Instruktiv zu den weitreichenden Instruktions- und Warnpflichten eines Herstellers von
Kindertee ist die milupa-Entscheidung des BGH zur Produzentenhaftung:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 12.11.1991, Az: VI ZR 7/91
Leitsatz
1. In Warnhinweisen über Produktgefahren muß die Art der drohenden Gefahr deutlich
herausgestellt werden. Jedenfalls dann, wenn erhebliche Körper- oder Gesundheitsschäden
durch eine Fehlanwendung des Produkts entstehen können, muß der Produktverwender aus dem
Warnhinweis auch erkennen können, warum das Produkt gefährlich werden kann.
2. Steht in einem Produkthaftungsprozeß fest, daß ein Hersteller objektiv seine
Instruktionspflichten bei der Inverkehrgabe eines seiner Produkte verletzt hat, dann ist
davon auszugehen, daß die Verletzung dieser Pflichten schuldhaft erfolgt ist, sofern der
Hersteller nicht den Beweis führt, daß ihn kein Verschulden trifft.
Fundstelle
BGHZ 116, 60-77 (LT)
NJW 1992, 560-564 (LT)
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der beklagten Aktiengesellschaft,
die Säuglings- und Kindernahrungsmittel herstellt,
Schadensersatz wegen Kariesbefalles seines Milchzahngebisses.
Die Beklagte produziert verschiedene Instant-Tee-Pulver die
bei vorschriftsmäßiger Auflösung einen Zuckeranteil von etwa 9,6 % haben.
Außerdem vertreibt sie Plastiktrinkflaschen für diese
Getränke mit Fassungsvermögen von 52 und 120 ml (sog. Saug- oder "Nuckel"-Flaschen).
Im September 1981 beschrieb Prof. Dr. Wetzel aus Gießen in
einer zahnmedizinischen Fachzeitschrift eine "neue Form" der Milchzahnkaries
bei Kleinkindern, die er auf die Verabreichung von Kinderteeprodukten an
Säuglinge und Kleinkinder durch sog. "Dauernuckeln" zurückführte. Nachdem die
Beklagte mit diesem Wissenschaftler Kontakt aufgenommen hatte, nahm sie ab
November 1981 in die Banderole der Tee-Verpackungen unter der Überschrift
"Zubereitung" u.a. folgenden Hinweis auf:
"Flasche selbst halten und nicht dem Kind als
Nuckelfläschchen überlassen; häufiges oder andauerndes Umspülen der Zähne,
z.B. vor dem Einschlafen, kann Karies verursachen."
In den ab Dezember 1982 verwendeten Banderolen wurde dieser
Text aus den Zubereitungshinweisen herausgenommen; er wurde nun unter die
Überschrift: "Wichtige Hinweise" gestellt und - ebenso wie die weiter unten
auf der Banderole stehenden Angaben über das Füllgewicht und die Bestandteil
schwarz umrandet. In ihrer ab 30. November 1981 in einer Auflage von 500.000
Stück herausgegebenen Broschüre "Mütter fragen - M. antwortet" sowie in einer
zweiten Auflage vom März 1982 von 200.000 Stück war u.a. folgender Ratschlag
enthalten:
"Wenn Ihr Kind Durst hat, können Sie ihm unsere gesüßten
Kindertees geben. Trinkt es noch aus der Flasche, lassen Sie es zügig
trinken, bis sein Durst gelöscht ist. Halten Sie die Flasche selbst in der
Hand. überlassen Sie ihrem Kind auf keinen Fall das Fläschchen als eine Art
"Dauer-Beruhigungssauger". Bei dauerndem "Nuckeln" werden die Zähne
längerfristig von der süßen Flüssigkeit umspült. Das kann zu Karies führen -
wie jeder übermäßige Genuß von Süßem. Ist ihr Kind schon größer, lassen Sie
es aus dem Becher oder der Tasse trinken."
Ab 17. Dezember 1981 ließ die Beklagte Merkblätter
verteilen, welche die Überschrift "Wichtige Information" trugen. Sie verweist
darin zunächst blickfangartig auf die Eigenschaft ihrer Kinder-Tee-Getränke
als bewährte Durstlöscher und zeigt in einem eingerahmten Kasten den
Zuckergehalt verschiedener Getränke (z.B. Cola-Getränke und Fruchtsäfte) auf.
Nach einem Hinweis auf den hohen Flüssigkeitsbedarf von Kindern und der
Empfehlung zur Verwendung von Kindertee Getränken für den Durst folgen am
Schluß folgende Sätze:
"Wird das Kind noch mit dem Fläschchen gefüttert, sollte
es seinen Durst zügig löschen. Um Karies zu vermeiden, darf die gefüllte
Flasche dem Kind auf keinen Fall als "Dauer-Beruhigungssauger" überlassen
werden".
Der am 13. Oktober 1979 geborene Kläger hat behauptet er
habe in der Zeit von November 1979 bis Juni 1983 das Produkt "M.-Kindertee-Kräutertee-Getränk"
der Beklagten erhalten. Er habe den Tee tagsüber als Einschlafhilfe und in
nächtlichen Wachphasen als Wiedereinschlafhilfe in täglichen Mengen bis zu
etwa 1200 ml zu sich genommen. Es sei fast ausschließlich
die 120 ml fassende "kleine Teeflasche" der Beklagten verwendet worden. Der
erste Zahn sei zwischen dem 7. und 8. Lebensmonat durchgebrochen. Im Alter von
etwa 1 bis 2 Jahren hätten seine Eltern eine erste "braune Rille" Zahnschmelz
der oberen Schneidezähne wahrgenommen. Die Vorsorgeuntersuchung U 7 zwischen
dem 21. und 24. Lebensmonat, bei welcher Kleinkinder auf Karies untersucht
werden, sei bei ihm am 7. Oktober 1981 durchgeführt
worden. Am 11. Juni 198 habe ein Zahnarzt festgestellt, daß die vier oberen
Schneidezähne (62, 61, 51, 52) und die unteren mittleren Schneidezähne (71,
81) von einer ausgeprägten Glattflächenkaries befallen gewesen seien. Der
Zahnarzt habe an diesem Tag die Zähne 71 und 81 wegen des Kariesbefalles
gezogen. Am 14. Februar 1986 sei der ebenfalls stark zerstörte Zahn 51 gezogen
worden.
Der Kläger führt seine Zahnschäden im Milchzahngebiß die
hierdurch verursachten Schmerzen und Beeinträchtigungen auf den Genuß der
Kinderteeprodukte der Beklagten zurück. Er hat der Beklagten vorgeworfen, es
unterlassen zu haben, die von ihr vertriebenen Produkte mit hinreichenden
Warnhinweisen zu versehen, welche geeignet gewesen wären, auch dem mit dem
Produkt vertrauten Verbraucher die Gefahren vor Auge zu führen, welche sich
aus einer Verabreichung als. "Dauernuckel" ergeben konnten.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe unmittelbar nach
Kenntnis der Gefahren einer Verabreichung ihres Tees als "Dauernuckel" ihre
Produkte mit Warnhinweisen in den Verkehr gegeben und ab 22. Dezember 1981
auch die bereits produzierten und ohne Warnhinweis versehenen Produkte mit
einem Deckelaufkleber versehen, der folgenden Inhalt gehabt habe:
"Liebe Eltern, trinkt Ihr Kind den Tee noch aus der
Flasche, halten Sie beim Füttern die Flasche immer selbst, überlassen Sie
sie Ihrem Kind nicht als "Nuckelfläschchen". Häufiges oder andauerndes
Umspülen der Zähne kann Karies verursachen. Nach dem abendlichen Zähneputzen
sollte Ihr Kind nichts mehr zu sich nehmen. Ist Ihr Kind groß genug, lassen
Sie es aus Becher oder Tasse trinken.
Ihre M. Mütterberatung".
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, vor Ende 1981
habe für sie keine besondere Hinweis- oder Warnpflicht bestanden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung
des Klägers hat das Oberlandesgericht den Anspruch des Klägers auf Zahlung
eines Schmerzensgeldes dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die
Schneidezähne im Oberkiefer des Klägers betroffen sind. Insoweit hat es auch
der Feststellungsklage bezüglich des Schadensersatzes für künftige Schäden,
Schmerzen und Leiden stattgegeben. Im übrigen hat es die Berufung
zurückgewiesen.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision begehrt die Beklagt die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; der Kläger verfolgt mit
seiner Revision seine abgewiesenen Ansprüche weiter.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ...
ist die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 847 BGB verpflichtet, dem Kläger
materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld für die Kariesschäden an seinen
vier Schneidezähnen im Oberkiefer zu leisten, weil sie beim Inverkehrbringen
ihres Produktes "M.-Kindertee-Kräutertee-Getränk" die den Warenhersteller
treffende Instruktions- und Produktbeobachtungspflicht verletzt habe.
Sachverständig beraten hat das Berufungsgericht festgestellt, die Schäden den
vier Milchfrontzähnen im Oberkiefer des Klägers seien auf den ständigen Genuß
des Tees der Beklagten zurückzuführen. Hinsichtlich der Schäden im Unterkiefer
lasse sich dagegen keine Zuordnung treffen.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe
die mit der Teeverabreichung im Wege des sog. Dauernuckelns über das von ihr
vertriebene Nuckelfläschchen verbundenen Gefahren spätestens im Jahre 1979
erkennen können und schon damals durch deutliche Aufdrucke auf ihren Produkten
davor warnen müssen. Wenn die Beklagte es versäumt habe, sich aus den ihr
zugänglichen Quellen hinsichtlich dieser Gefahren sachkundig zu machen, dann
habe sie ihre Produktbeobachtungspflicht verletzt. Soweit die Beklagte am
November 1981 Warnhinweise gegeben habe, seien diese in dem entscheidenden
Verabreichungszeitraum bis Dezember 198 nicht ausreichend gewesen. Die Mutter
des Klägers würde deutliche Warnhinweise der Beklagten beachtet haben, so daß
dann der Kariesschaden nicht eingetreten wäre.
II. Das Berufungsurteil hält gegenüber den Angriffen der
beiden Revisionen einer rechtlichen Nachprüfung stand.
A. Revision der Beklagten
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten gegen
den Vorwurf des Berufungsgerichts, die Beklagte habe beim Inverkehrbringen
ihrer Instant-Tee-Getränke jedenfalls in den Jahren 1979 bis Ende 1982 ihre
Pflicht zur Instruktion der Verbraucher über die Verwendung der Tees mit der
Saugerflasche verletzt. Die Anforderungen, die das Berufungsgericht an die
Hinweispflicht der Beklagten stellt, finden entgegen der Ansicht der Revision
eine Stütze in der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Foerster, EWiR
§ 823 BGB 4/91, 565 unter 4).
a) Zutreffend hält das Berufungsgericht den Hersteller eines
industriellen Erzeugnisses für verpflichtet, die Verbraucher vor denjenigen
Gefahren zu warnen, die aus der Verwendung des Produkts entstehen können
(Senatsurteil vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - Verzinkungsspray - VersR
1987, 102 f m.w.N.), soweit die Verwendung noch im Rahmen der allgemeinen
Zweckbestimmung des Produkts liegt (Senatsurteil BGHZ 105, 346, 351
[Fischfutter]). Unter Umständen muß insoweit sogar vor einem naheliegenden
Mißbrauch des Produktes gewarnt werden (Senatsurteil BGHZ 106, 273, 283
[Asthmaspray m.w.N. ]). Die Pflicht des Herstellers zur Warnung entfällt nur,
wenn und soweit er davon ausgehen kann, daß sein Produkt nur in die Hand von
Personen gelangt, die mit den Produktgefahren vertraut sind (Senatsurteil vom
4. Februar 1986 - VI ZR 179/84 - Überrollbügel - VersR 1986, 653). Dies gilt
auch für die Warnungen vor unsachgemäßem Gebrauch (vgl. Senatsurteil vom 17.
Mai 1957 - VI ZR 120/56 Gelenkwellenschutz - VersR 1957, 584, 585; Kullmann/Pfister
Produzentenhaftung, Kennzahl 1520 [Bearbeitung VIII/80], S. 39).
b) Entgegen der Ansicht der Revision ergab sich nach diesen
Rechtsgrundsätzen, die von der Revision als solche nicht in Frage gestellt
werden, auch im Streitfall eine Warnpflicht der Beklagten bezüglich der
Gefahren, die Säuglingen und Kleinkindern durch Dauernuckeln von gesüßtem
Kindertee über ihre Saugflasche drohen konnten.
Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts in Verbindung den
Feststellungen des Berufungsgerichtes ist - was auch die Revision nicht
angreift - davon auszugehen, daß bei der Verabreichung von zuckerhaltigen
Kinderteeprodukten an Säuglinge und Kleinkinder aus der Saugflasche über die
moderne kieferorthopädisch geformten Sauger (anstelle der älteren Schnuller
mit großem Loch) der Strahl des Getränkes an die Rückseite der
Oberkieferfrontzähne gerät, wo kaum Speichelfluß stattfindet, der durch seine
Spülwirkung die Zähne schützen kann, und daß bei längerer Einwirkung vor allem
a diesen Zähnen Karies entsteht; dies insbesondere dann, wen die Kinder diese
Getränke, wozu die leichte Plastikflasche verleitet, als "Dauernuckel" vor dem
Schlafengehen oder so während der Nacht zu sich nehmen, zu einer Zeit also, zu
der der schützende Speichelfluß ohnehin noch wesentlich gering als am Tage
ist. Diese Schädigung wird als BABY-BOTTLE SYNDROM oder NURSING-BOTTLE-SYNDROM
bezeichnet.
Bei dieser Verwendung handelte es sich um einen noch im
Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung von Flasche und Tee liegenden Gebrauch.
Die Anforderungen an die Instruktionspflicht der Beklagten können auch nicht
etwa deshalb herabgesetzt werden, weil der Kläger einer "übermäßigen" und
deshalb nicht mehr bestimmungsgemäßen Anwendung des Kindertees und der
Saugflasche ausgesetzt wurde. Die Beklagte hatte in ihren Gebrauchsanleitungen
keine Mengenbegrenzungen. vorgesehen. Im Gegenteil hatte sie auf den
Banderolen ihrer Teeverpackungen sogar darauf hingewiesen, ihr Tee sorge u.a
für eine ungestörte Nachtruhe und schmecke den Kindern zur Abendmahlzeit und
vor dem Schlafengehen als "Gute-Nacht-Trunk". Das alles bedeute für die Mutter
Sicherheit bei der Ernährung des Kindes. Diese Angaben der Beklagten über die
positiven Eigenschaften ihrer Tees konnten bei den Eltern, die ihren Kindern
den Tee in der Saugflasche zum Dauernuckeln überließen, etwa aufkommenden
Bedenken gegen solche Verwendung entgegenwirken, zumal sich die "kleine
Teeflasche" wegen ihres geringen Gewichts zur Überlassung an das Kind geradezu
anbot. Bei diesem Dauernuckeln an der von der Beklagten vertriebenen "kleinen
Teeflasche" mit ihren aromatischen Zuckertees tagsüber und als Einschlafhilfe
handelt es sich daher um einen naheliegenden Fehlgebrauch, vor dessen
gesundheitlichen Folgen die Beklagte grundsätzlich bei Inverkehrbringen des
Tees warnen mußte (vgl. Brüggemeier, ZIP 1991, 379). Die Beklagte konnte sich
nicht damit beruhigen, daß den Eltern die Gefahren, die mit der Überlassung
dieser Flaschen an die Säuglinge vor dem Einschlafen und während der Nacht
verbunden waren, bekannt sein müßten, zumal die Gefahren u.a. auch auf der
besonderen dem Laien verborgenen Wirkungsweise des kieferorthopädisch
geformten Saugers beruhten und selbst die Revision vorträgt, die Gefahren der
Teeverabreichung über den "Dauernuckel" seien vor der ersten Veröffentlichung
von Prof. Dr. Wetzel im September 1981 völlig unbekannt gewesen.
c) Das Berufungsgericht nimmt auch rechtsfehlerfrei an, die
Beklagte habe ihrer Warnpflicht nicht genügt.
aa) Das ist selbstverständlich für die Zeit bis Ende
November 1981, weil bis zu diesem Zeitpunkt weder auf den Verpackungen der
Kinderteeprodukte noch der Saugflasche diesbezügliche Warnhinweise abgedruckt
waren.
bb) Der erkennende Senat folgt dem Berufungsgericht a auch
darin, daß die ab November 1981 bzw. in nur geringfügig veränderter Form ab
Dezember 1981 verwendeten Packungsaufdrucke nicht den Anforderungen an Form
und Inhalt eines aus reichenden Warnhinweises genügten. Das Berufungsgericht
hebt mit Recht hervor, daß an die Pflicht zur Aufklärung und Warnung besonders
strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn die Verwendung des Produkts mit
erheblichen Gefahren für die Gesundheit von Menschen verbunden ist. Nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats müssen in solchen Fällen wichtige
Hinweise über Produktgefahren und deren Abwendung deutlich erfolgen; sie
dürfen z.B. nicht zwischen Teilinformationen über Darreichungsformen,
Werbeaussagen usw. versteckt werden (BGHZ 99, 167, 181 [Motorradlenker -
Verkleidung] m.w.N.). Inhaltlich müssen die Hinweise so abgefaßt sein, daß
darin die bestehenden Gefahren für das Verständnis des Verbrauchers plausibel
werden. Das wird nur erreicht, wenn die Art der drohenden Gefahr deutlich
heraus gestellt wird, damit der Produktverwender sie nicht erst durch eigenes
Nachdenken, möglicherweise erst aufgrund von Rückschlüssen voll erfassen kann
(vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1984, 544 mit Nichtannahmebeschluß des erkennenden
Senats v 24. Februar 1983 - VI ZR 87/82). Damit die Warnung als berechtigt
verstanden wird, müssen in dem Warnhinweis jeden falls in den Fällen, in denen
erhebliche Körper- oder Gesundheitsschäden durch eine Fehlanwendung des
Produkts entstehen können, auch die Funktionszusammenhänge klar gemacht
werden, so daß erkennbar wird, warum das Produkt gefährlich ist (vgl. Zinkann,
Die Reduzierung der Produkthaftungsrisiken, 1989, S. 97).
Eine solche Verdeutlichung ist besonders dann erforderlich,
wenn durch die Werbung der Vorstellung, das Produkt könne in dieser Weise
gefährlich werden, entgegengewirkt wird. Es liegt kein Rechtsfehler darin,
wenn das Berufungsgericht annimmt, daß die Beklagte mit den auf den Banderolen
mit dem Druckdatum 11.81 enthaltenen Hinweisen ihrer Warnpflicht nicht genügt
hat. Darin war zwar erwähnt, die Flasche solle dem Kind nicht als
Nuckelfläschchen überlassen werde und häufiges oder andauerndes Umspülen der
Zähne, z.B. vor dem Einschlafen, könne Karies verursachen. Das
Berufungsgericht stellt aber mit Recht darauf ab, daß diese Warnungen schon
nicht deutlich genug hervorgehoben waren, weil sie, ohne sie als Warnung
besonders herauszustellen, im Rahmen der Zubereitungshinweise gegeben wurden
(vgl. auch Brüggemeier, ZIP 1991, 379). Dem steht nicht entgegen, wie die
Revision meint, daß die Zubereitungshinweise nur insgesamt sechs Zeilen umfaßt
haben und vier davon auf die Warnhinweise entfielen. Die Beklagte mußte
nämlich damit rechnen, daß mit ihrem Produkt bereits vertraute Benutzer, wie
die Mutter des Klägers, schon wußten, wie der Tee zubereitet wurde, und daß
diese daher ohne einen deutlich herausgestellten Hinweis keine Veranlassung
hatten, die Zubereitungshinweise erneut und besonders aufmerksam zu lesen und
damit Kenntnis von de Warnung zu nehmen. Diese Benutzer mußten nicht auf den
Gedanken kommen, daß unter der Überschrift "Zubereitung" wichtige Warnhinweise
abgedruckt sind, die zu beachten waren.
cc) Auch die ähnlichen Hinweise, die in der von der
Beklagten ab 30. November 1981 in zwei Auflagen mit insgesamt 700.000
Exemplaren verteilten Broschüre "Mütter fragen - M. antwortet" enthalten
waren, mußte das Berufungsgericht nicht als ausreichenden Warnhinweis ansehen.
Es hat zutreffend darauf abgehoben, daß die Hinweise sich erst auf S. 5 der
7-seitigen Broschüre versteckt inmitten eines graphisch unübersichtlich
gestalteten Fließtextes befinden. Jedenfalls der mit dem Produkt vertraute
Verbraucher mußte sie in dies Zusammenhang nicht vermuten. Dasselbe gilt für
die ab 17. Dezember 1981 eingesetzten Merkblätter. Der erst am Schluß dieser
Information enthaltene und auf die Verwendung der mit Tee gefüllten Fläschchen
als "Dauer-Beruhigungssauger" zielende Warnhinweis war, wie das
Berufungsgericht ebenfalls rechtlich einwandfrei darlegt, infolge seiner
unauffälligen graphischen und drucktechnischen Gestaltung nicht geeignet, vom
flüchtigen Verbraucher, der die Produkte der Beklagten kennt, zur Kenntnis
genommen zu werden.
dd) Gegenüber den Eltern des Klägers erfüllte die Beklagte
ihre Warnpflichten auch noch nicht durch die erstmals mit Druckdatum 12.82 in
Verkehr gebrachten Banderolen-Texte, in denen ebenfalls innerhalb des
Fließtextes, aber in einem mit dünnen schwarzen Strichen umrandeten Kasten und
unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" darauf hingewiesen wurde, die
Flasche solle dem Kind nicht als Nuckelfläschchen überlassen werden; häufiges
oder andauerndes Umspülen der Zähne, z.B. vor dem Schlafengehen, könne Karies
verursachen; nach der abendlichen Zahnpflege solle grundsätzlich nichts Süßes
mehr gegessen oder getrunken werden. Es kann mit dem Berufungsgericht im
Streitfalle unentschieden bleiben, ob diese Warnung, die an sprachlicher
Deutlichkeit hinter dem Warnhinweis zurückbleibt, den das Bundesgesundheitsamt
durch Verfügung vom 15. April 1985 (BGesundhBl. 1985, 189) für
kohlenhydrathaltige Kindertees, die zugleich zugelassene Arzneimittel sind,
vorgeschrieben hat (vgl. Pietzko, EWiR § 823 BGB 3/91, 563), gegenüber
denjenigen Verwendern ausreichend war, die erstmals den Tee für ihre
Kleinkinder zubereiteten (bejahend insoweit OLG Stuttgart ZIP 1991, 380 mit
kritischer Anmerkung von Pietz aaO), oder ob auch darin, wie der Kläger in
seiner Revisionserwiderung vorgetragen hat, die Gefahren noch nicht deutlich
genug herausgestellt wurden. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin,
daß sich jedenfalls für den mit dem Produkt vertrauten Verbraucher daraus
keine so signifikanten Veränderungen ergaben, daß er veranlaßt wurde, de
gesamten Verpackungstext einer erneuten eingehenden Überprüfung zu
unterziehen. Die Beklagte konnte, da die graphische Gestaltung und die
farbliche Aufmachung der Verpackung unverändert geblieben ist, nicht damit
rechnen, daß Dauerkunden, welche - wie die Mutter des Klägers - das Produkt
schon längere Zeit verwendeten, die jetzt etwas deutlicher als auf dem seit
November 1981 verwendeten Text erfolgte Warnung zur Kenntnis nahmen (vgl.
Pietzko, aaO), zumal die ebenfalls von ihr verbreitete Flasche, mag sie au für
andere Getränke verwendbar sein, einen entsprechenden Warnhinweis nicht
enthielt.
2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch ein
Verschulden der Beklagten bejaht.
a) Es hat dazu aufgrund der von dem Kläger vorgelegte Kopie
eines in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlichten Aufsatzes über "Kindertee
und Nuckelflasche" festgestellt, daß das NURSING-BOTTLE-SYNDROM bereits im
Jahre 1971 als extremes Beispiel für die verheerende Wirkung des protrahierten
Zuckerkontaktes auf die Zähne beschrieben worden ist. Daraus leitet es ein
Verschulden der Beklagten auch für den Zeitraum vom Jahre 1979 bis zu der
Veröffentlichung der Untersuchungen von Prof. Dr. Wetzel über die
Zuckertee-Karies ab, weil es meint, die Beklagte sei als einer der führenden
Kinderteeproduzenten der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet gewesen, sich
aus dieser und anderer Quellen über die Schädlichkeit zuckerhaltiger Getränke
sachkundig zu machen.
Es mag dahinstehen, ob ein Kinderteehersteller verpflichtet
ist, dafür zu sorgen, daß ihm schnellstmöglich alle Berichte in
zahnmedizinischen Fachzeitschriften - ggf. auch aus dem Ausland über klinische
Untersuchungs- und Forschungsergebnisse hinsichtlich Kariesentstehung
zugänglich werden.
Für die Bejahung eines Verschuldens der Beklagten komm es
nämlich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht entscheidend darauf
an, ob die Beklagte sich im Jahre 1971 unter Verletzung ihrer
Produktbeobachtungspflicht nicht aus der vom Berufungsgericht erwähnten Quelle
hinsichtlich der Gefahren durch Verabreichung ihrer Kinderteeprodukte im Wege
des Dauernuckelns sachkundig gemacht hat. Die Beklagte mußte als Herstellerin
von zuckerhaltigen Teeprodukten für Säuglinge schon im Hinblick darauf, daß
sie deren Verwendung in der "kleinen Teeflasche" empfohlen hatte und ihr auch
nicht verborgen bleiben konnte, daß bei den modernen Saugern der Strahl des
Getränkes an die Rückseite der Oberkieferfrontzähne gerät, selbst prüfen,
welche Gefahren der erfolgende Teegenuß für das Gebiß der Kleinkinder hatte.
Hierzu war sie vor allem auch deshalb verpflichtet, da sie auf den Bändern
besonders auf die Sicherheit der Mutter bei der Ernährung Kindes mit ihren
Tees hingewiesen hatte. Da die Beklagte au den Tee als "Gute-Nacht-Trunk vor
dem Schlafengehen" empfohlen und darauf hingewiesen hatte, ihr Tee sei
wohltuend und so für Zufriedenheit und ungestörte Nachtruhe, mußte es sich den
Verantwortlichen der Beklagten auch aufdrängen, daß ihr Tee Kleinkindern auch
noch abends nach dem Zähneputzen und auch zum Dauernuckeln in der Abend- und
Nachtzeit überlassen wurde. Hätte die Beklagte diese Teeverwendung in ihre
Prüfung einbezogen, dann hätte sie als Fachunternehmen für Säuglingsnahrung
diese Gefahren erkennen müssen, bevor die Zahnmedizin durch die an sie
herangetragenen Fälle auf das Baby-Bottle-Syndrom aufmerksam wurde.
b) Selbst wenn wie hier diese greifbaren Anhaltspunkte für
ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht vorhanden wären, hätte das
Berufungsgericht davon ausgehen können, da der Beklagten bei der Verletzung
ihrer Warnpflichten Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Im Streitfall stand nämlich fest, daß die Beklagte ihr
Produkt mit Instruktionsfehlern in den Verkehr gegeben hat, und zwar zumindest
von dem Zeitpunkt an, von dem die Eltern des Klägers im Jahre 1979 ihre
Teeprodukte verwendet haben. Produkthaftungsprozeß ist damit aber gleichzeitig
davon aus zugehen, daß ein solcher Instruktionsmangel auf dem Verschulden des
Herstellers beruht, wenn der Beklagte nicht den Beweis führt, daß ihn kein
Verschulden trifft. Diese Beweislastumkehr hat der erkennende Senat zunächst
für den Fall Fabrikationsfehlers entwickelt (Senatsurteil BGHZ 51, 91
[Hühnerpest]). In späteren Entscheidungen sind diese Grundsätze sodann auf
Konstruktionsfehler ausgedehnt worden (vgl. BGHZ 67, 359, 361
[Schwimmerschalter]). Bezüglich eines Instruktionsfehlers hat der erkennende
Senat allerdings entschieden (BGHZ 80, 186, 195 ff [Apfelschorf - Derosal])
daß eine Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers dann nicht erfolgt, wenn
feststeht, daß dem Hersteller für den Zeitpunkt des Inverkehrbringens seines
Produktes keine unzureichende Instruktion anzulasten ist, daß der
Produktgeschädigte ihm vielmehr nur einen erst nach neueren Erkenntnissen
aufgedeckten Instruktionsfehler vorwerfen kann. Noch nicht ausdrücklich
entschieden ist vom Bundesgerichtshof bisher die Beweislastfrage für
Fallgestaltungen bei denen offen ist, ob der Hersteller nicht schon bei der
Inverkehrgabe des Produktes nach dem damaligen Erkenntnisstand Anlaß zu
Warnungen, Verwendungshinweisen und dergl. hatte.
Im Schrifttum ist aus der Entscheidung des Senats in BGHZ
80, 186, 195 teilweise entnommen worden, der Senat hat die Auffassung
vertreten, daß der Geschädigte grundsätzlich bei allen Instruktionsmängeln ein
Verschulden des Herstellers nachzuweisen habe (vgl. Baumgärtel, JA 1984, 660,
668; 19 - Soergel/Zöllner, BGB, § 823, Rdn. 147; neuerdings Bayer, V 1991,
161, 165), wenn dies auch nicht immer für richtig gehalten worden ist (vgl.
z.B. Rolland, Produkthaftungsrecht Teil 2, Rdn. 122 [S. 376]). Indes hat der
erkennende Senat wie schon der Wortlaut der Entscheidung ausweist, seine
Ausführungen zur Beweislastumkehr auf den dort allein fraglichen Verstoß gegen
eine erst nachträglich entstandene Warnpflicht beschränkt (vgl. auch Foerste,
Produkthaftungshandbuch, Bd. l, § 30, Rdn. 76). Bezüglich des bei
Inverkehrgabe des Produkts begangenen Instruktionsfehlers kann nichts anderes
gelten wie bezüglich der Fabrikations- und Konstruktionsfehler. Auch insoweit
hat der Geschädigte lediglich den Beweis zu führen, daß eine Instruktion des
Verbrauchers nötig war. Es ist dann Sache des Herstellers, entsprechende
Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, woraus sich ergibt, daß die Gefahren
für nicht erkennbar waren, ihn also kein Verschulden trifft (vgl. Rolland, aaO;
Brüggemeier, ZIP 1991, 379 f). Die hat Beklagte diesen Beweis nicht führen
können.
3. Erfolglos greift die Revision das Berufungsurteil auch
insoweit an, als darin ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unterlassen von
Warnhinweisen und der Verabreichung de Tees sowie zwischen dieser und den
Schäden an den Oberkieferschneidezähnen des Klägers festgestellt wird.
Das Berufungsgericht geht unter Bezugnahme auf das Urteil
des erkennenden Senats vom 24. Januar 1989 (VI ZR 112/88 - BGHZ 106, 273, 284
- Asthmaspray) ersichtlich davon aus, daß die Beweislast dafür, daß die
Schäden durch eine ausreichende Warnung vor dem Risiko vermieden worden wären,
den Kläger trifft. Hieran hält der Senat fest. Doch kann eine tatsächliche
Vermutung dafür bestehen, daß dann, wenn auf bestimmte Gefahren deutlich und
für den Adressaten plausibel hingewiesen worden ist, dies auch beachtet worden
wäre (vgl. Senatsentscheidung Urteil vom 18. Oktober 1988 VI ZR 94/88 - VersR
1989, 155, 157 = JZ 1989, 249 mit Anm. v. Bar [Baggersee]). Der Warnpflichtige
kann diese Vermutung dann entkräften.
Das Berufungsgericht hält den Kausalitätsbeweis
verfahrensfehlerfrei für geführt. Die Rüge, das Berufungsgericht habe dabei
wesentlichen Prozeßstoff unberücksichtigt gelassen ist nicht begründet. Der
Senat sieht gemäß § 565 a ZPO davon ab, dies im einzelnen darzulegen.
Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen der
Teeverabreichung und der Kariesentstehung an den Zähnen des Klägers durfte das
Berufungsgericht das Gutachten von Prof. Dr. Wetzel im Wege des
Urkundenbeweises verwerten, da dieser in dem auf Antrag des Klägers und seiner
Eltern durchgeführten Beweissicherungsverfahren am 25. Oktober 198 erstattet
hat ....
4. Rechtlich unbedenklich sind weiterhin die Ausführungen
des Berufungsgerichts zur Nichtberücksichtigung eines Mitverschuldens der
Mutter des Klägers (wird ausgeführt).