dem es ausgesetzt wird, sondern auch den
erheblichen Beanspruchungen auf dem Weg der Flaschen zum Verbraucher, mit denen der
Hersteller rechnen muß, gewachsen ist. Gerade weil aus einer Vorschädigung des Glases
wegen des spezifischen Berstrisikos schwere Gesundheitsschäden erwachsen können und das
Risiko einer derartigen Glasbeschädigung bei der Verwendung schon mehrfach gebrauchter
Flaschen erhöht ist, hat der Hersteller grundsätzlich diese Pflicht, über den ihm nicht
bekannten Zustand der Flasche Erhebungen anzustellen, die ihm und dem Verwender Auskunft
über die Berstsicherheit des Hohlglases verschaffen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war eine vollständige Aussonderung
bereits geschädigter Flaschen im Betrieb der Beklagten nicht gewährleistet; insbesondere
stellte die kurzfristige Belastung der Flaschen mit einem Vorspanndruck von 6,0 bar keine
ausreichende Kontrolle dar. Danach kommt ein Verstoß der Beklagten gegen eine
Befundsicherungspflicht mit den dargelegten Möglichkeiten für eine Beweislastumkehr in
Betracht. Voraussetzung dieser Pflicht zur "Statussicherung" ist allerdings,
daß eine zuverlässige Aussonderung vorgeschädigter Flaschen insoweit technisch möglich
und der Beklagten wirtschaftlich zuzumuten sind; dies ist zwar revisionsmäßig zu
unterstellen, bisher aber noch nicht hinreichend geklärt. Bestand eine solche Prüfungs-
und Befundsicherungspflicht, so ist, wenn es wegen eines Haarrisses im Glas zur Explosion
der Getränkeflasche gekommen ist, bis zum Beweis des Gegenteils durch die Beklagte davon
auszugehen, daß die Vorschädigung schon vor der Inverkehrgabe der Flasche bestanden hat
und bei ordnungsmäßiger Befundsicherung erkannt worden wäre (vgl. v. Bar,
Verkehrspflichten, 1980, 282, 295).
III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird -
gegebenenfalls nach erneuter Anhörung der Parteien und sachverständiger Beratung -
aufzuklären haben, ob die Beklagte durch zumutbare Maßnahmen schon bei der Herstellung
des Produkts - der Limonade - die Explosion von Getränkeflaschen in Verbraucherhand auch
im Falle einer Beschädigung des Glases ausschließen konnte oder aber, falls ihr dies
nicht möglich und zumutbar war, ob sie durch geeignete und zumutbare Kontrollen und
Befundsicherung ausschließen konnte, daß vorgeschädigte Flaschen wieder in den Verkehr
gebracht werden. In diesem Falle trifft die Beklagte als Herstellerin die Beweislast
dafür, daß das Unterbleiben derartiger Kontrollen und der Statussicherung für den
eingetretenen Schaden ohne Bedeutung ist. War dagegen im damaligen Zeitpunkt von der
Beklagten eine derartige "Statussicherung" nicht zu verlangen, dann fällt dem
Kläger die Nichtaufklärbarkeit der genauen Schadensursache zur Last.